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  • Die Wutbürger und der Medienterror.

    Ein paar Beobachtungen rund um die Seilbahn-Volksabstimmung in Brixen.

    Der “Medienterror”

    Terror ist ein hartes Wort, vor allem wenn man bedenkt, in welchem Zusammenhang wir dieser Tage von Terror sprechen. Emotion ist freilich ein wesentlicher Bestandteil der Politik und natürlich auch der direkten Demokratie. Um ein letztes Mal in der doch eher unpassenden Kriegsrhetorik zu bleiben, wäre es nun aber angebracht, die Geschütze herunterzufahren und verbal abzurüsten. Ich würde im Zusammenhang mit der Berichterstattung zur Seilbahnabstimmung lieber von einer massiven Medienkampagne sprechen wollen. Ob die Kampagne fair, geschickt oder vielleicht doch sogar kontraproduktiv war, steht freilich auf einem anderen Blatt.

    Es gibt den schönen Spruch, dass man das Wort “objektiv” aus seinem Wortschatz streichen sollte, es sei denn man arbeitet in einem Fotofachgeschäft. Den interpretativen Journalismus – also jene Art von Journalismus, der Situationen und Ereignisse neutral aus mehreren Blickwinkeln betrachtet – zeichnet aber schon eine gewisse Objektivität aus. Demgegenüber steht der Meinungsjournalismus, bei dem – beispielsweise in Leitartikeln und Kommentaren – klar Stellung bezogen wird. Dass private Medien und Zeitungen Partei ergreifen ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Im anglo-amerikanischen Raum ist das sogar recht gängig. Die angesehene New York Times und andere Qualitätszeitungen haben dutzendfach ziemlich direkte Wahlempfehlungen abgegeben. Und die Kampagnen der österreichischen Kronenzeitung sind ebenso berühmt wie berüchtigt.

    Worin ich sehr wohl ein Problem sehe ist, wenn Meinungsjournalismus unter dem Mäntelchen normaler redaktioneller Berichterstattung daherkommt bzw. wenn die Grundregel der Berichterstattung – nämlich die Betrachtung aus mehreren Blickwinkeln – regelmäßig vorsätzlich verletzt wird und Ein-Quellen-Artikel überhand nehmen. Meinungsjournalismus sollte speziell in Medien mit Qualitätsanspruch immer klar gekennzeichnet sein. Immer häufiger kann man in jüngster Zeit aber auch beobachten, dass sogar bezahlte Einschaltungen als redaktionelle Artikel getarnt werden. Das Layout unterscheidet sich kaum oder gar nicht.

    Dieses Durchsickern von Meinung hat man aber nicht bloß in den Athesia-Medien beobachten können. Auch die Gegenseite – also Medien wie salto.bz, die ich tendenziell eher auf Seiten der Busvariante verortet habe – hielt mit ihrer Meinung nicht immer hinter dem Berg.

    Die unauffälligste und zugleich effektivste Möglichkeit, Berichterstattung zu lenken, besteht jedoch in der Auswahl der Nachrichten. Dass Zeitungen nicht jede Presseaussendung voll abdrucken können, liegt auf der Hand. Und so sind die Fragen “Was lasse ich weg?” oder “Wem gebe ich wieviel Raum?” wahre Gretchenfragen.

    Die Wutbürger

    Die Situation in Brixen hatte schon etwas von Klassenkampf und Anti-Establishment. Interessant ist dabei vor allem, dass die Dolomiten im Rahmen des so genannten “Rentenskandals” die Wütbürger noch auf ihrer Seite wussten bzw. diese bisweilen sogar “erschuf” und als ihr Sprachrohr fungierte. In Brixen richtete sich der Zorn der Wutbürger dann unter anderem auch gegen die “manipulierende Medienmacht der Athesia”. Wobei die Macht der Athesia wiederum in einem weltweiten Kontext betrachtet so ungewöhnlich nicht ist, wenn man an Rupert Murdoch denkt. Der amerikanische Nachrichtenmarkt wird von nur fünf großen Konzernen dominiert, denen hunderte von Zeitungen, TV-Kanälen und Webseiten gehören. Diese suggerieren also nur Vielfalt. Südtirol hingegen verfügt tatsächlich über eine gewisse Vielfalt, wenngleich der Athesia-Konzern schon eine extrem dominante Position einnimmt. Dennoch wird es irgendwie widersprüchlich, wenn im Aftermath zur Volksabstimmung von Manipulation durch die Medien und gleichzeitig von mündigen Bürgerinnen und Bürgern die Rede ist.

    Direkte Demokratie in den Kinderschuhen
    Südtirol hat diese Form der Demokratie relativ neu für sich entdeckt. Ich stelle fest, dass es daher noch ein wenig an der Umsetzung hapert. Direkte Demokratie bedeutet nämlich nicht, einfach nur eine Abstimmung abzuhalten. Der Prozess davor ist mindestens genauso wichtig. Meiner Meinung nach sogar wichtiger. Die so genannte deliberative Demokratie – also jene Beteiligungsformen bei denen beraten und informiert wird – wurde sträflich vernachlässigt.

    Diesbezüglich darf man sich auch nicht bloß auf die Medien einschießen. Die öffentliche Verwaltung – sprich die Gemeinde – hätte hier die Aufgabe – nach meinem Dafürhalten sogar die Verpflichtung, ausgewogen zu informieren. Oder eine solche Information zumindest zu ermöglichen. In Mals erhielten die Bürgerinnen und Bürger vor der Abstimmung beispielsweise eine Broschüre, in der Befürworter und Gegner ihren Standpunkt darlegen konnten. In Brixen gab es das soweit mir bekannt ist nicht. Auch gab es keine – von “neutraler Seite” organisierte Möglichkeit, in der Gegner und Befürworter gemeinsam sich in einem großen Rahmen den Fragen der Bürgerinnen und Bürger stellten.

    Das Resultat in Brixen war, dass große Verwirrung und Unzufriedenheit herrschte und das Wahlvolk – wie es viele empfanden – zwischen Not und Elend entscheiden durfte. Wenn sich die Stimmbürger von vornherein nicht einmal mit Antwortmöglichkeiten identifizieren können, ist direkte Demokratie zum Scheitern verurteilt. Wir haben jetzt die Situation, dass mitunter ökosozial eingestellte Wählerinnen und Wähler über einen vermehrten COâ‚‚-Ausstoß, mehr Straßenverkehr und eine höhere Lärmbelästigung für die Anwohner jubeln. Dieser Umstand ist der Fragestellung geschuldet, denn ich wage zu behaupten, dass die wenigsten tatsächlich wollen, dass sich dutzende Busse durch Milland schlängeln. Aber es war halt die einzige Möglichkeit, sich effektiv gegen DIESE Seilbahn auszusprechen, ohne als kompletter Verhinderer dazustehen, der den Status Quo will.

    “Direkte Demokratie ist schuld”

    Ich befürchte, dass nun dieses schlechte Beispiel Brixen dazu missbraucht werden könnte, um der direkten Demokratie im Allgemeinen die “Funktionstüchtigkeit” abzusprechen. Erste Tendenzen diesbezüglich hab ich schon gelesen. Dabei war in diesem Fall nicht das Mittel sondern der Modus schuld.

    Diesbezüglich ist vor allem interessant wie im Nachhinein mit den Abstimmungsergebnissen umgegangen wurde. Die Malser Pestizidabstimmung wurde beispielsweise für illegal erklärt. Ein Aspekt einer Volksabstimmung ist natürlich die rechtliche Grundlage. Ein anderer die politische Botschaft. Und die war ziemlich deutlich. Ich halte es für bedenklich, wenn man nur “juridisch” argumentiert. Die Volksabstimmung ist Ausdruck eines politischen Willens. Jedes Gesetz ist aufgrund eines politischen Willens entstanden und kann somit auch mit politischem Willen geändert werden. Ich sage jetzt nicht, dass die Malser die EU-Gesetze umschreiben können. Aber man sollte sich davor hüten, eine starke Willensbekundung als illegal abzutun. Ähnliches beobachten wir ja in Katalonien, wo der Zentralstaat den Katalanen eine Volksabstimmung zur Unabhängigkeit verbieten möchte, da dies verfassungswidrig sei.

    Nach der Brixner Abstimmung sprachen die Dolomiten von einer knappen bzw. hauchdünnen Mehrheit für den Bus. Die Auffassung, was knapp ist, ist subjektiv. Nach meinem Dafürhalten ist knapp etwas anderes. 12 Stimmen oder 1 Prozentpunkt bei der Volksbefragung in Meransen. Das ist hauchdünn. Aber 750 Stimmen in Brixen? 500 Stimmen in Florida haben George W. Bush die amerikanische Präsidentschaft gesichert – und das bei über 100.000.000 abgegebenen Stimmen. Selbst wenn man die Prozentsätze nicht auf die Anzahl der abgegebenen Stimmen bezieht, sondern auf die Wahlberechtigten, wie das die Dolomiten am Montag gemacht haben, sind immer noch über 4 Prozentpunkte Unterschied zwischen 24,98 und 29,37. Ein Ergebnis auf die Zahl der Wahlberechtigten und nicht auf die Zahl der abgegebenen Stimmen zu beziehen ist sehr sehr ungewöhnlich, aber im Brixner Fall nicht gänzlich unberechtigt, da ja das Zustimmungsquorum ausschlaggebend war. Wobei es beim Erreichen des Zustimmungsquorums von 25 Prozent der Wahlberechtigten nur um die Gültigkeit der Abstimmung geht. Das Ergebnis der Abstimmung wird richtigerweise dennoch in Bezug auf die abgegebenen Stimmen berechnet. Dabei hat der Bus sogar eine absolute Mehrheit (50,06 %) erzielt und liegt 7 Prozentpunkte vor der Seilbahn. Nimmt man die Status-Quo-Stimmen dazu, haben sich 56,29 Prozent nicht für die Seilbahn ausgesprochen. Ich wage zu behaupten, dass im umgekehrten Fall nicht von einem knappen oder hauchdünnen Vorsprung die Rede gewesen wäre.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Brixen gegen die Arroganz.

    Die Brixnerinnen haben gestern entschieden — schlecht entschieden. Nein: Ich stelle damit nicht einen direktdemokratischen Entscheid in Frage, wie es in Südtirol leider gang und gäbe ist. Vielmehr war bei der gewählten Fragestellung gar keine gute Entscheidungsfindung möglich. Sie war Ausdruck von Verwirrung, stiftete ihrerseits noch mehr Verwirrung und fußte auf Arroganz. Zudem hätten die drei Antwortmöglichkeiten die Seilbahngegnerinnen spalten und schwächen können, vielleicht sogar sollen. Man war sich so wohl ziemlich sicher, einen Sieg einfahren zu können — ohne Kompromisse und ohne wirklich auf die Zweifel vieler Menschen einzugehen.

    Ich habe für die Seilbahnverbindung gestimmt, aber mit sehr großen Bauchschmerzen. Nicht sosehr wegen des Überflugs, wiewohl ich einen Vorschlag unterbreitet hatte, der dieses Problem zumindest entschärft hätte, sondern vor allem, weil ich mich damit auf die Seite einer arroganten und selbstgefälligen Kampagne schlagen musste, die die Bürgerinnen für dumm verkaufen wollte. Und das peinliche Großaufgebot der Athesia-Medienmacht war wohl nicht illegal, aber mit Sicherheit unerträglich. Aus all diesen Gründen ist es erfrischend und gut, dass sich die Mehrheit der Brixnerinnen nicht hat manipulieren lassen. Wobei ich freilich eine Intensivierung der Busverbindungen (und des CO2-Ausstoßes) nicht begrüße.

    Die direkte Demokratie wird nun wohl allmählich auch die »Mächtigen« in Südtirol lehren, dass man den Bürgerinnen mit Bescheidenheit und auf Augenhöhe begegnen muss, wenn man sich keine blutige Nase holen will. Zumindest insofern ist das Abstimmungsergebnis eine Wohltat.



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  • Wohltuende Argumente — für alle?

    Die Malser Bevölkerung hat sich kürzlich in einer Abstimmung für das Verbot gefährlicher Pestizide auf dem Gemeindegebiet ausgesprochen. Und nun versuchen die Gegner, anstatt sich ihre Niederlage einzugestehen, das eindeutige Ergebnis mit mehr oder minder unlauteren Methoden hinfällig zu machen. Da werden Studien zitiert, die die Harmlosigkeit der Pestizide belegen sollen, als befände man sich noch im Abstimmungskampf; und da werden juristische Spitzfindigkeiten vorgeschoben, um die angebliche Unwirksamkeit der politischen Willensbekundung zu belegen.

    In dieser Situation melden sich nun aber auch Menschen zu Wort, die diese Strategien als das entlarven, was sie sind: unfair und undemokratisch, mindestens. Aufschlussreich ist dies jedoch auch deshalb, weil denselben Kommentatoren diese Einsicht urplötzlich abhanden kommt, wenn es um andere Themen — allen voran die Selbstbestimmung — geht, was nahelegt, dass nicht nach demokratischen Grundsätzen, sondern nach ideologischen Vorlieben argumentiert wird. Und leider ist auch dies unfair und undemokratisch.

    So fallen etwa im dieswöchigen ff-Leitartikel von Georg Mair bezüglich Malser Volksabstimmung sehr erstaunliche Sätze wie jener, dass es eine Missachtung des Wählerwillens wäre, die Debatte »mit formaljuristischen Argumenten vom Tisch zu wischen«. Bei der Selbstbestimmung wird jedoch immer wieder auch dies gemacht.

    Im ständigen Verweis auf Gesetze schwingt auch die Angst mit, dass die Volksabstimmung ihre Gültigkeit behält oder die Malser einen geschickten Weg finden, die Absicht der Bürgerinnen und Bürger so umzusetzen, dass man der Umsetzung nicht leicht beikommen kann.

    Es wird betont, dass die Bürgerinnen der Vinschger Gemeinde sich nicht um die Meinung anerkannter Autoritäten (in diesem Fall der Bauernbund) geschert haben, sondern »so frech [waren], eine eigene zu haben«.

    Am liebsten hätte man, so scheint es, wenn die EU-Kommission in Brüssel, die Regierung in Rom und die Regierungskommissarin in Bozen die Volksabstimmung von Mals mit einem Federstrich annullieren würden.

    Mair plädiert dafür, den Willen der Bürgerinnen über rechtliche und Zuständigkeitsfragen zu stellen und die Gelegenheit zu nutzen, um im Sinne des Bevölkerungswillens eine Bioregion zu etablieren. Es werde nicht gelingen, so Mair, die Diskussion zu entschärfen, »wenn man gegen das Volk vor Gericht zieht«. Ganz richtig!

    Jetzt wäre aber schön, dass solch wohltuende Argumente nicht nur dann vorgebracht werden, wenn man mit der Abstimmung inhaltlich einverstanden ist — sondern grundsätzlich und prinzipiell. Schließlich lebt Demokratie davon, dass alle politischen Ansichten ernst- und zur Kenntnis genommen und dann respektiert werden. Nicht nur in Mals. Nicht nur die, die einem selbst gefallen. Und auch über formaljuristische Erwägungen hinaus.

    Cëla enghe: 01 02 || 01



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  • Zeller, Schottland und politische Strategie.

    Nach der Selbstbestimmung in Schottland hat in Südtirol die Stunde der rhetorischen Akrobaten geschlagen — und da durfte natürlich ein Karl Zeller, dem kein Widerspruch zu groß ist, nicht fehlen. Im gestrigen RaiSüdtirol-Mittagsmagazin sagte er sinngemäß, die Schottinnen hätten sich mit der Abhaltung der Abstimmung einen Bärendienst erwiesen, weil ihnen nun das größte Druckmittel gegen London (nämlich die Drohung mit der Abspaltung) abhanden gekommen und nun jegliche Verhandlung viel schwieriger geworden sei. Man müsse sich nun darauf verlassen, dass London sich an die Versprechungen aus dem Abstimmungskampf erinnere, während Südtirol sich das Druckmittel der Selbstbestimmung erhalten habe. Diejenigen, die heute hierzulande über Schottland jubeln, hätten nicht verstanden, dass die Situation Schottlands nun sogar schlechter sei, als jene Südtirols.

    Ein paar Hinweise an den Senator:

    • Politik ist nicht immer nur drittklassige Taktik und Drohung: Ist es für Zeller so unvorstellbar, dass die Schottinnen abgestimmt haben, um die Frage der Loslösung zu klären und nicht, um direkt oder indirekt etwas anderes zu erreichen?
    • Die SVP behauptet seit Jahr(zehnt)en gebetsmühlenartig, man könne nicht gleichzeitig die Selbstbestimmung und mehr Autonomie fordern — und wenn man ein Selbstbestimmungsreferendum verlöre, würde einem auch noch die Autonomie weggenommen. Hierzu hat sich Senator Zeller nun nicht mehr geäußert. Wenn Schottland laut Zeller trotz negativen Votums jetzt nur ein wenig schlechter dasteht, als Südtirol, war seine eigene Panikmache wohl falsch.
    • Doch in Schottland durfte die Bevölkerung demokratisch und völlig transparent darüber befinden, ob sie den Versprechungen aus London glaubt oder nicht. Offenbar hat sich die Mehrheit dafür entschieden, was wohl bedeutet, dass man Westminster trotz allem als Verhandlungspartner ernstnimmt.
      Die SVP beweist uns mit ihren Verhandlungsergebnissen jedoch regelmäßig, dass auf Rom kein Verlass ist. Die Bevölkerung wird natürlich nicht befragt.
    • Zwar ist die Selbstbestimmung in Schottland, wie neben Zeller auch David Cameron bestätigte, nun wohl für (nur) eine Generation (rund 25 Jahre) vom Tisch, doch sollte sich London tatsächlich nicht an die eigenen Verheißungen halten, bleibt sie als Druckmittel sehr wohl aufrecht — dann nämlich wäre der Vertrag wohl hinfällig, den Schottinnen und Rest-UK nun mit der Abstimmung eingegangen sind.
    • Die Selbstbestimmungsbefürworterinnen, die heute in Südtirol über Schottland jubeln, tun dies — anders als Zeller nahelegt — wohl kaum wegen des Ergebnisses, sondern wegen des Prozesses: Die Schottinnen durften ohne großes Drama abstimmen, Südtirol darf dies (auch dank Karl Zeller, der sich nie dazu veranlasst sah, dies zu fordern) nicht.
    • Selbst wenn man, wie die SVP, die Selbstbestimmung nicht als direktdemokratisches Instrument, sondern als reines taktisch-politisches Druckmittel versteht, dürfte es doch strategisch ein Schuss ins eigene Knie sein, sie per Landtagsbeschluss grundsätzlich auszuschließen. Was ist das für ein Druckmittel, wenn wir offen und amtlich festhalten, dass wir es gar nicht anerkennen?
    • Die Schottinnen legen ein Tempo vor, von dem Südtirol und die SVP (trotz angeblichen Druckmittels) nur träumen können: Von der Devolution 1997 bis zur diesjährigen Abstimmung sind gerade einmal 17 Jahre vergangen. Und nun wird im Vereinigten Königreich über eine Föderalisierung diskutiert. Hierzulande haben wir ein hoffnungslos veraltetes Autonomiestatut von 1972, gibt es seit Jahren Stillstand und spätestens seit Mario Monti ist die Autonomie gar einer Involution ausgesetzt.

    Detail am Rande: Hätte die ältere Generation in Schottland nicht mitgestimmt, hätte das Ja gewonnen. Wenn die Machthaber in London also nicht möchten, dass eine Abstimmung in 25 Jahren anders ausfällt, als heute, werden sie gut daran tun, sich als vertrauenswürdiger Verhandlungspartner zu erweisen.



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  • Catalogna, gettate le basi legali.

    Nel corso di una seduta straordinaria, seguita in diretta da centinaia di corrispondenti internazionali, ieri il parlamento catalano ha approvato a stragrande maggioranza l’unico punto all’ordine del giorno; si tratta della cosiddetta «legge sulle consultazioni non referendarie» che dovrebbe consentire al paese di convocare la consultazione sull’indipendenza dalla Spagna programmata per il 9 novembre. Il testo è stato approvato con ben 106 voti favorevoli e 28 contrari, in quanto ai partiti favorevoli all’autodeterminazione, CiU, ERC, Verdi (ICV) e CUP in quest’occasione si è associato anche il Partito Socialista Catalano (PSC), lasciando da soli all’opposizione PP e Ciutadans.

    L’impugnazione della legge davanti al Tribunale Costituzionale da parte del governo centrale di Madrid è quasi certa, mentre il presidente catalano Artur Mas ha annunciato di voler firmare la convocazione alle urne non appena il provvedimento sarà  stato pubblicato sul bollettino ufficiale della Catalogna. Diversamente dalla Scozia, la cui popolazione due giorni fa si è potuta esprimere liberamente sul proprio futuro, la Catalogna conta con l’opposizione senza sconti del governo centrale.

    Cëla enghe: 01



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  • Gehts noch dümmer?

    Mit Blick auf die Abstimmung in Schottland geben Südtirols Politikerinnen und Medien einmal mehr ihr Allerbestes — man tut sich schwer, auf internationaler Ebene dümmlichere Kommentare zu finden, als die der heimischen Selbstbestimmungsgegner.

    Noch am Vortag der schottischen Abstimmung hatte ich zu erklären versucht, warum Schottland in jedem Fall gewinnen würde, ganz egal ob sich das Ja oder das Nein durchsetzt: Zum Beispiel, weil die Schotten frei und demokratisch entscheiden durften und weil die Zentralisten gezwungen waren, das Nein in Devomax (maximale Autonomie) umzuwandeln. Darüberhinaus hatte ich diesen halb ironischen Kommentar getwittert, dessen Wahrheitsgehalt sich nun jedoch beweist:

    https://twitter.com/31bbd/status/512180809215004673

    Denn während die Tageszeitung vor der Abstimmung mit Anton Pelinka getitelt hatte, Südtirol sei mit Schottland nicht vergleichbar

    TAZ: Süd-Tirol ist nicht Schottland.

    behauptet sie heute völlig ungeniert, die Niederlage der schottischen Sezessionisten sei »eine Watsche« für die Südtiroler Unabhängigkeitsbefürworter:

    TAZ: Die schottische Lektion.

    Zudem sehe sich die SVP in ihrer Position gegenüber Rom bestärkt. Das sind zwei Widersprüche, wie sie größer kaum sein könnten:

    1. Wenn Südtirol nicht (mit) Schottland (vergleichbar) ist, warum sollte dann das schottische Nein eine Watsche für hiesige Unabhängigkeitsbefürworter sein? Frei nach obigem Tweet sucht sich die TAZ einfach aus, was für die eigene Position gerade bequemer ist — ganz egal, wie sehr sie sich argumentativ verrenken muss.
    2. Wenn es stets hieß, man könne nicht gleichzeitig die Selbstbestimmung und mehr Autonomie fordern, nun jedoch die Schotten das genaue Gegenteil bewiesen haben, warum fühlt sich dann die SVP in ihrer Position bestätigt?

    Doch noch viel wichtiger als diese Widersprüche, die sich das unionistische Establishment ganz nonchalant zu übersehen leisten kann, scheint mir folgende Frage:

    Was am Begriff »Selbstbestimmung« hat die Tageszeitung nicht verstanden?

    Selbstbestimmung ist nicht nur ein Erfolg, wenn die Bevölkerung sich für eine Abspaltung ausspricht, denn Selbstbestimmung ist die Möglichkeit, ergebnisoffen frei und demokratisch über die eigene Zukunft und über den eigenen institutionellen Rahmen zu befinden. Insofern ist die Abstimmung in Schottland — und darüber sind sich fast alle internationalen Beobachter einig — ein großes demokratisches Vorbild. Wenn man von »selbst bestimmen« spricht, sollte es gleichzeitig eine elementare Erkenntnis sein, dass Schottland (nur) für Schottland entschieden hat und nicht auch für Katalonien, Baskenland, Südtirol und andere mit. Oder hätte ein schottisches Ja automatisch auch zur Unabhängigkeit unseres Landes geführt?

    Doch offenbar ist soviel Einsicht für die Tageszeitung, die bei diesem Thema gern die Drecksarbeit übernimmt, schon zu hoch.

    Cëla enghe: 01



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  • Europäische Scheidungsregeln.

    Die EU ist beim schottischen Unabhängigkeits-Referendum gerade noch mit einem blauen Auge davongekommen. Ein unabhängiges Schottland hätte die Brüsseler Bürokraten-Elite wohl in ein Dilemma gestürzt. Mit dem Separatismus tut sich der Club der Nationalstaaten nämlich schwer.

    Bestenfalls ist neutrales Verhalten zu erwarten. Nicht beim scheidenden Kommissionspräsidenten Barroso, der den Schotten schon vor der Abstimmung mit Ausschluss drohte und nun unverhohlen jubelt. In der Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 19.09.2014 wird er wie folgt zitiert:

    Das Ergebnis ist gut für ein einiges, offenes und stärkeres Europa, für das die EU-Kommission steht

    Weiters wird im Artikel über folgende Frage berichtet:

    Ob Barrosos Freude nicht im Umkehrschluss heißen müsse, dass ein schottisches “Ja” zur Unabhängigkeit ein uneinigeres, verschlossenes und schwächeres Europa zur Folge gehabt hätte? So wurde seine Pressesprecherin immer wieder gefragt.

    Taktloser kann sich ein scheidender Kommissionspräsident wohl nicht zu einem demokratischen Votum äußern. Den durch und durch EU-freundlichen Schotten wird die potentielle Schuld an einem verschlossenen, uneinigen und schwächeren Europa unterstellt. Dies in Zusammenhang mit einer demokratiepolitischen Sternstunde, ermöglicht durch das Vereinigte Königreich, zu der die EU derzeit wohl nicht in der Lage wäre.

    Spaniens Ministerpräsident Rajoy drohte den Schotten gar mit einem Veto im Falle einer Unabhängigkeit bei evtl. Verhandlungen zum EU-Betritt. Als sich Gibraltar 2002 zu 99% zu Großbritannien bekannte und eine geteilte Souveränität zwischen Großbritannien und Spanien ablehnte, war man in Spanien weniger amused über das pro-UK Votum.

    Und mit Spanien tut sich die nächste potentielle Zerreißprobe für die Eurokraten auf. Die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens oder des Baskenlandes werden durch den Verbleib Schottlands bei Großbritannien wohl kaum aufgehalten werden.

    Die EU täte gut daran, ihr ablehnendes Verhalten zu ändern und Scheidungsregeln auszuarbeiten, die innereuropäische Trennungen innerhalb geregelter Bahnen ablaufen lassen. Gerade mustergültige Prozessabläufe, wie Separationsbestrebungen basisdemokratisch eingebettet werden, würden die EU stark machen. Das Verhalten Barrosos und das dogmatische Beharren auf den derzeitigen Status-Quo, ohne Vision wie man aus der Integrationsblockade rauskommt sind ein Zeichen von Schwäche und nationalstaatlichem Kleingeist. Es ist vor allem das Vetopotential der fünf bis sechs größten EU-Mitgliedsländer, die die EU blockieren. Kleine Staaten sind auf Kooperation angewiesen und haben ohne EU kein Gewicht in der Welt. Auch deshalb sieht Robert Menasse die Zukunft der europäischen Integration in unabhängigen, souveränen europäischen Regionen.

    Wenn sich die EU nicht weiter von den Bevölkerungen entfernen will, dann muss dem Unabhängigkeitswunsch einzelner Regionen durch eine klare Regelung der Materie Rechnung getragen werden.

    Welche Punkte müssten diese Scheidungsregeln beinhalten:

    • Grundlagen für eine Abstimmung mit einer Aufforderung an die Mitgliedsstaaten ihre Verfassungen daran anzupassen um Referenden zu ermöglichen.
    • Regeln für den Ablauf des Referendums.
    • Regelung der wichtigsten Fragen, wie Übernahme von Schulden, Pensionsregelungen, Verbleib in der EU, Klärung der Währungsfrage, falls es sich um ein Land handelt, das nicht den Euro hat, Klärung aller Aspekte der Rechtsnachfolge, Aufteilung von Rohstoffen usw.

    Durch den Verbleib Schottlands im Vereinigten Königreich hat die EU für die Klärung dieser Fragen Zeit gewonnen. Klug wäre es, diese Zeit zu nützen. Der nächste Härtefall für die EU-Bürokratie kommt bestimmt.

    Cëla enghe: 01 || 01



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  • Schottinnen meinen: Better together.

    Die Bürgerinnen Schottlands hatten gestern zwischen 7.00 und 22.00 Uhr Ortszeit die Möglichkeit, frei und demokratisch über die Auflösung der Union mit England, Wales, Cornwall und Nordirland zu befinden. Es war ein völlig undramatischer und friedlicher Prozess, der in jedem Fall eine politische Neuausrichtung des Landes bewirkt hat.

    Ein positiver Entscheid hätte möglicherweise der Grundstein für einen Umbau der Europäischen Union im Sinne der Subsidiarität sein können.

    Stattdessen haben sich die Schottinnen bei sehr hoher Stimmbeteiligung (rund 86%) dafür entschieden, »nur« das Vereinigte Königreich zu verändern: Obschon sich mit Glasgow die größte — eindeutig sozialistisch geprägte — Stadt des Landes (und drittgrößte Stadt Großbritanniens) für die Eigenstaatlichkeit aussprach, konnte sich das »Ja« landesweit nicht durchsetzen. Edinburgh, wo die Konservativen traditionell stärker sind, votierte hingegen für die Aufrechterhaltung der Union.

    Alex Salmond, schottischer First Minister und erster Verfechter der Unabhängigkeit, rief alle dazu auf, das Abstimmungsergebnis vorbehaltslos anzuerkennen:

    Our referendum was an agreed and consented process. And Scotland has by majority decided not – at this stage – to become an independent country. I accept that verdict of the people and I call on all of Scotland to follow suit in accepting the democratic verdict of the people of Scotland.

    — Alex Salmond (SNP)

    YouGov, dasselbe Institut, das noch vor wenigen Tagen als erstes einen Vorsprung von YesScotland festgestellt hatte, sagte bereits wenige Minuten nach Abschluss der Abstimmung um 22.00 Uhr voraus, dass sich die Schotten für die Rettung des Vereinigten Königreichs ausgesprochen hatten. Dies deutet darauf hin, dass »der Schwur« von David Cameron, Ed Miliband und Nick Clegg die erhoffte Wirkung erzielen konnte. Die Anführer der drei größten britischen Parteien hatten mit dem auf »Pergament« geschriebenen Dokument noch vor wenigen Tagen versucht, die Schottinnen für einen Verbleib zu gewinnen, indem sie ihnen weitreichende Selbstverwaltungsrechte in Aussicht stellten. Selbst ein Umbau des Königreichs in eine Föderation ist nun denkbar.

    Cëla enghe: 01 02



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