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  • VfG greift erneut in Raumordnung ein.

    Das Abkommen zwischen SVP, PD und PATT, das vor der letzten Parlamentswahl unterzeichnet wurde, beinhaltet unter anderem folgenden Punkt:

    4) Wiederherstellung der primären Zuständigkeiten in den Bereichen Umwelt, der Urbanistik und Landschaftsschutz, der Wasserkonzessionen, der öffentlichen Verträge und zwar durch Anpassung des Autonomiestatuts und der Durchführungsbestimmungen;

    Jedoch wurde bislang keine einzige dieser Zuständigkeiten wiederhergestellt. Im Gegenteil, es hat immer wieder Angriffe auf unsere Autonomie gegeben, die auch diese Bereiche betreffen.

    Letzte Woche hinterlegte nun das Verfassungsgericht (VfG) abermals ein Urteil (Nr. 121/2014), das zur Aushöhlung unserer Autonomie im Bereich der Raumordnung beiträgt. Vor rund drei Jahren hatte ich beschrieben, warum eine damals ins Auge gefasste Ausweitung der Baubeginnmeldung (BBM) meiner Ansicht nach nicht sinnvoll wäre, sondern einen Beitrag zu größerer Rechtsunsicherheit bedeuten würde. Aus der Raumordnungsreform von Landesrat Pichler Rolle (SVP) wurde dieses Vorhaben denn glücklicherweise gestrichen. Doch nun zwingt das VfG-Urteil das Land zur Übernahme einer staatlichen Reform, die die BBM durch die wesentlich weiterreichende Zertifizierte Baubeginnmeldung (nennen wir sie ZEB) ersetzt — mit ebenso weitreichenden Folgen: Ein erheblicher Teil der Baumaßnahmen wird fortan der präventiven Überprüfung durch die Bauämter der Gemeinden entzogen, sodass vielfach erst nachträglich stichprobenartige Kontrollen durchgeführt werden können. Dass einerseits mit einem deutlichen Anstieg an Bausünden zu rechnen ist, da Abbrüche nur bei drastischen Vergehen in Frage kommen, während andererseits auch ehrliche Bauherren jahrelang unter dem Damoklesschwert einer nachträglichen Kontrolle leben müssen, ist leicht vorhersehbar.

    Das Land argumentierte vor dem VfG vergeblich mit der Zuständigkeit im Bereich der Raumordnung. Das Gericht quittierte dies nämlich mit der Feststellung, dass die zivilen und sozialen [Grund-]Rechte auf dem gesamten Staatsgebiet gewährleistet werden müssen. Wenn aber bereits die Form eines Bauantrags und seiner Genehmigung zu den national zu vereinheitlichenden Grundrechten gehört, ist dies Ausdruck von einem kaum noch zu überbietenden Zentralismus, der Autonomien kaum noch Spielraum gewährt. Und mit der Verfassungsreform von Matteo Renzi könnte sich diese Situation noch einmal verschärfen.

    Fest steht aber in jedem Fall: Jenes zwischen SVP, PD und PATT gehört eindeutig nicht zur Kategorie »Abkommen, das hält«.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Gespräch: Demokratisierung der EU.

    Auf Einladung von Politis – Zentrum für politische Bildung und Studien in Südtirol und dem Netzwerk für Partizipation diskutieren diesen Donnerstag die drei Südtiroler EU-Parlamentskandidaten Herbert Dorfmann (SVP), Oktavia Brugger (Tsipras/Südtiroler Grüne) und Pius Leitner (Lega Nord/Freiheitliche) zum Thema »mehr Demokratie in der EU«, aber auch über weitere Aspekte ihres Wahlprogramms.

    Genügt dieses einzigartige Konstrukt, eine Kombination zwischen Staatenbund und Bundesstaat, den Ansprüchen parlamentarischer Demokratie? Soll und kann die EU überhaupt durchgehend demokratisch organisiert werden? Wie geht es weiter mit der direkten Beteiligung der EU-BürgerInnen an der Politik? Um Demokratiedefizite zu kompensieren, wird eine stärkere Bürgerbeteiligung angestrebt und die Europäische Bürgerinitiative ist eingeführt worden: ist das schon alles? Welche Referendumsrechte benötigt eine demokratischere EU? Wie muss die institutionelle Architektur der EU verändert werden, um die EU zu demokratisieren?

    Die öffentliche Veranstaltung findet am 15. Mai ab 20.00 Uhr im Großen Saal des Bozner Kolpinghauses statt. Für die Moderation zeichnet Georg Schedereit verantwortlich.



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  • Keller, Wurst und die Bürgerrechte.

    Die Spitzenkandidatin der europäischen Grünen, Ska Keller, war heute bei einer Wahlkampfveranstaltung von ICV im katalanischen Sant Feliu del Llobregat, wo sie einmal mehr für das Selbstbestimmungsrecht einstand. Sie versprach, sich von Brüssel aus aktiv dafür einzusetzen, dass Spanien die Abstimmung vom 9. November zulässt, spannte aber ganz tagesaktuell auch einen Bogen zu ESC-Siegerin Conchita Wurst. Im Widerspruch zum Pessimismus der Nordtiroler Grünen Sigrid Maurer sprach sie davon, dass Europa offener und fortschrittlicher sei, als viele denken. Zudem, so Keller, sei auch Wurst ein Beispiel für das Recht auf Selbstbestimmung — nämlich das der Menschen, so zu sein, wie sie möchten. Sie unterstützt somit unsere Auffassung, dass das individuelle und das kollektive Selbstbestimmungsrecht untrennbar zusammengehören, letzteres also nicht (mehr) allein auf das Völkerrecht reduziert werden kann.

    Schade, dass die Südtiroler Grünen bei der EU-Wahl nicht Teil der europäischen Grünen sind: Eine solche Spitzenkandidatin hätte man nur allzu gerne unterstützt.



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  • Relikte und Museen.
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    [È] possibile che il ‘problema’ del fregio di Mussolini abbia davvero ancora uno spessore tale da spingere il presidente Kompatscher a porre la questione in una maniera così decisa?
    Quanto c’entrano in tutti ciò i complessi equilibri interni alla Svp, ufficialmente e plebiscitariamente lanciata verso il futuro, ma in realtà  impegnata a fare i conti con gli aspetti più radicali della propria essenza, legati all’eterna ‘rivalsa per il torto subito’?

    Dies schreibt Luca Sticcotti — übrigens in einem unzweifelhaft nicht als Kommentar gekennzeichneten redaktionellen Beitrag bei Salto — über die Entscheidung des Landeshauptmanns, die Eröffnung des Dokumentationszentrums unter dem Bozner Siegesdenkmal an einen neuen Umgang mit den faschistischen Relikten zu knüpfen. Ich halte diese Vorgangsweise von Arno Kompatscher (SVP) für äußerst klug, umsichtig und konsequent. In einem unterirdischen Verlies eine Ausstellung zu eröffnen, die noch dazu unter Ausschluss der Öffentlichkeit gestaltet wurde, und an der Oberfläche, im Tageslicht, alles so zu belassen, als hätte man das Problem (wie Sticcotti durch die Anführungszeichen selbst nahelegt) nicht erfasst, kann man keinesfalls als zukunfstgewandt (»lanciato verso il futuro«) bezeichnen. Entweder das Dokumentationszentrum ist in eine klare Gesamtstrategie eingebettet, die auch einen gesellschaftlichen Rückhalt hat — was Kompatscher und Spagnolli wenigstens kommunizieren — oder das Dokumentationszentrum agiert völlig losgelöst von der es umgebenden Realität. Dann aber ist es ein Feigenblatt, das man sich gleich sparen kann. Wenn er Geschichtsaufarbeitung und Historisierung als Revanchismus und Gestrigkeit interpretiert, hat zumindest Herr Sticcotti herzlich wenig davon verstanden.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02



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  • Nordtiroler Genies.
    Quotation

    »Gitschberg-Jochtal« ist für Italiener nicht aussprechbar.

    Florian Mair, Geschäftsführer Tourismusverein Gitschberg-Jochtal (TAZ, 10. Mai 2014).

    Dies ist einer der »marketingtechnischen« Gründe, warum die Region auf dem italienischen Markt fortan als »Rio Pusteria« beworben werden soll. Demnach müssen beispielsweise im Paznauntal wahre Genies am Werk sein. Dort ist es nämlich gelungen, einen Ort, der wohl den wenigsten Nicht-Deutsch-Sprechern – ja nicht einmal diesen – leicht über die Lippen kommt, weltweit bekannt zu machen. Ischgl verbucht rund 1,5 Millionen Nächtigungen pro Jahr und hat einen internationalen Gästemix – darunter auch Italiener. Ob es der Tourismuswerbung außerdem förderlich ist, wenn man seine potentiellen Gäste als Quasi-Idioten hinstellt, die unfähig sind, eine für sie ungewöhnliche Buchstabenfolge zu artikulieren, wäre auch zu hinterfragen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 || 01 02 03



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  • Landtage im Gleichschritt.

    In Ermangelung eines gemeinsamen Landtags, wie ihn die Unterzeichnung des Madrider Abkommens (Zusatzprotokoll) durch Italien ermöglichen würde, setzen nun Süd- und Nord-/Osttiroler Parteien ein gewichtiges Zeichen der interparlamentarischen Zusammenarbeit. So wollen 5SB, BürgerUnion, Freiheitliche, Liste Fritz, SPÖ, STF, Südtiroler Grüne und Vorwärts Tirol die beiden Landtage in einer bedeutenden Angelegenheit wie dem gemeinsamen Binnenverkehr im Gleichschritt arbeiten lassen. Konkret geht es um die Wiedereinführung der Zugverbindung Lienz-Bruneck-Innsbruck, die Ende 2013 durch einen Busverkehr ohne Zwischenhalte in Südtirol ersetzt wurde. Hierzu werden die unterstützenden Parteien die beiden Landtage im Mai mit einem Gesamttiroler Mehrparteienantrag befassen. Was die Finanzierung betrifft, so wird eine anteilsmäßige Kostenübernahme durch die Landesteile angestrebt.

    Über den konkreten Inhalt des Vorstoßes hinaus, den wir unterstützen, hat diese neue Form der Zusammenarbeit auch einen symbolischen und praktischen Wert in der Stärkung der Euregio als gemeinsamen politischen Raum. Bleibt zu hoffen, dass dies keine Einzelaktion ist, sondern der Auftakt zu einer stärkeren Integration — in Ergänzung zur bereits gut funktionierenden Zusammenarbeit mit dem Trentino.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Mit Schutzklausel zum gallischen Dorf.

    Seit jeher nährt die Südtiroler Sonderautonomie den Neid anderer Gebiete, da dortige Politiker und BürgerInnen meist weder ihre historischen und gegenwärtigen Gründe kennen, noch ihre Funktionsweise verstehen. Da der Staat sich nicht als vielfältiges Gebilde versteht, sondern als zentralistisches und gleichmacherisches Konstrukt, fehlt auch eine wichtige Grundlage für Respekt und Toleranz gegenüber einer sprachlichen, kulturellen, aber auch politischen Sondersituation wie der unseren. Während der letzten Monate ist, befeuert durch die Wirtschaftskrise, auch der Rechtfertigungsdruck auf die Autonomie auf ein nie gekanntes Maß gestiegen. Dies kurioserweise genau jetzt, als unsere Zuständigkeiten von Rom fortlaufend und großteils widerrechtlich in Frage gestellt und ausgehöhlt wurden.

    Um die Angriffe abzuwehren und den Druck auf Südtirol zu verringern ist die Landespolitik mitunter dazu übergegangen, eine Rolle einzunehmen, die ihr eigentlich fremd ist: Sie hat den Umbau des Staates im Sinne einer Föderalisierung gefordert und sicherte anderen Territorien, die einen Anspruch auf Autonomie erhoben, ihre Unterstützung zu — so der nahen Provinz Belluno, aber auch ganzen Regionen, wie Venetien und zuletzt der Lombardei. Das Credo war und ist, dass nicht wir auf unsere vertraglich zu-, aber offenbar rechtlich nicht besonders gut abgesicherte Autonomie verzichten sollten, sondern wennschon auch andere in den Genuss einer erweiterten Eigenregierung kommen sollten, um die Schere zwischen »normalen« und autonomen Regionen etwas zu verkleinern. Während eine vergleichsweise kleine Region wie die unsere jedoch Anregungen geben und Allianzen bilden kann, ist die Dezentralisierung eines Staates gegen seinen Willen — und vor allem: gegen sein Selbstverständnis — wohl ein zu großes Unterfangen. Wollte Italien und wollten die italienischen Staatsbürger mehrheitlich ein föderalistisches, plurales Land, so könnten sie dies jederzeit durch entsprechendes Wahlverhalten unterstützen und umsetzen.

    Seit Matteo Renzi an den Machthebeln sitzt, im Grunde aber spätestens seit Mario Monti, geht die Fahrt sogar mit voller Kraft in die entgegengesetzte Richtung: Die nun in Umsetzung befindliche Verfassungsreform soll den zaghaften Föderalisierungsbestrebungen der letzten Jahre den Garaus machen und eine deutliche Zentralisierung herbeiführen. Senator Francesco Palermo bringt dies im heutigen TAZ-Interview schonungslos zum Ausdruck.

    Der Staat geht dramatisch in Richtung Zentralismus. Wir sind aber zu klein und irrelevant, um das zu verhindern. Unsere letzte Chance besteht darin, uns mit der Schutzklausel abzusichern.

    — Sen. Francesco Palermo

    Südtirol gerät also stark in die Defensive und muss darauf hoffen (!), im turbulenten Verfassungsänderungsverfahren eine Klausel durchzubringen, die zumindest angereifte Rechte und Zuständigkeiten heil durch den Sturm bringt. Ein weiterer Ausbau der Autonomie, ja gar so etwas wie eine »Vollautonomie«, scheint immer weiter in die Ferne zu rücken. Doch es kommt noch schlimmer: Die Schutzklausel wird im Angesicht eines dramatisch zentralisierten Staates die Schere zwischen herkömmlichen Regionen und der unseren ebenso dramatisch aufgehen lassen. Während ihre Volksvertreter in Rom großmehrheitlich einer Zentralisierung zustimmen — die für eine Verfassungsreform nötige Zweidrittelmehrheit wäre gegen Lombardei und Venetien kaum zu erreichen — werden Neid und Unverständnis für die Südtiroler Sondersituation im Vergleich zur Vergangenheit noch einmal ansteigen. Dann werden wir wirklich zum »gallischen Dorf«.

    Cëla enghe: 01



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