Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Ergebnis Parlamentswahl.

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    60 Comentârs → on Ergebnis Parlamentswahl.

    Parlamentswahl 2013.

    In Südtirol hat die SVP deutlich besser abgeschnitten, als die Umfragen annehmen ließen. Sie konnte trotz der jüngsten Skandale im Wesentlichen ihr Ergebnis der Parlamentswahl 2008 wiederholen. Die dreiste Wahlkampagne hat angeblich gut funktioniert.

    Im Senatswahlkreis Bozen-Unterland fuhr der gemeinsame Kandidat von SVP und PD, Francesco Palermo, mit 51,8% der Stimmen ein deutlich besseres Ergebnis ein, als Oskar Peterlini im Jahr 2008 (46,1%). Hans Berger (55,4%) und Karl Zeller (53,5%) konnten die Ergebnisse von Helga Thaler Außerhofer (59,0%) und Manfred Pinzger (53,7%) nur knapp nicht wiederholen.

    Der prognostizierte freiheitliche Durchbruch trat nicht ein, obschon sich die Blauen in der Kammerwahl deutlich von 9,4% auf 15,9% verbessern konnten. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass diesmal die Union nicht angetreten war, die im Jahr 2008 4,2% der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Der erhoffte siebte Senatssitz, der in der Region vergeben wird, ging an den PDL im Trentino.

    Das Gesamtergebnis jener Südtiroler Parteien, die nicht einer Staatspartei angehören, hat sich in der Wahl zum Abgeordnetenhaus von 57,9 (2008) auf 60,1% (2013) verbessert.

    Im Senatswahlkreis Brixen-Pustertal gingen 83,3% der Stimmen an Südtiroler Parteien (SVP, Freiheitliche und Grüne), im Wahlkreis Meran-Vinschgau 78,8% — im Jahr 2008 waren es hingegen nur 77,3% respektive 71,1% gewesen.

    Die Kandidatur der Grünen mit SEL zur Abgeordnetenkammer war in Südtirol kein Erfolg. Die Liste erlangte hierzulande nur 5,2% der Stimmen und liegt damit hinter SVP, Freiheitlichen, PD, 5SB, PDL und Monti an siebter Stelle.

    Nur aufgrund des Mehrheitsbonusses, der Mittelinks in der Kammer von rund 30% auf über 50% schnellen lässt, schafften Florian Kronbichler (SEL) und mit Manfred Schullian sogar ein vierter SVP-Mandatar den Einzug ins römische Parlament. Eine Stimme für Mittelinks (einschließlich SEL und SVP) war in der Kammer fast doppelt so viel wert, wie eine Stimme für eine andere Partei oder Koalition.

    Trotz Mehrheitsbonus bleibt der Staat voraussichtlich unregierbar. Den klaren Verhältnissen in der Kammer, die auf den erwähnten Mehrheitsbonus zurückzuführen sind, steht ein Senat gegenüber, der gleichmäßig zwischen Mittelinks, Mitterechts und Beppe Grillo gespalten ist. Eine breite Mehrheit für Mittelinks ist sich — ein Jahr, nachdem Berlusconi aufgrund offensichtlicher Unfähigkeit zum Rücktritt gezwungen wurde — wieder nicht ausgegangen. Ausschlaggebend dürfte neben den überraschend guten Ergebnissen für das Mitterechtsbündnis insbesondere das Abschneiden des Populisten Beppe Grillo sein, der ein Regierungsbündnis mit anderen Parteien noch in der Nacht grundsätzlich ausschloss. Deutlich mehr als die Hälfte der Italiener wählten mit Mitterechts und Grillos Fünfsternbewegung antieuropäische Marktschreier.

    Wird Bersani nicht Ministerpräsident, bleibt abzuwarten, wie sich die Aufgabe der Blockfreiheit für die SVP auswirkt.


    Zu den Ergebnissen der Parlamentswahlen:

    Südtirol: Senat [grafisch] | Abgeordnetenhaus [grafisch]
    Italien: Senat | Abgeordnetenhaus

    1) Im Vergleich zur Regenbogenliste



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  • Jedes Programm.

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    9 Comentârs → on Jedes Programm.

    Aus dem gestern veröffentlichen TAZ-Gespräch mit Florian Kronbichler und Pius Leitner:

    Leitner: […] [Ich] finde es fast schon infam, wenn man uns vorwirft, dass wir kein Programm hätten. Denn — im Gegenteil zu Florian Kronbichler — haben wir sehr wohl eines.

    Kronbichler: Falsch! Ich bin nur so bescheiden, sagen zu können, dass ich fast alle Programme unterschreiben könnte — mit Ausnahme des Freistaats von Pius Leitner.

    • Eine erstaunliche Aussage: Ein Politiker, der fast alle Programme unterschreiben könnte. Wofür steht er dann?
    • Und: Kann er nur Leitners Freistaat nicht unterschreiben (die anderen Punkte seines Programmes aber schon, zum Beispiel die Fremdenfeindlichkeit) oder kann er das gesamte blaue Programm nicht unterschreiben (fast alle anderen aber schon, zum Beispiel jenes von Fratelli d’Italia, PDL, CasaPound, AAnC, 5SB…)?

    Herr Kronbichler, im Gegensatz zu den Freiheitlichen haben Sie eine reelle Chance, den Einzug ins Parlament zu schaffen — weil die Grünen ein Bündnis mit der SEL geschlossen hat (sic). Brauchen Südtirols Parteien nationale Bündnispartner?

    Kronbichler: Ich bin ein begeisterter Befürworter solcher Bündnisse. Das heißt nicht, dass ich das aktuelle Wahlgesetz für gut befinde: Es ist eine demokratische Schweinerei. Die Wähler wollen aber Angebote mit Chancen. Du bist ein kluger Mann, Pius. Wenn Macht Kontrolle braucht, müsstest ihr die Leute jetzt aufrufen, mich zu wählen. Denn so verschieden bin ich nicht.

    • Wessen Macht will Kronbichler im Parlament kontrollieren? Die der SVP wird mit 0 bis 3 Abgeordneten ja nicht besonders groß sein.
    • Wieso ist Kronbichler, der vor einiger Zeit schon ein Bündnis mit Karl Zeller verteufelt hatte (mit dem er jetzt in einer Koalition sitzt), plötzlich nicht so verschieden von Pius Leitner? Ideologisch? Oder weil er zwischen einem begeisterten Befürworter nationaler Bündnisse und einem Unabhängigkeitsbefürworter keinen Unterschied erkennen kann?
    • Nach derselben Logik müssten die Grünen in den Senatswahlkreisen Brixen und Meran übrigens empfehlen, die Freiheitlichen zu wählen.

    Leitner: […] Nur weil wir eine Minderheit sind, haben wir die Autonomie bekommen.

    Kronbichler: Das ist das typische Tiroler Mir-san-Mir-Denken. Deshalb halte ich auch den Freistaat-Gedanken für gefährlich: Ihr glaubt, ohne Verbündete und allein auf Gott vertrauend ginge es auch, rennt dabei aber selbst ins Verderben. Ihr gefährdet durch das Bessere das Gute. Wir sind eine verwöhnte, stinkreiche Provinz. Nirgends in Europa würden wir für diese Flausen Verbündete finden.

    Leitner: Bitte, immer diese Untergangsstimmung! Der Freitstaat ist ein Friedensprojekt aller drei Sprachgruppen, und er kann nicht gegen den Willen der Italiener verwirklicht werden. Wir leben in einer Demokratie: Wenn eine Mehrheit sagt, wir sollten bei Italien bleiben, dann werde ich mich diesem Wunsch beugen.

    • Nur schlechte Eigenschaften sind bei Vertretern der vermeintlichen Intelligenzija Tiroler Eigenschaften. Das hat System. Sonst sind wir — bestenfalls — Südtiroler.
    • Warum sollte ein unabhängiger Staat ohne Verbündete dastehen? Das tut kein Staat der Welt.
    • Dass wir (angeblich) stinkreich sind, ist ein Gegenargument zur Unabhängigkeit? Interessant: In Katalonien ist das Gegenteil — nämlich die (angebliche) Zahlungsunfähigkeit — ein Gegenargument der Unionisten. Muss man also zugleich arm und reich sein, also die Quadratur des Kreises schaffen, um die Kriterien für die Eigenstaatlichkeit zu erfüllen?

    Ist es nicht widersprüchlich, ins Parlament jenes Landes einziehen zu wollen, von dem man eigentlich die Loslösung fordert?

    Leitner: Wir müssen dafür mit Italien und Österreich reden. Mir geht es nicht um größeren Reichtum, sondern um mehr Eigenverantwortung. […]

    Diese Frage, die man immer wieder vernimmt (zum Beispiel bei den Wahldiskussionen im Rai Sender Bozen), ist nun wirklich eine Beleidigung der Intelligenz. Wo sollen denn die Freiheitlichen sonst kandidieren? Zum nicht existierenden Parlament des unabhängigen Südtirol? Und die Süd-Tiroler Freiheit wohl zum österreichischen Nationalrat! In ganz Europa kandidieren Sezessionisten für die staatlichen Parlamente, so die Basken, Katalanen und Schotten, aber auch die Korsen und Sarden. Es ist gut, wenn der Unabhängigkeitswille in den Parlamenten (und nicht nur außerhalb) vertreten wird. Was aber nicht heißt, dass ich mir eine blaue Vertretung in Rom wünsche.



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  • Führungselite.

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    19 Comentârs → on Führungselite.

    Richard Theiner, Landeshauptmann in spe, bei Willkommen Österreich.



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  • Wahrheitsministerium.
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    7 Comentârs → on Wahrheitsministerium.
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    Wie das Land die Unfalldaten zurechtbiegt. Drei Meldungen im Vergleich:

    Das Landesinstitut für Statistik (ASTAT) teilt mit, dass im Jahr 2011 in Südtirol 1.627 Verkehrsunfälle mit Verletzten oder Toten geschahen (+25,3% gegenüber 2010), was einem Tagesdurchschnitt von mehr als vier entspricht. Die Zahl der getöteten Personen betrug 42 (+35,5%, im Jahr 2010 waren es 31), jene der Verletzten 2.004 (+19,0%). Zieht man die Gesamtheit der Verunglückten in Betracht, so waren 51,6% in einem Auto unterwegs, 27,5% lenkten ein Motorrad oder ein Moped und 16,3% fuhren Fahrrad. Im Jahr 2011 wurden 762 Führerscheine wegen Trunkenheit am Steuer eingezogen: Das entspricht einem Rückgang um 15,3% im Vergleich zum Vorjahr.

    Astat-Mitteilung vom 07. Juni 2012

    Die Zahlen, die das Landesstatistikamt Astat veröffentlicht hat, sprechen eine traurige Sprache: Im Vergleich zum Vorjahr sind 2011 sowohl die Verkehrsunfälle (plus 25,3 Prozent) als auch die Zahl der Verletzten (plus 19 Prozent) stark angestiegen. Den stärksten Anstieg hat es jedoch bei der Anzahl der Toten gegeben, die von 31 im Jahr 2010 auf 42 im vergangenen Jahr stieg.

    Südtirol Online am 07.06.2012 (Auszug)

    Verkehrsunfälle drastisch verringert: Sicherheitsmaßnahmen wirken

    Auch wenn jeder einzelne Verkehrsunfall tragisch ist, insgesamt sind Südtirols Straßen in den letzten Jahren sicherer geworden: “Jahr für Jahr passieren weniger Unfälle, die Zahl der Verletzten ist gesunken und jene der Verkehrstoten drastisch zurückgegangen”, so Landesrat Florian Mussner, der auf die vielen Maßnahmen verweist, die das Bautenressort des Landes für die Verkehrssicherheit gesetzt hat.

    Heutige Mitteilung des Landespresseamtes (Auszug) in Bezug auf die Daten von 2011.

    Siehe auch: 01 02



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  • Palermo und die Unabhängigkeit.

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    3 Comentârs → on Palermo und die Unabhängigkeit.

    Auf Anregung der Kommentatorin Ida habe ich mir dieses Video von Francesco Palermo, gemeinsamer Senatskandidat von SVP und PD, angesehen, in dem es unter anderem um die Eigenstaatlichkeit geht:

    Zunächst muss anerkannt werden, dass Palermo diesem Thema unaufgeregter begegnet, als manch ein Berufspolitiker. Andererseits möchte er das Problem wohl von der politischen auf die kühlere Ebene der Wissenschaftlichkeit verschieben, um ihm die Aura des Wahren und Unanfechtbaren zu verleihen.

    Im Einzelnen:

    • Nicht nur Rom würde sich gegen Südtirols Unabhängigkeit wehren, sondern auch und viel mehr Wien, Brüssel und viele andere europäische Hauptstädte.
      Hier legt Palermo Österreich und anderen europäischen Ländern ein Verhalten in den Mund bzw. »in den Kopf«, das man nicht vorhersehen kann. Was etwa sollte Wien dagegen haben, wenn sich Südtirol friedlich und demokratisch von Italien löst? Es kann natürlich sein, dass viele europäische Staaten keine Freude mit einem solchen Prozess hätten — sein kann aber auch das genaue Gegenteil. Und das wird auch wesentlich davon abhängen, wie man diese Entwicklung angeht, verhandelt und kommuniziert.
    • Für Europa ist es natürlich wichtig, dass die Grenzen auch behalten werden.
      Warum dies »natürlich wichtig« sein soll, ist unverständlich. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Palermo unterstützende SVP stets das genaue Gegenteil behauptet: Man könne keinen neuen Staat schaffen, da Europa die Grenzen abschaffen wolle.
    • Laut den Verträgen ist es ziemlich klar so, dass ein neues Land die Mitgliedschaft beantragen muss. Wer würde dann einer Südtiroler Mitgliedschaft zustimmen?
      So klar ist das gar nicht, denn die Verträge sehen den Fall einer internen Erweiterung gar nicht vor — machen also weder eine positive, noch eine negative Aussage dazu. Die Auffassungen von Völkerrechtlern zu diesem Thema sind widersprüchlich, Gewissheit hätte man also wohl erst, wenn es zum Erweiterungsfall — zur Unabhängigkeit Schottlands, Kataloniens oder eben Südtirols — käme.
      Sobald Südtirol unabhängig wäre, hätte Italien jedenfalls großes Interesse daran, dass das Land in der EU bleibt, da sonst die wichtigsten Verkehrswege nach Deutschland und in den Norden (Gotthardpass, Brenner) über Drittländer führen würden.
    • Südtirol wäre als unabhängiges Land nicht automatisch im Euro.
      Diese Aussage ist sogar nachweislich falsch: Südtirol wäre vielleicht nicht (von vornherein) Mitglied der Eurogruppe, könnte aber sehr wohl den Euro als Währung behalten. Auch Andorra, Montenegro, Kosovo, Monaco, San Marino und der Vatikan verwenden den Euro als amtliches Zahlungsmittel, ohne Mitglied der EU oder gar der Eurogruppe zu sein. Das heißt, sie haben kein direktes Mitspracherecht in der Währungspolitik. Die Einflussnahme Südtirols auf die EZB hält sich aber ohnehin in Grenzen — als Teil Italiens oder als eigenständiges Eurogruppenmitglied.*
    • Es stimmt nicht, dass Südtirol dann nicht mehr die Schulden Italiens mittragen müsste.
      Hier hat Palermo absolut Recht. Südtirol müsste einen angemessenen Anteil an Italiens Staatsverschuldung »mitnehmen«. hat übrigens niemals das Gegenteil behauptet. Allerdings haben wir diese Schulden auch, wenn wir bei Italien bleiben. Der Unterschied ist, dass wir als unabhängiges Land selbst entscheiden könnten, wie und innerhalb welchen zeitlichen Rahmens es uns sinnvoll erscheint, die mitgenommenen Schulden zu senken oder (wenn möglich) abzutragen. Heute haben wir darauf keinerlei Einfluss und müssen trotz erhöhter Steuerlast sogar zusehen, wie »unser« Schuldenberg kontinuierlich ansteigt.
    • Als Projekt ist die Unabhängigkeit durchaus vertretbar, machbar ist sie aber sicherlich nicht, mindestens nicht in den kommenden Jahren.
      Das ist eher eine astrologische, denn eine wissenschaftliche Prognose. Der Realismus und die Durchführbarkeit sind in der Politik kaum vorhersehbar. Und: Wenn man den Prozess nicht irgendwann beginnt, wird die Eigenstaatlichkeit auch in mehreren Jahren ziemlich sicher nicht kommen. Denn was man nicht verfolgt, tritt wohl kaum von selbst ein.

    *) Diese Antwort wurde von Harald Knoflach verfasst.



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  • Reflexe.
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    12 Comentârs → on Reflexe.
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    Nein, das hatte ihm niemand zugetraut. Ausgerechnet er, typisch deutsch, immer treu und folgsam auf dem Platz, der von oben zugewiesen ist, wie ein Wehrmachtssoldat: bis zum bitteren Ende –, ausgerechnet dieser staubtrockene Studierzimmerpapst schlägt allen ein Schnippchen und macht etwas, was noch nie ein Papst gewagt hatte zu tun: Er tritt zurück.

    Aus dem Leitartikel von Chefredakteur Norbert Dall’Ò in der aktuellen Ausgabe des Wochenmagazins ff (Nr. 07/2013).

    In Südtirol steht man in der Kritik, wenn man Parallelen zwischen den Alpini und der Wehrmacht zieht. Wenn es aber um einen Deutschen geht, selbst wenn es der Papst ist, ist es zum nächsten Nazivergleich nicht weit. Jedenfalls haben derbe Verunglimpfungen inzwischen Tradition.

    Siehe auch: 01 02



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  • Die SVP und die Fassadensprache.

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    26 Comentârs → on Die SVP und die Fassadensprache.

    Deutsch und Italienisch seien in Südtirol gleichgestellte Sprachen, steht im Autonomiestatut (Art. 99), welches im Fall zweinamiger Wanderschilder penibel eingehalten wird. Über die Wanderschilder hinaus wird das Ganze freilich »etwas weniger ernst« genommen. Vor einigen Jahren hatte ich Deutsch in Südtirol eine Fassadensprache genannt, eine Sandkastensprache für ein paar autoctoni del nord, die aber keinen »Tiefgang« habe. Seitdem hat sich dies nicht nur auf eklatante Weise bestätigt, interessant ist auch der Umgang der SVP mit diesem für sie wohl sekundären Merkmal unserer (Achtung, keine Ironie!) Vorzeigeautonomie:

    • Als ich im Jahr 2009 den LH anschrieb, um mich zu erkundigen, warum etwa die Staatspolizei und die Finanzwache auf ihren Uniformen — und zweitere auch auf ihren Fahrzeugen — keine zweisprachigen Aufschriften führten, bekam ich prompt die Antwort, dass dadurch mein Recht auf Muttersprache nicht verletzt werde.
      Wäre spannend, zu sehen, was passiert, wenn die Gemeindepolizeien ihre Fahrzeuge nur auf Deutsch beschriften würden.
    • Auch im Konsumentenschutz ist die deutsche Sprache nicht gleichgestellt. Im Grunde ist es in Südtirol völlig wurscht, ob etwa Produkte auch auf Deutsch etikettiert sind. Hauptsache, die italienische Etikettierung ist da. Fehlt sie, muss manuell nachetikettiert werden, anderenfalls drohen saftige Strafen. Das nennt das Autonomiestatut »Gleichstellung«.
      Seit es gibt, versuche ich, mich für eine Änderung dieser Situation einzusetzen. Die zuständige Landesrätin Kasslatter Mur sieht aber wohl keinen Handlungsbedarf. Europaparlamentarier Herbert Dorfmann nannte die Forderung nach Zweisprachigkeit auf diesem Gebiet (wie es sie in vielen EU-Ländern bereits gibt) sogar im Widerspruch zum europäischen Geist. Ist der Verzicht auf die eigene Sprache europäischer Geist?
    • Neulich geht die geballte Staatsmacht sogar gegen Gesellschaftsspiele (Monopoly!) in deutscher Sprache vor, die keine italienische Spielanleitung haben. In einem mehrheitlich deutschsprachigen Land, wo Deutsch gleichgestellt ist, ist das eine sehr sinnvolle Vorgehensweise. Gemeldet hat diese Hexenjagd nicht irgendwer, sondern die Handelskammer in Bozen — mit der Bitte an den Landtag, gesetzgeberisch tätig zu werden. Die SVP sah sich dadurch bislang veranlasst… nichts zu tun und sich weiterhin vor allem um Parteiinterna zu kümmern.
    • Auf dem Gebiet der Medikamente gäbe es sogar einschlägige Gesetze, die den Pharmakonzernen zweisprachige Packungsbeilagen vorschreiben. Sie wurden jedoch nie zur Einhaltung gebracht. Stattdessen preist auch die SVP die großartige Errungenschaft, dass Apotheken Übersetzungen der Gebrauchsinformationen auf Nachfrage ausdrucken. Auch das ist keine Gleichberechtigung, wie es sie etwa in Finnland und der Schweiz gibt. Ausdrucken kann ein Apotheker in Berlin vielleicht sogar eine türkische Packungsbeilage.
    • Im Bereich der Gesetzgebung ist Deutsch ebenfalls eine reine Fassadensprache. Anders als in der Schweiz, wo jede der drei Sprachfassungen eines Bundesgesetzes zur Interpretation herangezogen werden kann, sind in Südtirol sogar auf Deutsch ersonnene, geschriebene und verabschiedete Landesgesetze nur in ihrem italienischen Wortlaut bindend. Damit kann mitunter einer Übersetzerin im Landtag — die die Vorlagen vom Deutschen ins Italienische überträgt — mehr interpretatorischer Spielraum zukommen, als der Gesetzgeberin selbst. Ein internationaler Sonderfall. Die SVP hat dem Vernehmen nach nie etwas an dieser Ungleichbehandlung der Sprachen auszusetzen gehabt.
    • Bei der Integration von Zugewanderten, einem der sensibelsten Bereiche für die künftige Entwicklung und Ausrichtung unserer Gesellschaft, hat der Staat die ausschließliche Durchführung von Italienischtests — auch in Südtirol — durchgesetzt. Deutsch existiert in dieser Hinsicht gar nicht. Schlussendlich musste das die SVP schlucken, doch sie rühmt den völlig unzureichenden Umstand, dass die neuen Südtirolerinnen (vielleicht besser: die neuen Italienerinnen?) durch freiwillige Deutschkurse ein paar Zusatzpunkte auf ihrem Integrationskonto ergattern können. Wie sehr die SVP dieses Thema unterschätzt, zeigt die Tatsache, dass es im »bahnbrechenden« Abkommen mit dem PD nicht einmal enthalten ist.
    • Jüngst hat das Kassationsgericht sogar entschieden, dass Prozesse in deutscher Sprache nur Autochthonen zustehen. Die Gerichtsbarkeit ist in Südtirol für Ausländerinnen, selbst wenn aus der EU kommend, ausschließlich italienisch. Es ist kein Unterschied, ob eine Österreicherin in Palermo oder in Bozen klagt. Zwar bellte Karl Zeller dagegen — doch auch dieses Thema ist nicht im Koalitionsabkommen mit dem PD enthalten.
    • All dies vorausgeschickt, scheint es nur konsequent, wie LH Durnwalder jetzt auf eine Anfrage von Sven Knoll geantwortet hat: Dieser erkundigte sich im Landtag, wie es sein könne, dass die Polizei den Bürgern ganz offen empfehle, ihre Anzeigen auf Italienisch zu machen, da sonst nur in Südtirol nach dem gestohlenen Gegenstand oder dem vermissten Angehörigen gesucht werde, und nicht auf Staatsebene (bzw. international). Durnwalders Reaktion: Ist doch normal, Südtirol sei schließlich an Italien angegliedert worden und nicht umgekehrt. Ein Gedicht. Das dürfen wir uns also unter der im Statut verkündeten Gleichstellung vorstellen.

    Wer hier keinen Handlungsbedarf sieht, darf sich nicht wundern, dass die Mehrsprachigkeit unserer Gesellschaft von vielen nicht als Nutzen, sondern als stetige Entwicklung in Richtung vorherrschender lingua franca, der Nationalsprache, empfunden wird. Das ist auch der Grund, warum wir eine Abschaffung der letzten, wenngleich anachronistischen Schutzmechanismen innerhalb des heutigen, nationalstaatlichen Rahmens — wie sie etwa manche Grüne fordern, aber wie sie eben auch die SVP tatenlos duldet — als kulturellen Selbstmord einstufen müssen.

    Wer gesellschaftlichen Zusammenhalt mittelfristig nicht im Einklang mit, sondern auf Kosten der Mehrsprachigkeit verfolgt, vertritt eine durchaus legitime Position. Er/sie soll den Wählerinnen jedoch reinen Wein einschenken und nicht Engagement für kulturelle Vielfalt vortäuschen.

    Siehe auch: 01



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