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  • Nationalpark bleibt Nationalpark.

    Wie der Kammerabgeordnete Florian Kronbichler (SEL/Grüne) berichtet, ist der von der SVP verkündete »Übergang des Nationalparks Stilfser Joch an das Land« eine maßlose Übertreibung, wenn nicht gar eine Täuschung. Die von der Zwölferkommission vorbereitete Durchführungsbestimmung sehe weiterhin eine gemeinsame Verwaltung des Parks vor, wenngleich fortan auch die Gemeinden zwei Vertreter in den zuständigen Ausschuss entsenden können. Und obschon die Finanzierung des Parks an Südtirol, das Trentino und die Lombardei übergeht, sitzt der Staat offenbar weiterhin am längeren Hebel. Sämtliche Beschlüsse der Parkverwaltung bedürfen demnach der Zustimmung des römischen Unweltministeriums. Eine Landeshoheit über den Südtiroler Anteil des Parks gibt es demnach nicht. Gemäß Kronbichlers Darstellung scheint sich wenigstens die Vorgabe nicht durchgesetzt zu haben, dass die Länder Südtirol und Trentino auch die Kosten für den größten Anteil des Parks, der sich in der Lombardei befindet, vollständig übernehmen.

    Einigermaßen erstaunlich ist schlussendlich, dass sich Kronbichler ausdrücklich darüber freut, dass der Park auch weiterhin »Nationalpark« heißen muss. Andererseits — er ist ja nicht umsonst Alpinipreisträger.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Roadmap für Katalonien.

    Im Hinblick auf die plebiszitären Neuwahlen vom 27. September, die als Ersatz für eine nicht gestattete Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens stattfinden sollen, haben sich gestern mehrere wichtige Parteien und zivilgesellschaftliche Akteure auf einen gemeinsamen Zeitplan geeinigt, dessen Wortlaut wir hier wiedergeben:

    Einheitliche Roadmap des katalanischen Souveränitätsprozesses

    Diese Roadmap will die souveränistischen Organisationen zusammenführen, deren gemeinsames Ziel es ist, dass Katalonien einen demokratischen Transitionsprozess beginnt, um ein unabhängiger Staat zu werden, sofern dies die Bevölkerungsmehrheit wünscht.

    A. Plebiszitäre Wahlen

    Die Wahlen vom 27. September mit plebiszitärem Charakter, werden als rechtlicher Mechanismus dienen, um den Willen der katalanischen Bevölkerung über die politische Zukunft in Erfahrung zu bringen, nachdem die entsprechende Volksabstimmung verhindert wurde. So wird das Ergebnis für alle, innerhalb und außerhalb Kataloniens, leicht und unmissverständlich lesbar sein und die Ausübung des damit zusammenhängenden Mandats ermöglichen.

    Die Programme der unabhängigkeitsfreundlichen Listen müssen durch einen ersten und herausragenden Programmpunkt klar ersichtlich machen, dass deren Wahl eine Befürwortung der katalanischen Unabhängigkeit zum Ausdruck bringt.

    Die eigenstaatliche und die soziale Achse sind nicht voneinander zu trennen; deshalb muss auf die Wiederherstellung des Wohlfahrtsstaates, insbesondere in Bildungs-, Gesundheits- und Rentenwesen als essentielle soziale Rechte und öffentliche Dienste gesetzt werden.

    Es ist unabdingbar, einen unmissverständlichen Willen zu demokratischer Erneuerung, Transparenz, Rechenschaft, Bürgerbeteiligung und Korruptionsbekämpfung zum Ausdruck zu bringen.

    B. Prozessabwicklung

    Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs binnen ca. 10 Monaten und mittels partizipativer Mechanismen, die es erlauben, durch einen offenen konstituierenden Prozess vielfältige Gesichtspunkte in das Projekt einfließen zu lassen; direkte Teilnahme der BürgerInnen (Katalanischer Verfassungskonvent) und spätere Bestätigung durch eine Volksabstimmung.

    Schaffung und Inbetriebnahme der Strukturen für den neuen Staat: Finanzverwaltung, Sozialfürsorge, Rechtssystem, Außenpolitik, Übergang strategischer Infrastrukturen, Sozial- und Gesundheitsdienste, Energieversorgung, Sicherheit…

    Ausübung der Souveränitätshandlungen, die zur Errichtung des neuen Staates erforderlich sind.

    Aufgrund des Wahlergebnisses, sofortige Souveränitätserklärung als Ankündigung und Beginn des Prozesses zur Ausrufung des neuen Staates bzw. der katalanischen Republik, nach Maßgabe und Bedingungen dieser Roadmap. Der demokratische Übergangsprozess ist jedoch keinesfalls der allfälligen juristischen Gültigkeit oder Anfechtung der vorliegenden Erklärung untergeordnet.

    Der Transitionsprozess zur Ausrufung eines neuen Staates bzw. der katalanischen Republik, der mit den Wahlen vom 27. September beginnen wird, ist nach spätestens 18 Monaten abzuschließen.

    C. Institutionelle Beziehungen

    Beginn der Verhandlungen mit dem spanischen Staat über die neuen Verhältnisse: Aufteilung von Aktiva und Passiva, Definition der Beziehungen zwischen den beiden neuen Staaten.

    Eröffnung der Verhandlungen mit internationalen Instanzen zur Anerkennung und Aufnahme des neuen Staates.

    Offenheit gegenüber einer Alternative in Form einer verbindlichen Volksabstimmung durch den spanischen Staat über die katalanische Unabhängigkeit.

    D. Abschluss des Prozesses

    Am Ende dieses Prozesses wird eine verbindliche Volksabstimmung über den Verfassungstext stattfinden, welche die Ausübung des demokratischen Mandats zur Bildung des neuen katalanischen Staates abschließen wird. Ein positiver Ausgang dieser Abstimmung wird die Ausrufung der Unabhängigkeit gestatten.

    Neuwahl des Parlaments im Rahmen der neuen Verfassung.

    Ab diesem Zeitpunkt sind die neuen Beziehungen zum spanischen Staat und zur Europäischen Union auszuhandeln.

    Barcelona, 30. März 2015

    Übersetzung:

    Ausgearbeitet und unterzeichnet haben diese Erklärung

    • Convergència Democràtica de Catalunya (CDC), die liberale Partei des amtierenden katalanischen Präsidenten Artur Mas;
    • Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), die stärkste (linke) Oppositionspartei des Landes;
    • Assemblea Nacional de Catalunya (ANC), Organisatorin sämtlicher Unabhängigkeitskundgebungen der letzten Jahre;
    • Òmnium Cultural, die repräsentativste katalanische Kulturvereinigung mit 48.000 eingeschriebenen Mitgliedern;
    • Associació de Municipis per la Independència (AMI), die Vereinigung katalanischer Kommunen, deren Gemeinderäte sich für die Unabhängigkeit von Spanien ausgesprochen haben.

    Die linke Candidatura d’Unitat Popular (CUP) war an der Ausarbeitung des Dokuments nicht beteiligt, hat aber bereits angekündigt, es ebenfalls unterzeichnen zu wollen.

    Cëla enghe: 01 02



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  • buergernetz.bz.it

    Vor einigen Tagen hat das offizielle digitale Südtirol unter dem Hashtag #seitenwechsel eine epochale Wende vollzogen: Um Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit zu verbessern wurde der Webauftritt des Landes erstmals vollständig vom Bürgernetz getrennt. Unter der bisherigen Adresse www.provinz.bz.it sind fortan die inhaltlich, grafisch und funktional umfassend überarbeiteten Seiten des Landes abrufbar, während das Bürgernetz ab sofort unter der Adresse www.buergernetz.bz.it (respektive retecivica.bz.it und reizivica.bz.it) erreichbar ist. Dort werden nach wie vor Informationen verschiedener institutioneller und nicht-institutioneller Ebenen (Landesverwaltung, Gemeinden, Bezirksgemeinschaften, Gesundheitsbetrieb u.v.m.) gebündelt.

    Welch bessere Gelegenheit, als ein derart grundlegender Neustart, um sich eine neue Adresse und nicht zuletzt ein neues Suffix zuzulegen. Doch nichts von alledem: Das Land ist weiterhin nicht unter www.landsuedtirol.eu (oder ähnlich) zu erreichen und bleibt damit Provinz; doch auch beim Bürgernetz wurde es verabsäumt, sich vom nationalen Netzsuffix (.it) zu verabschieden. Dabei hatte die zuständige Landesrätin, Waltraud Deeg (SVP), vor einiger Zeit mitgeteilt, dass Südtirol zwar — anscheinend — nicht die Zuständigkeit hat, sich für die Landesverwaltung eine andere Adresse zuzulegen, als das kryptische www.provinz.bz.it, beim Bürgernetz sei man jedoch völlig frei. Offenbar aber waren Mut und Wille, neue Wege zu gehen, am Ende auch da nicht vorhanden.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Tiefstes Mittelalter.

    In einem früheren Artikel hatte ich mich über zwei Dinge beklagt, an die ich mich in Südtirol einfach nicht gewöhnen möchte. Zum einen ist dies die Standardabsicherung der Stromanschlüsse auf 3 kW, zum anderen der Umgang mit Persönlichkeitsrechten in den Medien bzw. generell mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Unschuldsvermutung.

    Eine Reihe konkreter Anlassfälle hat nun wiederum meine Aufmerksamkeit auf diese beiden mittelalterlich anmutenden Missstände gelenkt. Gleichzeitig habe ich noch andere interessante Beobachtungen gemacht. Zeit für einen weiteren Sammelsurium-Artikel mit dem Charme eines Omnibusgesetzes.

    Unter Strom
    Am 11. Juni 2014 hat der Südtiroler Landtag mehrheitlich beschlossen, dass sich die Parlamentarier in Rom – die Südtiroler Autonomie reicht nämlich nicht so weit, um die Stärke von Stromanschlüssen selbst festlegen zu dürfen – für eine Erhöhung der Grundleistung von 3 auf 4,5 kW starkmachen mögen, bei gleichbleibendem Grundentgelt versteht sich. (Zur Erinnerung: der Standardanschluss in Nordtirol liegt bei 6 kW, in Deutschland angeblich gar bei 13 kW).

    Da seit diesem Beschluss mittlerweile einige Monate ins Land gezogen sind, ohne dass man in der Angelegenheit Bahnbrechendes hätte vernehmen können, hat die freiheitliche Abgeordnete Tamara Oberhofer in einer Anfrage einmal nachgehakt, um sich über den Stand der Dinge zu informieren. Die Anfrage wurde am 29. Jänner 2015 eingebracht und am 2. Februar an den zuständigen Landesrat Richard Theiner weitergeleitet. Für die Beantwortung der Anfrage ist eine Frist von 30 Tagen vorgesehen. Heute (27. März 2015), gut einen Monat nachdem die Frist verstrichen ist, ist auf der Internetseite des Landes nach wie vor noch keine Antwort abrufbar. Ein paar stichprobenartige Kontrollen haben mir dann gezeigt, dass das Verstreichenlassen besagter Fristen mehr Norm denn Ausnahme ist. Ob dies ein respektloses Versäumnis der Landesregierung ist, ob diese sich bisweilen eine Verlängerung der Frist erbittet, ohne dass dies auf der Webseite aufscheint oder ob die Antworten mit großer Verzögerung erst online gestellt werden, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Denkbar wäre natürlich auch – wofür man beinahe Verständnis aufbringen könnte – dass sich die Landesregierung grundsätzlich weigert, Anfragen, die in Comic Sans verfasst wurden, zu bearbeiten. Eine weitere stichprobenartige Kontrolle hat nämlich ergeben, dass die Freiheitlichen in aller Tatsächlichkeit viele ihrer Schriftstücke im Landtag im Kindergeburtstagseinladungsstil verfassen.

    Anfrage

    Wir halten fest:
    In Südtirol ist die Absicherung von Standardstromanschlüssen halb so hoch wie im nördlichen Landesteil. Das “in den Keller gehen, um die Sicherung wieder einzuschalten”, kennt man dort nicht.

    Südtirol verfügt nicht über die Zuständigkeit, den Richtwert für diese Anschlüsse selbst festzulegen.

    Die Landesregierung benötigt mehr als zwei Monate, um die Frage zu beantworten, ob die SVP-Parlamentarier in der besagten Angelegenheit bereits mit der römischen Regierung Kontakt aufgenommen haben.

    Die größte Oppositionspartei im Lande verfasst Landtagsanfragen in einer Schriftart, die für Comic-Sprechblasen erfunden wurde und bestätigt damit den Eindruck, dass die Landtagspolitiker, was Professionaltiät betrifft, sprichwörtlich auf Kindergartenniveau agieren.

    Am Pranger
    Das zweite Thema lässt hingegen überhaupt keinen Spielraum für Humor. Wie – mittlerweile nicht mehr nur – in italienischen bzw. Südtiroler Medien mit Persönlichkeitsrechten und Unschuldsvermutung umgegangen wird, ist beschämend und schockierend. Anlässlich des jüngsten Mordfalles in Bozen, werden der volle Name, unverpixelte Fotos und Facebook-Einträge der Tatverdächtigen (bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt jede(r) als unschuldig) gnadenlos publik gemacht. Ein solcher Pranger ist für besagte Person, die sich als Mordverdächtige in jedem Fall in einer psychischen Ausnahmesituation befindet, eine unvorstellbare Belastung. Ein solche Pranger ist existenzbedrohend. Man stelle sich vor, ein Gericht stellt in weiterer Folge fest, dass die Frau die Tat gar nicht begangen hat. Den “Makel” wird sie ihr Leben lang nicht mehr los.

    Dass die Tageszeitung diesbezüglich wenig Skrupel hat und sich boulevardesquer als der tiefste Boulevard gebärdet, ist bekannt. Dass aber auch ein selbsternanntes “Qualitätsmedium” wie salto.bz sensationsgeil dem mitteralterlichen Pranger frönt, ist bestürzend. Noch dazu, wo sich das besagte Medium in jüngster Zeit als Retter der journalistischen Ethik aufspielt, nachdem das Boulevardblatt “Österreich” einen Rittner Eishockey-Goalie fälschlicherweise als Schläger identifiziert und in einem Artikel mit Foto und Namen an den Pranger gestellt hat.

    Im Zuge der Flugzeugkatastrophe in Frankreich fielen dann endgültig sämtliche Schranken und Hemmungen was journalistische Ethik anbelangt. “Österreich” und “Krone” veröffentlichten ein unverpixeltes Bild, welches jedoch gar nicht den im Verdacht stehenden Co-Piloten, sondern einen völlig unbeteiligten Mann ähnlichen Namens, zeigt. Il Giornale zieht fragwürdige Vergleiche zur Costa Concordia. Nicht wenige Medien verzichten auf Unkenntlichmachung bei der Abbildung von Angehörigen der Opfer.

    Mats Schönauer 01 02 von bildblog.de dokumentiert das mediale Fiasko penibel und bringt jene Problematik, die man in abgeschwächter Form auch auf den Bozner Mord übertragen kann, auf den Punkt:

    Was in den vergangenen Tagen passiert ist, ist in weiten Teilen, in sehr weiten Teilen kein Journalismus mehr, sondern eine Jagd. Eine Jagd nach Informationen und Bildern, die für das Verständnis des Geschehens komplett irrelevant sind.



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  • Politisch motivierte Gewalt: Raus!

    Am Dienstag vergangener Woche wurden in der Landeshauptstadt drei linke Jugendliche von mindestens sechs Mitgliedern der neofaschistischen CasaPound Italia brutal zusammengeschlagen. Nachvollziehbare Gründe für die Aggression, die über die politische Zuordnung der Opfer hinaus gehen, scheint es nicht zu geben. Laut übereinstimmenden Medienberichten hätten die drei jungen Männer versucht, den Rechtsextremisten zu entkommen, ohne ihrerseits Gewalt anzuwenden.

    CasaPound betreibt seit Jahren einen eigenen Sitz in der Südtiroler Landeshauptstadt, hat bereits mehrere Kundgebunden veranstaltet und mit mäßigem Erfolg an politischen Wahlen teilgenommen. Bei den anstehenden Bozner Gemeinderatswahlen wollten die Neofaschisten Bürgermeisterkandidat Giovanni Benussi unterstützen, der ebenfalls schon öfter durch rechtsextremistische Positionen aufgefallen war. Die Antifa Meran weist seit Jahren darauf hin, dass CasaPound in Bozen zu große Freiräume gewährt werden.

    Ein wahrlicher Skandal ist zum Beispiel, dass diese extremistische Organisation, die außerhalb Südtirols (auch im benachbarten Trentino) schon zahlreiche Gewaltakte vollbracht hat, von Landesinstitutionen nicht nur nicht bekämpft, sondern auch noch mit öffentlichen Geldern unterstützt wird. Dies gilt insbesondere für die rechtsextremistische Buchhandlung CasaItalia, die CasaPound zuzuordnen ist und deren Sitz sogar vom Land Südtirol gefördert wird. Spätestens nach der jüngsten gewaltsamen Aggression an zwei linken Jugendlichen sollten den Verantwortlichen endlich die Augen aufgehen: Wir fordern, CasaItalia mit allen Mitteln den Wobi-Mietvertrag zu kündigen. Vereine wie diese bereiten dem Neofaschismus und politisch motivierter Gewalt in Südtirol den Nährboden.



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  • Landeselternbeirat: Suggestive Umfrage?

    Der Landesbeirat der Eltern der deutschen Schule in Südtirol hat im Februar und März 2015 eine Umfrage durchgeführt, deren Ergebnisse am Samstag, 23. März 2015 präsentiert wurden.

    Die Zahlen
    Bei über 50.000 Teilnahmecodes, die an den deutschen Schulen und Kindergärten über die SchülerInnen bzw. Informationsfächer verteilt wurden, nahmen 12.877 Eltern an der Umfrage teil. Dies entspricht einer Beteiligung von etwas mehr als 25% der Eltern.
    Von den Initiatoren wird die Umfrage als repräsentativ bezeichnet. Diesbezüglich muss aber angemerkt werden, dass es sich um keine Umfrage handelte, bei der die TeilnehmerInnen nach statistischen Kritierien gewichtet oder sonst nach einem statistisch repräsentativen Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Es unterlag der eigenen Entscheidung der Eltern, daran teilzunehmen oder nicht teilzunehmen. Knappe 75% nahmen an der Umfrage nicht teil. Wir wissen nicht, was die Gründe hierfür sind.

    Was wurde gefragt?
    Hauptschwerpunkte der Befragung waren neben dem Schulkalender und dem Italienisch-Unterricht einige eher allgemein gehaltene Fragenblöcke zu den Kompetenzen, die in Zukunft für die Kinder wichtig sind oder zu Fächergruppen, die intensiviert werden sollten.

    Wie war die Umfrage aufgebaut?
    Die Befragung folgt keiner einheitlichen Methodik.
    Bei den Fächergruppen Deutsch/Literatur, Sport/Kreatives/Handwerkliches/Musisches, Geschichte/Geographie, Mathematik/Informatik/Naturwissenschaften wurde innerhalb einer Sammelfrage danach gefragt, ob sie im Vergleich zur aktuellen Situation auf einer Skala von 1 bis 5 weniger wichtig als bisher, gleichbleibend oder in Zukunft stärker gewichtet werden sollten.
    Zum Deutschunterricht wird zusätzlich gefragt, ob der Unterricht auf Hochdeutsch auf einer Skala von 1 bis 5 zu umfangreich, genau richtig oder in zu geringem Umfang angeboten wird.
    Bei allen oben erwähnten Fächergruppen wird ermittelt, ob hinsichtlich der quantitativen Wichtungen an den Stellschrauben gedreht werden soll.
    Bei der Frage nach dem Italienischunterricht scheint der Beirat bereits davon ausgegangen zu sein, dass Handlungsbedarf besteht. Einzig bei dieser Frage, in abgeschwächter Form auch bei der Frage nach dem Englischunterricht, waren konkrete Antworten vorgegeben.

    Bei der Abstimmung verfestigte sich ein bestimmtes Gefühl, an einer Umfrage teilzunehmen, die methodisch nicht sehr ausgereift ist und die bei bestimmten Fragen einen eindeutig suggestiven Charakter annimmt. Wollte man speziell hinsichtlich des Italienischunterrichtes durch die Fragestellung ein bestimmtes Ergebnis erzielen?

    Italienischunterricht
    Folgende Antworten standen zur Auswahl:

    Deutsch – Italienisch
    Wie ist Ihre Meinung zum Erlernen der italienischen Sprache?

    • Verschiedene Fächer auch in italienischer Sprache unterrichten (max. 50% der Unterrichtszeit)
    • Mehr Schüleraustausch/Partnerschulen, schulübergreifende Projekte mit italienischen Schulen
    • Mehrsprachige Schule: deutsche und italienische Schulen sollen mittelfristig zusammengelegt werden
    • Aktuelle Situation beibehalten

    Elternumfrage - Ausschnitt.

    Es waren Mehrfachnennungen möglich, was die Ergebnisse zusätzlich verwirrender gestaltet. Das System verhinderte zudem nicht widersprüchliche Kombinationen, wie die gleichzeitige Auswahl von Beibehaltung der aktuellen Situation und mehrsprachige Schule.
    Die naheliegendste Wahlmöglichkeit, nämlich die Verbesserung der pädagogischen und didaktischen Qualität des Italienischunterrichts, stand gar nicht zur Verfügung. Landauf und landab wird über die dürftigen Früchte des Italienischunterrichts gejammert und laut Kurt Rosanelli, dem Vorsitzenden des Landesbeirates der Eltern, sei dies dem Schulamt auch hinlänglich bekannt.

    Wollte man möglicherweise mit der Umfrage einer bestimmten Berufsgruppe nicht zu nahe treten? Macht das Ergebnis ohne diese Antwortmöglichkeit bzw. eine spezielle Frage zur Zufriedenheit mit der pädagogisch-didaktischen Qualität im Italienischunterricht überhaupt Sinn?
    Ohne eine solche Frage wissen wir schlicht und einfach nicht, was die Erwartungen der Südtiroler Eltern hinsichtlich des Italienischunterrichtes sind.
    War man sich dieses Regiefehlers in der Fragestellung sogar bewusst? Kurt Rosanelli äußerte sich auf Rai Südtirol am 23.03.2015 (ca. 8.20 Uhr) dahingehend, dass

    es zu wenig kompetente ItalienischlehrerInnen gibt und dass, laut den Ergebnissen, 3/4 der Befragten besseren und nicht mehr Italienischunterricht wünschen. […] Wir haben ganz dezidiert nicht Immersionsunterricht gemeint und haben ihn deshalb auch nicht abgefragt.

    Am Ende des Interviews zieht die Journalistin im Widerspruch zum Interview, aber wohl in Bezug auf die Abstimmungsergebnisse das Fazit

    dass die Eltern einen moderneren Unterricht wünschen und mehr Italienisch.

    Was sollte man daraus lernen?

    1. Bevor eine derart delikate Materie, die für das Fortbestehen einer Minderheit zentral ist, Thema einer Umfrage wird, sollte wissenschaftlich der Status Quo erhoben werden. hat schon häufig die mangelnde Datengrundlage kritisiert, wenn es um das Thema Mehrsprachigkeit geht.
      Konkret muss vor einer solchen Umfrage, zumindest was den Sprachunterricht und die Sprachkompetenz betrifft, erhoben werden, ob der Italienischunterricht pädagogisch und didaktisch den Anforderungen eines modernen Fremdsprachenunterrichts entspricht und auf welchem Niveau Südtirols SchülerInnen tatsächlich stehen. Weiters müssen auch die Hochdeutsch- und Englischkenntnisse ermittelt werden. Erst wenn diese Basisdaten vorhanden sind, ist es sinnvoll, eine Umfrage zu lancieren.
      Zudem müssten etliche Fragen bzw. vorgegebene Antworten in einen weiteren Kontext über potentielle gesellschaftliche Auswirkungen gesetzt werden (siehe auch Punkt 3).
    2. Offenbar ist dem Schulamt das mangelhafte pädagogisch-didaktische Niveau des Italienischunterrichtes bekannt. Welche Maßnahmen wurden bisher ergriffen? Inwieweit wird im Schulamt überlegt vom sogenannten “Zweitsprachenansatz” zu einem “Fremdsprachenansatz” zu gelangen? Ein Problem stellt die mangelnde Kontinuität bei der Besetzung von Stammrollenstellen, besonders in Landgemeinden dar. Verfügt Südtirol hier überhaupt über die entsprechenden Zuständigkeiten um zeitnah wirksame Verbesserungen umzusetzen?
      Erwartet man sich rein durch eine Ausweitung des Italienischunterrichtes über CLIL-Fächer eine pädagogisch-didaktische Verbesserung? Liegt in diesem Ansatz nicht ein Widerspruch?
    3. Schule ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Die Meinung der Eltern (an der Umfrage haben sich ca. 25% der Eltern beteiligt) bildet hinsichtlich der Schulentwicklung einen wichtigen Teil der Gesellschaft ab, aber die Eltern sind nicht der einzige Akteur, der ein Interesse daran hat. Einige Beispiele: Der Unterricht von CLIL-Fächern bis max. 50% würde bei konsequenter, flächendeckender Umsetzung bedeuten, dass im Extremfall 30% der deutschsprachigen LehrerInnen ihren Job verlieren.
      Südtirol hat nach wie vor keine primäre Kompetenz im Schulbereich. Bis dato erweist sich Südtirols Autonomie als zu schwach, um tatsächlich eine gleichberechtigte Mehrsprachigkeit zu garantieren. In vielen Bereichen folgt der Gebrauch der Sprache (z.B. Gerichtswesen, Etikettierung, vorherrschende Geschäftssprache in international agierenden Konzernen) einer nationalstaatlichen Logik. Wird im Schulwesen an den Stellschrauben gedreht, führt dies im nationalstaatlichen Kontext, dem Südtirol ausgesetzt ist, möglicherweise zu irreversiblen Entwicklungen. Die Praxis an der Uni Bozen und an der Claudiana, wo zwar gerne die perfekte Drei- bzw. Mehrsprachigkeit propagiert wird, zeigt heute schon genügend Anzeichen, dass im Zweifelsfall tendenziell weniger Fächer auf Deutsch unterrichtet werden, als dies offiziell der Fall sein sollte. Ist dies eine Blaupause für Immersions- oder CLIL-Modelle im nationalstaatlichen Kontext?
      Warum werden in diesem Zusammenhang nicht auch Konzepte wie etwa das asymmetrische katalanische Immersionsmodell thematisiert? Dieses könnte bei behutsamer Umsetzung und entsprechenden Garantien durchaus die individuellen Anforderungen nach verbessertem Spracherwerb mit dem gesamtgesellschaftlichen Anspruch nach Schutz der autochthonen Minderheitensprachen und Absicherung vor allgegenwärtigen nationalstaatlichen Automatismen vereinbaren.
    4. Neben der Diskussion um einen besseren Spracherwerb gibt es auch andere wichtige Themenbereiche, die notorisch vernachlässigt werden. Beispiele:
      • Kompetenzen im naturwissenschaftlichen, mathematischen Bereich, die nicht unwesentlich sind, wenn wir von Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Kontext sprechen, einschließlich der
      • Sensibilisierung von Mädchen und jungen Frauen für naturwissenschaftliche Fächer;
      • Rolle der (deutschen) Schule hinsichtlich der Integration und Inklusion von neuen SüdtirolerInnen. Ob und wie das Thema Immigration bewältigt wird, wird in naher Zukunft zu einem wesentlichen gesellschaftlichen Erfolgsfaktor zählen.

    Abschließend soll noch festgehalten werden, dass es einigermaßen erstaunt, dass derart zentrale Themenbereiche nicht innerhalb eines professionell organisierten und einer gesellschaftlich breit ausgerichteten Plattform diskutiert und entwickelt werden. Für Schnellschüsse und mediale Eintagsfliegen ist das Thema viel zu wichtig.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Drei Reisepässe (ein Nationalstaat).

    DreiSepässe.

    • Belgischer Reisepass: Viersprachig Niederländisch, Französisch, Deutsch, Englisch. Die Deutsche Sprachgemeinschaft bildet rund 0,7 Prozent der Bevölkerung Belgiens.
    • Schweizer Reisepass: Fünfsprachig Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch, Englisch. Rund 0,4 Prozent der Schweizerinnen sind RätoromanInnen.
    • Italienischer Reisepass. Einsprachig. Rund 0,5 Prozent der italienischen Staatsbürgerinnen gehören der deutschen Sprachgruppe an. Andere Sprachen wie Friaulisch und Sardisch werden von noch wesentlich mehr Bürgerinnen gesprochen.

    Vor Jahren hatte sich SVP-Senator Oskar Peterlini vergeblich dafür eingesetzt, dass der italienische Reisepass auch die deutsche Sprache angemessen berücksichtigt.

    Aber natürlich handelt es sich nur um eine symbolische Angelegenheit — die hier abgebildeten Reisepässe sind nämlich symptomatisch für den Umgang der jeweiligen Länder mit sprachlicher Vielfalt. Eine reine Symptombekämpfung ist also nicht mit der Lösung des zugrundeliegenden Problems (die strukturelle Einsprachigkeit von Nationalstaaten) zu verwechseln.

    Dass der italienische Reisepass wiederum ganz typisch für einen Nationalstaat — und kein Alleinstellungsmerkmal für Italien — ist, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 || 01 02 03



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  • Neue Eigenständigkeit.
    Quotation

    Man wird sehen, ob unsere Vorstellungen im Rahmen der italienischen Verfassung Platz haben. Wenn nicht, wird es die Grundlage für eine neu zu definierende Eigenständigkeit unseres Landes sein.

    Stephan Lausch, Initiative für mehr Demokratie, im Rahmen der Landesversammlung, über die Landessatzung, sinngemäß



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