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  • Italien und Korruption.

    Achtung Bashing — ein Rundumschlag

    Drei Großprojekte (Hochgeschwindigkeit, Expo 2015, Mose/Venedig) und ein einziger gemeinsamer Nenner: Korruption in einem nie gekannten Ausmaß, das über Tangentopoli weit hinaus geht. Damals, als Staatsanwälte wie Di Pietro ein bereits seit langem erahntes System auffliegen ließen, kam noch Hoffnung auf, es könnte sich etwas ändern. Stattdessen saßen nur wenige ein, die Politik änderte nur ihre Fassade — Parteien lösten sich auf, Namen änderten sich, aber an die Spitze kam für 20 Jahre Berlusconi, neues Gesicht der alten Machenschaften, der Verquickungen mit der Mafia, des Steuerbetrugs als Kavaliersdelikt. Das System wurde perfektioniert, weiterentwickelt aber sicher nicht geändert oder eingebremst. Auf ein neues Antikorruptionsgesetz musste man bis 2012 (!) warten, doch auch darin wurde auf Befindlichkeiten Berlusconis Rücksicht genommen. Erst vor wenigen Tagen wurde es von der EU als zu lasch gerügt.

    Und nun dies: Zum wiederholten Mal binnen kürzester Zeit wurden ranghohe Politiker, Entscheidungsträger, ja selbst Richter und Staatsanwälte ertappt. Doch das sind nur die eklatantesten Fälle, wenn man bedenkt, dass laut EU die Hälfte der Korruption in der Union auf Italien entfällt. Innehalten, wiederholen: Genausoviel wie in allen anderen EU-Staaten gemeinsam bestochen wird, einschließlich großer Staaten wie Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königsreich, Spanien — oder angebliche Horte der Korruption wie Griechenland, Rumänien, Bulgarien — entfällt noch einmal auf Italien. Denken wir zurück an den verhinderten G8-Gipfel in S. Maddalena, an den noch immer nicht abgeschlossenen Wiederaufbau in L’Aquila, an Monte dei Paschi. Aber auch das sind »nur« die großen Fälle.

    Dafür werden EU-Richtlinien wie jene zu den Ausschreibungen so komplex und bürokratisch umgesetzt, dass sie völlig alltagsuntauglich werden und — wie in Südtirol — die Vergaben vielfach ganz zum Erliegen bringen. Die, die in großem Stil schwindeln wollen, schaffen es trotzdem, die Kleinen werden schikaniert. Und die Reaktion auf TAV-Expo-Mose wird jetzt vermutlich sein, dass bürokratische Hürden noch einmal angehoben werden: Formalien sollen es mal wieder retten, wie gehabt, die Substanz bleibt dieselbe wie eh und je. Oder greift Matteo Renzi, der Macher, der Heiland, diesmal durch?

    Galan hat am Mose rund ein Milliönchen eingesteckt (ein Milliönchen im Jahr!), um die Interessen seiner Mitbürgerinnen hintanzustellen und ein Projekt durchzuwinken, dessen Umweltverträglichkeit höchst fraglich und dessen Nutzen nicht erwiesen ist. Dabei hatte er doch gleichzeitig gegen Südtirol gewettert, gegen unsere angeblichen Privilegien, die Ungleichbehandlung. Mit mehr Autonomie hätte er noch mehr Schaden anrichten können, aber wohl kaum das Wohl der Grenzgemeinden gemacht. Natürlich wäre es ein Trugschluss zu behaupten, in Rom wäre die Macht besser aufgehoben, doch es ist ein sonderbarer Zufall, dass gerade Galan seine Veneter im Grunde wurscht waren.

    Und Landesrat Tommasini, dessen Partei auch bei uns im Lande nicht viel mehr ist als eine große Postenverteilungsmaschine, wäre bald das Kunststück gelungen, uns in Zusammenspiel mit dem alten Landeshauptmann in ein gemeinsames Abenteuer mit genau denselben Personen zu schicken, die nun verhaftet wurden. Sein Partner im Großprojekt Kulturhauptstadt (weitere Millionen fürs System) war Parteikollege und Bürgermeister von Venedig, Orsoni. Ein Glück, dass es nicht dazu kam.

    Doch das größte Problem in Italien ist nicht etwa eine (nicht existente) höhere Prädisposition zu Korruption und Unehrlichkeit, sondern die Art, wie der Staat konstruiert ist. Wenn hunderttausende Gesetze hunderttausend Schlupflöcher bieten, wenn Bürokratie und Misstrauen vor Eigenverantwortung kommen, wenn Vergehen zwar aufgedeckt, aber nicht ernsthaft geahndet werden, ja wenn Verjährungsfristen (einmalig weit und breit) während des Prozesses weiterlaufen, entsteht das Gemisch, das jene Folgen zeitigt, die wir nun alle zur Genüge kennen. Berlusconi im Altersheim, Rainer im HdS und Laimer in der Bibliothek — und das mit lächerlichen »Arbeitszeiten« — dazu braucht man wirklich nicht mehr viel zu sagen.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Sport einsprachig.
    Quotation

    Fakt ist allerdings, dass Italienisch die offizielle Sprache auf dem Fußballfeld ist – auch in Südtirol. Dies wurde vom FIGC so festgelegt.

    aus einem heutigen Bericht von Tageszeitung Online

    So transportiert auch der Sport in Südtirol neben Werten wie Fairness, Kameradschaft und Teamgeist den Wert der Mehrsprachigkeit. Nicht. Wäre spannend zu sehen, was geschähe, wenn ein Südtiroler Verband auch nur für eine Sportart (die in etwa gleichermaßen von Menschen aller Sprachgruppen praktiziert wird) Deutsch zur alleinigen offiziellen Sprache erklärte. Nicht, dass ich mir dies wünsche (ganz im Gegenteil), aber dann wäre sehr schnell klar, wo der sprichwörtliche Hammer hängt.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Erinnerungen…
    Quotation

    Tatsache ist: Wenn wir Nein [zur schottischen Unabhängigkeit] sagen, verlassen wir uns darauf, dass diejenigen, die […] die Wahlen im Vereinigten Königreich gewinnen, sich daran erinnern, dass Schottland existiert.

    Patrick Harvie, Scottish Greens, Mitglied des schottischen Parlaments

    über die Vorschläge der Tories zum Ausbau der schottischen Selbstverwaltung. Kann man 1:1 auf Südtirol umlegen: Auch wir müssen stets darauf hoffen, dass sich die Regierungen in Rom an uns und an die Existenz unserer Autonomie erinnern.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Ancien Régime.
    Quotation

    Voglio sottolineare l’eccezionale partecipazione di questa mattina, c’era veramente una folla che non avevo mai visto in questi anni. Una grande serenità di un popolo sorridente, nonostante le difficoltà e le sofferenze. […] Nel popolo si è rafforzato e si rafforza il sentimento nazionale: un momento per me di grande soddisfazione, di grande respiro e di rinnovata speranza per il futuro.

    Giorgio Napolitano, presidente della Repubblica italiana, portatore del Grand’Ordine al Merito del Sudtirolo, commentando l’odierna festa »nazionale« e le relative celebrazioni a Roma.

    Le istituzioni dello stato-nazione e i loro maggiori rappresentanti ancora una volta si dimostrano incapaci di evolversi. Rallegrarsi del rafforzamento di un sentimento vetusto e pericoloso come quello nazionale, oltrettutto associato a una parata militare come quella che si suole celebrare durante i festeggiamenti del 2 giugno, riassume perfettamente la mentalità con la quale la diversità culturale e le minoranze sono concretamente confrontate nella quotidianità dello stato.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Courmayeur macht’s demokratisch.

    In der Tourismusregion Gitschberg-Jochtal ist die Debatte im Gange, ob der private — aber mit öffentlichen Geldern finanzierte — Tourismusverein die künstliche italienische Benennung Rio Pusteria einführen und somit bar einer demokratischen Legitimierung in geographische Bezeichnungen eingreifen darf. Der Mühlbacher Gemeinderat hat sich nun dagegen ausgesprochen und die Verantwortlichen dazu aufgefordert, von der Umbenennung abzusehen. Wie demokratisch die Touristiker sind, wird sich erst zeigen müssen. Fakt ist aber, dass in Südtirol die Politik die Hoheit über einen kulturell sensiblen Bereich wie die Ortsnamensgebung schon ein erhebliches Stück weit aus der Hand gegeben und den Privatinteressen untergeordnet hat. Die demokratisch Gewählten Repräsentanten sprechen nur noch Aufforderungen und Empfehlungen aus, die jedoch in vielen Fällen ungehört verhallen. So sollen sämtliche Bürgermeister Ghërdeinas gegen die ausschließliche Benutzung von Val Gardena im Marketing gewesen sein, durchsetzen konnten sie sich jedoch nicht. Umbenannt wurden im touristischen Sinne aber auch Regionen und Gebiete wie der Karerpass (Carezza), das Burggrafenamt (Meraner Land) oder das Hochpustertal (Alta Pusteria). In einem Minderheitengebiet sind solche Entwicklungen umso bedenklicher.

    Wie man es richtig macht, wenn man schon in die Ortsnamengebung eingreifen will, macht die Aostaner Gemeinde Courmayeur vor, wo am heutigen Sonntag über den touristischen Namenszusatz Mont Blanc entschieden wird: In einem demokratischen Referendum, an dem alle Bürgerinnen teilnehmen dürfen. Nicht der Tourismusverein oder die Hotellerie haben die Hoheit über die Umbenennung, sondern der Souverän — so soll es nicht nur, so muss es sein. Der Zusatz wäre zwar eine Neuerung, doch der Name Mont Blanc (nicht etwa Monte Bianco, obschon auch diese Bezeichnung existiert) ist historisch eng mit dem Ort verbunden. Niemandem würde einfallen, das im Faschismus erfundene und nur damals gültige Cormaiore wieder einzuführen, etwa um italienischen Touristen die Aussprache zu erleichtern. Dennoch: Das Stimmvolk wäre auch dazu legitimiert, ein Privatverein in keinem Fall.

    Das Land Südtirol und unsere Gemeinden können sich ein Vorbild an der Vorgangsweise in der Region Aosta nehmen.

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  • Unser öffentlicher Rundfunk.

    Um das Dekret Nr. 66, dessen Umwandlung in ein Gesetz ansteht, ist eine schwer interpretierbare Polemik entstanden. Neben der Irpef-Entlastung von 80,- Euro (die in Südtirol zu Lasten des Landeshaushalts geht) beinhaltet der Entwurf massive Einsparungen im öffentlichen Rundfunk der Rai (150 Mio.) sowie, parallel dazu, die Aufhebung der bislang geltenden Verpflichtung, in jeder Region einen Rai-Sitz aufrecht zu erhalten. Dies ist ein neuer Baustein in Renzis Zentralisierungsplan.

    Nun hat Senator Zeller (SVP) einen Abänderungsantrag eingebracht, mit dem der Fortbestand und die Finanzierung von Rai Südtirol und Rai Ladinia gesichert, dem Land aber auch eine Mitsprache bei der Ernennung des Landesdirektors eingeräumt werden soll. Dass die italienische Rai mit keinem Wort erwähnt wird, hat Karl Zeller harsche Kritik eingebracht: Die SVP nehme die Auflösung der italienischen Redaktion bzw. ihre Umsiedlung nach Trient in Kauf, so der Vorwurf — der dreisprachige Dienst im Lande sei gefährdet. Der italienische Redaktionsrat wirft der SVP gar vor, im Widerspruch zum Autonomiestatut die politische Kontrolle über den Sender übernehmen zu wollen. Es sei schließlich kein Zufall, dass gleichzeitig Zellers Vollautonomie-Entwurf das Verbot eines Landessenders aus dem Statut streiche.

    Hierzu einige Bemerkungen:

    1. Vorneweg und so klar wie nur möglich: Eine Umsiedlung der italienischen Rai-Redaktion nach Trient wäre inakzeptabel. Eine Auflösung unvorstellbar. Sollte dies die Absicht von Senator Zeller (gewesen) sein, ist dies ohne Wenn und Aber zu verurteilen.
    2. Der Fortbestand der deutschen und ladinischen Rai in Südtirol hätte vermutlich nicht eines Abänderungsantrages bedurft, das stimmt, doch es kann im derzeitigen politischen Klima nicht schaden, die Wichtigkeit des öffentlichen Rundfunks für die Minderheiten zu unterstreichen und erst gar keine Zweifel aufkommen zu lassen.
    3. Hätte Zellers Vorstoß auch die italienische Redaktion der Rai beinhaltet, hätte ihm dies vermutlich einen Vorwurf mit umgekehrten Vorzeichen eingebracht: Schließlich hat sich der Redaktionsrat immer wieder dagegen gestemmt, auch nur irgendwie mit dem Land in Verbindung gebracht zu werden. Die hysterische Reaktion auf den Abänderungsantrag deutet ebenfalls in diese Richtung.
    4. Der Schutz des öffentlichen Rundfunks in deutscher und ladinischer Sprache schadet der italienischen Rai in Südtirol nicht, sondern könnte ihren Fortbestand womöglich absichern. Wenn der Rai-Sitz in Bozen nämlich wegen des Minderheitenschutzes aufrecht bleiben muss, gibt es einen Grund weniger, die italienische Redaktion nach Trient zu verlegen.
    5. Der italienische Redaktionsrat sollte endlich aufhören, das Land als rotes Tuch zu betrachten. Dies ist nach wie vor der Fall, obgleich es die direkt Betroffenen leugnen. Unverständlich ist etwa, warum die Aufhebung des Verbotes, einen Landessender zu gründen, kritisiert wird — gepaart mit der Unterstellung, dass dann die Landesregierung über die Inhalte bestimmen wird. Eine derartige Haltung kann nur ideologische Hintergründe haben. Warum sollte es grundsätzlich besser sein, wenn die Rai dem italienischen Staat unterstellt ist, der im Laufe der Geschichte immer wieder direkten Einfluss auf die Berichterstattung — und nicht nur darauf — genommen hat (Berlusconis Bulgarische Edikte sind nur ein eklatanteres Beispiel dafür), als wenn sie dem Land gehört? Wichtig ist, dass klare Gesetze für Unabhängigkeit und Transparenz sorgen, also das Wie und nicht das Ob.

    Bleibt mir abschließend nur noch, obige Feststellung nochmal zu wiederholen und zu bekräftigen: Südtirol braucht einen dreisprachigen öffentlichen Rundfunk und dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Alle BürgerInnen haben dafür Sorge zu tragen, dass diese notwendige Mehrsprachigkeit nicht in Frage gestellt wird, umso mehr, als eine lokale Sicht der Dinge das gegenseitige Verständnis und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert.

    Cëla enghe: 01



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  • Bozen wundert sich.

    Bozen plant nicht, Bozen wundert sich: Die Stadt pflegt einen äußerst widersprüchlichen Umgang mit ihrer Rolle als Landeshauptstadt, der sie zunehmend lähmt und Visionen oft schon im Keim erstickt. Die zahlreichen Pendlerinnen, die täglich in die Talferstadt fahren, um dort zu arbeiten, private und öffentliche Dienste in Anspruch zu nehmen oder einzukaufen sind mehr schlecht als recht geduldet. Eine Ausrichtung auf die Pendler- und Besucherinnenflüsse, geschweige denn ihre Steuerung, sind fast inexistent und münden wennschon in geistreiche Maßnahmen wie die berühmte rote Ampel an der Stadteinfahrt. Insgesamt zeigt sich die Stadt außerstande, den nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor, den die PendlerInnen darstellen, in etwas Positives umzuwandeln. Stattdessen beklagt man sich über die angeblich hohen Kosten, die sie verursachen.

    Gleichzeitig beansprucht die Stadt paradoxerweise nicht nur die Anerkennung, sondern auch die Stärkung ihrer Mittelpunktfunktion, die — wie im Gesundheitswesen — so weit gehen würde, dass Bozen ein zentralistischer Wasserkopf wäre.

    Die wichtigsten Eingriffe in das städtische Gefüge wurden während der letzten Jahre vom Land vorgenommen und nicht von der Stadt selbst, man denke an die Universität, an das Museion, an das neue alte Krankenhaus. Mit Sicherheit hat dies mit einem bestimmten Aktionismus der Landespolitik in der Ära Durnwalder zu tun — doch eben auch mit der Tatsache, dass die Bozner Stadtentwicklung blockiert ist. Es gibt keine klaren Ziele und kaum aktive Planung, dafür aber eine ganze Reihe passiver Reaktionen. Besonders offensichtliche Beispiele (Symptome!) für die Misere sind das Bibliothekszentrum, der Busbahnhof, der Bahnhofspark, die Einkaufszentren und der Virgl, die seit Jahren einer Entscheidung harren. Selbst kleinere Gemeinden sind da wesentlich dynamischer.

    Nun kommt mit Benko ein Investor nach Südtirol, der mit seinen finanziellen Möglichkeiten die Umsetzung großer Projekte vorantreiben will. Ist das gut? Ist das schlecht? Wüsste man in Bozen, was man will und gäbe es ein klares Stadtentwicklungskonzept, dann könnte man Benko eine Antwort geben: ja oder eben nein. Doch Bozen weiß nicht, laviert. Agiert nicht, sondern reagiert, kurzum es plant nicht, sondern wundert sich — darüber, dass Private klare Spielregeln wollen, an die sie sich halten können und müssen. Angesichts der allgemeinen Untätigkeit (und Unfähigkeit) brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn viele Südtirolerinnen Benko als einen Heilsbringer empfinden, nur weil er Bewegung in die Totenruhe bringt.



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  • Menasse und wir.
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    Was hat ein Bewohner des Veneto mit einem Sizilianer zu tun? Was sind ihre gemeinsamen nationalen Interessen? Was ist das nationale Interesse der Südtiroler als Passitaliener, das sie von den angeblichen nationalen Interessen der Tiroler im österreichischen Bundesland Tirol unterscheidet? Das europäische Projekt hat gerade am Beispiel Tirol gezeigt, wie absurd dieser Pass-Nationalismus ist und wie die Rekonstruktion von identitätsstiftenden Kulturräumen funktioniert. Nationen funktionieren nicht, das hat sich in der Geschichte erwiesen: Entweder sie brechen auseinander wie Italien, Spanien oder Großbritannien, oder sie verlagern die inneren Konflikte nach außen und begehen die größten Menschheitsverbrechen, die es in der Geschichte je gab. Das hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeigt, und genau dagegen wurde die europäische Union gegründet.

    Wir können Menschen aus dem portugiesischen Alentejo, aus Tirol oder vom Peloponnes nicht mehr auseinanderdividieren, wir können nicht mehr sagen, jeder von ihnen hat andere Ansprüche auf das Leben. Das, was sie gemeinsam haben, muss in einem europäischen Parlament in Rahmenbedingungen und in Recht gegossen werden. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen müssen die Menschen die Möglichkeit haben, an ihrem Lebensort gestaltend einzugreifen. Der Lebensort ist nicht die Nation, der Lebensort ist die Stadt beziehungsweise die Region, beispielsweise Tirol.

    Ich stelle mir ein Europa der vernetzten Regionen vor, die Regionen sind die politischen Verwaltungseinheiten. Die Region ist der überschaubare Lebensbereich, in dem sich eine gemeinsame Kultur oder Mentalität gebildet hat. Ein Europa der Nationen macht ja Demokratie unmöglich, weil eine große und mächtige Nation in der EU viel mehr durchsetzen kann als eine kleine. Das bedeutet: Rahmenbedingungen, die das gemeinsame Parlament festlegt, und subsidiäre Demokratie in den Regionen.

    Robert Menasse im dieswöchigen ff-Interview von Georg Mair, Auszug.

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