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  • Keller, Wurst und die Bürgerrechte.

    Die Spitzenkandidatin der europäischen Grünen, Ska Keller, war heute bei einer Wahlkampfveranstaltung von ICV im katalanischen Sant Feliu del Llobregat, wo sie einmal mehr für das Selbstbestimmungsrecht einstand. Sie versprach, sich von Brüssel aus aktiv dafür einzusetzen, dass Spanien die Abstimmung vom 9. November zulässt, spannte aber ganz tagesaktuell auch einen Bogen zu ESC-Siegerin Conchita Wurst. Im Widerspruch zum Pessimismus der Nordtiroler Grünen Sigrid Maurer sprach sie davon, dass Europa offener und fortschrittlicher sei, als viele denken. Zudem, so Keller, sei auch Wurst ein Beispiel für das Recht auf Selbstbestimmung — nämlich das der Menschen, so zu sein, wie sie möchten. Sie unterstützt somit unsere Auffassung, dass das individuelle und das kollektive Selbstbestimmungsrecht untrennbar zusammengehören, letzteres also nicht (mehr) allein auf das Völkerrecht reduziert werden kann.

    Schade, dass die Südtiroler Grünen bei der EU-Wahl nicht Teil der europäischen Grünen sind: Eine solche Spitzenkandidatin hätte man nur allzu gerne unterstützt.



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  • Relikte und Museen.
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    [È] possibile che il ‘problema’ del fregio di Mussolini abbia davvero ancora uno spessore tale da spingere il presidente Kompatscher a porre la questione in una maniera così decisa?
    Quanto c’entrano in tutti ciò i complessi equilibri interni alla Svp, ufficialmente e plebiscitariamente lanciata verso il futuro, ma in realtà  impegnata a fare i conti con gli aspetti più radicali della propria essenza, legati all’eterna ‘rivalsa per il torto subito’?

    Dies schreibt Luca Sticcotti — übrigens in einem unzweifelhaft nicht als Kommentar gekennzeichneten redaktionellen Beitrag bei Salto — über die Entscheidung des Landeshauptmanns, die Eröffnung des Dokumentationszentrums unter dem Bozner Siegesdenkmal an einen neuen Umgang mit den faschistischen Relikten zu knüpfen. Ich halte diese Vorgangsweise von Arno Kompatscher (SVP) für äußerst klug, umsichtig und konsequent. In einem unterirdischen Verlies eine Ausstellung zu eröffnen, die noch dazu unter Ausschluss der Öffentlichkeit gestaltet wurde, und an der Oberfläche, im Tageslicht, alles so zu belassen, als hätte man das Problem (wie Sticcotti durch die Anführungszeichen selbst nahelegt) nicht erfasst, kann man keinesfalls als zukunfstgewandt (»lanciato verso il futuro«) bezeichnen. Entweder das Dokumentationszentrum ist in eine klare Gesamtstrategie eingebettet, die auch einen gesellschaftlichen Rückhalt hat — was Kompatscher und Spagnolli wenigstens kommunizieren — oder das Dokumentationszentrum agiert völlig losgelöst von der es umgebenden Realität. Dann aber ist es ein Feigenblatt, das man sich gleich sparen kann. Wenn er Geschichtsaufarbeitung und Historisierung als Revanchismus und Gestrigkeit interpretiert, hat zumindest Herr Sticcotti herzlich wenig davon verstanden.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02



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  • Nordtiroler Genies.
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    »Gitschberg-Jochtal« ist für Italiener nicht aussprechbar.

    Florian Mair, Geschäftsführer Tourismusverein Gitschberg-Jochtal (TAZ, 10. Mai 2014).

    Dies ist einer der »marketingtechnischen« Gründe, warum die Region auf dem italienischen Markt fortan als »Rio Pusteria« beworben werden soll. Demnach müssen beispielsweise im Paznauntal wahre Genies am Werk sein. Dort ist es nämlich gelungen, einen Ort, der wohl den wenigsten Nicht-Deutsch-Sprechern – ja nicht einmal diesen – leicht über die Lippen kommt, weltweit bekannt zu machen. Ischgl verbucht rund 1,5 Millionen Nächtigungen pro Jahr und hat einen internationalen Gästemix – darunter auch Italiener. Ob es der Tourismuswerbung außerdem förderlich ist, wenn man seine potentiellen Gäste als Quasi-Idioten hinstellt, die unfähig sind, eine für sie ungewöhnliche Buchstabenfolge zu artikulieren, wäre auch zu hinterfragen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 || 01 02 03



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  • Landtage im Gleichschritt.

    In Ermangelung eines gemeinsamen Landtags, wie ihn die Unterzeichnung des Madrider Abkommens (Zusatzprotokoll) durch Italien ermöglichen würde, setzen nun Süd- und Nord-/Osttiroler Parteien ein gewichtiges Zeichen der interparlamentarischen Zusammenarbeit. So wollen 5SB, BürgerUnion, Freiheitliche, Liste Fritz, SPÖ, STF, Südtiroler Grüne und Vorwärts Tirol die beiden Landtage in einer bedeutenden Angelegenheit wie dem gemeinsamen Binnenverkehr im Gleichschritt arbeiten lassen. Konkret geht es um die Wiedereinführung der Zugverbindung Lienz-Bruneck-Innsbruck, die Ende 2013 durch einen Busverkehr ohne Zwischenhalte in Südtirol ersetzt wurde. Hierzu werden die unterstützenden Parteien die beiden Landtage im Mai mit einem Gesamttiroler Mehrparteienantrag befassen. Was die Finanzierung betrifft, so wird eine anteilsmäßige Kostenübernahme durch die Landesteile angestrebt.

    Über den konkreten Inhalt des Vorstoßes hinaus, den wir unterstützen, hat diese neue Form der Zusammenarbeit auch einen symbolischen und praktischen Wert in der Stärkung der Euregio als gemeinsamen politischen Raum. Bleibt zu hoffen, dass dies keine Einzelaktion ist, sondern der Auftakt zu einer stärkeren Integration — in Ergänzung zur bereits gut funktionierenden Zusammenarbeit mit dem Trentino.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Mit Schutzklausel zum gallischen Dorf.

    Seit jeher nährt die Südtiroler Sonderautonomie den Neid anderer Gebiete, da dortige Politiker und BürgerInnen meist weder ihre historischen und gegenwärtigen Gründe kennen, noch ihre Funktionsweise verstehen. Da der Staat sich nicht als vielfältiges Gebilde versteht, sondern als zentralistisches und gleichmacherisches Konstrukt, fehlt auch eine wichtige Grundlage für Respekt und Toleranz gegenüber einer sprachlichen, kulturellen, aber auch politischen Sondersituation wie der unseren. Während der letzten Monate ist, befeuert durch die Wirtschaftskrise, auch der Rechtfertigungsdruck auf die Autonomie auf ein nie gekanntes Maß gestiegen. Dies kurioserweise genau jetzt, als unsere Zuständigkeiten von Rom fortlaufend und großteils widerrechtlich in Frage gestellt und ausgehöhlt wurden.

    Um die Angriffe abzuwehren und den Druck auf Südtirol zu verringern ist die Landespolitik mitunter dazu übergegangen, eine Rolle einzunehmen, die ihr eigentlich fremd ist: Sie hat den Umbau des Staates im Sinne einer Föderalisierung gefordert und sicherte anderen Territorien, die einen Anspruch auf Autonomie erhoben, ihre Unterstützung zu — so der nahen Provinz Belluno, aber auch ganzen Regionen, wie Venetien und zuletzt der Lombardei. Das Credo war und ist, dass nicht wir auf unsere vertraglich zu-, aber offenbar rechtlich nicht besonders gut abgesicherte Autonomie verzichten sollten, sondern wennschon auch andere in den Genuss einer erweiterten Eigenregierung kommen sollten, um die Schere zwischen »normalen« und autonomen Regionen etwas zu verkleinern. Während eine vergleichsweise kleine Region wie die unsere jedoch Anregungen geben und Allianzen bilden kann, ist die Dezentralisierung eines Staates gegen seinen Willen — und vor allem: gegen sein Selbstverständnis — wohl ein zu großes Unterfangen. Wollte Italien und wollten die italienischen Staatsbürger mehrheitlich ein föderalistisches, plurales Land, so könnten sie dies jederzeit durch entsprechendes Wahlverhalten unterstützen und umsetzen.

    Seit Matteo Renzi an den Machthebeln sitzt, im Grunde aber spätestens seit Mario Monti, geht die Fahrt sogar mit voller Kraft in die entgegengesetzte Richtung: Die nun in Umsetzung befindliche Verfassungsreform soll den zaghaften Föderalisierungsbestrebungen der letzten Jahre den Garaus machen und eine deutliche Zentralisierung herbeiführen. Senator Francesco Palermo bringt dies im heutigen TAZ-Interview schonungslos zum Ausdruck.

    Der Staat geht dramatisch in Richtung Zentralismus. Wir sind aber zu klein und irrelevant, um das zu verhindern. Unsere letzte Chance besteht darin, uns mit der Schutzklausel abzusichern.

    — Sen. Francesco Palermo

    Südtirol gerät also stark in die Defensive und muss darauf hoffen (!), im turbulenten Verfassungsänderungsverfahren eine Klausel durchzubringen, die zumindest angereifte Rechte und Zuständigkeiten heil durch den Sturm bringt. Ein weiterer Ausbau der Autonomie, ja gar so etwas wie eine »Vollautonomie«, scheint immer weiter in die Ferne zu rücken. Doch es kommt noch schlimmer: Die Schutzklausel wird im Angesicht eines dramatisch zentralisierten Staates die Schere zwischen herkömmlichen Regionen und der unseren ebenso dramatisch aufgehen lassen. Während ihre Volksvertreter in Rom großmehrheitlich einer Zentralisierung zustimmen — die für eine Verfassungsreform nötige Zweidrittelmehrheit wäre gegen Lombardei und Venetien kaum zu erreichen — werden Neid und Unverständnis für die Südtiroler Sondersituation im Vergleich zur Vergangenheit noch einmal ansteigen. Dann werden wir wirklich zum »gallischen Dorf«.

    Cëla enghe: 01



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  • Civis europaeus sum.
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    Wer die Jahrhunderte vom römischen Bürgerrecht bis zu den Verträgen von Lissabon überfliegt, erkennt, dass der Nationalstaat weder das erste noch das letze Wort der europäischen Geschichte ist. In seiner reinen Form hat es ihn sogar nur eine bemerkenswerte kurze Zeit gegeben, von der Französichen Revolution bis zum Ende des zweiten Weltkriegs, aber selbst in dieser so kurzen Zeit keineswegs überall und unumschränkt. Erst 1870 hatte er nach der Einigung von Italien und Deutschland die Mitte Europas erreicht, erst 1919 gelangte er im Versailler Frieden bis an die russische und türkisch Grenze. Aus Russland wurde sogar erst 1991 annähernd ein Nationalstaat, zum selben Zeitpunkt, als in Jugoslawien ein kleiner Vielvölkerstaat zerfiel. Ob das westeuropäische Modell des Nationalstaats für andere Regionen und Weltteile überhaupt taugt, kann in einer vergleichenden Betrachtung angezweifelt werden.

    Wer über die Kompliziertheit der Europäischen Union klagt, kennt die Geschichte nicht. Die Metamorphosen des Kontinents lehren Phantasie für die vielen Möglichkeiten von Kooperation und Autonomie. Und sie zeigen: Die scheinbar einfachen Lösungen waren eigentlich immer die schlechtesten.

    Auszug aus Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung vom 8.5.14: »Civis europaeus sum. Vom römischen Reich bis zum Vertrag von Lissabon: Seit zwei Jahrtausenden hat es immer wieder Versuche gegeben, den Kontinent zu einen. Die Nationalstaaten sind weder das erste noch das letzte Wort der europäischen Geschichte.«

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Kulturerbe Ladinisch.

    Die ladinische Sprache soll von der UNESCO den Status eines immateriellen Weltkulturerbes erhalten. Dafür setzt sich ein 13köpfiges Komitee Lingaz Ladin – Bëgn imaterial UNESCO ein, dessen Mitglieder aus sämtlichen Sprachregionen des Dolomitenladinischen stammen und unter anderen den ladinischen Landesrat Südtirols, Florian Mussner (SVP), umfassen. Dieser war in Vergangenheit dadurch aufgefallen, dass er sich sowohl gegen eine gemeinsame Dachsprache, als auch gegen die territoriale Wiedervereinigung Ladiniens ausgesprochen hatte — laut Europäischer Charta für Regional- oder Minderheitensprachen eine wichtige Maßnahme zum Schutz gefährdeter Sprachen. Trotzdem birgt die gemeinsame Bewerbung die Chance, das Bewusstsein aller Ladinerinnen für ihre Sprache und die kulturelle Zusammengehörigkeit zu stärken. Gemeinsam mit dem Weltnaturerbe der Dolomiten, mit dem die ladinische Sprache eng verwoben ist, besteht außerdem die Hoffnung auf eine Aufwertung im Sinne der Authentizität und eines gestärkten Selbstbewusstseins, sodass der Sprache auch in der Öffentlichkeit eine neue Aufmerksamkeit zuteil wird. Dabei gilt es jedoch zu verhindern, dass die Anerkennung eine Musealisierung und Folklorisierung bewirkt und der Sprache somit die heutige Lebendigkeit abhanden kommt.



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