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  • Schottland vor der Abstimmung.

    In weiniger als einem Monat wird in Schottland darüber abgestimmt, ob das Land ein unabhängiger Staat wird oder weiterhin bei Großbritannien verbleibt. Schon die Tatsache, dass abgestimmt werden kann ist demokratiepolitisch ein Quantensprung, der nicht ohne Folgen bleiben wird.

    In Anbetracht des nahenden Referendums wird verstärkt ganzseitig aus Schottland berichtet.

    In der Zeit vom 24. Juli 2014 widmet sich Reiner Luyken der bevorstehenden Abstimmung. Selber in Schottland wohnhaft, ist Luyken schon länger bekannt für seine witzigen und mitunter hintergründigen Mails aus Achiltibuie, einem Dorf an der nordschottischen Westküste. Weniger witzig war vor knapp zwei Jahren die Empörung Luykens über die Pläne des schottischen Parlaments, das Gälische aufzuwerten. Abwertend schrieb Luyken vom unaussprechbaren Gälisch. Nun — viele Sprachen, die man nicht spricht sind unaussprechbar. Luyken outete sich im damaligen Artikel als Gegner der schottischen Unabhängigkeit.

    Der sachliche Schlagabtausch der Argumente kann der Demokratie im allgemeinen und einer basisdemokratischen Abstimmung nur gut tun. Etliche Standpunkte Luykens sind trotzdem etwas bizarr und scheinen nicht Teil einer konstruktiven Debatte zu sein.

    Ein zerfallendes Land in Europa ist auch für die Weltgemeinschaft nicht gut. Schwedens Außenminister Carl Bildt befürchtet eine “Balkanisierung” der britischen Inseln mit unvorhersehbaren Kosequenzen. Barack Obama erklärte, er wünsche sich ein “starkes, stabiles, vereintes Großbritannien”. Selbst der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang sprach sich für ein “vereintes Vereinigtes Königreich aus”.

    Die Anhänger des Status Quo haben sich noch nie schwer getan mit abstrusen Vergleichen aufzutrumpfen. Großbritannien mit dem Balkan zu vergleichen ist schon ein starkes Stück. Zudem sollte der schwedische Außenminister wissen, dass vor gut 100 Jahren, als in Europa sich schleichend ein krankhafter Nationalismus breitmachte, der alsbald in die europäische Urkatastrophe münden sollte, gerade Schweden eine weise Entscheidung treffen sollte: 1905 wurde die Union zwischen Norwegen und Schweden aufgelöst. Friedlich — für kurze Zeit bestand die ernsthafte Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Königreichen. Seitdem sind Norwegen und Schweden souveräne und unabhängige Länder. Von einer Balkanisierung Skandinaviens ist wenig bekannt, ganz im Gegenteil: Die Länder Skandinaviens arbeiten vorbildhaft zusammen.

    Obwohl die schottische Unabhängigkeit sehr stark von Auslandsschotten aus Übersee mitunterstützt wird, orientiert sich Schottland nicht wie das von England dominierte Großbritannien über den Atlantik Richtung USA, sondern über die Nordsee Richtung Europa. Immer wieder wird von britischen Premierministern von einer special relationship mit den USA gesprochen. Eine schottische Lehrerin und Befürworterin der Unabhängigkeit erklärte mir vor einem Monat in einem Gespräch bei meinem Aufenthalt in Schottland, dass man in Schottland wenig von dieser special relationship halte. Während sich England ökonomisch stark an neoliberalen Einflüssen aus den USA orientiert, sieht man in Schottland das skandinavische Wohlfahrtsmodell als Vorbild und hat keine Berührungsängste mit der EU.

    Wenn sich Barack Obama für eine starkes Großbritannien auspricht, dann dürfte dies wohl der special relationship zwischen England und USA geschuldet sein.

    Einigermaßen bizarr wird es, wenn Luyken die Meinung des chinesichen Ministerpräsidenten als Argument gegen die Unabhängigkeit vorbringt. Hängt eine innereuropäische basisdemokratische Entscheidung von der Meinung Chinas ab? Welches demokratiepolitische Selbstverständnis ist dies? Europa wird sich entscheiden müssen, welche demokratischen Werte wir der Welt vorleben möchten. Basisdemokratische Entscheidungen, die auch innereuropäische Grenzverschiebungen ermöglichen oder das chinesische Modell von Demokratie?

    Ein Tourist wird kaum merken, dass eine so wichtige Entscheidung ansteht. Doch es rumort. Nachbarn zerkriegen sich. Fremde werden ausgegrenzt.

    Der politisch uninteressierte Tourist bekommt von der wichtigen Abstimmung in Schottland in der Tat nicht viel mit. Trotzdem fällt auf, dass vor allem Unabhängigkeitsgegner das Argument der Spaltung der Gesellschaft vorbringen. Demokratie lebt vor allem auch von einer gesunden Streitkultur, vom sachlichen Schlagabtausch der Argumente und der Partizipation an Entscheidungsprozessen.

    Ohne diese Elemente haben wir dann scheinbar alternativlose, von den Bevölkerungen losgelöste Entscheidungen. Diese führen zu Politikverdrossenheit und politischer Teilnahmslosigkeit.

    Zudem: Kaum eine wichtige gesellschaftliche Entwicklung, weder das Frauenwahlrecht, die Homo-Ehe oder die Anti-Atomkraftlobby sind ohne heftige Debatten und den gesunden politischen Schlagabtausch ausgekommen. Eine demokratisch eingebettete, heftige Auseinandersetzung ist zudem wesentlich transparenter, als beispielsweise die TTIP-Verhandlungen, die von Lobbys in irgendwelchen Hinterzimmern verhandelt werden und der Bevölkerung dann als alternativlos vorgeknallt werden.

    Wollen wir diese Art von Demokratie oder leisten wir uns auch eine gesunde Streitkultur? Auch von Unabhängigkeitsgegnern in Südtirol wird das Argument der Spaltung der Gesellschaft allzu gerne aufgegriffen. Ein mögliches Referendum über die Loslösung von Italien wird mit der Option verglichen. Der Deal zweier Diktatoren zur ethnischen Säuberung einer Region wird mit einer basisdemokratischen Abstimmung verglichen, die zudem niemanden zum Verlassen des Landes auffordert. Auch dieses Argument zeugt von einem sonderbaren Demokratieverständnis.

    Wenn Luyken die Ausgrenzung von Fremden thematisiert, verschweigt er übrigens, dass einflussreiche Immigrantengruppen hinter der Unabhängigkeit stehen. Schottland verfolgt einen sogenannten inklusivistischen Ansatz, der nicht nach ethnischen Kriterien unterscheidet. Darin finden sich Immigranten wieder.

    Fast schon nach Gleichgewichtsdenken zwischen den Mächten aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg klingt ein weiteres Argument des Zeit-Autors:

    Das europäische Dreieck aus angelsächsischem Freihandel, deutschem Korporatismus und französischem Staatsdenken wäre angeschlagen; die Verteidigungsstrategie der Nato ebenso.

    Dieses Argument verdeutlicht fast schon plakativ eines der Hauptprobleme Europas: Das gute und schlechte Wetter machen einige wenige große Länder. Diese funktionieren auch in Brüssel nach nationalstaatlichen Kriterien und Interessen. Das Ausfransen der Nationalstaaten an ihren Bruchstellen kann innerhalb der EU zu einer völlig neuen Dialektik und wie von vielen Politologen vermutet, zu einer weit stärkeren Integration führen, als dies heute der Fall ist.

    Und auch die Nato dürfte eine Verteidigungsstrategie ohne die vier mit Trident-Raketen bestückten U-Boote finden, die allesamt in der Clyde Mündung bei Glasgow stationiert sind. Alex Salmond will im Falle der Unabhängigkeit ein atomwaffenfreies Schottland. Alternativhäfen gibt es in Großbritannien keine.

    Immerhin läßt Luyken in seinem ziemlich einseitig gehaltenem Artikel zumindest gelten, dass die schottischen Unabhängigkeitsbefürworter keine dumpfen Rechten sind, sondern in Deutschland vorwiegend SPD oder die Grünen wählen würden.

    Wesentlich differenzierter und sachlicher als die Zeit berichten die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter FAZ letzthin über Schottland.

    In der Ausgabe vom 16./17. August 2014 widmet sich die Süddeutsche Zeitung vor allem der schottischen Szene aus Schriftstellern, Malern, Musikern und Schauspielern, die sich mehrheitlich zur Unabhängigkeit bekennen.

    Für die erfolgreiche schottische Kriminalautorin MacDermid, die sich lange nicht entscheiden konnte und die an Alex Salmond gar einiges auszusetzen hat, sind folgende Gründe ausschlaggebend am 18. September für die Unabhängigkeit zu stimmen:

    Es gibt ein tief wurzelndes sozialdemokratisches Element in der schottischen Kultur, eine Tradition der gegenseitigen Unterstützung, die es in der englischen Kultur spätestens seit Thatcher nicht mehr gibt. Dabei gehe es keineswegs um den alten Hut “Ihr seid Engländer, wir hassen euch”. Unser Nationalismus ist ein staatsbürgerlicher, wir heißen Immigranten willkommen. Was glauben Sie, warum ausgerechnet unsere Immigranten aus Südostasien die Unabhängigkeitskampagne so leidenschaftlich unterstützen? Es geht um Hoffnungen, nicht um Hass, sagt Val MacDermid: “Unser Gesundheits- und Bildungswesen, die sozialen Einrichtungen, das entspricht meiner Weltsicht. Die Art, wie in Westminster Politik gemacht wird, funktioniert hier nicht. Wir brauchen einen Neubeginn.”

    Interessant auch die Position von Brian Cox, dem schottischen Schauspieler, der in New York lebt. Cox war sein Leben lang ein Labour-Anhänger. Obwohl er weiterhin Labour die Treue hält, die großteils gegen die Unabhängigkeit sind, gibt es für Cox keine Alternative zu einem eigenständigen schottischen Staat:

    “Wer denkt, dass unsere Politik und unsere Kultur durch die Unabhängigkeit privinzieller würde, versteht die schottische Geschichte nicht richtig”, sagt Cox. “Wir sind noch nie kleinkariert gewesen, sondern immer pluralistisch.”

    Auch Brian Cox hält nichts von der Braveheart-Romantik mancher Nationalisten. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil er selbst in dem Film mitspielte, der einen so erstaunlichen Einfluss auf das schottische Selbstverständnis hatte.

    Interessant, dass Cox, ähnlich wie Val MacDermid nach der Unabhängigkeit gerne einen politischen Neubeginn sähen. Für sie ist es keineswegs ausgemacht, dass die SNP für immer regieren wird. Interessant ist dieser Gedankengang vor allem deshalb, da Cox und Val MacDermid sehr klar zwischen den Chancen der Unabhängigkeit auf der einen Seite und einigen Positionen einzelner Politiker unterscheiden können, die diese Unabhängigkeit vielleicht mit etwas zuviel Folkloregedanken verbinden.

    In Südtirol wird bei ähnlichen Diskussionen ja häufig das Argument vorgebracht, ich lasse mich im Falle einer Unabhängigkeit doch nicht von den Freiheitlichen oder von Eva Klotz regieren. Als ob das eine mit dem anderen zusammenhängen würde.

    Unabhängig davon, wie das Referendum in Schottland ausfallen wird, haben die Ereignisse großen Einfluss auf andere euroäische Regionen:

    1. Demokratiepolitisch ist es ein Quantensprung, dass überhaupt abgestimmt werden kann.
    2. Die gesamtgesellschaftliche Debatte und Diskussion wäre ohne das Referendum nie in dieser Art und Weise in Gang gekommen.
    3. Sollte Schottland gegen die Unabhängigkeit stimmen, wird es wahrscheinlich zu einem weitreichendem Ausbau der Autonomie kommen. In Südtirol wird immer behauptet, wenn man die Unabhängigkeit verlange, dann wird einem die Autonomie genommen. Ein klassisches Totschlagargument, um jede wohltuende gesamtgesellschaftliche Diskussion im Keim zu ersticken.


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  • Malser Antworten.

    Das ganze Land blickt derzeit in den Oberen Vinschgau, wo sich eine kleine Marktgemeinde erdreistet, über die Regeln des Zusammenlebens zu befinden. Dabei wurden und werden drei Fragen beantwortet, die über Mals hinaus von großer Bedeutung sind. Vordergründig geht es um den inhaltlichen Entscheid, ob im Ort »der Einsatz sehr giftiger, giftiger, gesundheitsschädlicher und umweltschädlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und Herbizide« verboten werden soll. Diese Frage können die Bürgerinnen und Bürger seit gestern und bis zum 5. September — auch mithilfe einer Broschüre der Gemeinde, die die Positionen von Befürwortern und Gegnern zusammenfasst — mit einem Ja oder Nein beantworten.

    Damit es zu dieser Volksabstimmung kommen konnte, mussten im Vorfeld zwei weitere, formale oder rechtliche Fragen beantwortet werden, die man wie folgt formulieren könnte:

    1. Darf die Allgemeinheit mitbestimmen, wie — auf privatem Grund — privat gewirtschaftet werden soll?
    2. Sollen Bürgerinnen und Bürger auch dann befragt werden, wenn die Gemeinde möglicherweise gar nicht über die Zuständigkeit verfügt, im betreffenden Bereich rechtsverbindliche Normen zu erlassen?

    Beide Fragen wurden zustimmend beantwortet.

    • ad 1) Dass es Sache aller ist, die Rahmenbedingungen für privates Wirtschaften festzulegen, steht gerade in Europa schon seit Generationen fest. Durch Arbeitsrecht, Umweltbestimmungen, Stadtplanung greift der Gesetzgeber stets dort ein, wo nicht nur die individuellen Rechte des Wirtschaftenden selbst, sondern zudem Rechte Dritter, aber auch von Umwelt und Tieren betroffen sind. Da der Einsatz von Spritzmitteln — etwa durch Verwehungen und Einsickerungen — auch zu Einflüssen auf die Umwelt führt, ist es selbstverständlich, dass die Bevölkerung mitbestimmen darf.
    • ad 2) Diesbezügliche Einwände wurden im Vorfeld der Abstimmung abgewiesen, was einen wichtigen Präzedenzfall darstellt. Die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern ist auch dann wichtig, wenn dem gefällten Entscheid keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit garantiert werden kann. Sollte festgestellt werden, dass die Gemeinde nicht berechtigt ist, die von der Bevölkerung gegebenenfalls abgelehnten Substanzen zu verbieten, würde sich davon eine politische und gesellschaftliche Verbindlichkeit ableiten. So wären die Gemeindeverwalter politisch dazu angehalten, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um den Volkswillen umzusetzen — beispielsweise durch entsprechende raumordnerische Maßnahmen, durch wirtschaftliche Förderungen oder einfach durch Sensibilisierung. Den Landwirten erginge der gesellschaftliche Auftrag, trotz mangelnden Verbotes den Mehrheitswillen bestmöglich zu respektieren.

    Damit ist dargelegt, warum demokratische Äußerungen auch dann sinnvoll sind (und keinesfalls unterbunden werden sollen), wenn die unmittelbare Umsetzbarkeit noch fraglich ist. Doch wenn Leo Tiefenthaler, Obmann des Südtiroler Bauernbundes, im dieswöchigen ff-Interview sagt, die Bauern würden »morgen so weiterarbeiten wie heute«, falls die Zuständigkeit der Gemeinde nicht gegeben wäre, zeigt dies, wie wenig er von Demokratie, Verantwortung und gesellschaftlichem Zusammenleben verstanden hat.

    Nachdem die beiden vorgelagerten Fragen positiv beantwortet wurden, liegt es nun in der Hand der MalserInnen, das ihrer Auffassung nach beste für ihren Ort zu beschließen. Aus Gesamtsüdtiroler ökologischer Sicht wäre ein Ja freilich wünschenswert, da die durch die Abhaltung des Referendums bereits aufgeworfene Frage dann wohl auch auf Landesebene zu einer breit angelegten Diskussion über die Menschen- und Umweltverträglichkeit unserer Landwirtschaft führen würde.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06



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  • Viererbande.

    Unter diesem Arbeitstitel trafen sich Anfang August auf Einladung von Stephan Lausch (Initiative für mehr Demokratie) die Spitzen von POLITiS, Netzwerk für Partizipation, Initiative für mehr Demokratie und zu einem Gedankenaustausch. Ausgangspunkt war die Einsicht, dass wir »im besten Fall das gleiche, aber jedenfalls sehr ähnliche Ziele« verfolgen, nämlich »eine fundamentale Erneuerung der Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger die Protagonisten sind.« »Die Unterschiede liegen in den Wegen, auf denen sie verfolgt werden.« (Lausch)

    Bei dem sehr angenehmen und entspannten — aber dennoch inhaltsreichen — Treffen wurde man sich einig, dass die Demokratie in Südtirol einer Vervollständigung bedarf. In Einklang damit war auch die Auffassung unstrittig, dass die Bürgerinnen und Bürger in einer echten Demokratie selbst über die Zukunft des Landes, einschließlich der staatlichen Zugehörigkeit, befinden dürfen sollten. Die Vorstellungen der vier Organisationen wurden diskutiert und verglichen. Man einigte sich auf eine Fortführung der Gespräche, auf Abstimmung und Informationsaustausch über die erzielten Fortschritte, um auch Synergien nutzen zu können.

    Cëla enghe: 01 02



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  • ‘Unmögliche’ Politiker.
    Quotation

    Die Wissenschaftler bemühen sich, das Unmögliche möglich zu machen. Die Politiker bemühen sich oft, das Mögliche unmöglich zu machen.

    — Bertrand Arthur William Russell, englischer Philosoph

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Ein Knick(s) für den Realismus.

    In anderen Regionen des italienischen Staates wie Venetien (und nun auch Friaul) regt sich der Wunsch nach Unabhängigkeit, doch die politische Spitze in Südtirol bestätigt bei jeder Gelegenheit ihre Loyalität zum Staat. Trotz der zentralistischen Bestrebungen in Rom scheut man sich davor, dem Staat auch nur die Rute ins Fenster zu legen. Stattdessen mahnt der Landeshauptmann — etwa gegenüber der Tiroler Tageszeitung — einmal mehr Realismus an: In einem gemeinsamen Europa seien Grenzverschiebungen »nicht einfach«. Indirekt gibt er damit aber zu, dass die SVP nur noch einfache Lösungen sucht und vor komplexeren Prozessen zurückschreckt. Auf diesem Weg des geringsten Widerstandes hätte man dazumal aber wohl auch die Autonomie kaum erreicht, deren Erringung alles andere als »einfach« war.

    Allerdings klingt das heutige »nicht einfach« auch schon völlig anders, als das bis vor kurzem beschworene »unmöglich«. Aufgrund des Präzedenzfalles in Schottland muss der Landeshauptmann denn auch einschränken, nur »ohne die Zustimmung« des betroffenen Staates sei »ein eigener Staat Südtirol nicht möglich«. Doch erstens haben Südtirol und die SVP den Wunsch nach Eigenstaatlichkeit gegenüber Rom nie offiziell artikuliert, weshalb wir gar nicht wissen können, wie der Zentralstaat auf eine derartige Forderung reagieren und welche ’gewogenen’ Kräfte man auf den Plan rufen würde. Und zweitens müssen wir wahrscheinlich nur noch ein paar Monate abwarten, bis Katalonien vormacht, wie man auch ohne die Zustimmung des betroffenen Staates vorgehen kann. Theoretische Analysen liegen bereits vor. Man darf gespannt sein, welche argumentativen Verrenkungen sich die SVP nach einem allfälligen Präzedenzfall Katalonien einfallen lässt, um die Loyalität zum Zentralstaat nicht in Frage stellen zu müssen.

    Der angebliche Südtiroler Realismus wird immer öfter von der Realität Lügen gestraft.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Das Maß ist zweierlei.

    A statement by the United States National Security Council spokesperson Caitlin Hayden

    Even as we work to gather information, we reiterate our concern about repeated Russian and Russian-supported incursions into Ukraine.

    Russia has no right to send vehicles, persons, or cargo of any kind into Ukraine, under any pretext, without the government of Ukraine‘s permission.

    The escalation in Russian activity designed to destabilise Ukraine in recent weeks is extremely dangerous and provocative.

    It includes supplying separatist fighters with tanks, armoured vehicles, artillery and multiple rocket launchers.

    The continued Russian military intervention into Ukraine is entirely at odds with legitimate efforts to provide humanitarian assistance and negotiate a peaceful resolution to the overall crisis.

    Replace Russia with USA and Ukraine with a country of your choice: Syria (1949), Korea (1951-53), Iran (1953), Guatemala (1954), Tibet (1959), Cuba (1961), South Viet Nam (1963), Brazil (1964), Viet Nam (1966-75), Chile (1973), Argentina (1976), Afghanistan (1979-89), Cambodia (1979-89), Turkey (1980), Nicaragua (1981-87), Libya (1986), Panama (1989), Somalia (1992), Bosnia (1995), Kosovo (1999), Afghanistan (2001-present), Iraq (2001-present), Libya (2011) or Syria (2011-present)

    Replace separatist with (in alphabetical order) communist, contra, exile, fascist, guerrilla, islamic, jihadist, military, mujahidin or rebel.

    Die Tatsache, dass auch die USA und andere “westliche” Staaten ähnliche Coups wie Russland gelandet, wiederholt gegen internationales Recht verstoßen und ohne Einvernehmen mit der UNO bzw. dem Sicherheitsrat gehandelt haben, macht das, was Russland macht, um nichts besser. Die Argumentation wonach “der Westen das ja auch gemacht habe und Russland das nun auch dürfe” ist abstrus. Dennoch müssen sich USA und EU den Vorwurf der Heuchelei und des Messens mit zweierlei Maß gefallen lassen. Die Glaubwürdigkeit und moralische Autorität des “Westens” geht in diesem Zusammenhang in Richtung Null, da tatsächlich sämtliche Vergehen, die man Russland anlastet, in der Vergangenheit und in der Gegenwart auch vom “Westen” begangen wurden und werden. .



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  • 1:0 für Benko.

    Ausgerechnet jene (deutschsprachigen) Südtiroler Unternehmer, die mit ihrem Erlebnishaus-Projekt vorgeben, auf Authentizität und Südtiroler Eigenart zu setzen, haben die mehrsprachige Realität unseres Landes offenbar nicht verinnerlicht. Wie kann es sonst sein, dass die »Laubenkönige« — mit Ausnahme von ein paar Bezeichnungen in den Legenden — ihr Projekt quasi einsprachig italienisch eingereicht haben?

    Der mittlerweile rechtskräftig wegen »versuchter verbotener Intervention« verurteilte »ausländische Oligarch« hingegen hat sein Kaufhaus-Bozen-Projekt größtenteils fein säuberlich zweisprachig italienisch/deutsch beschrieben.

    Im Sinne der Transparenz hat die Gemeinde Bozen auf ihrer Webseite beide Projekte zum Download bereitgestellt. Die Bürgerinnen und Bürger können sich somit selbst ein Bild von den konkurrenzierenden Kaufhausplänen machen, welche der Innenstadt mittelfristig ein völlig neues Bild geben sollen. Was Professionalität sowie Bürgernähe und -freundlichkeit betrifft schlägt also der »Ausländer« Benko den »Einheimischen« Oberrauch um Längen. Denn zumindest für die deutschsprachigen Südtiroler ist die gründliche Auseinandersetzung mit Oberrauchs Projekt mit Hürden verbunden, da sie sich über bisweilen recht komplizierte technische Sachverhalte nicht in ihrer Muttersprache informieren können.

    Zum Vergleich ein kleiner Auszug aus den jeweiligen Projektdaten:



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