Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Deutschtests diskriminierend.

    Autor:a

    ai

    |

    1 Comentâr → on Deutschtests diskriminierend.

    Wie berichtet ist die Erlangung einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung in Südtirol ab sofort an einen Sprachtest geknüpft, den Zugewanderte nur in der Staatssprache Italienisch ablegen müssen/dürfen. Das widerspricht eklatant dem Prinzip der sprachlichen Gleichstellung, welches die Südtirol-Autonomie — zumindest auf dem Papier — immer geleitet hat. Bittere Ironie: Organisieren und finanzieren muss die Kurse und die Tests auch noch das Land Südtirol.

    In Ermangelung einschlägiger Zuständigkeiten in den Bereichen Zuwanderung und Integration hat der Landeshauptmann voreilig angekündigt, zumindest auch einen freiwilligen Deutschtest anzubieten. Daran sollte laut seiner Ankündigung freilich nicht die Aufenthaltsgenehmigung geknüpft sein, sondern einige Dienste und Leistungen des Landes.

    Gegen dieses Ansinnen geht nicht nur ein Teil der Opposition auf die Barrikaden, sondern mit der Demokratischen Partei (PD) auch der eigene Koalitionspartner. Sozialleistungen an einen Sprachtest zu knüpfen sei diskriminierend und verfassungswidrig, geben sie unisono zu bedenken. Und haben damit Recht. Es wäre ungerecht und verantwortungslos, die Zahnlosigkeit der Autonomie auf den Rücken der neuen Südtirolerinnen abzuwälzen, indem man die Zuweisung einer Wohnung oder die Leistung eines dringenden Sozialdienstes an ein Sprachzertifikat koppelt — nur weil man im Bereich Integration keine Zuständigkeit hat und auf andere Bereiche ausweichen muss, um die sprachliche Ausgewogenheit wiederherzustellen.

    Solche Vorschläge sind natürliche Folgen der SVP-Täuschungspolitik: Damit die Bürgerinnen nicht merken, dass unser Handlungsspielraum bei Schlüsselfragen extrem eingeschränkt ist, wird über Umwege versucht, Schlagkraft vorzugaukeln, die uns das Autonomiestatut aber so nicht verleiht.

    Opposition und PD tun gut daran, die drohende Diskriminierung von Zugewanderten aufzuzeigen. Zur Diskriminierung durch die staatlichen Sprachtests, welche die Deutsch sprechenden neuen Südtirolerinnen einseitig belasten, eine ausgewogene Integrationsarbeit behindern und die Gleichstellung der Sprachen unterwandern, wird ihre Wortmeldung jedoch noch erwartet. Genauso zur Notwendigkeit, diesbezügliche Zuständigkeiten so rasch wie möglich vom Staat zu übernehmen, um unserer besonderen Situation Rechnung tragen zu können. Alles andere wäre Heuchelei.

    Siehe auch: 01



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Der neue Korridor.

    Autor:a

    ai

    |

    4 Comentârs → on Der neue Korridor.

    Es ist noch nicht lange her, da waren in Südtirol zwischen Brenner und Winnebach sogenannte Korridorzüge unterwegs, Verbindungen zwischen Nord- und Osttirol, welche Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten zuerkannt worden waren. Aus Südtiroler Sicht handelte es sich um beängstigende Geisterkonvois, die hierzulande weder halten noch Leute ein- und aussteigen lassen durften.

    Der dieswöchige Beschluss der italienischen Schienennetzbehörde dürfte die Korridorzüge jetzt im sogenannten »vereinten Europa« wieder auferstehen lassen. Demzufolge dürften Fernzüge nur noch durch Südtirol fahren, ohne an unseren Bahnhöfen zu halten. Ein Mitspracherecht hat das Land dabei nicht, denn die Behörde sitzt in Rom und entscheidet für das gesamte Staatsgebiet. Erklärbar ist die Regelung, welche Fernzügen allgemein jeden Zwischenhalt untersagt, mit dem groben Interessenskonflikt, der im italienischen Schienenverkehr vorherrscht: Dem Staat gehören gleichzeitig die Regulierungsbehörde, der Schienenbetreiber RFI und die angeschlagene Bahngesellschaft Trenitalia (TI), die beiden letzteren gehören sogar der selben Betriebsgruppe an. Innerhalb dieses Geflechts hat nun der eine Arm (TI) dem anderen Arm (der Regulierungsbehörde) »mitgeteilt«, der Fernverkehr (der Konkurrenz) störe den Regionalverkehr (von TI); obwohl alle von der Behörde angehörten Regionen eine solche Störung abgestritten haben, ist nun die Entscheidung ergangen, welche ganz klar als protektionistische Maßnahme zugunsten des staatlichen Platzhirsches TI zu werten ist und dazu dient, Mitbewerber auszuschalten. Die Erreichbarkeit Südtirols wird dadurch schwer schädigt.

    Das ist ganz eindeutig eine Entscheidung, die nicht im Interesse von Bürgern und Bahnfahrern gefällt wurde, sondern einzig und allein den Partikularinteressen eines Unternehmens entspricht. Dabei hätte eine staatliche Regulierungsbehörde eigentlich die Aufgabe, gleiche Voraussetzungen für alle konkurrierenden Unternehmen zu schaffen. Dass das schon bisher nicht der Fall war beweist unter anderem die Tatsache, dass Trenitalia am Bahnhof keine Tickets für die DB-ÖBB-Züge anbieten musste — denen diese Regelung jetzt wohl ohnehin das Garaus bereiten wird.

    Schlüsselkompetenzen, die unser autonomes Land nicht hat (und das sind die meisten) können wir auch nicht in unserem Sinne gestalten. Dazu gehören etwa das Schulsystem, Zuwanderung und Integration, der Konsumentenschutz — und eben auch die wichtigsten Verkehrswege (Schiene, Autobahn, Luftverkehr).



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Zeitbombe für die Integration.

    Autor:a

    ai

    |

    10 Comentârs → on Zeitbombe für die Integration.

    Um in Südtirol eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen, müssen Zugewanderte seit Juni Kenntnisse der Staatssprache Italienisch belegen. Weder dürfen sie stattdessen einen Deutsch- oder Ladinischtest ablegen, noch werden die Kenntnisse dieser beiden Landessprachen gleichwertig erhoben. Einen Vorstoß der Landesregierung, die tatsächliche Gleichstellung von Deutsch und Italienisch zu erwirken, wurde von Rom entschieden zurückgewiesen. Lediglich ein freiwilliger zusätzlicher Deutschtest wurde in Aussicht gestellt.

    Auch bei der Integration von Zugewanderten gibt es also nur eine »lingua franca«, die Sprache des zentralistischen Nationalstaates, während die anderen auf den Status von Folklore-Sprachen degradiert werden. Diese klare Hierarchie wird den neuen Südtirolerinnen fortan vermittelt werden, wobei auch die konkrete Gefahr besteht, dass gut integrierte Migrantinnen, die gut Deutsch und schlecht Italienisch sprechen, ausgewiesen werden — während etwa einsprachig italienisch sozialisierte Zugewanderte den Test problemlos bestehen. Die an und für sich bereits schwierigere Integration in eine Minderheitensprache wird hierdurch tatkräftig behindert.

    Das ist eine regelrechte Zeitbombe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die effektive Integration neuer Mitbürgerinnen in unser mehrsprachiges Land. Gleichzeitig stellt die Regelung die fehlende Zuständigkeit des Landes (Autonomiemodell) in zukunftsträchtigen Schlüsselbereichen bloß und belegt, dass eine vollumfängliche Gleichstellung der Landessprachen nicht existiert.

    Siehe auch:
    1 || 01 02 03 04



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Kulturhauptstadt Italia Nord-Est.

    Autor:a

    ai

    |

    9 Comentârs → on Kulturhauptstadt Italia Nord-Est.

    Vier Länder, drei Sprachen, fünf Regionen mitten in Europa – zum ersten Mal ist eine Großregion zur Kulturhauptstadt Europas gewählt worden.

    Wir reden nicht von Südtirol oder von der Europaregion Tirol. Luxemburg hat sich 2007 zum ersten Male in Form einer länderübergreifenden Initiative den Titel Kulturhauptstadt Europas geholt.

    Zusammen mit Luxemburg wurden die Wallonie in Belgien, das französische Lothringen sowie die beiden deutschen Bundesländer Saarland und Rheinland-Pfalz zur Kulturhauptstadt Europas gewählt. Rund ein Drittel der 450 Projekte waren grenzüberschreitend. “Über die Grenzen” war der rote Faden, der durch das Jahr leitete. Damit nicht genug: Von Luxemburg, das den Titel Kulturhauptstadt Europas schon 1995 trug, wurden 2007 nicht nur Brücken länderübergreifend in die Nachbarregionen geschlagen, sondern mit 30 Projekten sogar bis nach Hermannstadt (Sibiu) in Rumänien, der zweiten Kulturhauptstadt im Jahre 2007. Die auch heute noch in Hermannstadt lebenden Siebenbürger Sachsen sind Nachfahren der Stadtgründer im 12 Jh.. Ihre Sprache ähnelt dem Moselfränkischen zwischen Rhein und Mosel. Die Luxemburger Kulturfabrik hat deshalb in Esch/Alzette im Jahre 2007 Künstler aus dem Siebenbürger Raum zusammen mit Künstlern aus der Großregion Luxemburg präsentiert.

    Szenenwechsel: Dezember 2010. Der Landeshauptmann von Südtirol unterzeichnet in Venedig das Bewerbungsschreiben zur Kulturhauptstadt “Italia Nord Est”. Südtirol als Anhängsel einer rein italienischen Großregion — es wäre interessant zu sehen, wie Italien und auch Südtiroler Intellektuelle reagieren würden, wenn sich Südtirol mit München unter dem Begriff “Deutschlands Süden” um die Kulturhauptstadt Europas bewerben würde.
    Der kulturellen Vielfalt Südtirols entspricht Italia Nord Est ebenso wenig wie eine hypothetische Bewerbung für eine Großregion Deutschlands Süden. Für eine Bewerbung in einem Kontext, welcher der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Südtirols gerecht wird, scheint die Kreativität unserer Regierungspartei derzeit nicht zu reichen.

    Während man 2007 in Luxemburg europäische Kulturgeschichte geschrieben hat, degradiert sich Südtirol mit dieser Bewerbung zu einem Wurmfortsatz des ominösen Triveneto. Nicht nur eine Bankrotterklärung der Südtiroler Autonomiepolitik, sondern auch der in Sonntagsreden immer wieder krampfhaft bemühten Europaregion Tirol. Sind dies die Konzepte und Visionen unserer Regierungspartei?

    Möglicherweise befindet sich Südtirol schon länger auf einem gefährlichen Blindflug mit höchst ungewissem Ziel.

    Siehe auch: 01



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Transparenz und Verantwortung.

    Autor:a

    ai

    |

    2 Comentârs → on Transparenz und Verantwortung.

    Ich persönlich befürworte den Ausbau des Bozner Flughafens — aus Gründen, die ich an anderer Stelle dargelegt habe. Zu diesem Thema wurde aber eine aufwändige Mediation geführt, deren Ergebnis nicht einfach so auf den Kopf gestellt werden darf. Zudem steht das Ergebnis eines Referendums im Raum, welches zwar aufgrund des knapp verfehlten Quorums nicht bindend ist, aber einen beeindruckenden Fingerzeig der Bevölkerung beinhaltet.
    In einer Demokratie darf alles neu diskutiert werden, keine Entscheidung ist auf immer und ewig festgeschrieben. Doch die Bevölkerung ist ernstzunehmen und einzubinden, nicht zu übergehen und für blöd zu verkaufen. Ausdruck von Verantwortung und Transparenz wäre etwa die Abhaltung eines bindenden Referendums ohne Beteiligungsschwelle. Die Verlängerung der Landebahn trotz gegenteiligen Mediationsergebnisses wäre hingegen Ausdruck von Respektlosigkeit und Ignoranz.

    Das Projekt Ried am Kronplatz kenne ich nicht im Detail. Ich weiß, dass die Anbindung von Skigebieten an die Bahn in der Schweiz gang und gäbe ist. Dass dazu auch eine neue Skipiste erforderlich ist, wage ich zu bezweifeln. In jedem Fall habe ich hierzu (noch) keine gefestigte Meinung. Ob man nun für oder gegen Ried ist, eines ist in jedem Fall sicher: Die Art und Weise, wie die SVP die Volksbefragung torpediert hat, die gezielte Demontage mit fadenscheinigen Argumenten, die Meidung einer inhaltlichen Debatte auf Augenhöhe zugunsten des Abstimmungsboykotts, ist für eine demokratische Gesellschaft nicht hinnehmbar. Das erinnert an para- und pseudodemokratische Systeme, in denen nicht Transparenz und Verantwortung, sondern Macht und Einschüchterung vorherrschen.

    Gegen die Übernahme des E-Werkes an der Töll durch die Landesenergiegesellschaft SEL ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Manches Gegenargument der Etschwerke und der Gemeinden Bozen und Meran mutet merkwürdig an; so zum Beispiel, dass die Etschwerke das Kraftwerk seit 1898 führen. Kommt es zu einer Ausschreibung, sollte doch selbstverständlich sein, dass der Beste zum Zug kommt, und nicht zwangsläufig der Platzhirsch. Ob die Entscheidung der Landesregierung rechtens war, werden die Gerichte prüfen. Es zeugt aber nicht von Transparenz, wenn das Land gleichzeitig den Schiedsrichter zwischen unterschiedlichen Anbietern spielt und als Inhaber der SEL ein Eigeninteresse verfolgt.

    Es geht nicht immer um den Inhalt. Um die Methoden schon.



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Gefährliches Vorpreschen.

    Autor:a

    ai

    |

    23 Comentârs → on Gefährliches Vorpreschen.

    Seit 2009 finden in Katalonien auf kommunaler und übergemeindlicher Ebene selbstverwaltete Unabhängigkeitsreferenda statt, von denen auch berichtet hat 01 02 03. Die Süd-Tiroler Freiheit (STF) war indirekt daran beteiligt, indem sie gemeinsam mit anderen Parteien (zumeist aus der EFA-Gruppe) internationale Beobachter nach Katalonien entsandt hat.

    Nun hat die STF angekündigt, im Ahrntal beginnend, Referenda nach katalanischem Muster auch in Südtirol durchzuführen. Vorausgeschickt sei, dass es in einer Demokratie jedem unbenommen ist, selbstverwaltete Befragungen durchzuführen und daran teilzunehmen. Sie haben keinen bindenden Charakter, doch in Katalonien haben sie gezeigt, dass sie ein funktionierendes Mittel sind, um den Wunsch der Bevölkerung nach Eigenregierung politisch zu kanalisieren und sichtbar zu machen.

    Zwischen beiden Ländern gibt es jedoch zumindest zwei eklatante Unterschiede, aufgrund derer die Referenda der STF als voreilig und dadurch gefährlich und kontraproduktiv einzustufen sind:

    1. Genauso penibel wie in Südtirol auf die Trennung nach Sprachgruppen geachtet wird, hat sich Katalonien stets um den gesellschaftlichen Zusammenhalt (Kohäsion) bemüht. Dies ist eine zentrale Vorbedingung für den Unabhängigkeitsprozess, auf welche schon oft hingewiesen hat und welche eine unserer Hauptforderungen darstellt.
      Wenngleich zurzeit »nur« etwa die Hälfte der Katalanen die Unabhängigkeit befürwortet, wird sie dort als eine legitime politische Vision für das gesamte Land verstanden, und nicht als Forderung der einen gegen die anderen.
      Die Süd-Tiroler Freiheit hat sich auch in ihrem politischen Gebaren — genauso wie alle anderen etablierten Parteien, welche die Selbstbestimmung befürworten — nie aktiv um die Italiener, die Ladiner und die Skeptiker gekümmert. Zumindest innerparteilich hätte sie die Verpflichtung, sich ihnen zu öffnen, aktiv und offensiv zuzuwenden und in einen gemeinsamen Prozess einzubinden. Das ist fast schon programmatisch ausgeblieben.
    2. In Katalonien sind die selbstverwalteten Referenda von der Zivilgesellschaft ausgegangen, von Vereinen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) und unter Einbindung aller Gesellschaftsschichten — einschließlich der Zuwanderer 04, der »neuen Katalanen«, welche ihre Unterstützung nicht versagt haben. Es wurde stets penibelst darauf geachtet, dass die Parteien sich nicht in den Prozess einmischen. Zwar wurden externe Unterstützungserklärungen und Wahlaufrufe akzeptiert, aber eine aktive Mitarbeit zum Zwecke der politischen Profilierung blieb ihnen konsequent versagt.
      In Südtirol will hingegen gerade eine politische Partei etwas anstoßen, wofür die Gesellschaft offensichtlich noch nicht bereit ist. Nicht einmal der Konsens mit anderen unabhängigkeitswilligen Parteien wurde gesucht. Das ist eklatant.

    Eva Klotz und Sven Knoll sind auf dem besten Weg, nicht nur die Unabhängigkeitsidee, sondern sogar den fragilen gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig zu beschädigen, indem sie unerlässliche Etappen für einen Konsens in dieser Angelegenheit einfach auslassen. Das kann von Befürwortern eines seriösen Unabhängigkeitsprozesses nicht hingenommen werden.

    Siehe auch: 01 02



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Ubi nomen, ibi patria.

    Autor:a

    ai

    |

    6 Comentârs → on Ubi nomen, ibi patria.

    Dieses Motto zum Thema Ortsnamen (zu Deutsch in etwa: »wo man eigene Ortsbezeichnungen vergibt, dort ist das Vaterland«) haben sich nicht etwa Unitalia, Forza Nuova oder CasaPound gegeben, sondern die Südtiroler Grünen. Enthalten ist das Prinzip in ihren »Arbeitsthesen für das Zusammenleben« vom 6. November 2010. Damit nehmen sie weder auf die zeitgenössischen, weltweiten Entwicklungen und Gepflogenheiten auf diesem Gebiet Bezug, noch auf den heutigen Stand der Geographie-Wissenschaft. Das Motto könnte eher von Ettore Tolomei stammen, denn von einer interethnischen Partei (Eigendefinition) und könnte direkt vom hic patriae fines siste signa (»hier an den Grenzen des Vaterlandes setze die Zeichen«, i. S. v. »markiere das Territorium«) abgeleitet sein, welches am Bozner Siegesdenkmal prangt.

    Garniert ist das Motto mit insgesamt fünf Thesen, die ich hier im Einzelnen kommentieren möchte:

    Südtirol ist ein 3-sprachiges Land

    Außer an der Schreibweise und an der italienischen Übersetzung (»Alto Adige« statt des einst grünen Sudtirolo) nichts auszusetzen. Im Grunde eine Binsenweisheit.

    Altes Unrecht (wie das von Tolomei) wird durch neues Unrecht nicht wiedergutgemacht.

    Das ist nun wirklich eine Ungeheuerlichkeit. Die Rückgängigmachung eines Unrechts (die zwangsweise Übersetzung von Abertausenden von Ortsbezeichnungen) wird mit dem Unrecht selbst auf eine Stufe gesetzt. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Entscheidung wissenschaftlichen Kriterien und internationalen Gepflogenheiten entspräche und vor allem: dass sie von demokratisch legitimierten Gremien beschlossen würde und lediglich die Amtlichkeit von Ortsbezeichungen beträfe, während die Tolomei-Namen auf faschistische Dekrete und auf die gewaltsame Unterdrückungspolitik durch ein totalitäres Regime zurückgehen.

    Wenn wir diesen Ansatz weiterdenken, dann kommen wir womöglich zum Schluss, dass wir die Hängung von Kriegsverbrechern bei den Nürnberger Prozessen mit den standrechtlichen Erschießungen von »Deserteuren« durch die Nazis auf eine Stufe stellen müssen. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter.

    Namen in der eigenen Sprache zur Verfügung haben, bedeutet Gefühl der Beheimatung [ubi “Nomen”, ibi “Patria”]

    Was das mit der grünen Idee zu tun hat, ist und bleibt mir schleierhaft. Daraus ergäbe sich, dass wir die Beheimatung von Zuwanderern (welche ich genauso wie die Grünen befürworte) nur meistern können, wenn wir unsere Ortsbezeichnungen auf Pakistanisch, Albanisch, Bulgarisch, Arabisch und in alle anderen Sprachen der “neuen Südtiroler” übersetzen. Das wäre nicht nur völlig absurd, sondern nach meiner Überzeugung (genauso wie die Tolomeinamen!) ein Beitrag zur Schaffung von Parallelgesellschaften.

    Dt. und lad. Namen müssen “amtlich gemacht werden”.

    Das ist mittlerweile Konsens (es gibt meines Wissens keine im Südtiroler Landesparlament vertretene Partei, die sich diesem Ansinnen widersetzen würde) und daher keiner besonderen Erwähnung wert.

    Es hat keinen Sinn, bestehende Namen “am grünen Tisch” neu zu übersetzen.

    Hier servieren uns die Grünen zum Abschluss gleich den doppelten Widerspruch: Zum einen wäre diese Schlussthese nämlich die Bloßstellung des Tolomeiwerks und eine Rechtfertigung für seine Revidierung, zum anderen ist es angesichts der dritten These unverständlich, warum bestehende Namen nicht übersetzt werden sollen, wenn doch aus der Übersetzung — wie auch Tolomei meinte — angeblich Beheimatung entsteht.

    Was nun?

    Siehe auch: 01 02 03



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.

You are now leaving BBD

BBD provides links to web sites of other organizations in order to provide visitors with certain information. A link does not constitute an endorsement of content, viewpoint, policies, products or services of that web site. Once you link to another web site not maintained by BBD, you are subject to the terms and conditions of that web site, including but not limited to its privacy policy.

You will be redirected to

Click the link above to continue or CANCEL