Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Die Sezession laut Ludwig Mises.
    Quotation · Ansicht eines klassischen Liberalen

    Es muß die Möglichkeit bestehen, daß die Staatsgrenzen verlegt werden, wenn der Wille der Bewohner eines Landesteiles, sich einem anderen Staate anzuschließen als dem, dem sie gerade angehören, sich deutlich kundgegeben hat. […]
    Das Selbstbestimmungsrecht in bezug auf die Frage der Zugehörigkeit zum Staate bedeutet also: wenn die Bewohner eines Gebietes, sei es eines einzelnen Dorfes, eines Landstriches oder einer Reihe von zusammenhängenden Landstrichen, durch unbeeinflußt vorgenommene Abstimmungen zu erkennen gegeben haben, daß sie nicht in dem Verband jenes Staates zu bleiben wünschen, dem sie augenblicklich angehören, sondern einen selbständigen Staat bilden wollen oder einem anderen Staate zuzugehören wünschen, so ist diesem Wunsche Rechnung zu tragen. Nur dies allein kann Bürgerkriege, Revolutionen und Kriege zwischen den Staaten wirksam verhindern.
    Man mißversteht dieses Selbstbestimmungsrecht, wenn man es als “Selbstbestimmungsrecht der Nationen” bezeichnet. Es handelt sich nicht um das Selbstbestimmungsrecht einer national geschlossenen Einheit, sondern es handelt sich darum, daß die Bewohner eines jeden Gebietes darüber zu entscheiden haben, welchem Staatsverband sie angehören wollen. Noch ärger ist das Mißverständnis, wenn man das Selbstbestimmungsrecht als “Selbstbestimmungsrecht der Nationen” gar dahin verstanden hat, daß es einem Nationalstaate das Recht gebe, Teile der Nation, die einem anderen Staatsgebiet angehören, wider ihren Willen aus ihrem Staatsverband loszulösen und dem eigenen Staat einzuverleiben. Die italienischen Faszisten leiten aus dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen die Forderung ab, den Kanton Tessin und Teile anderer Kantone von der Schweiz loszulösen und mit Italien zu vereinigen, auch wenn die Bewohner dieser Kantone dies gar nicht wünschen. Ähnlich ist die Stellung eines Teiles der Alldeutschen zur deutschen Schweiz und zu den Niederlanden.
    Das Selbstbestimmungsrecht, von dem wir sprechen, ist jedoch nicht Selbstbestimmungsrecht der Nationen, sondern Selbstbestimmungsrecht der Bewohner eines jeden Gebietes, das groß genug ist, einen selbständigen Verwaltungsbezirk zu bilden. Wenn es irgend möglich wäre, jedem einzelnen Menschen dieses Selbstbestimmungsrecht einzuräumen, so müßte es geschehen. Nur weil dies nicht durchführbar ist, da die staatliche Verwaltung eines Landstrichs aus zwingenden verwaltungstechnischen Rücksichten einheitlich geordnet sein muß, ist es notwendig, das Selbstbestimmungsrecht auf den Mehrheitswillen der Bewohner von Gebieten einzuschränken, die groß genug sind, um in der politischen Landesverwaltung als räumliche Einheiten aufzutreten.
    Daß das Selbstbestimmungsrecht, soweit es wirksam war und überall, wo man es hätte wirksam werden lassen, im 19. und im 20. Jahrhundert zur Bildung von Nationalstaaten und zur Zerschlagung der Nationalitätenstaaten geführt hat oder geführt hätte, entsprang dem freien Willen der zur Entscheidung in der Volksabstimmung Berufenen. Die Bildung von Staaten, die alle Angehörigen einer Nation umfassen, war das Ergebnis des Selbstbestimmungsrechtes, nicht sein Zweck. Wenn ein Volksteil sich in staatlicher Selbständigkeit oder im Staatsverbande mit Angehörigen anderer Völker wohler fühlt als im nationalen Einheitsstaat, kann man wohl versuchen, ihn durch Werbung für die Ideologie des nationalen Einheitsstaates zu gewinnen, um seine politischen Wünsche umzugestalten. Wenn man aber gegen seinen Willen sein politisches Schicksal unter Berufung auf das höhere Recht der Nation bestimmen will, dann verletzt man das Selbstbestimmungsrecht nicht anders als durch irgendeine andere Form von Unterdrückung. Eine Aufteilung der Schweiz unter Deutschland, Frankreich und Italien wäre, auch wenn sie genau nach der Sprachgrenze vor sich gehen würde, eine ebenso krasse Verletzung des Selbstbestimmungsrechts wie es einst die Teilung Polens war.

    Ludwig Mises, austroamerikanischer Theoretiker des klassischen Liberalismus, in »Liberalismus« (1927)

    Siehe auch: 01 02 || 01 02



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  • Die Europäische Schule. Und die Muttersprache.

    Autor:a

    ai

    |

    4 Comentârs → on Die Europäische Schule. Und die Muttersprache.

    Susanne Pitro hat für Salto ein Interview mit dem Girlaner Markus Warasin geführt, der den Präsidenten des EU-Parlaments, Antonio Tajani (Forza Italia/EVP) in Minderheitenfragen berät. Obschon sie geradezu obsessiv versucht, ein Bekenntnis zur mehrsprachigen Schule aus ihm herauszupressen — sie legt sogar nahe, dass man in Südtirol »aus Angst vor dem Verlust der Muttersprache auf die Vorteile der Mehrsprachigkeit verzichten« wolle, obschon sich fast alle Diskussionen hierzulande um das »Wie« und nicht ums »Ob« drehen — bleibt Warasin in dieser Frage unbeeindruckt und verweist auf die Wichtigkeit der Muttersprache. Zudem berichtet er, dass auch in den sogenannten »Europäischen Schulen« (Schola Europaea) sehr viel Wert auf die Muttersprache der Schülerinnen gelegt wird. Obwohl jenes Schulmodell nicht zum Schutz einer Minderheit entwickelt wurde.

    Wie im laut vielen Offenheitspropheten ach so rückständigen Südtirol (wo dies sogar weniger rigide gehandhabt wird) darf man Kinder an Europäischen Schulen nicht einfach in eine beliebige Sprachabteilung einschreiben, sondern wird auf jene in der Muttersprache verwiesen. Erst sobald die Muttersprache (L1) gefestigt ist, kommen andere Sprachen dazu, selbst jene, die man aufgrund des beherbergenden Gastlandes (im Falle von Warasin zum Beispiel Belgien) durchaus als Zweitsprache(n) bezeichnen könnte.

    Ich möchte hiermit gar nicht so weit gehen, die Europäische Schule als Modell für Südtirol hochzustilisieren, denn dafür sind die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen einfach zu unterschiedlich. Doch hier wird klar, dass selbst in der »offenen« und »kosmopolitischen« Welt der EU-Mitarbeiterinnen und -Führungskräfte auf das muttersprachliche Prinzip gesetzt wird, auch und gerade in einer Schule, die mehrsprachige europäische Bürgerinnen hervorbringen soll. Das eine schließt das andere eben nicht aus.

    Und das konterkariert die in Südtirol so beliebte (pauschale) Stigmatisierung jener, die wie wir vor einer paritätischen Schule im nationalstaatlichen Kontext warnen und über das »Wie« der Mehrsprachigkeit diskutieren möchten, als rückständige und verschlossene Hinterwäldlerinnen. Und wohl auch das Narrativ, wonach es »in ganz Europa« mehrheitlich mehrsprachige Schulmodelle gebe und nur Südtirol auf der Strecke bleibe.

    Siehe auch: 01 02 03 || 01



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  • Land: Mehr Ladinisch im Netz.
    Erfreuliche Anstrengungen

    Laut Informatik-Landesrätin Waltraud Deeg (SVP) werden derzeit rund 200 Webseiten der Landesverwaltung erneuert und überarbeitet. Besonderes Augenmerk werde dabei neben dem vereinfachten Zugang zur Verwaltung auf die Übersetzung von Inhalten in die ladinische Sprache gelegt. In der kleinsten Landessprache ist so seit kurzem auch das Informationsportal über die Südtirolautonomie verfügbar, wo die Grundzüge der Selbstverwaltung erläutert, das politische System beschrieben und über den Minderheitenschutz aufgeklärt wird.

    Siehe auch: 01 02 03 04 || 01 02 03 04



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  • Kärntner Verfassung, EFA nimmt Stellung.

    Autor:a

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    2 Comentârs → on Kärntner Verfassung, EFA nimmt Stellung.

    Die Europäische Freie Allianz (EFA), EU-weiter Zusammenschluss regionaler Parteien, mischt sich in die Ausarbeitung der neuen Verfassung von Kärnten ein und fordert die Politik dazu auf, der mehrsprachigen Realität des Landes angemessen Rechnung zu tragen.

    Dass im aktuellen Entwurf Deutsch als alleinige Amtssprache erwähnt wird, so die EFA in ihrer Stellungnahme, erinnere unweigerlich an das alte Motto »der Kärntner spricht Deutsch« (ab 1942).

    Darüberhinaus sei besorgniserregend, dass den Gemeinden die Fürsorge für beide Sprachgemeinschaften entzogen werden soll.

    Abschließend ruft das Parteienbündnis, dem auch die Kärntner Etnotna Lista angehört, die Institutionen auf gesamtstaatlicher sowie auf Landesebene dazu auf, die neue Verfassung im europäischen Geist zu schreiben.

    Siehe auch: 01 02



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  • Benachteiligt oder unprivilegiert?
    Quotation

    Autor:a

    ai

    |

    8 Comentârs → on Benachteiligt oder unprivilegiert?
    Quotation

    Unser empirisch eindeutiger Befund lautet, dass von einer objektiven Benachteiligung der Italiener in Südtirol nicht gesprochen werden kann. Die Gründe für den “disagio”, so es ihn überhaupt gibt, müssen in der historischen Entwicklung und der heutigen politischen Struktur des Landes liegen. Im Vergleich zu den 1960/70er Jahren sind die Italiener heute nicht mehr privilegiert, die politische Führungsklasse ist primär deutsch.

    Aus dem in der dieswöchigen ff erschienenen Gastbeitrag des Soziologen Max Haller, Koautor der Publikation »Ethnische Differenzierung und soziale Schichtung in der Südtiroler Gesellschaft«, hrsg. Hermann Atz, Max Haller, Günther Pallaver, Nomos 2016.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Utopische äh … äthiopische Rechte.
    Quotation

    Article 39
    Rights of Nations, Nationalities, and Peoples
    1. Every Nation, Nationality and People in Ethiopia has an unconditional right to self-determination, including the right to secession.
    2. Every Nation, Nationality and People in Ethiopia has the right to speak, to write and to develop its own language; to express, to develop and to promote its culture; and to preserve its history.
    3. Every Nation, Nationality and People in Ethiopia has the right to a full measure of self-government which includes the right to establish institutions of government in the territory that it inhabits and to equitable representation in state and Federal governments.
    4. The right to self-determination, including secession, of every Nation, Nationality and People shall come into effect:
    (a) When a demand for secession has been approved by a two-thirds majority of the members of the Legislative Council of the Nation, Nationality or People concerned;
    (b) When the Federal Government has organized a referendum which must take place within three years from the time it received the concerned council’s decision for secession;
    (c) When the demand for secession is supported by majority vote in the referendum;
    (d) When the Federal Government will have transferred its powers to the council of the Nation, Nationality or People who has voted to secede; and
    (e) When the division of assets is effected in a manner prescribed by law.
    5. A “Nation, Nationality or People” for the purpose of this Constitution , is a group of people who have or share large measure of a common culture or similar customs, mutual intelligibility of language, belief in a common or related identities, a common psychological make-up, and who inhabit an identifiable, predominantly contiguous territory.

    Das ist Artikel 39 der Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien.



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  • …schwere Sprache?
    Quotation

    Autor:a

    ai

    |

    0 Comentârs → on …schwere Sprache?
    Quotation

    Sie forschen auch zum Spracherwerb von Geflüchteten. Ist Deutsch die schwierigste Sprache, die man lernen kann, wenn man nicht hineingeboren wurde?

    Ich glaube nicht, sonst würden Kinder in Deutschland viel mehr Schwierigkeiten haben, sie zu lernen, als sie Kinder in anderen Ländern mit ihrer Sprache haben. Sie hat halt eine besondere Struktur. Und wenn wir Russisch oder Arabisch lernen, werden wir sehen, dass wir vor ähnlichen Problemen stehen. Lehrende für Deutsch als Fremdsprache kokettieren gerne damit, dass sie so eine schwere Aufgabe hätten, ebenso wie ihre Schülerinnen. Natürlich ist Spracherwerb immer eine Herausforderung. Doch Deutsch ist nicht schwerer als andere Sprachen – nur anders. Genauso ist das Englische zum Beispiel nicht unbedingt leichter. Das Englische reagiert zum Beispiel im Verbalsystem auf zeitliche Relationen komplexer.

    Prof. Dr. Astrid Neumann ist seit April 2011 Professorin für Didaktik der deutschen Sprache an der Leuphana Universität Lüneburg. Zuvor war sie für den Bereich “Deutsch als Zweitsprache” an der Technischen Universität Berlin sowie als empirische Bildungsforscherin am Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg tätig. Quelle.

    Siehe auch: 01



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