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  • Täglich 6 Millionen pfutsch.

    »Es geht um viel Geld, um sehr viel Geld«, oder »Die Volksseele kocht«. So tönte Rai Südtirol in den Abendnachrichten vom 26.02.2014 bzw. im heutigen Morgentelefon. Das Vokabular des A. Adige möchten wir hier besser nicht wiedergeben, es bewegt sich teilweise zwischen Kanaldeckel und dem was darunter entsorgt wird. Auf subtile und weniger subtile Art und Weise will man dort wohl suggerieren, dass zwischen Südtirols politischer Klasse und den gravierenden institutionellen Problemen des Zentralstaates und seiner politischen Klasse kein Unterschied mehr bestünde.

    Aber kommen wir zum eigentlichen Thema. Bei den soeben reformierten Politikerpensionen geht es tatsächlich um viel Geld, aber nicht um so viel Geld, dass Südtirols Zukunft auf dem Spiel steht. Diese wird auf einer ganz anderen Ebene in Frage gestellt, aber darüber verlieren Südtirols Mainstream-Medien keine Worte, obwohl die Daten spätestens seit der »porta a porta« Sendung mit Südtirols LH bekannt sind.

    Seit 2003 ist Südtirol Nettozahler, das heißt das Land Südtirol bezahlt, abzüglich aller öffentlichen Ausgaben, einschließlich der Leistungen des Zentralstaates, mehr Geld an Italien, als hier ausgegeben wird. Im Jahre 2011 belief sich diese Summe auf 1,4 Milliarden Euro, heuer dürfte sie sogar auf über 1,5 Milliarden Euro steigen. Dieses Geld wird vom Zentralstaat eingestrichen, ohne jegliche Gegenleistung und nur geringen Möglichkeiten der Mitsprache über die Verwendung dieser Summen. hat sich immer für Solidarität ausgesprochen. Aber auch Solidarität muss demokratisch legitimiert sein und die Verwendung der hierfür eingesetzten Mittel muss einem nachvollziehbaren Zweck dienen. Derzeit verschwindet das von Südtirols BürgerInnen erwirtschaftete Geld sprichwörtlich in einem Schwarzen Loch.

    Damit nicht genug: Die Staatsverschuldung des Zentralstaates wächst munter weiter. 2012 gab es 50 Milliarden Euro und 2013 gar 80 Milliarden Euro Neuverschuldung. Dies sind im Schnitt 65 Milliarden Euro. Auf Südtirol herabgebrochen ist dies eine Neuverschuldung von ca. 600 Millionen Euro jährlich.

    Im Klartext: Pro Jahr verschlechtert sich die volkswirtschaftliche Lage Südtirols um ca. 2,1 Milliarden Euro. Das sind gute 11% des in Südtirol erwirtschafteten BIP. All das was bis Mitte Februar erwirtschaftet wird ist sprichwörtlich verloren, oder anders ausgedrückt, täglich kostet Südtirol die Zugehörigkeit zu Italien knappe 6 Millionen Euro, 240.000 Euro stündlich oder jeden Bürger Südtirols (vom Kleinkind bis zum Greis) 4.200 Euro jährlich.

    Diese dramatische Situation zehrt mittelfristig unsere Substanz auf. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Entweder über die schnellstmögliche Umsetzung einer vollständigen Steuer- und Finanzhoheit, die das Schicksal Südtirols von der des zentralstaatlichen Haushaltes und der Staatsverschuldung vollständig abkoppelt, oder den Weg in die Unabhängigkeit.

    Unter diesen Rahmenbedingungen wäre unser Land in 10 bis 20 Jahren völlig schuldenfrei, was beinahe traumhafte Perspektiven und Gestaltungsspielräume eröffnen würde.

    LandespolitikerInnen, die glaubwürdig an der Umsetzung dieser Ziele arbeiten, sollen auch angemessene Bezüge erhalten — freilich, Leibrenten, nach römischem Vorbild, soll es zu Recht keine mehr geben, hierfür muss selbst vorgesorgt werden.



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  • Option — und Selbstbestimmung.

    Am Sonntag Nachmittag habe ich die letzte Gelegenheit wahrgenommen, mir im Bozner Stadttheater Option — Spuren der Erinnerung anzusehen. Darin berichteten Zeitzeugen aus ihren Erfahrungen, theatralisch knapp umrahmt von Schauspielern, die sich als Moderatoren und Interviewer verdingten. Obschon das Stück etwas steif daherkam, mit einigen Passagen, die nach einer Rechtfertigung für die Anwesenheit von Schauspielern aussahen, bisweilen gefühlsduselig, anmaßend und — teilweise — unter Ausblendung der Mittäter- und -wisserschaft, halte ich es für einen der gelungensten Beiträge zur Bewusstwerdung und Aufarbeitung in unserem Land.

    Auch in Bezug auf die hier im Blog behandelten Themen war mir das Theaterstück ein Anlass, über die Option nachzudenken. Schließlich wird nicht selten behauptet, eine Volksabstimmung über die Zukunft Südtirols (Selbstbestimmung) wäre für unser Land eine Erneuerung dieses Leids, eine zweite Option. Ein Vorwurf, dem wir bereits grundsätzlich widersprochen haben.

    Angesichts der berührenden Zeugnisse direkt Betroffener habe ich jedoch stärker als je zuvor gespürt und verstanden, wie beleidigend und irreführend es allein schon ist, Selbstbestimmung und Option in einem Atemzug zu nennen. Die Option war im extremst nationalistischen Sinne eine Entscheidung zwischen alles oder nichts, für ganz oder gar nicht. Das war die Apotheose des Nationalen, der völligen kulturellen Reinheit des Menschen und seiner absoluten Entwürdigung im Angesicht eines kranken Weltbildes: ’Du kannst nur entweder oder sein, aber nicht und.’ Kaum irgendwo prallt dieser Irrglaube deutlicher auf Widersprüche, als an den sprachlichen und »ethnischen« Bruchstellen, die sich gerade in den Alpen auf besonders engem Raum verzahnen und überlappen. Und dennoch: Auch hier »musste« getrennt, gesäubert, entflochten werden, was sich nicht trennen, säubern, entflechten lässt. Entweder deutsch oder italienisch, selbst die Ladiner. Und gar noch dümmer: Entweder Deutsche oder (Süd-)Tiroler. Eine Entscheidung, die bis in die letzte Pore zu dringen, vollständig zu sein hatte und daher über alles gestellt wurde. Man ignorierte sich im besten Fall, man schikanierte und beleidigte, bespuckte und überfiel einander, Freundschaften, sogar Verwandtschaften zerbrachen an der künstlich erschaffenen Bruchstelle.

    Demgegenüber wäre die Loslösung Südtirols vom Nationalstaat, dem es heute angehört, die Sanktionierung und Anerkennung der Tatsache, dass wir nicht so oder so sind, sondern ein Land, das sich national nicht zuordnen lässt und das auch nie wieder möchte. Ein Land, das weder nationale Regel noch nationale Ausnahme sein möchte, sondern seine Vielfalt in Normalität und Ungezwungenheit leben will. Wer einen demokratischen Entscheid hierüber mit der Option vergleicht, verdient eigentlich — nicht einmal ignoriert zu werden.



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  • Renzi für zentralstaatlichen Vorrang.

    Im Senat hat der designierte italienische Ministerpräsident Matteo Renzi (PD) heute wortreich und verblümt dargelegt, wie und warum es einen Vorrang für die nationale Gesetzgebung brauche, und zwar ausdrücklich auch dort, wo die alleinige Zuständigkeit bei den Regionen liegt. Erste Befürchtungen scheinen sich so zu bestätigen. Am Grundsatz, dass dem Staat nur jene Kompetenzen zustünden, die ihm von der Verfassung ausdrücklich zugeschrieben werden, und dass die Regionen alle anderen Zuständigkeiten wahrnehmen dürften, wolle er nicht rütteln. Trotzdem solle es eine Klausel geben, die dem Staat den Eingriff gestatte, wenn dies die wirtschaftliche und juridische Homogenität des Landes erforderlich mache — im Klartext: das nationale Interesse. Als Rechtfertigung erwähnte er den Glaubwürdigkeitsverlust der Regionen durch die Skandale der letzten Jahre, als ob man erstens alle Regionen über einen Kamm scheren könnte und als ob zweitens der Zentralstaat kein Glaubwürdigkeitsproblem hätte. Würde die EU ähnliche Maßstäbe anlegen, müsste sie Italien — wo die Hälfte der europäischen Korruption stattfindet — wohl längst unter Kuratel stellen. Zudem nahm Renzi Bezug auf die hohe Anzahl von Konflikten, die in letzter Zeit vor dem Verfassungsgericht ausgefochten wurden. Im Falle Südtirols lag das jedoch vor allem daran, dass sich der Staat, speziell (aber nicht nur) die Regierung Monti, nicht um bestehende Verträge scheren wollte und sie de facto einfach ignorierte. Dem Konfliktreichtum dadurch ein Ende bereiten zu wollen, dass sich Rom per Verfassung grundsätzlich selbst das Recht einräumt, regionale Zuständigkeiten zu übergehen, ist eine ebenso einfache wie zentralistische Lösung.

    Willkommen in der Ära Renzi, willkommen auf dem Boden der Tatsachen.



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  • Kollektiv gewinnen, individuell versagen.

    Das Internetportal laola.at fragt: »Wie viele Medaillen gewinnt Österreich in Sotchi?«. Rainer Pariasek sagt: »Auch heute gab es wieder eine Medaille für Österreich!« Ich höre Menschen in Innsbruck auf der Straße hinausposaunen: »Jetzt haben wir schon 17 Medaillen gewonnen!« Olympische Spiele sind Nationalismusfestspiele. Interessant ist jedoch, dass nur der Erfolg national vereinnahmt wird. Versagen tun dann doch immer die Individuen. Man gewinnt für Österreich. Aber man verliert für sich selbst. Zum Beispiel habe ich nach dem letzten Dopingfall um den Langläufer Johannes Dürr niemanden sagen gehört: »Österreich hat gedopt!«



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  • Barroso & Scotland.
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    Die grundsätzlich unionistisch eingestellte britische Zeitschrift The Economist in ihrer dieswöchigen Ausgabe über die neulichen Aussagen von EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso:

    On a visit to London last weekend, José Manuel Barroso, president of the European Commission, delivered an even harsher blow. He said it would be “extremely difficult, if not impossible” for Scotland to secure the agreement of the 28 other countries to join the EU. One reason, he added, was opposition from Spain, the most intransigent of the five EU members that still refuse to recognise the independence of Kosovo. Mr Barroso claimed he did not want to interfere in the Scottish debate but that is what he did—and he may have gone too far. As the man who runs the commission, he is entitled to set out his views of European law. But he should not judge the likelihood of a successful application, speak on behalf of Spain, or suggest that peaceful referendums in western Europe are equivalent to the violent break-up of a Balkan country. After all, the commission’s job is to assess accession applications impartially.

    Der Autor des Artikels erklärt Barrosos Angst vor einer Abspaltung Schottlands unter anderem damit, dass dieser wohl befürchte, der EU-kritischere Rest des Vereinigten Königsreichs könnte (ohne Schottland) 2016 eher für einen Austritt aus der Union votieren.

    Cëla enghe: 01 || 01 02



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  • Amerikaner.
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    Alpinipreisträger Florian Kronbichler sagt im TAZ-Interview:

    Menschlich hab ich Enrico Letta lieber gehabt. Er ist ein klassischer Italiener. Renzi ist ein Amerikaner, den das Volk will. Er ist schwer berechenbar.

    • Die Berechenbarkeit der »klassischen Italiener« (einschließlich Letta) durften wir Südtiroler im Laufe der letzten Jahre miterleben.
    • Sonderbar, dass nicht das Volk gefragt wird, wen es will — Kronbichler (der neuerdings auch die direkte Demokratie einschränken möchte) es aber immerhin trotzdem weiß.


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  • Renzi, Wunsch und Wirklichkeit.

    LH Arno Kompatscher (SVP) war gestern in Rom bei seinem Freund Matteo Renzi (PD). Dieser machte ihm eine Reihe von Zusagen, wovon jene, Minister Graziano Delrio bleibe Ansprechpartner der Autonomien, wohl die sonderbarste ist: Delrio hatte von Anfang an versprochen, reichere Regionen wie unsere unverhältnismäßig stark zur Kasse zu bitten. Zudem hatte er sich dadurch ausgezeichnet, die Beibehaltung von Staatsflaggen an Südtiroler Schutzhütten zu fordern. Trotzdem: Sein Verbleib wurde gestern als Erfolg gefeiert.

    Welchen Wert Renzis Worte tatsächlich haben, wird sich erst noch beweisen müssen. Noch vor kurzem hatte er zum Beispiel mitgeteilt, er würde einen Regierungsauftrag ohne Neuwahlen ablehnen, denn das wären »Methoden wie in Zeiten der ersten Republik«. Und jetzt kommt es trotzdem anders.

    Wie weit Wunsch und Wirklichkeit oft auseinanderklaffen, zeigte sich gestern ebenfalls: Während der Landeshauptmann noch in Rom verweilte, kündigte sein Stellvertreter, Christian Tommasini (PD), in Bozen an, das Land werde gegen das Stabilitätsgesetz seines Parteikollegen, Südtirolfreund Enrico Letta, vor dem Verfassungsgericht klagen, da es unsere Autonomie missachte.



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  • Mehrsprachige Schule in Sardinien.

    Francesco Pigliaru, Listenführer des sardischen PD, der am Sonntag, 16.02.2014 die Regionalwahlen in Sardinien mit über 42% gewonnen hat kündigt eine massive Aufwertung des Sardischen an. Das Sardische spielt heute im Schulsystem der zweitgrößten Mittelmeerinsel nur eine untergeordnete Rolle. Pigliaru gab auch zu verstehen, dass das von der Schriftstellerin Michela Murgia angeführte Bündnis, deshalb bei den BürgerInnen nicht angekommen sei, da diese verstanden hätten, dass der PD das eigentliche Herz der Autonomie sei.

    Im sardischen Schulsystem plant man eine kleine Revolution. Das Sardische soll dem Italienischen völlig gleichgestellt werden und zumindest 50% der Fächer sollen in der Sprache der Minderheit unterrichtet werden. Wie dies bewerkstelligt werden soll konnte die Schulbeauftragte des sardischen PD, Frau Cornelu Prugu nicht erläutern. Tatsächlich findet die Lehrerausbildung der sardischen LehrerInnen, die morgen auf Sardisch unterrrichten sollen, auf Italienisch statt. Ein katalanisches Medium unterstrich vor etlichen Monaten, dass es für eine wirksame Kehrtwende zugunsten des Sardischen mittlerweile zu spät sei.

    Trotzdem ist man beim sardischen PD optimistisch. Unterstützt wird man auch vom PD aus Südtirol, der sich in der Vergangenheit regelmäßig für mehrsprachige Schulen in verschiedenen italienischen Regionen eingesetzt hat. So forderte der PD aus Bozen die massive Aufwertung des Sizilianischen auf Sizilien, des Friulanischen im Friaul und des Okzitanischen im Piemont. In Sardinien möchte der PD aus Bozen seiner Schwesterpartei, so wie in Südtirol, ein assymetrisches Schulmodell vorschlagen. Jahrzehntelange zentralstaatlich ausgerichtete Schulpolitik seien verheerend für das Sardische gewesen. Um dies zu korrigieren solle man sich am katalanischen Schulmodell orientieren. Als Brücke könne die kleine katalanische Sprachgemeinschaft in Alghero auf Sardinien dienen. In Zukunft sollen mindestens zwei Drittel aller Fächer auf Sardisch unterrichtet werden. Zudem möchte der PD aus Bozen den Sarden auch im Konsumentenschutz neue Wege schmackhaft machen. Auf Sardinien ist es gängige Praxis, dass Produkte nur auf Italienisch, der Sprache des Nationalstaates, etikettiert werden. Gegen diese Praxis kämpfe man schließlich auch in Bozen. In Zukunft sollte es in Sardinien auch möglich sein Produkte nur auf Sardisch zu etikettieren. Das Ziel solle aber eine flächendeckende mehrsprachige Etikettierung sein.



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