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  • Das Ortsnamengesetz im Wortlaut.

    LANDESGESETZ

    Errichtung des Verzeichnisses der Ortsnamen des Landes und des Landesbeirates für Kartograhie [sic]

     

    Art. 1
    Ortsnamenverzeichnis

    1. Das Verzeichnis der Ortsnamen des Landes Südtirol wird errichtet.

    2. Das Verzeichnis der Ortsnamen dient der korrekten Benennung des Südtiroler Gebietes sowie der Verbreitung der Kenntnis, der Aussprache, des Gebrauchs, der Bedeutung, der Tradition und der Herkunft der Ortsnamen.

    3. Das Ortsnamenverzeichnis wird auch unter Beachtung des Artikels 8 Absatz 1 Punkt 2 des Autonomiestatuts und zur Erfüllung der in den Artikeln 101 und 102 des Autonomiestatuts für die Region Trentino-Südtirol genannten Zwecke errichtet und umfasst alle im Lande Südtirol gebräuchlichen Ortsbenennungen und die antiken oder nicht mehr verwendeten Namen.

    4. Jeder Ortsname wird in der deutschen, italienischen und ladinischen Fassung eingetragen, sofern in jeder dieser Sprachen in der jeweiligen Bezirksgemeinschaft gebräuchlich und vom Beirat gemäß Artikel 3 genehmigt.

    5. Der Vorschlag zur Eintragung laut Absatz 4 wird vom gebietsmäßig zuständigen Rat der Bezirksgemeinschaft an den Beirat laut Artikel 3 gerichtet, wobei den in den jeweiligen Sprachen geläufigen Benennungen und der Beibehaltung der ursprünglichen Fassung der historischen Namen Rechnung getragen wird.

    6. Das Ortsnamenverzeichnis ist mit einer kartographischen Darstellung versehen, die in thematische Karten betreffend die verschiedenen berücksichtigten Ortsnamenbereiche gegliedert ist.

    7. Das Ortsnamenverzeichnis des Landes Südtirol wird, auch auszugsweise, in einem oder mehreren Bänden veröffentlicht und der Bevölkerung auch über die Web-Seiten des Landes zugänglich gemacht.

     

    Art. 2
    Landeskartographie

    1. In den vom Land Südtirol erstellten topographischen Karten werden die Ortsnamen gemäß den im Sinne von Artikel 3 erlassenen Leitlinien für den einheitlichen Gebrauch der geographischen Namen des Landes eingetragen.

    2. Die Namen werden in Deutsch, Italienisch und Ladinisch angeführt, sofern sie in jeder dieser Sprache [sic] gebräuchlich sind, und zwar gereiht nach der Größe der jeweiligen Sprachgruppe in den entsprechenden Orten, wie sie anlässlich der zum Eintragungsdatum letzten allgemeinen Volkszählung erhoben wurde.

    Art. 3
    Landesbeirat für Kartographie

    1. Die Beurteilung und Genehmigung der von den gebietsmäßig zuständigen Bezirksgemeinschaften eingereichten Vorschläge gemäß Artikel 1 Absatz 5 obliegen einem aus sechs Fachleuten auf den Gebieten Geschichte, Geographie und Kartographie zusammengesetzten Beirat, der von der Landesregierung für die Dauer von einer Legislaturperiode ernannt wird. Drei Mitglieder, eines für jede Sprachgruppe, werden vom Landtag, auf Vorschlag der Abgeordneten der jeweiligen Sprachgruppen, und drei von der Landesregierung auf Vorschlag der Landesräte der jeweiligen Sprachgruppen namhaft gemacht.

    2. Die Sitzungen sind gültig, wenn die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist; beschlossen wird mit absoluter Mehrheit der Anwesenden.

    3. Wenn es der Beirat für angebracht hält, kann er fallweise Fachleute und Experten oder Vertreter von Körperschaften oder Interessensverbänden einladen, ohne Stimmrecht an seinen Sitzungen teilzunehmen.

    4. Der Landesbeirat legt weiters die methodologischen Kriterien für den Aufbau und die Gestaltung des Ortsnamenverzeichnisses des Landes fest und erarbeitet im Einklang mit den einschlägigen Richtlinien der kartographischen Organe des Staates laut Gesetz vom 2. Februar 1960, Nr. 68, in geltender Fassung, und der internationalen Gremien, bei denen diese mitwirken, Leitlinien für den einheitlichen Gebrauch der geographischen Namen des Landes zum Rechtsstatus der Ortsnamen in den jeweiligen Sprachen, zu deren Alphabet und Orthographie, Hinweise zur Aussprache der Ortsnamen, zu den in diesen erkennbaren sprachlichen Substraten, zur geographischen Verteilung der Sprachen, dialektale Besonderheiten, Bezug zwischen Dialekt und Hochsprache, Quellenmaterial, Erhebungs- und Befragungskriterien, Glossar der für die Lesbarkeit der Karten erforderlichen Worte, amtliche Abkürzungen, und zu den Verwaltungsbegriffen; der Beirat äußert sich ferner zu allen weiteren Fragen, die für die Umsetzung dieses Gesetzes von Belang sind, und sorgt für die Erstellung des Ortsnamenverzeichnisses.

    5. Die Festlegungen des Landesbeirates für Kartographie werden, unbeschadet der Richtlinien laut Artikel 4, auf den Web-Seiten des Landes Südtirol veröffentlicht und sind für die Gemeinden bei der Ausübung der Befugnisse laut Artikel 16 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 24. Juli 1977, Nr. 616, in geltender Fassung, und bei den anderen, von der geltenden Gemeindeordnung vorgesehenen Benennungen räumlicher oder organisatorischer Gegebenheiten bindend.

    Art. 4
    Richtlinien für die Hodonomastik

    1. Die Appellative [sic] der öffentlichen Flächen werden, unbeschadet der Bestimmungen über die Verkehrszeichen der Straßenverkehrsordnung, gemäß Artikel 4 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 15. Juli 1988, Nr. 574, in Deutsch, Italienisch und, in den ladinischen Ortschaften, auch Ladinisch – nach Artikel 2 Absatz 2 gereiht – angeführt.

    2. Die Benennung der öffentlichen Flächen erfolgt nach den Vorgaben von Absatz 1, es sei denn, sie bezieht sich auf:
    a) Eigennamen von Personen mit Ausnahme der Namen von Heiligen, Päpsten, Kaisern und anderen historischen Persönlichkeiten, deren Namen traditionsgemäß in jeder der drei Sprachen unterschiedlich gerufen werden;
    b) Anthroponyme oder Ortsnamen, die nur in der Sprache in Gebrauch sind, die im Sinne von Absatz 1 am stärksten vertreten ist;
    c) Begriffe und Ausdrücke, für die es kein Korrelat [sic] in den anderen gemäß Absatz 1 nicht als erste gereihten Sprachen gibt, oder solche, die nicht unmittelbar und intuitiv [sic] übersetzbar sind.

    3. Bei neuen Benennungen ist in erster Linie das örtliche Namensgut, wie durch historische Dokumente belegt oder im kollektiven Gedächtnis verankert, zu berücksichtigen.

    4. Öffentliche Orte dürfen nicht nach Personen benannt werden, die vor weniger als zehn Jahren verstorben sind. Der Öffentlichkeit zugängliche Denkmäler, Gedenktafeln oder andere dauerhafte Andenken dürfen nicht Personen gewidmet werden, die vor weniger als zehn Jahren verstorben sind, mit Ausnahme der Friedhöfe und der Kirchen für die Geistlichkeit oder die Wohltäter, sowie der Kriegsopfer.

    5. Die Landesregierung kann, nach Anhören des Direktors der Abteilung Denkmalpflege, Ausnahmen zu den Vorgaben gemäß Absatz 4 gewähren, wenn die Benennung oder Widmung Personen zugedacht wird, die besondere Verdienste um die Gemeinschaft erworben haben.

    Art. 5
    Finanzbestimmung

    1. Die Deckung der Ausgaben, die sich aus den Maßnahmen dieses Gesetzes zu Lasten des Haushaltes 2012 ergeben und auf maximal 30.000 Euro geschätzt werden, erfolgt durch die noch verfügbaren Anteile der Bereitstellungen der HGE 02110 des Landeshaushaltes 2012.

    2. Die Ausgabe zu Lasten der folgenden Haushaltsjahre wird mit dem jährlichem Finanzgesetz festgelegt.

     

    Art. 6
    Aufhebungen

    1. Artikel 5 des Landesgesetzes vom 12. Juni 1975, Nr. 26, in geltender Fassung, ist aufgehoben.

     

    Dieses Gesetz wird im Amtsblatt der Region kundgemacht. Jeder, dem es obliegt, ist verpflichtet, es als Landesgesetz zu befolgen und für seine Befolgung zu sorgen.

     

    DER LANDESHAUPTMANN

    Dr. Luis Durnwalder

    Cëla enghe: 01 || 01 02 03



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  • Brixner Seilbahn-Alternative.

    Brixen soll eine Seilbahn bekommen, die vom Bahnhof aus den Hausberg Plose erschließt. Doch dieses Ansinnen erhitzt schon seit Monaten die Gemüter — vor allem deshalb, weil die Anlage einen Teil der Stadt überfliegen soll. Nun ist eine Volksabstimmung geplant.

    Ich habe mir schon vor mehreren Monaten – in der Überzeugung, dass Brixen diese Seilbahn guttun würde und dass der Bahnanschluss die beste Lösung darstellt — eine Alternative überlegt, die ich über das Blog auch der Öffentlichkeit bekannt machen möchte. Ich bin der Meinung, dass ihr sowohl Gegner, als auch Befürworter der derzeit geplanten Lösung einiges abgewinnen könnten.

    Wie angedeutet sollte die Talstation auch meiner Meinung nach am Bahnhof liegen, um einen attraktiven Knoten im öffentlichen Nahverkehr (Eisenbahn, Bus, Seilbahn) zu schaffen, der auch von der Brixner Altstadt aus bequem zu Fuß erreicht werden kann. Andererseits finde ich jedoch, dass der Überflug der Stadt zu einer Verschlechterung der Lebensqualität in den betroffenen Gebieten und zu einer ästhetischen Beeinträchtigung für die gesamte Stadt führen würde. Es widerspricht nicht zuletzt der Logik der neuen Umfahrungsstraße, wenn Plosebesucher (speziell Skifahrer), die mit dem eigenen Fahrzeug anreisen, wiederum in die Stadt geleitet werden, wo sie zur Verschlechterung der Luft- und Verkehrssituation beitragen. Realisiert man am Bahnhof tatsächlich ein großes Parkhaus (oder eine Tiefgarage), verbaut man sich über Jahrzehnte die Möglichkeit, die gesamte Zone der Verkehrsberuhigung zuzuführen.

    Aus diesem Grund sollte die Seilbahn einige hundert Meter parallel zur Eisenbahnlinie nach Süden und dann über die Staatsstraße in das Industriegebiet geführt werden, wo im Bereich der bereits geplanten Brücke (welche das Industriegebiet Süd mit Milland verbinden wird) eine Mittelstation realisiert werden könnte. Dort könnte man (dies- oder jenseits des Eisacks) die nötigen Parkplätze errichten, womit der Individualverkehr außerhalb des eigentlichen Stadtgebiets abgefangen wird. Während die vom Süden kommenden Fahrzeuge direkt in das Industriegebiet einfahren könnten, würden die vom Norden kommenden Fahrzeuge über die Umfahrung dorthin geleitet. Statt mit einer Zunahme wäre demnach mit einer deutlichen Abnahme des innerstädtischen Verkehrs (einschließlich der zu befürchtenden Überlastung des neuen Mittelanschlusses) zu rechnen.

    Die Mittelstation würde zwar Mehrkosten verursachen, aber vielleicht könnte die Gemeinde dafür den eingesparten bahnhofsnahen Grund einer lukrativeren — oder jedenfalls sinnvolleren — Nutzung zuführen. Darüberhinaus zuletzt könnte man sich die auf rund zwei Millionen bezifferten Entschädigungen für den Überflug der Stadt großteils sparen.

    Die Fahrzeit vom Bahnhof bis zur Plose sowie die nötige Kurvenführung müsste man von Seilbahnexperten prüfen lassen, ich gehe jedoch davon aus, dass der Zeitverlust durch die Mittelstation vernachlässigbar ist. Die Zunahme der Lebensqualität im Stadtgebiet wäre meines Erachtens jedoch beträchtlich.

    Übrigens könnte der Parkplatz an der Mittelstation (der von der Staatsstraße, von der Autobahnausfahrt Brixen/Industrie und mittels Brücke auch von Milland aus leicht erreichbar wäre) auch den Zugpendlern dienen, die mit der Umlaufbahn in kürzester Zeit den Bahnhof erreichen könnten — und umgekehrt jenen, die mit dem Zug anreisen und im Industriegebiet arbeiten.



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  • Ortsnamengesetz verabschiedet.

    Das Toponomastikgesetz ist Realität. Es wurde kurz nach Mitternacht vom Südtiroler Landtag gutgeheißen und schafft die Grundlage für die amtliche Wiedereinführung der historischen Ortsnamen in Südtirol. Rund 90 Jahre sind vergangen, seit sie durch das faschistische Regime zum Zwecke der Assimilierung abgeschafft und verboten wurden. Rund 40 Jahre seit Inkrafttreten des zweiten Autonomiestatuts hat die Mehrheitspartei SVP benötigt, um diesen Schritt zu tun.

    Sieht man sich die Größe des Wurfs an, fragt man sich unweigerlich, warum man dafür so lange gebraucht hat. Wesentliche Teile des Gesetzes wurden buchstäblich in letzter Minute radikal umgeschrieben, um sich die Zustimmung des Koalitionspartners PD zu sichern. Allerdings konnte kein einziger Oppositionsabgeordneter überzeugt werden, für den Entwurf zu stimmen.

    Das gesamte Gesetz macht einen äußerst schlampigen und flickschusterhaften Eindruck. Es ist zudem sprachlich schlecht formuliert und derart vage, dass sich während der Artikeldebatte kein Abgeordneter sicher zu sein schien, welche konkreten Folgen die einzelnen Artikel haben würden.

    Obwohl der Text nur die Rahmenbedingungen festlegen sollte, ist selbst dieses Unterfangen großteils misslungen. Es werden keinerlei Kriterien für die Erhebung, Festlegung, Beibehaltung oder Abschaffung von Ortsnamen festgelegt. Genausowenig wird auf irgendwelche sprachwissenschaftlichen, statistischen oder international anerkannten rechtlichen Prinzipien Bezug genommen. Völlig realitätsfremd scheint zudem, dass — als Folge eines Kompromisses — für die Ausarbeitung der Vorschläge plötzlich die Bezirksgemeinschaften zuständig sind, deren wichtigste Aufgabe bisher die Organisation der Abfallentsorgung war. Ein paritätisch besetzter Landesbeirat (mit zwei Vertretern pro Sprachgruppe) wird die Vorschläge begutachten und gegebenenfalls verabschieden.

    Dass sich mit diesem Gesetz eine nennenswerte Verringerung der Erfindungen von Ettore Tolomei erreichen lässt, ist zu bezweifeln. Gemeinde- und sogar Fraktionsnamen wurden ohnehin ausgespart. Hans Heiss hat in seiner abschließenden Abstimmungerklärung lobend erklärt, die SVP sei sich bewusst geworden, dass man die italienischen (faschistischen) Ortsnamen nicht mehr abschaffen könne. Das bringt das Ergebnis wohl auf den Punkt.

    Cëla enghe: 01 02 03 || 01 02 03



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  • Brief ans EU-Parlament.

    Die drei katalanischen EU-Parlamentarier Ramon Tremosa (Zentrumspartei CiU), Raül Romeva (Grüne) und Ana Miranda (Linksbündnis BNG/ERC) haben nach der Unabhängigkeitskundgebung in Barcelona all ihren Parlamentskollegen (also auch Herrn Dorfmann) einen Brief zukommen lassen, der hier wiedergegeben wird:

    Dear colleagues,

    We would like to draw your attention to the demonstration that took place yesterday in Barcelona, where 1.5-2 million people marched in support of the independence of Catalonia.

    1. Catalonia’s society is undergoing a process towards pro-independence views which has widespread popular support; it is an inclusive, democratic and pro-European movement.

    2. The slogan of the demonstration was ‘Catalonia, new state of Europe’ and EU flags were profusely waved.

    3. The Catalan independence process is certainly going to be complex, but now for many commentators in Catalan and international newspapers it also seems unstoppable.

    4. A vast majority of Catalans are persuaded that having their own state will allow them to face the current economic challenges (Catalonia has been contributing more than 8% of its GDP -around 16 billion euros annually- to the Spanish state for the last few decades);

    5. There seems to be no willingness in the Spanish government and its political class to understand Catalonia’s urge for a new and fair fiscal agreement to give Catalonia powers to collect all taxes. This would enable Catalonia to protect its welfare system and to have a fairer distribution of the burden of the economic crisis between Catalans and the rest of Spain.

    6. Many Catalans also believe that they would also be better represented politically in the EU with their own state; and that internally there would be more cohesion and they would be able to promote more effectively their language and culture.

    7. In case Catalonia needs to hold a referendum on independence, as it is clearly the will shown by its citizens yesterday, we would like to have your democratic support and understanding for this process.

    8. Catalonia is willing to be fully responsible and a committed partner in the EU. Catalans have the right to build a new socially fair, economically prosperous and environmentally sustainable state within the EU.

    If you need more information, don’t hesitate to contact us.

    Warm regards,

    Ramon Tremosa (CiU)
    Ana Miranda (BNG and on behalf of ERC)
    Raül Romeva (ICV)



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  • »Staatliche Strukturen« für Katalonien.

    Nach dem klar zum Ausdruck gebrachten Unabhängigkeitswunsch am katalanischen Feiertag 2012 spricht der katalanische Präsident davon, mit dem »Aufbau staatlicher Strukturen« zu beginnen.

    Der katalanische Regierungschef Artur Mas [welcher sich bislang noch nie öffentlich für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte, Anm.] ist heute morgen zu einer Dringlichkeitssitzung im Palau de la Generalitat (Palast der Generalitat) erschienen, um anzuerkennen, dass die Teilnehmer der Kundgebung vom 11. September (Diada) eindeutig zugunsten eines eigenen Staates auf die Straße gegangen waren und dass dieses Ziel ab nun die wichtigste gesellschaftliche Aufgabe sein werde. Laut Mas ist es erforderlich, »staatliche Strukturen aufzubauen«, ein Prozess, der — wie er sagte — nicht einfach sein wird, da es dafür in der Europäischen Union noch keinen Präzedenzfall gebe. Der katalanische Präsident wies gleichzeitig darauf hin, dass die Fortführung von Verhandlungen zu einem neuen Fiskalpakt mit Spanien nicht mit der Aufgabe in Widerspruch stehe, die Gründung eines eigenen Staates in Angriff zu nehmen.

    Dies ist die Antwort der katalanischen Regierung auf die gestrige Kundgebung, mittels welcher zwischen 1,5 Millionen (laut Guárdia Urbana de Barcelona und Mossos d’Esquadra) und zwei Millionen Menschen (laut den Organisatoren von der Assemblea Nacional Catalana, ANC) die Unabhängigkeit Kataloniens und die Gründung eines neuen Staates in Europa gefordert hatten. Sprachliche, kulturelle, demokratische und wirtschaftliche Gründe standen im Mittelpunkt der Spruchbänder, welche während der Demonstration gezeigt wurden.

    Die genannten Zahlen machen aus dem gestrigen Unabhängigkeitsmarsch den größten der Geschichte Kataloniens. An der Kundgebung vom 10. Juli 2010 gegen das Verfassungsgerichtsurteil [zur Einschränkung des neuen Autonomiestatuts] hatten zum Beispiel rund eine Million Menschen teilgenommen.

    Währenddessen haben die Organisatoren der ANC darauf hingewiesen, dass sie ihre eigene, im Vorjahr definierte Roadmap zu Ende führen wollen. Demnach sollen 2013 die katalanischen Gemeinden eine Unabhängigkeitsbefragung durchführen, die dann im Jahr 2014 zu einem bindenden Referendum der katalanischen Regierung führen soll. Sollte der spanische Staat dies zu verhindern suchen — so die ANC — müsste das katalanische Parlament einseitig die Unabhängigkeit erklären.

    Quelle: Nationalia/ciemen.
    Übersetzung:

    Cëla enghe: 01



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  • ff-Sparvorschläge: Beispiel Bahn.

    Die Titelgeschichte von ff 35/2012 beschäftigt sich mit den 50 überflüssigsten Ausgaben des Landes. Die Auflistung ist beeindruckend und zeigt großes Einsparpotential. Trotzdem scheinen zumindest einige Posten in die Liste gerutscht zu sein, ohne dass sich dies auch mit Fakten belegen ließe.

    Beispiel Bahnverkehr:

    Das Land Südtirol hat in den Vergangenen Jahren groß in den Bahnverkehr investiert. Das hat zwar zu Verbesserungen geführt, war aber nicht immer sehr effizient. Ein Beispiel: In Percha wurde für mehrere Millionen Euro ein neuer Bahnhof errichtet – nur wenige Hunder Meter östlich vom alten Bahnhof.

    Was dieses Beispiel mit der Effizienz des Bahnverkehrs insgesamt zu tun hat bleibt schleierhaft. Tatsache ist, dass es im Bahnverkehr in den letzten 4 Jahren immense Fortschritte gegeben hat. Ein durchgehender Taktverkehr wurde eingeführt, dort wo dieser nicht funktioniert liegt die Ursache am staatlichen Schienennetzbetreiber RFI, der auf der Brennerstrecke just zwischen 9.00 Uhr und 11.30 Uhr einen Wartungsintervall hat, von dem er auch nicht abrücken will. Deshalb verkehren auf der Brennerstrecke, wie auf vielen Hauptstrecken auf Staatsebene, in den Vormittagsstunden kaum Züge, was die Netzwirkung drastisch reduziert.

    Durch die Einführung von Taktfahrplänen wurde die Effizienz des Südtiroler Bahnverkehrs sogar gesteigert. Leicht merkbare Taktfahrzeiten mit systematischen Anschlüssen in Knotenpunkten führen auch zu standardisierten Umlaufplänen, die generell zu einem effizienteren Einsatz des Personals und Rollmaterials führen.

    Was den Bahnhof Percha (eisenbahntechnisch ist es eine Haltestelle und kein Bahnhof) betrifft, müsste insgesamt eine Kosten/Nutzen-Rechnung erstellt werden, ob die Anbindung des Skigebietes Kronplatz an dieser Stelle volkswirtschaftlich die beste Lösung war. Die Gegner des Projektes Ried sind hier anderer Meinung. Aber die Bewertung von größeren Projekten mit Kosten/Nutzen-Studien scheint in Südtirol sowieso keine sehr ausgeprägte Disziplin zu sein.

    Die Tatsache, dass der Bahnhof nicht an der alten, seit Jahrzehnten aufgelassenen Haltestelle errichtet wurde, sagt allein überhaupt nichts über die Kosten aus. Die alte Haltestelle war ja sowieso nicht mehr verwendbar.

    Der Eisenbahngüterverkehr ist im Pustertal nun wegen der an mehreren Stellen neu geschaffenen, zu engen Kurvenradien “nur bedingt möglich”, sagt der Uil-Gewerkschafter Christian Troger. Früher wurden dort jährlich etwa 900.000 Kubikmeter Holz per Bahn, vom Osten kommend, nach Südtirol und das übrige Italien transportiert. Heute müssen diese Holzlieferungen in Osttirol, vorwiegend in Sillian, von der Bahn auf LKWs verladen und dann auf der Straße nach Südtirol und Italien transportiert werden.

    Im Zuge der Umbauarbeiten an der Pustertaler Bahnlinie wurden meines Wissens keinerlei Kurvenradien verengt. In etlichen Bahnhöfen wurden alte Weichen durch neue ersetzt. Die Umbaumaßnahmen des Landes als Grund für den aufgelassenen Güterverkehr heranzuziehen ist deshalb grober Unfug. Die Gründe für die Umladungen in Sillian sind die zu hohen und teilweise ungünstig gestaffelten Tarife von Trenitalia und die Auflassung von Umlademöglichkeiten im Pustertal, die der staatliche Schienennetzbetreiber RFI zu verantworten hat. Auch zeitlich fällt die Auflassung des Güterverkehrs nicht mit den Umbaumaßnahmen zusammen. Schon Jahre vorher gab es auf der Pustertaler-Bahn keinen Güterverkehr mehr.

    Jetzt möchte das Land die Bahnstrecke Bozen-Meran übernehmen. Das würde wieder viel Geld kosten – über den Nutzen kann man geteilter Meinung sein.

    Man kann über vieles geteilter Meinung sein. Wenn man möchte, dass der Verkehr auf der Strecke Bozen–Meran in erster Linie über die MeBo abgewickelt wird, dann wird man einer Übernahme der Bahnstrecke Bozen–Meran wohl wenig abgewinnen. Wenn man der Überzeugung ist, dass der Bahnverkehr in Zukunft eine wesentlich zentralere Rolle spielen soll, als heute, führt an einer Übernahme durch das Land Südtirol kein Weg vorbei. Warum?

    1. Die Meraner Bahnlinie ist technisch veraltet. Viele Verspätungen werden teils durch Probleme an der Oberleitung verursacht. Investitionen, die über die notwendigsten Wartungsarbeiten hinausgehen, werden von RFI sowieso nicht mehr durchgeführt, müssten also in jedem Falle vom Land finanziert werden.
    2. Die Meraner Linie wurde seinerzeits relativ ungeschickt, mit vielen unnützen Kurven, trassiert. Ein notwendiger S-Bahn-Verkehr zwischen Meran und Bozen verlangt großzügige zweigleisige Kreunzungsabschnitte. Eine Begradigung der Strecke und der Ausbau zu zweigleisigen Abschnitten müsste in jedem Falle vom Land bezahlt werden. RFI finanziert hier nichts, behindert aber hinter den Kulissen tatkräftig eine Übernahme durch das Land. Laut einer vertrauenswürdigen Insiderinformation bekam das Land nach 5 Jahren Verhandlungen plötzlich die Information, dass man (RFI) für eine Übergabe der Linie an das Land sowieso nicht zuständig sei, sondern das entsprechende Ministerium.
    3. Der Grund für den zeitlich relativ eingeschränkten Bahnverkehr auf der Meraner Bahnlinie in den Morgen- und Abendstunden liegt in der Gestaltung der Trassenpreise vonseiten RFI. Wenn das Land Südtirol morgens und abends noch ein oder zwei Züge bestellen möchte, so würde RFI sofort Betriebskosten für weitere 8 Stunden verlangen. Derartige organisatorische Starrheiten würden bei einer Betriebsführung durch das Land (siehe Vinschgaubahn) wegfallen.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Eine umfassende Liste von Einsparmöglichkeiten sieht gut aus, aber einer Faktenprüfung hält zumindest der Punkt Bahnverkehr nicht stand.



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  • Unmöglich!
    Quotation

    Wir wussten nicht, dass es unmöglich ist, also haben wir es geschafft.

    — Jean Cocteau

    Cëla enghe: 01 || 01 02


    Feuilleton/ · Quotation/ · · · · · Deutsch/

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  • Napolitano — bahnbrechende Rede.

    Als Gast im Kursaal konnte ich letzte Woche der Rede des italienischen Staatspräsidenten Napolitano beiwohnen, die er anlässlich der Verleihung des Südtiroler Verdienstordens hielt.

    Zugegeben, meine Erwartungen waren gering. Einige nette Worte für Südtirols Autonomie, die wenige Tage später schon wieder vergessen sind, vielleicht auch einige Grußworte in den zwei Landessprachen Deutsch und Ladinisch konnte man sich durchaus erwarten, aber eben nicht mehr.

    Die Rede Napolitanos übertraf dann nicht nur die Erwartungen, sie kann als bahnbrechend bezeichnet werden und sollte die gesamte Südtirolpolitik, ja vielleicht sogar Europapolitik in ein neues Zeitalter katapultieren.

    Nach einem kurzen historischen Rückblick und einem Lob für alle BaumeisterInnen der Südtiroler Autonomie, die seinerzeit eine unkontrollierte Dynamik verhindern konnten, schien der Staatspräsident vom vorgefertigten Manuskript abzuweichen, ja die Rede schien er nun völlig frei zu halten.

    Europa vergesse im tagtäglichen Kampf um die gemeinsame Währung zusehends seine Wurzeln. Europa sei nie nur als Wirtschaftsunion konzipiert gewesen. Die historische Erfahrung war das Unheil, das der ausufernde Nationalismus in zwei Weltkriegen über den gesamten Kontinent gebracht hatte. Daraus wollte man lernen und die Kooperation zwischen den Ländern derart verzahnen, dass nationale Alleingänge verunmöglicht werden.

    Letzthin ist leider wieder eine Renaissance des Nationalstaates zu beobachten und die Rhetorik zwischen den einzelnen Mitgliedsländern wird rauer. Zudem werden mittlerweile allzu viele Entscheidungen in einem “postdemokratischen” Raum getroffen, wo sie von keinem demokratisch gewählten Parlament im klassischen Sinne legitimiert sind.

    Europa habe deshalb eine demokratische Reform notwendig. Das Parlament müsse der eigentliche Souverän sein und der europäische Rat, der von Vertretern nationaler Regierungen zusammengesetzt wird, von einer europäischen Regierung ersetzt werden, die vom europäischen Parlament gewählt wird.

    Neben dieser demokratischen Reform müsse sich der Kontinent auch von den traditionellen Nationalstaaten emanzipieren. Die eigentliche Seele Europas liege in den Regionen. In diesem Sinne komme auch der Region Südtirol bei der Entwicklung Europas eine Schlüsselrolle zu. Italien habe hier in der Vergangenheit häufig gebremst, aber mittlerweile habe diese großartige Kulturnation, die wiederum aus unterschiedlichen, faszinierenden Regionen bestehe, die Größe, den SüdtirolerInnen ihre Wünsche nach einer weitgehenden Unabhängigkeit zu erfüllen.

    “Auch habe ich als Präsident, der die Republik Italien vertritt, die Größe mich bei den SüdtirolerInnen für das historische Unrecht, das 1919 durch die Annexion Südtirols an Italien entstanden ist, zu entschuldigen. Es ist eine Schande, dass sich die Republik Italien noch nie dafür eingesetzt hat, dass die historischen Namen dieser faszinierenden Alpenregion, im Einklang mit einer entsprechenden Empfehlung der UNO, ihren Platz einnehmen können.

    Aber nicht die Vergangenheit soll unsere kostbare Zeit einnehmen, sondern unsere gemeinsame Zukunft. Schon in den nächsten Tagen und Wochen soll eine von mir angeregte Delegation zwischen Vertretern Südtirols und des Zentralstaates die weitere Vorgangsweise zu einer weitgehenden Vollautonomie aushandeln. Dabei können bewusst Tabus angesprochen werden. In einem Zeitalter beschleunigter Geschichte kann ich mir sehr gut vorstellen, dass in einem zusammenwachsenden Europa, das den traditionellen Nationalstaat zusehends ersetzen muss, um Katastrophen wie im 20 Jh. zu verhindern, Südtirol in 10 bis 15 Jahren völlig frei über den weiteren Status entscheiden kann. Der Weg zu einem wirklich demokratischen Europa von frei assoziierten Regionen wird von Italien nicht behindert werden. In diesem Sinne viel Glück für das mehrsprachige Südtirol auf dem Weg zur völligen Eigenständigkeit. Auf dass die VertreterInnen dieser faszinierenden Alpenregion die Verantwortung mit Weitsicht und Behutsamkeit und im Respekt aller hier lebenden Sprachgemeinschaften wahrnehmen mögen.”

    Ein Augenblick der ohrenbetäubenden Stille legte sich über den Meraner Kursaal, bevor standing ovations für das italienische Staatsoberhaupt aufbrandeten und mich von meinen Träumen rissen.

    Ich war wohl bei der Lektüre der Süddeutschen Zeitung eingeschlafen, obwohl der Artikel, den ich soeben studiert habe, mehr als interessant ist. Der österreichische Schriftsteller Robert Menasse hat in der Eröffnungsrede des “M100 Sanssouci Colloquiums” eine Lanze für ein Europa von frei assoziierten Regionen gebrochen. Der Nationalstaat findet darin keinen Platz mehr — aber darüber mehr in einem anderen Beitrag.

    Ach, und zu Napolitano: Ist eben doch nur der Vertreter eines Nationalstaates im traditionellen Sinne. Ein Gebilde, das die letzten zwei Jahrhunderte geprägt hat, aber mittlerweile die Zukunft dieses Kontinents verbaut und aufs Spiel setzt.

    Etwas weiter ist da schon die dänische Königin Margarethe, die am 21. Juni 2009 in grönländischer Tracht gekleidet, dem grönländischen Parlamentspräsidenten Josef Motzfeldt das erste Exemplar des mit Dänemark ausgehandelten Gesetzes über die Selbstverwaltung überreichte.

    Cëla enghe: 01 02 03



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