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  • Malser Antworten.

    Das ganze Land blickt derzeit in den Oberen Vinschgau, wo sich eine kleine Marktgemeinde erdreistet, über die Regeln des Zusammenlebens zu befinden. Dabei wurden und werden drei Fragen beantwortet, die über Mals hinaus von großer Bedeutung sind. Vordergründig geht es um den inhaltlichen Entscheid, ob im Ort »der Einsatz sehr giftiger, giftiger, gesundheitsschädlicher und umweltschädlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und Herbizide« verboten werden soll. Diese Frage können die Bürgerinnen und Bürger seit gestern und bis zum 5. September — auch mithilfe einer Broschüre der Gemeinde, die die Positionen von Befürwortern und Gegnern zusammenfasst — mit einem Ja oder Nein beantworten.

    Damit es zu dieser Volksabstimmung kommen konnte, mussten im Vorfeld zwei weitere, formale oder rechtliche Fragen beantwortet werden, die man wie folgt formulieren könnte:

    1. Darf die Allgemeinheit mitbestimmen, wie — auf privatem Grund — privat gewirtschaftet werden soll?
    2. Sollen Bürgerinnen und Bürger auch dann befragt werden, wenn die Gemeinde möglicherweise gar nicht über die Zuständigkeit verfügt, im betreffenden Bereich rechtsverbindliche Normen zu erlassen?

    Beide Fragen wurden zustimmend beantwortet.

    • ad 1) Dass es Sache aller ist, die Rahmenbedingungen für privates Wirtschaften festzulegen, steht gerade in Europa schon seit Generationen fest. Durch Arbeitsrecht, Umweltbestimmungen, Stadtplanung greift der Gesetzgeber stets dort ein, wo nicht nur die individuellen Rechte des Wirtschaftenden selbst, sondern zudem Rechte Dritter, aber auch von Umwelt und Tieren betroffen sind. Da der Einsatz von Spritzmitteln — etwa durch Verwehungen und Einsickerungen — auch zu Einflüssen auf die Umwelt führt, ist es selbstverständlich, dass die Bevölkerung mitbestimmen darf.
    • ad 2) Diesbezügliche Einwände wurden im Vorfeld der Abstimmung abgewiesen, was einen wichtigen Präzedenzfall darstellt. Die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern ist auch dann wichtig, wenn dem gefällten Entscheid keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit garantiert werden kann. Sollte festgestellt werden, dass die Gemeinde nicht berechtigt ist, die von der Bevölkerung gegebenenfalls abgelehnten Substanzen zu verbieten, würde sich davon eine politische und gesellschaftliche Verbindlichkeit ableiten. So wären die Gemeindeverwalter politisch dazu angehalten, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um den Volkswillen umzusetzen — beispielsweise durch entsprechende raumordnerische Maßnahmen, durch wirtschaftliche Förderungen oder einfach durch Sensibilisierung. Den Landwirten erginge der gesellschaftliche Auftrag, trotz mangelnden Verbotes den Mehrheitswillen bestmöglich zu respektieren.

    Damit ist dargelegt, warum demokratische Äußerungen auch dann sinnvoll sind (und keinesfalls unterbunden werden sollen), wenn die unmittelbare Umsetzbarkeit noch fraglich ist. Doch wenn Leo Tiefenthaler, Obmann des Südtiroler Bauernbundes, im dieswöchigen ff-Interview sagt, die Bauern würden »morgen so weiterarbeiten wie heute«, falls die Zuständigkeit der Gemeinde nicht gegeben wäre, zeigt dies, wie wenig er von Demokratie, Verantwortung und gesellschaftlichem Zusammenleben verstanden hat.

    Nachdem die beiden vorgelagerten Fragen positiv beantwortet wurden, liegt es nun in der Hand der MalserInnen, das ihrer Auffassung nach beste für ihren Ort zu beschließen. Aus Gesamtsüdtiroler ökologischer Sicht wäre ein Ja freilich wünschenswert, da die durch die Abhaltung des Referendums bereits aufgeworfene Frage dann wohl auch auf Landesebene zu einer breit angelegten Diskussion über die Menschen- und Umweltverträglichkeit unserer Landwirtschaft führen würde.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06



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  • Viererbande.

    Unter diesem Arbeitstitel trafen sich Anfang August auf Einladung von Stephan Lausch (Initiative für mehr Demokratie) die Spitzen von POLITiS, Netzwerk für Partizipation, Initiative für mehr Demokratie und zu einem Gedankenaustausch. Ausgangspunkt war die Einsicht, dass wir »im besten Fall das gleiche, aber jedenfalls sehr ähnliche Ziele« verfolgen, nämlich »eine fundamentale Erneuerung der Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger die Protagonisten sind.« »Die Unterschiede liegen in den Wegen, auf denen sie verfolgt werden.« (Lausch)

    Bei dem sehr angenehmen und entspannten — aber dennoch inhaltsreichen — Treffen wurde man sich einig, dass die Demokratie in Südtirol einer Vervollständigung bedarf. In Einklang damit war auch die Auffassung unstrittig, dass die Bürgerinnen und Bürger in einer echten Demokratie selbst über die Zukunft des Landes, einschließlich der staatlichen Zugehörigkeit, befinden dürfen sollten. Die Vorstellungen der vier Organisationen wurden diskutiert und verglichen. Man einigte sich auf eine Fortführung der Gespräche, auf Abstimmung und Informationsaustausch über die erzielten Fortschritte, um auch Synergien nutzen zu können.

    Cëla enghe: 01 02



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  • ›Unmögliche‹ Politiker.
    Quotation

    Die Wissenschaftler bemühen sich, das Unmögliche möglich zu machen. Die Politiker bemühen sich oft, das Mögliche unmöglich zu machen.

    – Bertrand Arthur William Russell, englischer Philosoph

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Ein Knick(s) für den Realismus.

    In anderen Regionen des italienischen Staates wie Venetien (und nun auch Friaul) regt sich der Wunsch nach Unabhängigkeit, doch die politische Spitze in Südtirol bestätigt bei jeder Gelegenheit ihre Loyalität zum Staat. Trotz der zentralistischen Bestrebungen in Rom scheut man sich davor, dem Staat auch nur die Rute ins Fenster zu legen. Stattdessen mahnt der Landeshauptmann — etwa gegenüber der Tiroler Tageszeitung — einmal mehr Realismus an: In einem gemeinsamen Europa seien Grenzverschiebungen »nicht einfach«. Indirekt gibt er damit aber zu, dass die SVP nur noch einfache Lösungen sucht und vor komplexeren Prozessen zurückschreckt. Auf diesem Weg des geringsten Widerstandes hätte man dazumal aber wohl auch die Autonomie kaum erreicht, deren Erringung alles andere als »einfach« war.

    Allerdings klingt das heutige »nicht einfach« auch schon völlig anders, als das bis vor kurzem beschworene »unmöglich«. Aufgrund des Präzedenzfalles in Schottland muss der Landeshauptmann denn auch einschränken, nur »ohne die Zustimmung« des betroffenen Staates sei »ein eigener Staat Südtirol nicht möglich«. Doch erstens haben Südtirol und die SVP den Wunsch nach Eigenstaatlichkeit gegenüber Rom nie offiziell artikuliert, weshalb wir gar nicht wissen können, wie der Zentralstaat auf eine derartige Forderung reagieren und welche ’gewogenen’ Kräfte man auf den Plan rufen würde. Und zweitens müssen wir wahrscheinlich nur noch ein paar Monate abwarten, bis Katalonien vormacht, wie man auch ohne die Zustimmung des betroffenen Staates vorgehen kann. Theoretische Analysen liegen bereits vor. Man darf gespannt sein, welche argumentativen Verrenkungen sich die SVP nach einem allfälligen Präzedenzfall Katalonien einfallen lässt, um die Loyalität zum Zentralstaat nicht in Frage stellen zu müssen.

    Der angebliche Südtiroler Realismus wird immer öfter von der Realität Lügen gestraft.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Das Maß ist zweierlei.

    A statement by the United States National Security Council spokesperson Caitlin Hayden

    Even as we work to gather information, we reiterate our concern about repeated Russian and Russian-supported incursions into Ukraine.

    Russia has no right to send vehicles, persons, or cargo of any kind into Ukraine, under any pretext, without the government of Ukraine‘s permission.

    The escalation in Russian activity designed to destabilise Ukraine in recent weeks is extremely dangerous and provocative.

    It includes supplying separatist fighters with tanks, armoured vehicles, artillery and multiple rocket launchers.

    The continued Russian military intervention into Ukraine is entirely at odds with legitimate efforts to provide humanitarian assistance and negotiate a peaceful resolution to the overall crisis.

    Replace Russia with USA and Ukraine with a country of your choice: Syria (1949), Korea (1951-53), Iran (1953), Guatemala (1954), Tibet (1959), Cuba (1961), South Viet Nam (1963), Brazil (1964), Viet Nam (1966-75), Chile (1973), Argentina (1976), Afghanistan (1979-89), Cambodia (1979-89), Turkey (1980), Nicaragua (1981-87), Libya (1986), Panama (1989), Somalia (1992), Bosnia (1995), Kosovo (1999), Afghanistan (2001-present), Iraq (2001-present), Libya (2011) or Syria (2011-present)

    Replace separatist with (in alphabetical order) communist, contra, exile, fascist, guerrilla, islamic, jihadist, military, mujahidin or rebel.

    Die Tatsache, dass auch die USA und andere “westliche” Staaten ähnliche Coups wie Russland gelandet, wiederholt gegen internationales Recht verstoßen und ohne Einvernehmen mit der UNO bzw. dem Sicherheitsrat gehandelt haben, macht das, was Russland macht, um nichts besser. Die Argumentation wonach “der Westen das ja auch gemacht habe und Russland das nun auch dürfe” ist abstrus. Dennoch müssen sich USA und EU den Vorwurf der Heuchelei und des Messens mit zweierlei Maß gefallen lassen. Die Glaubwürdigkeit und moralische Autorität des “Westens” geht in diesem Zusammenhang in Richtung Null, da tatsächlich sämtliche Vergehen, die man Russland anlastet, in der Vergangenheit und in der Gegenwart auch vom “Westen” begangen wurden und werden. .



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  • 1:0 für Benko.

    Ausgerechnet jene (deutschsprachigen) Südtiroler Unternehmer, die mit ihrem Erlebnishaus-Projekt vorgeben, auf Authentizität und Südtiroler Eigenart zu setzen, haben die mehrsprachige Realität unseres Landes offenbar nicht verinnerlicht. Wie kann es sonst sein, dass die »Laubenkönige« — mit Ausnahme von ein paar Bezeichnungen in den Legenden — ihr Projekt quasi einsprachig italienisch eingereicht haben?

    Der mittlerweile rechtskräftig wegen »versuchter verbotener Intervention« verurteilte »ausländische Oligarch« hingegen hat sein Kaufhaus-Bozen-Projekt größtenteils fein säuberlich zweisprachig italienisch/deutsch beschrieben.

    Im Sinne der Transparenz hat die Gemeinde Bozen auf ihrer Webseite beide Projekte zum Download bereitgestellt. Die Bürgerinnen und Bürger können sich somit selbst ein Bild von den konkurrenzierenden Kaufhausplänen machen, welche der Innenstadt mittelfristig ein völlig neues Bild geben sollen. Was Professionalität sowie Bürgernähe und -freundlichkeit betrifft schlägt also der »Ausländer« Benko den »Einheimischen« Oberrauch um Längen. Denn zumindest für die deutschsprachigen Südtiroler ist die gründliche Auseinandersetzung mit Oberrauchs Projekt mit Hürden verbunden, da sie sich über bisweilen recht komplizierte technische Sachverhalte nicht in ihrer Muttersprache informieren können.

    Zum Vergleich ein kleiner Auszug aus den jeweiligen Projektdaten:



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  • International verankert.
    Quotation

    Schauen Sie, wenn das so wäre, dass sie uns die Autonomie genommen hätten, wenn wir [gegen die Verfassungsreform] gestimmt hätten, dann ist […] unsere Autonomie nichts wert. Wir haben doch — und der Zeller Karl an erster Stelle — immer gesagt, diese Autonomie ist standfest, sie ist international verankert, die können sie uns nicht nehmen, und jetzt müssen wir einer zentralistischen Reform zustimmen […], mit der Ausrede, wir müssen die Autonomie schützen… ja wo sind wir denn?

    — Oskar Peterlini (SVP) im heutigen Rai-Morgenmagazin


    Cëla enghe:
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