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  • Sprachgruppenlotterie.

    Morgen sollen die Daten der Volkszählung vorgestellt werden, aber schon heute wird darauf reagiert. Das einzige, was man schon jetzt kritisieren könnte, ist das Zustandekommen der Ergebnisse, da die Methode starke Zweifel an ihrer Brauchbarkeit aufkommen lassen müsste. Doch das tut niemand.

    Ich möchte hier noch einmal veranschaulichen, warum das Verfahren völlig abstrus erscheint:

    1. Die namentliche Zugehörigkeitserklärung wurde 2011 erstmals von der statistischen Erhebung getrennt. Letztere ist jedoch für die Zuteilung von öffentlichen Arbeitsplätzen, Stipendien, Sozialwohnungen, Kulturföderung und vielem mehr ausschlaggebend, obwohl die Ergebnisse der beiden Zählungen auseinanderklaffen können. Was bedeutet das? Nehmen wir an, bei der namentlichen Erklärung (welche in versiegelten Kouverts bei Gericht aufbewahrt wird) haben sich 65% deutsch, 30% italienisch und 5% ladinisch erklärt. Bei der statistischen Erhebung haben sich dann jedoch — aus welchem Grund auch immer — 70% der deutschen, 27% der italienischen und nur 3% der ladinischen Sprachgruppe zugehörig erklärt. Den 65% der Bevölkerung, die sich bei der namentlichen Erklärung als deutsch deklariert haben, stünden dann fortan 70% der Arbeitsplätze, Stipendien, Sozialwohnungen, Kulturförderung u.v.m. zur Verfügung, also mehr, als ihnen zustünde. Den 30% Italienern und 5% Ladinern blieben im Gegenzug nur 27% respektive 3% der genannten Güter, Dienstleistungen und Ressourcen, also weit unterhalb des realen Bedarfs.
    2. Während jeder, der Recht auf die Inanspruchnahme eines durch den Proporz geregelten Gutes, einer Dienstleistung oder einer Ressource hat (also auch Zuwanderer) die namentliche Zugehörigkeitserklärung abgeben muss bzw. darf, wurde bei der Volkszählung nur die sprachliche Zugehörigkeit der italienischen Staatsbürger erhoben. Was bedeutet das? Zuwanderer aus dem italienischen Staatsgebiet wurden sehr wohl gezählt und haben das Ergebnis zugunsten der italienischen Sprachgruppe verzerrt, während Zuwanderer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht berücksichtigt wurden. Wenn aber der Anteil der Italiener künstlich vergrößert wurde, haben sie dem Ausmaß dieser Verzerrung entsprechend Anspruch auf mehr Arbeitsplätze, Stipendien, Sozialwohnungen, Kulturförderung u.v.m., als ihnen proportional »real« zustünde. Schließlich können auch andere EU-Bürger auf diese Ressourcen zugreifen, Deutsche und Österreicher (sowie die in vielen Belangen gleichgestellten Schweizer) tun dies dann jedoch zu Lasten der deutschen Sprachgruppe, da ja zu erwarten ist, dass sie sich in der namentlich-persönlichen Erklärung dieser Gruppe zugehörig erklären.

    Es ist gar nicht abzusehen, wer die Leidtragenden dieser Verzerrungen sein werden, weshalb es müßig wäre, hier von Bevorzugung der einen oder der anderen Sprachgruppe zu sprechen. Die Erhebungsmethode treibt jedoch den Proporz ad absurdum und könnte kurz- bis mittelfristig zu Spannungen führen. Ob ein solches Glücksspiel einer höchstrichterlichen Überprüfung standhalten würde, ist zudem fraglich.

    Das ist der Skandal und damit sollten sich unsere Politiker beschäftigen. Wennschon Proporz, dann proportional — sonst gar nicht!

    Cëla enghe: 01



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  • Napolitano und Fußballsiege.

    Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano stellt neuerdings einen Zusammenhang zwischen Erfolg bei der Fußball-EM und der Fähigkeit einer Nation zur Krisenbewältigung her.

    Die Wirtschaftskrise und die Fußball-EM sind zwar im Grunde zwei verschiedene Dinge — ist aber ein Land in Krisenzeiten auf dem Fußballplatz erfolgreich, so ermutigt das die Bevölkerung und das ganze Land bei der Krisenbewältigung.

    Dass Fußball-Großereignisse gesellschaftlich zentrale Veranstaltungen sind, beweist schon die Tatsache, dass sämtliche Ministerpräsidenten bzw. Staatsoberhäupter ihren Nationalteams die Aufwartung machen. Napolitano bildet hier keine Ausnahme. Die Medien befeuern ihrerseits die nationalstaatliche »Sache« mit teils archaisch, militärisch anmutendem Vokabular. Eine von mir geschätzte Oberschullehrerin beschrieb Fußball-Großereignisse als Ersatzkriege. Wie dem auch sei, die Faszination Fußball begeistert und beschäftigt die Massen. Ein Spiel mit simplen, leicht verständlichen Regeln, das im afrikanischen Hinterhof ebenso gespielt werden kann, wie in einer modernen Arena. Ein Spiel, das trotz Korruptionsskandalen und knallhartem wirtschaftlichen Business den Traum von der Durchlässigkeit der Gesellschaft nährt. Hier zählen zumindest theoretisch weder Hautfarbe noch soziale Herkunft, sondern einzig Können und Talent.

    Zurück zu den Aussagen Napolitanos: Für ein Minderheitengebiet entwickeln derartige Verknüpfungen eine besondere Brisanz. Aus verfassungspatriotischer Logik müssten SüdtirolerInnen nun wohl ebenfalls der italienischen Mannschaft den Daumen drücken? Nach derselben Logik wurde ja vor einem Jahr eine gebührende Teilnahme Südtirols an den 150-Jahr-Feiern Italiens gefordert. Auch von Leuten, die sonst gerne vom grenzenlosen Europa philosophieren.

    Wer sich diesem nationalstaatlichen Druck widersetzt, muss sich jedenfalls rechtfertigen — nicht umgekehrt. In Zukunft werden sich (zahlreiche) SüdtirolerInnen, die nicht der italienischen Nationalmannschaft den Daumen drücken, wohl auch für die Wirtschaftskrise und die erhöhten Steuern rechtfertigen müssen. Laut Napolitano gibt es da ja einen Zusammenhang. Leute, die noch immer vom Alpinitreffen schwärmen, wie ein Pubertierender vom ersten Alkoholexzess, werden dem Staatspräsidenten wohl sekundieren. Schließlich fördern nächtelange Hupkonzerte und grün-weiß-rote Autokorsos durch Südtirols Dörfer den gesellschaftlichen Zusammenhalt und neuerdings auch die wirtschaftliche Genesung des Landes. Eigenartig nur, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in Südtirol häufig über die Symbole und Logik des Nationalstaates definiert wird. Eine wirklich funktionierende Autonomie sollte hier eigentlich Alternativen anbieten und einen gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem Kontext abseits der nationalstaatlichen Logik garantieren. Südtirols Autonomie ist dazu nicht imstande — einer der gravierendsten Konstruktionsfehler unserer Autonomie, der im Rahmen eines Nationalstaates wohl auch schwerlich zu überwinden ist.



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  • Jüngstes Gerücht.

    Vor wenigen Wochen hatte Wolfgang Niederhofer in seinem Artikel exzellent dargelegt, warum die Höhe der Steuerbelastung allein kein Indikator zur Bewertung eines Staatswesens sein kann. Dazu müsse man unter anderem mitberücksichtigen, was den Bürgern für ihren Beitrag zum État geboten wird — schließlich haben sich gerade in der Wirtschaftskrise auch Länder mit einer hohen Staatsquote als relativ solide erwiesen.

    Hierzulande zeichnet sich in kommender Zeit noch einmal eine drastische Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Steuerbelastung und Qualität der öffentlichen Dienstleistungen ab, womit der Standortnachteil gegenüber umliegenden Regionen — jenseits der (»nicht existierenden«) Grenze — akzentuiert wird. Auch das wirtschaftlich gesunde Südtirol droht kaputtgespart zu werden.

    Neuesten Berichten zufolge soll jetzt auch die bereits ausgehungerte Justiz, die bereits für eine im internationalen Vergleich miserable Rechtssicherheit verantwortlich ist, noch einmal deutlich Federn lassen. Als Gegenleistung für die steigende Steuerlast sollen die Dienstleistungen nicht etwa effizienter gestaltet werden, um den neuerlichen Aufschwung zu erleichtern. Vielmehr soll hierzulande geplant sein, die Außenstellen des Landesgerichts Bozen zu schließen, was die Überlastung des Hauptsitzes noch weiter verschlechtern würde.

    Erst vor wenigen Tagen hatte das Landesgericht die Ausstellung von Sprachgruppenzugehörigkeitsnachweisen eingestellt, einen Dienst, der für Südtirol — gerade im sozialen und wirtschaftlichen Sektor — von zentraler Bedeutung ist. Die Bestätigung ist für die Zuweisung eines Stipendiums, einer Sozialwohnung oder einer öffntlichen Arbeitsstelle erforderlich.

    Vor wenigen Jahren waren die bis dahin zuständigen Präturen in den Bezirken geschlossen worden, sodass sämtliche Anfragen zentral in Bozen abgewickelt werden mussten — was jetzt am chronischen Personalmangel gescheitert ist. Da kann sich jeder ausmalen, was eine weitere Zentralisierung zur Folge hätte.



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  • Zugpferd Sezessionismus.

    Ich folge in meinem Handeln nicht der Maxime, dass man möglichst viel fordern müsse, um wenigstens etwas zu erhalten, doch das scheint wenigstens eine Nebenwirkung der Unabhängigkeitsbestrebungen zu sein: Nicht nur, dass jetzt plötzlich notorische Autonomiegegner und -kritikerinnen zum Autonomiepatriotismus aufrufen oder gar die Stärkung der Euregio fordern, um — das sagen sie freilich nicht — den Sezessionismus einzubremsen. Wie die Tageszeitung A.Adige in ihrer gestrigen Ausgabe berichtete, hat Oskar Peterlini (SVP) im italienischen Senat ganz offen mit dem Argument um Zustimmung für seinen Abänderungsantrag geworben, dass jeder widerrechtliche Eingriff in die Autonomie selbstverständlich die Position der Unabhängigkeitsbefürworter stärke.

    Freilich ist die Grenze zwischen ehrlichem Einsatz für die Autonomie und vordergründiger Delegitimierung bzw. Schwächung der Sezessionisten immer fließend. Doch es ist selbst für Autonomiebefürworter von zweifellosem Vorteil, wenn es neben jenen, die weniger fordern — den Zentralisten — auch diejenigen gibt, die mehr wollen.



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  • Autonomiepatriotismus.

    In Südtirol sei das Autonomiegefühl nur sehr schwach ausgebildet, bemängelte Journalist Florian Kronbichler. “Wer sich heute zur Autonomie bekennt, gilt vielfach als ‘Verzichtler’”, so Kronbichler, der für mehr Autonomiegeist und Autonomiepatriotismus plädierte.

    Quelle: Südtirol Online.



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  • Neuer Wachhund.

    Seit langem fordern Südtiroler Parteien — einschließlich der Regierungspartei SVP — die Abschaffung des Regierungskommissärs als römisch-zentralistischen Aufpasser über unsere Autonomie. Doch diese Forderung war stets unerhört verhallt. Damit nicht genug, soll jetzt ein zusätzlicher Wachhund abgestellt werden, der die angeblich »autonome« Haushaltsführung des Landes überprüfen wird: Trotz des Widerstands von Südtiroler und Aostaner Senatoren wurde gestern vom italienischen Senat ein Regierungsdekret genehmigt, das neben Maßnahmen zur Kostensenkung auch ein interministerielles Kontrollorgan und einen Kommissar vorsieht, welche die öffentlichen Haushalte der Lokalkörperschaften überprüfen und wenn »nötig« einschreiten werden. Ausnahmeregelungen für die Autonomien wurden vom Plenum mit breiter Mehrheit abgelehnt. Da dies einen abermaligen Eingriff in landeseigene Befugnisse des darstellt, werden Bozen, Trient und Aosta diese Maßnahme aller Voraussicht nach vor dem Verfassungsgericht anfechten.

    Die Niederlage hindert Senator Oskar Peterlini (SVP) nicht daran, von einem »beachtlichen Erfolg« zu sprechen, weil 44 Senatoren für (aber 207 gegen) seinen Abänderungsantrag gestimmt haben. Das ist genauso eine Realitätsverweigerung wie die Annahme, dass mit diesem Zentralstaat eine Vollautonomie zu machen wäre. Man fragt sich, auf welchem Planeten unsere Regierungspartei inzwischen lebt.

    Cëla enghe: 01



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  • Internal Enlargement.


    Mitbestimmung/ Politik/ · · · · · EU/ ·

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  • Ausverkauf lohnt nicht.

    Die kürzlich zu Ende gegangene Wintersaison war aus touristischer Sicht durchwachsen, wie das Landesinstitut für Statistik (Astat) vermeldet. Bezüglich der Übernachtungszahlen kann man bei einem Rückgang von 0,1% im Vergleich zum Vorjahr von Stagnation sprechen. Allerdings waren die Ergebnisse innerhalb Südtirols regional sehr unterschiedlich: Während in Gherdëina, Badia, Rosengarten-Latemar (u.a. Karerpass), am Kronplatz und im Hochpustertal deutliche Rückgänge verzeichnet wurden, konnten alle übrigen Tourismusregionen mehr oder minder deutlich zulegen.

    Es fällt auf, dass genau jene Gebiete Einbußen hinnehmen mussten, die — mit teilweiser Ausnahme des Kronplatzes — nicht auf Authentizität, sondern auf Anbiederung gesetzt haben. Anders als die übrigen Tourismusregionen in Südtirol konnten sie den durch die schlechte Wirtschaftslage bedingten Wegfall italienischer Gäste nicht durch Gäste aus anderen Herkunftsländern ausgleichen.



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