Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Wahlen in Südtirol ’98-’14 (I).

    Autor:a

    ai

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    2 Comentârs → on Wahlen in Südtirol ’98-’14 (I).

    Die jüngsten Europawahlen und die in den Medien immer wieder veröffentlichten Vergleiche haben mich dazu veranlasst, eine Analyse aller Wahlergebnisse zu Landtags- (LW), Parlaments*- (PW) und Europawahlen (EW) in Südtirol von 1998 bis heute zu präsentieren. Das erste interaktive Diagramm zeigt die Entwicklung der Parteien nach Ideolgie oder, besser gesagt, nach dem zugegebenermaßen sehr groben Links-Rechts-Schema** (ausnahmsweise — für Südtirol ungewohnt — ohne Unterscheidung nach Sprachgruppen bzw. »italienischen« und »deutschen« Parteien):

    Seit 2004 lagen die Linken bei Europawahlen immer vor den Rechten, wenngleich nie so deutlich wie diesmal — was auf den schon länger andauernden Sinkflug der italienischen Rechtsparteien und auf den Absturz der Freiheitlichen zurückzuführen ist.

    *) bei den Parlamentswahlen wurden nur die Daten des Abgeordnetenhauses berücksichtigt, da die Senatoren in Einmannwahlkreisen ermittelt werden.
    **) die SVP wurde zum Zwecke dieser Darstellung als Partei der Mitte eingestuft, die Grünen und der PD als Linkspartei, 5SB und STF wurden als »andere« klassifiziert. Die genauen Daten werden angezeigt, wenn man mit dem Mauszeiger über die Datenpunkte streift.

    Siehe auch: 01 02



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  • Zwei Beobachtungen und ein Vorschlag.

    Autor:a

    ai

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    8 Comentârs → on Zwei Beobachtungen und ein Vorschlag.

    Nach der geschlagenen Schlacht werden die Europawahlen nun bis zum Mond hinauf- und wieder herunteranalysiert. Gibt es einen Rechtsruck oder gibt es keinen? Was tun mit Front National und UKIP? Sind 0,9 Prozentpunkte mehr Wahlbeteiligung tatsächlich ein Quantensprung? Wird Juncker Kommissionspräsident?

    Zu diesen großen Fragen tun sich immer auch Nebenfronten auf, die meist aussagekräftigere Schlüsse anbieten als so manche messerscharfe Analyse.

    • Im Vorfeld der Wahl schickten die europäischen Parteibündnisse Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten ins Rennen. Es hieß, dass jene Partei, die am meisten Stimmen einfährt, den Präsidenten stellen darf. Nun ist dieser Erfolg der EVP gelungen. Man kann von Jean-Claude Juncker halten was man will (ich für meinen Teil halte von ihm nicht sonderlich viel), aber das Wahlergebnis ist eindeutig. Doch ausgerechnet die eigenen »Parteifreunde« melden jetzt Zweifel an und intrigieren gegen den Luxemburger. Ein bizarres Demokratieverständnis, das die Konservativen hier an den Tag legen. Und eine eindeutige Botschaft an alle Europäer: Wählt’s doch was ihr wollt’s. Am Ende bestimmen die Regierungschefs. Diese Maßnahme stärkt bestimmt nicht das Vertrauen der Bürger in die Demokratiefähigkeit der EU. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was bestimmte Politiker in den Nationalstaaten wollen.
    • Seit Ende des 2. Weltkrieges sind 69 Jahre vergangen. Italien hatte in dieser Zeit nicht weniger als 63 Regierungen. Man könnte meinen, die Menschen im Stiefelstaat hätten allen Grund dazu, politikverdrossen zu sein. Dennoch hat Italien nach Luxemburg, Belgien und Malta mit 60 Prozent die dritthöchste Wahlbeteiligung aller EU-Länder. Ein Faszinosum, dem man auf den Grund gehen sollte. Vielleicht findet man in Italien ja die Antwort, wie man der sinkenden Wahlbeteiligung entgegentreten könnte. Während sich in anderen Ländern der Frust durch Nichtbeteiligung äußert (trauriges Negativbeispiel ist die Slowakei mit lächerlichen 13 Prozent), geht man in Italien weiter relativ fleißig wählen. Wenn es nach mir ginge, würde ich es mit einem Radikalvorschlag versuchen: Die jedem Land zustehenden Sitze sollen ihm nicht in jedem Fall und ungeachtet der Wahlbeteiligung zustehen, sondern unter Berücksichtigung des tatsächlichen Wähleranteils neu gewichtet werden. Das heißt, wenn in der Slowakei nur 13 Prozent wählen gehen, verliert sie einen Teil der ihr zustehenden Sitze an Länder, in denen die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich hoch war. Wenn sich in der Slowakei 87 Prozent der Leute nicht für das Europaparlament interessieren, dann sollte zusätzlicher Platz für Vertreter entstehen, die aus Ländern kommen, wo die Wahlbeteiligung höher war. [In einem regionalisierten Europa, wie wir es uns wünschen, sollte dasselbe statt für die Nationalstaaten einfach für die gesamteuropäischen regionalen Wahlkreise gelten.]


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  • Zum EU-Wahlergebnis.

    Autor:a

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    24 Comentârs → on Zum EU-Wahlergebnis.

    Fakten und Bewertungen zur gestern Abend zu Ende gegangenen Europawahl 2014 aus -Sicht:

    • Die Südtirolerinnen stehen zu Europa und seinen Errungenschaften (Grenzabbau, Integration, Währung…) und machen den europaskeptischen Schwenk nicht mit, den zum Beispiel die Freiheitlichen vorgegeben haben.
    • Das einzige Südtiroler Mitglied des Europaparlaments wird Herbert Dorfmann (SVP) sein, der in der EVP-Fraktion sitzt und somit den Selbstbestimmungsgegner Juncker unterstützt. Für seine Wahl waren für Dorfmann aufgrund des maßgeschneiderten Wahlgesetzes 50.000 Vorzugsstimmen erforderlich, erreichen konnte er insgesamt rund 94.000.
    • Die Wahlbeteiligung in der Euregio geht insgesamt zurück: In Nord-/Osttirol beteiligten sich 31,2 Prozent (-4,9), in Südtirol 52,3 Prozent (-10,6%) und im Trentino 53,05 Prozent (-4,49) der Wahlberechtigten am Urnengang. Den deutlichsten Einbruch gibt es in Südtirol, während Nord-/Osttirol nicht nur in der Euregio, sondern österreichweit die geringste Beteiligung aufweist.
    • In Südtirol sinkt die Wahlbeteiligung auf dem Land stärker, als in den Städten, was sich auch auf das Wahlergebnis nach Parteien auswirkt.
    • Die SVP sinkt in Südtirol unter 50%, gesamtstaatliche Bündnisse erringen (z.T. mit tatkräftiger Unterstützung Südtiroler Parteien) die Stimmenmehrheit, wobei hierfür das Wahlrecht (Sperrklausel, Größe der Wahlbezirke…) mit ausschlaggebend sein dürfte.
    • Die SVP punktet in Ladinien — länderübergreifend — stark: Sie ist in allen ladinischen Gemeinden erste Kraft, außer in Anpezo (dritte) und Moena (zweite). In den heute zu Belluno gehörenden ladinischen Gemeinden Col und Fodom ist die SVP sogar stärker, als im Südtirol-Schnitt.
    • Im Trentino ist die SVP mit 12,02 Prozent drittstärkste Kraft hinter PD und 5SB.
    • Die PD, die auf gesamtstaatlicher Ebene ein sensationelles Ergebnis einfährt, kann in Südtirol ihren Anteil auf 15,7 Prozent verdoppeln, wozu auch (aber nicht nur) die bereits genannte schwache Wahlbeteiligung auf dem Land beigetragen hat.
    • Sehr stark schneidet in Südtirol auch die Liste Tsipras ab, der sich die Südtiroler Grünen angeschlossen hatten. Mit einem Anteil von 9,9 Prozent wird sie nach SVP und PD drittstärkste Kraft, für Oktavia Brugger reicht es aber trotzdem nicht. Die Unterstützung der Südtiroler Grünen ist für Tsipras ausschlaggebend, um in Italien die 4%-Hürde zu schaffen und drei Mandatarinnen ins Straßburger Parlament zu entsenden.
    • Die Fünf-Sterne-Bewegung (5SB) kann in Südtirol (im Vergleich zur Landtagswahl 2013) ihren Stimmenanteil von rund 2,5 Prozent auf über 8 Prozent mehr als verdreifachen, was mit Sicherheit auch auf die gute Arbeit des Landtagsabgeordneten Paul Köllensperger zurückzuführen ist.
    • Die Allianz mit den belluneser Autonomisten des BARD bringt der SVP zwar auch im Südosten knapp 10.000 wertvolle Stimmen, insgesamt liegt sie in der Provinz Belluno mit 9,6 Prozent jedoch nur auf Platz fünf hinter PD, 5SB, Lega und FI.
    • In Nord-/Osttirol wird die FPÖ hinter ÖVP und Grünen drittstärkste Kraft, fährt hier jedoch nach Vorarlberg österreichweit das zweitschlechteste Ergebnis ein.
    • Die Tiroler Grünen sind in Innsbruck Stadt, Zirl und Telfs stärkste Partei in einem ansonsten fast gänzlich schwarz dominierten Bundesland.
    • Das starke Abschneiden der PD ist eine Bestätigung für Matteo Renzis Reformpolitik, aber auch für seinen ultrazentralistischen Kurs. Aus Sicht der Autonomien ist dies kein gutes Omen.
    • In Katalonien werden die Selbstbestimmungsbefürworter ERC, CiU und ICV-Grüne erste, zweite und viertstärkste Kraft. Gemeinsam mit der neuen spanischen, sozialdemokratischen Podemos, die eine Abstimmung über die Unabhängigkeit des Landes befürwortet, erringen sie in Katalonien über 60% der Stimmen. ERC und CiU entsenden je zwei Abgeordnete, ICV-Grüne einen.
    • Auch die katalanische Region València schickt erstmals einen Selbstbestimmungsbefürworter (von Compromí­s) nach Straßburg.
    • Sowohl die linke EH Bildu, als auch die zentristische EAJ/PNV entsenden für das Baskenland einen Unabhängigkeitsbefürworter ins EU-Parlament. EH-Bildu wird seinen Sitz nach der ersten Hälfte der Legislatur zugunsten eines Abgeordneten aus Galicien räumen.
    • Insgesamt entsendet Spanien diesmal neun Unabhängigkeitsbefürworter ins EU-Parlament, in der letzten Legislatur waren es fünf. Dazu kommen die selbstbestimmungsfreundlichen Abgeordneten, wie die fünf von Podemos.
    • In Wales behält Plaid Cymru seinen Europaabgeordneten, die schottische SNP bleibt bei zwei Sitzen (verfehlt den Dritten wegen des starken Abschneidens von UKIP), während die linke Sinn Féin in Nordirland wahrscheinlich einen Abgeordneten entsenden wird.
    • Trotz 21,5% auf Korsika kann der Autonomist François Alfonsi (Partitu di a Nazione Corsa) seinen Sitz im EU-Parlament nicht halten. Er war diesmal kein Wahlbündnis mit den Grünen von Europe Ecologie eingegangen.
    • Die Demokratische Union der Ungarn in Rumänien erringt zwei Sitze im Europaparlament. Auch die ungarische Minderheit in der Slowakei entsendet zwei MEPs.
    • Die Volkspartei der Finnlandschweden behält einen Abgeordneten wie schon in der vorhergehenden Legislatur.
    • Die nur 50.000 Wahlberechtigte zählenden deutschsprachigen Belgierinnen, die — anders als Südtirol! — einen eigenen Wahlkreis mit einer garantierten Abgeordneten haben, wählten einen Vertreter der Christlich-Sozialen nach Straßburg.
    • Die Minderheiten des italienischen Staates entsenden keine einzige Unabhängigkeitsbefürworterin und mit Herbert Dorfmann nur einen einzigen ausdrücklichen Minderheitenvertreter.
    • Auf gesamteuropäischer Ebene bestätigt sich die EVP als stärkste Fraktion, obschon sie von allen Fraktionen die meisten Sitze verliert. Jean-Claude Juncker erhebt somit den Anspruch auf die Kommissionspräsidentschaft.
    • Besorgniserregend für die weitere Entwicklung der Union sind die Erfolge ultranationalistischer, rechtsextremistischer und -populistischer Kräfte in vielen Ländern: Insbesondere in Frankreich (FN), Großbritannien (UKIP) und Dänemark, wo sie zur stärksten Kraft aufsteigen, aber auch das gute Ergebnis der FPÖ in Österreich, der Einzug der AfD und gar der NPD ins EU-Parlament. Die rechtsextremistische Jobbik wird in Ungarn zweitstärkste Kraft.
    • In Italien setzt sich der atypische Populismus von Matteo Renzi durch, der die Rechten in die Schranken weist. Die Lega Nord schneidet besser ab, als von den Umfragen vorhergesagt. Das Verhalten der 5SB in Europa ist noch schwer einschätzbar. Die deutschlandfeindlichen Töne von Beppe Grillo sowie einige seiner Äußerungen (Euro-Austritt, Volkstribunale…) im Wahlkampf sind zumindest kein gutes Omen.

    Siehe auch: 01



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  • Europawahl-Entscheidungshilfe.

    Autor:a

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    18 Comentârs → on Europawahl-Entscheidungshilfe.

    Wie schon so oft gibt es auch (und gerade!) bei dieser Wahl aus -Sicht keine Wahlempfehlung, sondern — zusätzlich zum Memorandum — eine kleine Hilfe, sich für das geringere Übel zu entscheiden. Hier sind die vier Südtiroler Kandidatinnen, alphabetisch gereiht und mit der Angabe von Gründen, die aus unserer Perspektive für und wider ihre Wahl sprechen:

    • Herbert Dorfmann (SVP):
      + eine Stimme für Südtirol in der wichtigen EVP-Fraktion
      + ein Vertreter der Euregio (und darüber hinaus)
      + für die Beibehaltung der Einheitswährung
      eine Stimme für: »die Selbstbestimmung ist unrealistisch«
      eine Stimme für TTIP und TAFTA
      maßgeschneidertes Wahlrecht ohne 4%-Sperrklausel
      eine Stimme für Jean-Claude Juncker und das »Weiter so«
    • Johann Gruber (IdV/SdW):
      + für ein solidarisches Europa
      + gegen TTIP und TAFTA
      eine Stimme für einen erklärten Gegner der -Idee
      antideutsche Stimmungsmache
    • Pius Leitner (Lega/F):
      + setzt sich für ein Europa der Regionen ein
      + gegen TTIP und TAFTA
      + befürwortet das Selbstbestimmungsrecht, aber
      stärkt die Lega und das Bündnis der Ultranationalisten
      eine Stimme gegen die europäische Idee und gegen den Euro
      abstruser Vorschlag der Aufteilung in Nord- und Süd-Euro
      Ausländerfeindlichkeit und exklusivistisches Modell

    Die Gewichtung der Punkte ist den Wählerinnen überlassen.



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  • Bahnhof Bozen in der Gigantomaniefalle.

    Siegerprojekt Bahnhof Bozen
    Siegerprojekt Masterplan Bozner Bahnhofsareal

    Das Areal des Bozner Hauptbahnhofs soll umgebaut werden: Durch einen Planungswettbewerb wurde ein Siegerprojekt erkoren, welches die Verlegung des Bahnhofs nach Südosten vorsieht. Die historische Trasse durch Rentsch würde ersetzt und ca. 20 Hektar Fläche auf dem bestehenden Betriebsgelände gewonnen werden. Das Projekt ist gigantisch und würde die Landeshauptstadt erheblich verändern. Gleichzeitig ringt Bozen mit einem Kaufhausprojekt in unmittelbarer Nähe, welches ebenfalls massive Auswirkungen auf die Stadt hätte. Es stellt sich die Frage, ob zwei derartige Projekte nicht in einen gemeinsamen Masterplan einfließen sollten, damit keine Fehlplanungen entstehen, die die Zukunft der Stadt nachhaltig beeinträchtigen.

    Eines der vermutlich größten Bauprojekte im Land wird kaum in der Öffentlichkeit diskutiert. Auf der Projekthomepage sind nur spärliche Informationen verfügbar, lediglich ein paar Bilder und ein » Depliant« sind für die Öffentlichkeit bestimmt. Liest man darin, so trifft man auf einen Architekten-Slang, der nicht wirklich zum Verständnis beiträgt:

    Der Wiedergewinnungsplan des Areals Bozen sieht eine Fläche von ca. 475.000m² vor. Diese setzt sich überwiegend aus den frei gewordenen Bahnhofsflächen und dem Erwerb von Flächen im östlichen Teil des Areals, die zur Verlegung der Gleistrasse notwendig sind, zusammen.

    Die Bebauungsstruktur fügt sich der urbanen Morphologie Bozens ein und interpretiert bzw. transformiert kontextuell die bereits bestehenden Typologien. Die funktionale Aufteilung schöpft die Möglichkeiten aller neuen Freiflächen aus und sieht in der Bozner Boden Zone ein Wohnviertel, sowie eine Wohn-Handwerkerzone im Osten und ein polyfunktionales Zentrum mit tertiären Funktionen und Kultur im Süden vor. Das Projektvolumen berücksichtigt eine Siedlungsdichte von 3,5m³/m².

    Das Projekt entwickelt sich aus der Neupositionierung der Gleisharfe in Richtung Süden und der Beibehaltung des historischen Bozner Bahnhofsgebäudes als Landmark. Das neue Aufteilungsschema sieht sieben durchgehende Gleise mit einem Krümmungsradius von 750m – mit dazugehörigen Bahnsteigen vor.

    Die alte Trasse, aktuell stellt sie einen Cut zwischen Rentsch und Bozner Boden dar, verwandelt sich zu einem verbindenden Element, einem Grünen Zipp, einem Paseo für Freizeitaktivitäten der Bevölkerung.

    Als Pendler interessiert mich rund um das Bahnhofsprojekt natürlich die Funktionalität des Bahnhofes, hier wirft das Siegerprojekt einige Fragen auf, welche bisher nicht in einem ausreichenden Maß beantwortet wurden. Es muss folglich eine Priorisierung der Funktionen vorgenommen werden, indem sich das Podrecca-Projekt einer kritischen Prüfung stellen sollte:

    1. Der Bahnhof Bozen ist zuallererst ein Bahnhof, der wichtigste Verkehrsknotenpunkt im Land. Deshalb sollte die Planung sich diesem übergeordneten Ziel unterordnen. Nur wenn der neue Bahnhof entscheidende Vorteile gegenüber dem alten Standort hat, sollte eine Verlegung angedacht werden.
    2. Der Bahnhof soll zu einem multimodalen Zentrum ausgebaut werden. Die optimale Erreichbarkeit zu Fuß, mit dem Fahrrad, öffentlichen Verkehrsmittel und Pkw ist der zweitwichtigste Baustein für die Planung.
    3. Der heutige Standort ist optimal, das Zentrum ist in wenigen Gehminuten erreichbar, wichtige Einrichtungen, wie die Landhäuser, sind in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof angesiedelt. Eine Verlegung weg vom Zentrum ist suboptimal.
    4. Der Bahnhof besteht aus einem historischen Gebäude, das unter Denkmalschutz steht und folglich bei einer Verlegung nicht einfach abgerissen werden kann. Somit stellt sich die Frage, was mit dem historischen Gebäude passieren soll.
    5. In den letzten Jahren ist die Nutzung der Nahverkehrszüge nach Südtirol massiv gestiegen, der Bahnhof hat folglich an Bedeutung enorm gewonnen, jeder kann am Morgen beobachten, welche Fußgängerstaus es beim Verlassen des Bahnhofes gibt. Der Bahnhof als Verkehrsdrehscheibe wird in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen, deshalb sollte bereits heute auf die zu erwartenden steigenden Verkehrsströme geplant werden. Eine Beschneidung der Kapazität des Bahnhofes kann nicht hingenommen werden.
    6. Die Flächen südöstlich des Bahnhofes, vor allem Rangiergleise und der Betriebshof, sind hingegen wertvolle Grundstücke, die einer städtischen Nutzung unterzogen werden sollten. Voraussetzung ist allerdings, dass Alternativflächen zur Verfügung stehen, damit die wichtigsten betrieblichen Infrastrukturen für Unterhalt und Abstellung von Zügen gewährleistet werden. Diese stehen bereits heute in Bozen Süd neben dem Stahlwerk zur Verfügung. Für den Güterverkehr hingegen sollten keine Flächen mehr vorgesehen werden, hier wäre es besser in Autobahnnähe ein Umschlagzentrum zu errichten, welches vor allem auf Container und Wechselbehälter ausgerichtet sein soll.

    Wenn all diese Funktionen gewährleistet sind, kann die städtische Nutzung angegangen werden, wobei eine Fläche von ca. 20 Hektar frei würde. Der Immobilienmarkt in der Stadt, wo viele gewerbliche Flächen besonders in Bozen Süd frei stehen, ist nicht auf dieses neue Angebot angewiesen. Im Wohnungsmarkt hingegen besteht weiterhin eine erhebliche Nachfrage, der Standort wäre aber nicht die beste Wohnlage in Bozen, da sie Sonne im Winter beispielsweise erst sehr spät zum Vorschein kommt.

    Das Siegerprojekt sieht eine Verlegung des Bahnhofes in Richtung Südosten vor, die nördliche Zufahrt durch Rentsch wird auch mitverlegt. Die Bahnnutzer erhalten einen neuen Bahnhof, der aber die Fußweglängen in Richtung Zentrum erhöht. Problematisch sind die Bahnsteiggleise im Bahnhof, welche eine Krümmung aufweisen, weshalb es für den Zugführer unmöglich ist, den Zug bei der Abfahrt zu überblicken. Solche Krümmungen wurden bei früheren Bahnhofsbauten aus gutem Grund nie angewendet.

    Obwohl ich keine Kostenschätzung kenne, sollte immer auch die Frage gestellt werden, welche alternativen Projekte stattdessen angegangen werden sollten:

    • Bozen weist keine Bahnhofsumfahrung für Güterzüge auf. Dieses Projekt sollte aber größte Priorität erlangen, da es die Stadt mit einem Schlag von einer erheblichen Lärmquelle befreien würde. Man kann jedem empfehlen, sich in der Nacht z.B. in St. Jakob die Durchfahrt eines Güterzuges anzuhören, wo zehntausende Menschen in ihrer Nachtruhe gestört werden.
      Zudem würde ein derartiger Umfahrungstunnel auch eine betriebliche Entlastung darstellen, da für die Abwicklung der Personenzüge im Stadtbereich (z.B. Bozen-Meran) mehr Trassen zur Verfügung stünden. Rentsch und viele andere Stadtteile würden mit einem Schlag kein Lärmproblem mehr haben. Innsbruck hat beispielsweise seit 15 Jahren einen Umfahrungstunnel.
    • In Südtirol müssten dringend Infrastrukturprojekte für die Eisenbahn angegangen werden, allen voran die Bahnstrecke Bozen-Meran, die in einem bedauernswerten Zustand ist, die Riggertalschleife, die Elektrifizierung der Vinschger Bahn würden allesamt zu einer wesentlichen Stärkung des Bahnverkehrs beitragen. Eine Bahnhofsverlegung bringt aus Sicht des Fahrgasts im Vergleich keinen zusätzlichen Nutzen.
    • Großprojekte werden von Politikern geliebt. Kleinere, billigere Projekte, die in kurzer Zeit zu einer wesentlichen Entlastung oder Verbesserung der Situation führen würden, werden hingegen nicht mit der notwendigen Priorität behandelt. Wäre dem so, hätte man am Bahnhof längst eine großzügige Fußgängerunterführung in die Bahnhofsallee gebaut und damit den Pendlern eine schnelleren und bequemeren Zugang zum Bahnhof geschaffen. Ich habe von einem derartigen Projekt nie gehört.
    • Großprojekte kosten vielfach mehr, als veranschlagt, weisen häufig eingen geringeren Nutzen auf und sind zudem meist verspätet. Ich höre seit den 1980er Jahren vom Brennerbasistunnel, seitdem ist ein Vierteljahrhundert vergangen, der BBT steht aber frühestens in 20 Jahren zur Verfügung, da habe ich mittlerweile mein Rentenalter erreicht. Das »Jahrhundertprojekt« Bahnhof Bozen wird dasselbe Schicksal ereilen, da zu groß, zu teuer und zu umstritten.
    • Bisher konnte noch niemand glaubhaft erklären, weshalb der Bahnhof verlegt werden soll. Die Flächen hinter dem Bahnhof stehen auch ohne Verlegung zur Verfügung, somit ist es flächenmäßig ein Nullsummenspiel, allerdings ein sehr teures. Würde man den Bahnhof belassen wo er ist, ihn modernisieren, durch mindestens zwei breite Fußgängerunterführungen für die Stadt durchlässiger gestalten, die übrigen Flächen einer vernünftigen Nutzung unterziehen, dann hätte man dieselben Vorzüge, allerdings zu wesentlich geringeren Kosten.

    Diese Ausführungen lassen für mich nur einen Schluss zu: Das Projekt ist eine gigantische Immobilienspekulation auf Kosten der Bahnreisenden und der Bevölkerung. Dass vor allem ein Immobiliendeal im großen Stil dahintersteckt, zeigt für mich auch der Umstand, dass beim ursprünglichen Projekt die Fahrradabstellanlagen »vergessen« wurden. Bereits heute parken rund um den Bahnhof an die 1.000 Fahrräder, unverständlich wie man sowas übersehen kann!



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  • Warasin und die EU.
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    2 Comentârs → on Warasin und die EU.
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    Aus dem Stol-Interview mit Markus Warasin, Referatsleiter der Verwaltung des EU-Parlaments:

    Regieren werden […] die großen christdemokratischen und sozialdemokratischen Parteien. So viel ist sicher. Wenn ich in Italien also jemanden wähle, der nicht zu diesen beiden großen Parteien gehört, dann werfe ich meine Stimme in Wahrheit weg. Ich hätte dann nämlich jemanden gewählt, der zu einer Fraktion gehört, die gar nicht teilnimmt an der Regierung Europas.

    Ein sonderbares Demokratieverständnis, gerade im Falle eines Parlamentes, wo es traditionell keine Koalitionen gibt und sich sehr häufig über die Partei- bzw. Bündnisgrenzen hinweg sachbezogene Allianzen bilden.

    Wie praktisch aber, dass wir in Südtirol die SVP haben, die mit dem einen Bündnis (PD/S&D) zur Wahl antritt und in der Fraktion des anderen (EVP) landet. Volltreffer sozusagen.

    Das Schlagwort “Europa der Regionen” ist bei uns in Südtirol sehr beliebt, hat im Europäischen Diskurs aber überhaupt keine Bedeutung. Man kann sich kein Europa vorstellen, in dem Staaten durch Regionen ersetzt würden. Das ist völlig ausgeschlossen. Es ist aber sehr wohl ein Europa denkbar, in dem die Regionen eine stärkere Rolle haben. Die EU versteht unter einem Europa der Regionen die Förderung der Regionen durch Gelder aus Brüssel. Die Staaten werden aber nicht durch Regionen ersetzt werden, wie das bei uns manchmal gefordert wird. Das wird schon an der Rolle des Ausschusses der Regionen deutlich. Er ist ein beratendes Organ, es gibt ihn nun seit 15 Jahren und in dieser Zeit hat er hat sich nie weiterentwickelt.

    Wo sind nun die, die uns statt der Unabhängigkeit empfehlen, die Selbstabschaffung der Nationalstaaten abzuwarten? Weiter…

    Natürlich ist ein Land wie Südtirol mit 500.000 Einwohnern nicht mit Katalonien zu vergleichen, das sechs Millionen Einwohner zählt.

    Zwischen Südtirol (500.000) und Katalonien (7.500.000 Einwohner) besteht ein Verhältnis von 1:15. Zwischen Malta (400.000) und Deutschland (80.000.000 Einwohner) eines von 1:200. Malta und Deutschland sind gleichberechtigte Partner in der Staatengemeinschaft, Südtirol und Katalonien kann man aber nicht einmal vergleichen?

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Bitte beachten Sie den Niveauunterschied!

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    20 Comentârs → on Bitte beachten Sie den Niveauunterschied!

    Von Norden kommend, kurz vor der Haltestelle Brenner ertönt im Regionalzug der ÖBB eine Durchsage: “Beachten Sie beim Aussteigen bitte den Niveauunterschied zwischen Zug und Bahnsteig.” Am Brenner angekommen ist es aber weniger dieser eine etwas größere Schritt, den man zu machen hat, der auffällt, sondern der Niveauunterschied zwischen ÖBB und Trenitalia im Allgemeinen. Selbst wenn wir äußeres Erscheinungsbild der Bahnhöfe und Züge sowie deren Sauberkeit einmal völlig außer Acht lassen, gibt es einen weiteren gravierenden Unterschied: Die ÖBB befördern Kunden, Trenitalia befördert Insassen.

    Auf der Fahrt zwischen Bozen und Brixen wird einem per Durchsage eine Haftstrafe angedroht, sollte man sich nicht ausweisen können. Auf der gestrigen Fahrt von Brixen zum Brenner wurde mehrmals wiederholt, dass 200 Euro Strafe fällig sind, sollte man seinen Fahrschein nicht ordentlich entwertet haben. Auf österreichischer Seite hingegen hörte man keinerlei solche Drohungen. Dafür wurden die Fahrscheine von einem freundlichen Schaffner kontrolliert. Leute ohne Fahrschein konnten bei ihm auch einen solchen lösen. Nur das Gerät für die Kontrolle des Südtirol-Passes führte der Schaffner nicht mit. Da gäbe es Probleme mit der App. “Aber die meisten sind eh ehrlich”, meinte der nette Herr. Das Gegenteil von Generalverdächtigung à la Trenitalia also.

    Dann blieb der Zug einige Minuten vor Innsbruck in der Sillschlucht plötzlich stehen. Prompt kam eine Durchsage mit Verweis auf Probleme technischer Natur. “Liebe Fahrgäste, entschuldigen Sie bitte den kurzen Halt. Die Fahrt geht in wenigen Minuten weiter!” Tatsächlich setzte der Zug seine Fahrt nach zwei Minuten fort. Auch auf der Rückfahrt – diesmal auf Südtiroler Seite – hatten wir einen ungeplanten Halt. Im Bahnhof Franzensfeste fuhr der Zug, nachdem die Fahrgäste aus- bzw. zugestiegen waren, aus unerfindlichen Gründen nicht weiter. Wir blieben eine knappe halbe Stunde stehen, ehe es dann doch weiter ging. Keine Durchsage, keine Information für die Passagiere, keine Entschuldigung.

    P.S.: Damit die ÖBB nicht ganz so gut wegkommen, noch ein anderes Detail: Die Liniennetzübersichten in den Regionalzügen des VVT führen als Endhaltestelle im Wipptal einzig und allein “Brennero” an. Daneben prangt das Logo des Bundeslandes Tirol.



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  • Cultura autonomista.
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    0 Comentârs → on Cultura autonomista.
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    Anche dal Friuli, però, guardiamo con ammirazione all’autonomia [del Sudtirolo] e a come viene gestita. Dove sta la differenza?
    Nella cultura autonomista. I nostri politici, a Roma, sono prima di tutto ambasciatori del nostro territorio e portano avanti le istanze che nascono [dal Sudtirolo]. Anche in Valle d’Aosta e in parte in Trentino è lo stesso. Prima viene il territorio, poi il partito. In Friuli e in Veneto non è così, i politici sono più legati al partito. Questo è un altro motivo per cui il Veneto non si può lamentare se le sue istanze territoriali hanno poco peso a Roma.

    Sen. Francesco Palermo (PD/SVP), ilfriuli.it, 02.05.2014

    Vedi anche: 01 02



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