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  • Die Denkmalpflege muss deutsch bleiben.
    Profilierung auf Kosten von Grundrechten

    Am Dienstag dieser Woche berichteten die Dolomiten über die anstehende Neubesetzung der Stelle der Landeskonservatorin, wobei auch ein erschreckender O-Ton von Oswald Schiefer (SVP) wiedergegeben wurde:

    Aus SVP-Sicht ist es meiner Meinung nach […] nicht vorstellbar, die autonomiepolitisch seit den Zeiten von Anton Zelger und Bruno Hosp so wichtige Position des Landeskonservators an einen italienischen Bewerber zu vergeben.

    Aus diesem Grund, so das Blatt, mache sich Schiefer — immerhin Sprecher der regierenden Sammelpartei — im Rennen zwischen Karin Dalla Torre und dem Bozner Architekten Luigi Scolari für erstere stark. Eine Aussage, die im Zeitungsartikel nicht nur widerspruchslos wiedergegeben, sondern sogar noch als »Kante zeigen« honoriert wird.

    Dabei handelt es sich hier um nichts anderes, als um eine eklatante, offene (und öffentliche) Diskriminierung auf Grundlage der ethnischen und sprachlichen Zugehörigkeit. Sowohl Dalla Torre als auch Scolari waren von der zuständigen Prüfungskommission als für das Amt geeignet eingestuft worden.

    Bekanntlich kennt die Südtirolautonomie im Rahmen des Minderheitenschutzes den ethnischen Proporz, der jedoch als Sonderform eine Art Diskriminierung zur Nichtdiskriminierung darstellt, um öffentliche Stellen proportional zur Stärke der jeweiligen Sprachgemeinschaft zu vergeben. Einseitige Diskriminierungen jenseits dieser kontrollierten Schutzmaßnahme — die aus BBD-Sicht zum Beispiel durch die Eigenstaatlichkeit überwunden werden könnte — sind jedoch unter keinen Umständen hinnehmbar.

    Deshalb, mit Verlaub: Was soll der Scheiß? Während die SVP wirklich wichtige Errungenschaften wie die Zwei- und Dreisprachigkeitspflicht immer öfter auf dem Altar der Alternativlosigkeit opfert, profiliert man sich jetzt auf Kosten der Koexistenz und elementarer menschlicher Grundrechte.

    Nur gut, dass Sezessionistinnen, auch uns, pauschal vorgeworfen wird, die Gesellschaft spalten und die Italienerinnen diskriminieren zu wollen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Die Jagd-Nichtzuständigkeit.
    Quotation · Dank angeblichem Autonomieausbau entscheidet Rom

    In Zusammenhang mit dem Urteil des römischen Rechnungshofs, der Luis Durnwalder (SVP) und den ehemaligen Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, Heinrich Erhard, zu hohen Schadensersatzzahlungen verdonnert hat, zitiert die ff (26/2018) den früheren Landeshauptmann folgendermaßen:

    Okay, ich habe nur per Dekret gehandelt, Kompatscher und Schuler können jetzt per Gesetz Abschüsse genehmigen. Allerdings wundere ich mich schon, dass man so tut, als sei damit die Autonomie ausgebaut worden. In meinen Augen wurde mit dieser Durchführungsbestimmung die Autonomie beschnitten. Denn jetzt entscheiden nicht mehr wir, sondern das Ispra in Rom.

    Das könnte man jetzt glatt als Bestätigung für den damaligen, sarkastischen BBD-Artikel verstehen.

    Cëla enghe: 01 || 01



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  • Frau Gudrun und die Blauen.

    Gestern wurde in Bozen die Kandidatenliste der Freiheitlichen für die kommende Landtagswahl vorgestellt. Bisher haben sich die Medien vor allem auf die Rückkehr von Pius Leitner, den Ausschluss von Roland Tinkhauser und den Einstieg von Anna Pitarelli (als unabhängige Kandidatin) konzentriert. Es gibt da aber noch eine weitere Kandidatin, die etwas Aufmerksamkeit verdient hätte: Auf Platz 7 der 35 Namen umfassenden Liste finden wir Gudrun Ceolan aus Salurn. Wer ist das?

    Im Jahr 2008 schrieb L’Espresso über die aus NRW stammende Lehrerin:

    Quest’anno nella delegazione bolzanina è stata notata anche Gudrun Sprenger Ceolan, che insegna storia e lettere alla scuola media di Salorno. In passato è stata intercettata mentre diceva di avere brindato in onore del Führer. E nella sua abitazione gli inquirenti trovarono bandiere, busti e altri cimeli hitleriani. L’insegnante è moglie del capo degli Schützen di Salorno.

    Und im Oktober 2016 widmete ihr auch Christoph Franceschini auf Salto ein paar Zeilen:

    In der Operation „Runa“ wurden acht Südtiroler Neonazis verhaftet, die sich zum Südtiroler Kameradschaftsring zusammengeschlossen hatten. Gudrun Sprenger-Ceolan war mit den Verhafteten im engem [sic] Kontakt. In abgehörten Telefongesprächen und SMS („Heil und Sieg“) kam heraus, dass die Familie Ceolan nicht nur zu Wintersonnwendfeiern eingeladen wurde, sondern dass die Pädagogin auch zu Hitlers Geburtstag mit Sekt anstieß. Bei einer Hausdurchsuchung in Salurn beschlagnahmte die Polizei einschlägiges rechtsextremistisches Material. Offiziell gehörte es den älteren Kindern.

    Noch Fragen?

    Nachtrag: Die Kandidatur wurde zurückgezogen.

    Cëla enghe: 01 02 03 || 01



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  • Südtirol… wie im Ausland.
    Für Autonomismus und Selbstbestimmung gleichermaßen von Vorteil

    Ich will hier noch was zur hochgeheimen Astarea-Studie* festhalten, die im Auftrag des Landtags unter 600 Italienerinnen** durchgeführt und im April vorgestellt worden war — und zwar im Speziellen zur Frage, ob die Befragten Südtirol für ein Land halten, wo man sich »wie zu Hause« oder »wie im Ausland« fühle.

    Bekanntlich haben fast zwei Drittel (62%) geantwortet, dass sie Südtirol eher mit »Ausland« assoziieren, was auf sprachliche, kulturelle, geografische, historische, landschaftliche, architektonische, toponymische (…) Aspekte zurückzuführen sein kann. In jedem Fall halte ich das für eine äußerst positive Nachricht und ich will auch kurz erklären, warum.

    Aus touristischer Sicht ist es wohl besser, vorwiegend als »etwas anderes« wahrgenommen zu werden, als »wie zuhause«. Trentiner- oder Österreicherinnen machen eher selten in Südtirol Urlaub (und umgekehrt), weil sie dann ja quasi »gleich zuhause bleiben« könnten. Wenn sie es trotzdem tun, dürfte das eher andere Gründe haben. Für italienische Gäste, die zu uns kommen, gesellt sich — wie übrigens auch für deutsche Gäste — zur relativen Exotik die angenehme Tatsache, dass sie trotzdem in ihrer Muttersprache bedient werden.

    Viel wichtiger als der wirtschaftlich-touristische Aspekt scheint mir aber der politische zu sein, der ja der Studie zugrunde lag. Wenn wahrgenommen wird, dass wir uns vom übrigen Nationalstaat unterscheiden, können wir als Gebiet, in dem mehrheitlich nationale Minderheiten beheimatet sind, durchaus froh sein.

    Erstens und naheliegend, weil das heißt, dass es gelungen ist, die Andersartigkeit zu bewahren und zu kommunizieren.

    Zweitens und davon abgeleitet, weil dies das Verständnis für die Sonderautonomie stärkt: Wiewohl ich natürlich eine gute Politik und Verwaltung begrüße(n würde), war ich immer strikt dagegen, dass Südtirol besser sein muss, um sein Recht auf Selbstverwaltung zu legitimieren. Das wäre fatal. Die Autonomie steht uns im Nationalstaat zu, weil wir aus »nationaler« Sicht nicht dazugehören.

    Die Kehrseite ist dann freilich, dass wir — wie schon öfter ausgeführt — quasi »gezwungen« sind, unsere Andersartigkeit immer und immer wieder zu betonen. Das ist einer der Gründe, warum wir uns hier argumentativ für die staatliche Unabhängigkeit einsetzen, dafür also, tatsächlich etwas anderes als der Nationalstaat zu werden. Doch auch um Verständnis für eine etwaige Abspaltung zu ernten, ist es ja sicher nicht schädlich, wenn Südtirol in Italien schon heute als »Ausland« wahrgenommen wird.


    Übrigens: Unter den Befragten, die schon einmal in Südtirol waren, steigt der »Wie-zuhause-Wert« von 38% auf 40%. Könnte man so interpretieren, dass Südtirol etwas weniger »anders« ist, als von außen vermutet wird. Allerdings sind zwei Prozentpunkte vermutlich aus statistischer Sicht irrelevant.

    Cëla enghe: 01 02 || 01

    *) die zwar als »strictly confidential« gekennzeichnet, aber inzwischen auf der Homepage von Astarea online abrufbar ist
    **) ohne Südtirol und Trentino



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  • Im Wettbewerb mit dem übrigen Sprachraum.

    In der SWZ vom 22. Juni stellt Robert Weißensteiner einen Vergleich zwischen Südtirol und dem Trentino an, den unser Land zwar in den meisten Disziplinen für sich entscheiden kann — der aber auch einige kritische Punkte aufzeigt.

    Unter anderem geht es da um den sogenannten Brain Drain, die Abwanderung kluger Köpfe. Laut italienischer Zentralbank habe das Trentino im Zeitraum 2007-2016 netto 2.600 Akademikerinnen aus dem restlichen Staatsgebiet anziehen können, Südtirol 540. Je 100 Einwohnerinnen mit vergleichbarem Studienabschluss seien nur 1,4 Akademikerinnen aus dem Trentino, aber 5,2 aus Südtirol ins Ausland ausgewandert. Fast viermal so viele.

    Die Erklärung liegt wohl auf der Hand: Anders als das Trentino gehört Südtirol zum deutschen Sprachraum, wo viele ihr Studium absolvieren und auch aufgrund attraktiver Lebens- und Arbeitsbedingungen bleiben. In einem gewissen Ausmaß ist dies absolut normal und sogar wünschenswert. Es spricht dafür, dass Südtirol nach wie vor aktive Beziehungen zu diesem Sprachraum pflegt.

    Beim Trentino koinzidieren staatliche Zugehörigkeit und Sprachraum weitestgehend, weshalb Wanderungen innerhalb desselben fast nie als Abwanderung ins Ausland verbucht werden. Ausnahmen sind das Tessin, San Marino und der Vatikan, was aber kaum ins Gewicht fällt.

    Zudem ist das Trentino innerhalb des italienischen Sprachraums eines der wohlhabendsten Gebiete, weshalb es in dieser Hinsicht kaum Konkurrenz zu befürchten hat. Südtirol konkurriert im deutschen Sprachraum hingegen mit wirtschaftlich großteils boomenden Regionen, die hinsichtlich relevanter Indikatoren häufig besser abschneiden als Südtirol und/oder wo deutlich höhere Gehälter bezahlt werden.

    Die Abwanderung junger Südtirolerinnen in den restlichen deutschen Sprachraum würde ich nicht als sonderlich besorgniserregend einstufen. Problematisch ist aber, dass hierzulande vielen nicht so klar zu sein scheint, dass wir im — durchaus befruchtenden — direkten Wettbewerb mit der Schweiz, Österreich oder Bayern stehen und dass wir dementsprechend attraktive (berufliche, sprachlich-kulturelle, infrastrukturelle…) Bedingungen schaffen müssen, um auch Menschen von dort in relevantem Ausmaß hierher anzuziehen. Dies bedeutet etwa auch, dass wir höhere, den höheren Lebenshaltungskosten entsprechende Gehälter zahlen müssen, als in Italien üblich. Dass das aber mit den knapp bemessenen Zuständigkeiten, mit staatlicher Harmonisierungswut (Standardkosten, Gehaltsobergrenzen…) und einem unflexiblen Rechnungshof fast unmöglich ist, könnte uns noch sehr große Schwierigkeiten bereiten.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02 03 04 05



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  • Sardinien: Neues Sprachpolitikgesetz.

    Am Mittwoch (27. Juni) hat der sardische Regionalrat — 70 Jahre nach Verleihung der Autonomie von 1948 — ein 40 Artikel umfassendes, organisches Sprachpolitikgesetz für die Insel verabschiedet, das vor allem der sardischen Sprache, aber auch der im nördlichen Teil der Insel gesprochenen korsischen, der katalanischen und der tabarkinischen Sprache gewidmet ist.

    Neben der Einrichtung der Consulta de su sardu, die die Vereinheitlichung der sardischen Schriftsprache vorantreiben soll, ist das Kernstück des Gesetzes der Aufbau einer wirklich zweisprachigen Verwaltung. Hierzu ist unter anderem die Schaffung eines Sprachzertifikats vorgesehen, das sich am Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeRS) orientieren wird.

    Die Obreria pro s’imparu de su sardu wird Richtlinien für den Sprachunterricht an öffentlichen Schulen erarbeiten sowie die Umsetzung überwachen und evaluieren.

    Kritik an dem Gesetz kommt sowohl von der Opposition, als auch von prosardischen Vereinen. Demnach

    • orientierten sich die geplanten Maßnahmen nicht an neuesten sprachpolitischen Erkenntnissen;
    • drohten die vorgesehenen Kommissionen von den Parteien vereinnahmt zu werden und
    • schaffe es das Gesetz unter anderem nicht, die Diskriminierung zwischen den von Rom anerkannten Minderheitensprachen (Sardisch, Katalanisch) und den anderen Sprachen der Insel anzufechten.


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  • Österreich: VfGH für dritte Geschlechtsoption.

    Mit einem richtungsweisenden Entscheid stärkt der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Rechte intergeschlechtlicher Menschen: Demnach müssen Behörden die individuelle Geschlechtsidentität respektieren und eine fremdbestimmte Zuweisung vermeiden. Hierzu wird es nötig sein, im Personenstandsregister und bei der Ausstellung von Urkunden neben einem weiblichen und einem männlichen auch ein neutrales Geschlecht vorzusehen. Eine Änderung des Personenstandsgesetzes wird nicht nötig sein, da es keine Nennung der zu berücksichtigenden Geschlechtsoptionen beinhaltet.

    Der VfGH beruft sich in seinem Urteil auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Geklagt hatte der Steyrer Alex Jürgen, dem sowohl die Heimatgemeinde, als auch das Landesverwaltungsgericht keine andere als eine männliche oder weibliche Option gestattet hatten.

    Bei einem geschätzten Anteil von 1,7% an der Weltbevölkerung könnte der Entscheid allein im zu Österreich gehörenden Teil unserer Euregio über 10.000 Intersexuelle betreffen.

    Cëla enghe: 01 02



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