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  • Houston, wir haben (k)ein Problem.

    Man könnte argumentieren, dass die Süd-Tiroler Freiheit nichts dafür kann, dass eine ihrer Fahnen mit der Aufschrift “Süd-Tirol ist nicht Italien” überaus prominent im Mensur-Keller der rechtsextremen, schlagenden, deutschnationalen Burschenschaft Teutonia in Wien hängt – wie ein Ausschnitt aus der sehenswerten Vice-Dokumentation “Burschenschaften in Österreich” belegt. In etwa so, wie das Produktionsstudio FilmSpektakel nichts dafür kann, dass H.C. Strache ihr sensationelles Zeitraffer-Video “A Taste of Austria” für seine Zwecke missbraucht.

    südtirol ist nicht italien

    Doch angesichts der Tatsache, dass Exponenten der Bewegung anlässlich des diesjährigen Akademikerballs alles andere als Berührungsängste mit schlagenden Burschenschaften gezeigt haben, ist diese Argumentation wohl nicht griffig. Es scheint, dass ihnen – im Gegensatz zu FilmSpektakel – an einer klaren Distanzierung zum deutschnationalen bis rechtsextremen Milieu nicht viel gelegen ist.

    demanega

    Und dass in der Dokumentation dann auch noch ein ehemaliges führendes Mitglied der Südtiroler Freiheitlichen und nunmehriger Burschenschafter seinen Deutschnationalismus unverhohlen breittritt, ist ein Bärendienst für eine moderne und progressive Südtiroler Unabhängigkeitsbewegung, die einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens in einem Land mit drei Sprachgruppen und Zuwanderern aus aller Welt erreichen möchte.

    Cëla enghe: 01 || 01 02 03



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  • Südtirols Nachbarn laut SMG.

    SMG: Unsere Nachbarn.

    Auf der Webseite der Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG) gibt es stets was zu entdecken, so zum Beispiel die offenbar ohne Beiziehung eines Hirns konzipierte Vorstellung von »Südtirols Nachbarn«. Die da wären: Nordtirol, Graubünden und das Trentino. Wo Osttirol, Salzburg, Sondrio und Belluno bleiben — man weiß es nicht. Ist auch egal, wird doch bereits der Euregio-Partner Trentino als »schon ganz Italien« bezeichnet und — man höre und staune — kurzerhand um Cortina d’Ampezzo erweitert (s. Ausschnitt oben). Die Hauptstadt Trient heißt natürlich: Trento. Und was gibt es zu Nordtirol zu sagen? Nur soviel: Dass es eine Metropole ist und dass die SMG nicht weiß, wie man Kitzbühel schreibt. Sollen sich halt auch endlich einen italienisch klingenden Ortsnamen zulegen!

    Unser nördlicher Nachbar lebt und liebt die Berge. Besonders der Winter verwandelt sich (sic) die Alpennordseite in eine pulsierende Schneemetropole (sic). Ischgl, Kitzbühl (sic) und Innsbruck tragen wesentlich dazu bei.

    Und auf der zur Veranschaulichung beigefügten Karte sind Tolomeis wunderschöne Ortsnamen auch schon im Deutschen vorrangig, von Glorenza/Glurns bis Brunico/Bruneck. Ja, die SMG wird es irgendwann wohl sogar schaffen, die historischen Ortsnamen selbst auf dem deutschsprachigen Markt abzuschaffen.

    SMG: Südtirolkarte.

    Das kommt davon, dass man Ignoranten Dilettanten ureigenste politische Aufgaben überlässt. Wäre nett, zu erfahren, was die Autonomiepolitikerinnen in der Landesregierung gegen solchen Pfusch unternehmen. Als Außenstehender würde ich nämlich behaupten: gar nichts!


    Nachtrag: Es lohnt auch ein Blick auf die italienische und englische Variante der besagten Seite über Südtirols Nachbarn. In guter Tolomei’scher Manier wird die Nordtiroler Stadt Kitzbühel gleich auch »eingeitalienischt« und als »Kitzbuhel« bezeichnet. Im Grunde ist das nicht nur eine Respektlosigkeit den Bewohnern der Gamsstadt sondern auch den italienischen Gästen gegenüber. Hält die SMG diese tatsächlich für so minderbemittelt, dass man ihnen kein »ü« zutrauen kann?
    Auch die Situation im Engadin scheint man nicht ganz durchblickt zu haben: Als Orte in Graubünden werden nämlich »Engadina, St. Moritz e Davos« aufgezählt. St. Moritz ist ein Ort im Engadin, wobei der dortige Tourismusverband als »Engadin St. Moritz« firmiert. In der englischen Variante wird »Grisons« (ein im englischen Sprachraum verwendetes Exonym für Graubünden) zu »Gisons«. Interessant ist auch, dass die weltbekannten Resorts Engadin, St. Moritz und Davos in »contrast with many unspoilt mountain villages and valleys« stehen. Im Umkehrschluss heißt das also wohl, dass das Engadiner Hochtal, St. Moritz und Davos verschandelt und verdorben sind. Tolle Werbung. Dass die ganzen Texte dann auch noch mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern durchsetzt sind, krönt die großartige Leistung der Südtirolwerber.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Tag+Nacht: Abgesicherte Autonomie.

    Untergang ankündigen — Geschütze auffahren — Entwarnung geben — den Sieg reklamieren. Einmal ist es die IMU oder sonst so ein autonomes Fürzchen, gestern waren es unsere kleinen Spitäler: Werden uns alle genommen, alle rizze-razze-zugesperrt. Der miese Monti! Nicht ausgeschlossen, dass er uns über Nacht doch noch seine Wach- und Schließgesellschaft geschickt hat. Bis Redaktionsschluss, zum Glück, sah es noch nach Rettung aus. Unsere Parlamentarier, oder korrekter unsere beiden Herkulesse in der Kammer, haben wieder Unvorstellbares geleistet. Altro che Stall des Augias ausgemistet! Der Zeller hat den ganzen Tag über angebellt gegen die Regierung Monti — schlimmer als jede bisher! —, und der kluge Brugger muss wohl hinten herum geschickt verhandelt haben. Anders ist nicht zu erklären, dass am Abend wieder Entwarnung gegeben werden konnte. Gekämpft und gewonnen, schon wieder! Südtirol bleibt stehen. Dank ihnen. Nächste Rettungsshow folgt. Wir sind schon blöd, aber blöd nicht. (flor)

    Florian Kronbichler in der Tageszeitung vom 06.07.2012

    Leider verkaufe die SVP daheim in Südtirol immer mehr, als sie in Rom erreiche, sagt der 63-Jährige. “Die abgesicherte Autonomie, so wie sie uns immer wieder vorgegaukelt wird, gibt es nicht.”

    Florian Kronbichler laut ff vom 26.03.2015



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  • Sprache: Daten als Grundlage für Politik.

    Immer und immer wieder haben wir bemängelt, dass in Südtirol Sprach- und Bildungspolitik ohne oder zumindest ohne ausreichende Daten gemacht wird. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Entscheidungen in diesen für ein mehrsprachiges Gebiet hochsensiblen Bereichen aufgrund von Launen, Bauchgefühlen und Mythen getroffen werden, ohne tatsächlich und umfassend erhoben zu haben, wie die aktuelle Situation ist, wie die Entwicklung über mehrere Jahr(zehnt)e aussieht und was die Bevölkerung — eine möglichst gut informierte Bevölkerung — tatsächlich wünscht. Bestenfalls kann von Schlamperei und Stümperhaftigkeit, schlimmstenfalls muss von vorsätzlicher Schädigung der sprachlichen Besonderheit dieses Landes die Rede sein.

    Oft haben wir in diesem Blog auch darauf hingewiesen, dass Sprachsituation und -entwicklung in anderen mehrsprachigen Ländern und Regionen systematisch und akribisch erhoben werden, als Grundlage für eine seriöse, wissenschaftlich fundierte Sprachpolitik.

    In Südtirol hat das Landesstatistikinstitut (Astat) im Jahr 2004 das erste Sprachbarometer erstellt, was fortan im Zehnjahresrhythmus wiederholt werden soll. Die zweite, auf 2014 bezogene Ausgabe wird in diesem Jahr erwartet.

    Zum Vergleich: Katalonien erhebt und veröffentlicht jedes Jahr einen umfassenden Sprachbericht, in dem die Sprachsituation, die Entwicklung und die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen aufgezählt und evaluiert werden. Jedes Jahr. Die Daten reichen zum Teil bis in die 70er Jahre zurück, als Diktator Franco noch am Leben und an der Macht war. Spätestens seit Beginn der Demokratie wurden wichtige Sprachdaten im Jahresrhythmus erhoben.

    So enthält beispielsweise der letzte Sprachbericht, der sich auf 2013 bezieht, auf 110 Seiten unter anderem folgende Informationen:

    • Die Sprachsituation und -entwicklung:
      • Sprachkenntnisse der Bevölkerung von 1981 bis 2013, getrennt nach Kompetenzen (Verstehen/Sprechen/Lesen/Schreiben) und meistbeherrschten Sprachen (Katalanisch/Spanisch/Englisch/Französisch);
      • Herkunfts-, Identifikations- und gewöhnlich benutzte Sprache(n);
      • Sprachkenntnisse nach Altersgruppen und Kompetenzen;
      • Analyse nach Geburtsort (Katalonien/Spanien/Ausland);
      • Analyse nach katalanischen Regierungsbezirken;
      • Sprache(n) im Umgang mit der Familie (Großeltern/Mutter/Vater/Partner/Kinder);
      • Sprachgebrauch im Umgang mit Handel und privaten/öffentlichen Dienstleistern (Großhandel/Nahversorgung/Staatsverwaltung/Arzt/Bank/Regionalverwaltung/Gemeinden) und Entwicklung seit 2008;
      • Sprachgebrauch am Arbeitsplatz (mit Arbeitskollegen/Kunden), getrennt nach Größe des arbeitsgebenden Unternehmens und katalanischem Regierungsbezirk;
      • Sprache(n) im Medienkonsum, einschließlich Internet;
      • Sprache(n) im Kulturbereich (Kino, Musik, Theater, Videospiele, Bücher) und Entwicklung seit 2009;
      • Sprachgebrauch in der (Aus-)Bildung, Evolution der ausländischen Schülerinnenschaft;
      • Sprachgebrauch an den Universitäten, getrennt nach Universität und Regelstudium/Master;
      • Sprache(n) in der Justiz, Anteil der Urteile auf Katalanisch und Spanisch, Entwicklung seit 2009;
      • Sprache(n) der Einträge im Besitzurkundenregister, Merkantilregister, Register beweglicher Güter;
      • Sprachgebrauch in notariellen Akten;
    • Maßnahmen der Regierung:
      • Anzahl und Sprachniveau (Katalanisch/Spanisch/Englisch/Französisch) der Schülerinnen an öffentlichen Schulen;
      • Sprachliche Evaluierung der Schülerinnen;
      • Universitäre Maßnahmen und Sprachprogramme für Studentinnen, Teilnehmerzahlen;
      • Spezielle Sprachprogramme für Austauschstudentinnen, Teilnehmerzahlen;
      • Erwachsenensprachkurse der Generalitat de Catalunya und anderer öffentlicher Körperschaften (Anwesenheitskurse, Fernstudium, via Internet…);
      • Parla.cat, Onlineplattform zum Erlernen der katalanischen Sprache, Teilnehmerzahlen;
      • Online-Fortbildungskurse für Katalanischlehrer- und -professorinnen weltweit;
      • Katalanischkurse für Zugewanderte, Teilnehmerzahlen;
      • Berufsaus- und Weiterbildung für Private und öffentliche Angestellte;
      • Spezielle Sprachfortbildung für Justizmitarbeitende, einschließlich Richterinnen, Staatsanwältinnen aufgrund von Abkommen zwischen Generalitat, Berufskammern und Gerichten, 1.628 Teilnehmerinnen im Jahr 2013;
      • Sprachzertifizierung durch die Generalitat de Catalunya (offizielle katalanische Sprachzertifikate), aufgeschlüsselt nach Sprachniveau und Entwicklung seit 2002;
      • Angebote zur Steigerung der Sprachqualität (Onlinedienste, Übersetzungsdienste, öffentliches Büro für Sprachfragen), zugänglich für Privatpersonen, Firmen, öffentliche Verwaltungen;
      • Termcat, Kommission zur Normalisierung und Weiterentwicklung von katalanischer Terminologie (363 neue Wörter und Anpassungen in 14 Sitzungen 2013);
      • Voluntariat per la llengua;
      • Kinoförderung, Synchronisierungen, Untertitel, Fernsehsendungen;
      • Zusammenarbeit mit Unternehmerverbänden zur Verbesserung der Präsenz der katalanischen Sprache in der Wirtschaft;
      • Stützung der Präsenz der katalanischen Sprache im digitalen Bereich;
      • Sensibilisierung kleiner und mittelständischer Unternehmen für die Sprache(n);
      • Zusammenarbeit mit dem Handel zur Förderung der katalanischen Sprache;
      • Praktische Unterstützungsprogramme für Firmen zur Berücksichtigung der katalanischen Sprache;
      • Förderung der katalanischen Sprache im Sport und in der Freizeit, Sensibilisierung von Vereinen;
      • Fortbildung von Gesundheitspersonal, Herausgabe von Terminologiehandbüchern, Onlinedatenbanken; Anpassung des Voluntariat per la llengua an die speziellen Erfordernisse des Gesundheitspersonals;
      • Zusammenarbeit mit Vereinen, die den Gebrauch und die Förderung der katalanischen Sprache zum Ziel haben;
      • Ausschreibung von Preisen für Firmen, Vereine, Kinos u.v.m., die sich um die Förderung der katalanischen Sprache verdient machen;
      • Ahndung von Verstößen gegen die Sprachgesetzgebung (in 187 Fällen) und Entwicklung seit 2011;
    • Internationale Projektion:
      • Katalanischkurse und Katalanischstudien im Ausland;
      • Tätigkeit des internationalen katalanischen Kulturinstituts Ramon Llull und Zusammenarbeit mit internationalen Vereinen;
      • Teilnahme an europäischen Organismen (Europäisches Netzwerk zur Förderung der sprachlichen Diversität, Linguanet, Europäische Terminologievereinigung), Zusammenkünften, Kongressen;
      • Zusammenarbeit mit anderen Gebieten mit katalanischer (Amts-)Sprache, einschließlich der Förderung der katalanischen Sprache in Nordkatalonien (Frankreich) und L’Alguer (Sardinien);
      • Tätigkeit im restlichen spanischen Staatsgebiet;
    • Förderung der katalanischen Gebärdensprache;
    • Situationserhebung und Maßnahmen zugunsten der okzitanischen Sprache;

    Zur Vertiefung: Vollständige Fassung des Sprachberichts von 2013 (Katalanisch) und vollständige Fassung des Sprachberichts von 2012 (Englisch).

    Cëla enghe: 01 02 || 01 02 03 04 05



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  • Nationalpark bleibt Nationalpark.

    Wie der Kammerabgeordnete Florian Kronbichler (SEL/Grüne) berichtet, ist der von der SVP verkündete »Übergang des Nationalparks Stilfser Joch an das Land« eine maßlose Übertreibung, wenn nicht gar eine Täuschung. Die von der Zwölferkommission vorbereitete Durchführungsbestimmung sehe weiterhin eine gemeinsame Verwaltung des Parks vor, wenngleich fortan auch die Gemeinden zwei Vertreter in den zuständigen Ausschuss entsenden können. Und obschon die Finanzierung des Parks an Südtirol, das Trentino und die Lombardei übergeht, sitzt der Staat offenbar weiterhin am längeren Hebel. Sämtliche Beschlüsse der Parkverwaltung bedürfen demnach der Zustimmung des römischen Unweltministeriums. Eine Landeshoheit über den Südtiroler Anteil des Parks gibt es demnach nicht. Gemäß Kronbichlers Darstellung scheint sich wenigstens die Vorgabe nicht durchgesetzt zu haben, dass die Länder Südtirol und Trentino auch die Kosten für den größten Anteil des Parks, der sich in der Lombardei befindet, vollständig übernehmen.

    Einigermaßen erstaunlich ist schlussendlich, dass sich Kronbichler ausdrücklich darüber freut, dass der Park auch weiterhin »Nationalpark« heißen muss. Andererseits — er ist ja nicht umsonst Alpinipreisträger.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Roadmap für Katalonien.

    Im Hinblick auf die plebiszitären Neuwahlen vom 27. September, die als Ersatz für eine nicht gestattete Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens stattfinden sollen, haben sich gestern mehrere wichtige Parteien und zivilgesellschaftliche Akteure auf einen gemeinsamen Zeitplan geeinigt, dessen Wortlaut wir hier wiedergeben:

    Einheitliche Roadmap des katalanischen Souveränitätsprozesses

    Diese Roadmap will die souveränistischen Organisationen zusammenführen, deren gemeinsames Ziel es ist, dass Katalonien einen demokratischen Transitionsprozess beginnt, um ein unabhängiger Staat zu werden, sofern dies die Bevölkerungsmehrheit wünscht.

    A. Plebiszitäre Wahlen

    Die Wahlen vom 27. September mit plebiszitärem Charakter, werden als rechtlicher Mechanismus dienen, um den Willen der katalanischen Bevölkerung über die politische Zukunft in Erfahrung zu bringen, nachdem die entsprechende Volksabstimmung verhindert wurde. So wird das Ergebnis für alle, innerhalb und außerhalb Kataloniens, leicht und unmissverständlich lesbar sein und die Ausübung des damit zusammenhängenden Mandats ermöglichen.

    Die Programme der unabhängigkeitsfreundlichen Listen müssen durch einen ersten und herausragenden Programmpunkt klar ersichtlich machen, dass deren Wahl eine Befürwortung der katalanischen Unabhängigkeit zum Ausdruck bringt.

    Die eigenstaatliche und die soziale Achse sind nicht voneinander zu trennen; deshalb muss auf die Wiederherstellung des Wohlfahrtsstaates, insbesondere in Bildungs-, Gesundheits- und Rentenwesen als essentielle soziale Rechte und öffentliche Dienste gesetzt werden.

    Es ist unabdingbar, einen unmissverständlichen Willen zu demokratischer Erneuerung, Transparenz, Rechenschaft, Bürgerbeteiligung und Korruptionsbekämpfung zum Ausdruck zu bringen.

    B. Prozessabwicklung

    Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs binnen ca. 10 Monaten und mittels partizipativer Mechanismen, die es erlauben, durch einen offenen konstituierenden Prozess vielfältige Gesichtspunkte in das Projekt einfließen zu lassen; direkte Teilnahme der BürgerInnen (Katalanischer Verfassungskonvent) und spätere Bestätigung durch eine Volksabstimmung.

    Schaffung und Inbetriebnahme der Strukturen für den neuen Staat: Finanzverwaltung, Sozialfürsorge, Rechtssystem, Außenpolitik, Übergang strategischer Infrastrukturen, Sozial- und Gesundheitsdienste, Energieversorgung, Sicherheit…

    Ausübung der Souveränitätshandlungen, die zur Errichtung des neuen Staates erforderlich sind.

    Aufgrund des Wahlergebnisses, sofortige Souveränitätserklärung als Ankündigung und Beginn des Prozesses zur Ausrufung des neuen Staates bzw. der katalanischen Republik, nach Maßgabe und Bedingungen dieser Roadmap. Der demokratische Übergangsprozess ist jedoch keinesfalls der allfälligen juristischen Gültigkeit oder Anfechtung der vorliegenden Erklärung untergeordnet.

    Der Transitionsprozess zur Ausrufung eines neuen Staates bzw. der katalanischen Republik, der mit den Wahlen vom 27. September beginnen wird, ist nach spätestens 18 Monaten abzuschließen.

    C. Institutionelle Beziehungen

    Beginn der Verhandlungen mit dem spanischen Staat über die neuen Verhältnisse: Aufteilung von Aktiva und Passiva, Definition der Beziehungen zwischen den beiden neuen Staaten.

    Eröffnung der Verhandlungen mit internationalen Instanzen zur Anerkennung und Aufnahme des neuen Staates.

    Offenheit gegenüber einer Alternative in Form einer verbindlichen Volksabstimmung durch den spanischen Staat über die katalanische Unabhängigkeit.

    D. Abschluss des Prozesses

    Am Ende dieses Prozesses wird eine verbindliche Volksabstimmung über den Verfassungstext stattfinden, welche die Ausübung des demokratischen Mandats zur Bildung des neuen katalanischen Staates abschließen wird. Ein positiver Ausgang dieser Abstimmung wird die Ausrufung der Unabhängigkeit gestatten.

    Neuwahl des Parlaments im Rahmen der neuen Verfassung.

    Ab diesem Zeitpunkt sind die neuen Beziehungen zum spanischen Staat und zur Europäischen Union auszuhandeln.

    Barcelona, 30. März 2015

    Übersetzung:

    Ausgearbeitet und unterzeichnet haben diese Erklärung

    • Convergència Democràtica de Catalunya (CDC), die liberale Partei des amtierenden katalanischen Präsidenten Artur Mas;
    • Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), die stärkste (linke) Oppositionspartei des Landes;
    • Assemblea Nacional de Catalunya (ANC), Organisatorin sämtlicher Unabhängigkeitskundgebungen der letzten Jahre;
    • Òmnium Cultural, die repräsentativste katalanische Kulturvereinigung mit 48.000 eingeschriebenen Mitgliedern;
    • Associació de Municipis per la Independència (AMI), die Vereinigung katalanischer Kommunen, deren Gemeinderäte sich für die Unabhängigkeit von Spanien ausgesprochen haben.

    Die linke Candidatura d’Unitat Popular (CUP) war an der Ausarbeitung des Dokuments nicht beteiligt, hat aber bereits angekündigt, es ebenfalls unterzeichnen zu wollen.

    Cëla enghe: 01 02



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  • buergernetz.bz.it

    Vor einigen Tagen hat das offizielle digitale Südtirol unter dem Hashtag #seitenwechsel eine epochale Wende vollzogen: Um Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit zu verbessern wurde der Webauftritt des Landes erstmals vollständig vom Bürgernetz getrennt. Unter der bisherigen Adresse www.provinz.bz.it sind fortan die inhaltlich, grafisch und funktional umfassend überarbeiteten Seiten des Landes abrufbar, während das Bürgernetz ab sofort unter der Adresse www.buergernetz.bz.it (respektive retecivica.bz.it und reizivica.bz.it) erreichbar ist. Dort werden nach wie vor Informationen verschiedener institutioneller und nicht-institutioneller Ebenen (Landesverwaltung, Gemeinden, Bezirksgemeinschaften, Gesundheitsbetrieb u.v.m.) gebündelt.

    Welch bessere Gelegenheit, als ein derart grundlegender Neustart, um sich eine neue Adresse und nicht zuletzt ein neues Suffix zuzulegen. Doch nichts von alledem: Das Land ist weiterhin nicht unter www.landsuedtirol.eu (oder ähnlich) zu erreichen und bleibt damit Provinz; doch auch beim Bürgernetz wurde es verabsäumt, sich vom nationalen Netzsuffix (.it) zu verabschieden. Dabei hatte die zuständige Landesrätin, Waltraud Deeg (SVP), vor einiger Zeit mitgeteilt, dass Südtirol zwar — anscheinend — nicht die Zuständigkeit hat, sich für die Landesverwaltung eine andere Adresse zuzulegen, als das kryptische www.provinz.bz.it, beim Bürgernetz sei man jedoch völlig frei. Offenbar aber waren Mut und Wille, neue Wege zu gehen, am Ende auch da nicht vorhanden.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Tiefstes Mittelalter.

    In einem früheren Artikel hatte ich mich über zwei Dinge beklagt, an die ich mich in Südtirol einfach nicht gewöhnen möchte. Zum einen ist dies die Standardabsicherung der Stromanschlüsse auf 3 kW, zum anderen der Umgang mit Persönlichkeitsrechten in den Medien bzw. generell mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Unschuldsvermutung.

    Eine Reihe konkreter Anlassfälle hat nun wiederum meine Aufmerksamkeit auf diese beiden mittelalterlich anmutenden Missstände gelenkt. Gleichzeitig habe ich noch andere interessante Beobachtungen gemacht. Zeit für einen weiteren Sammelsurium-Artikel mit dem Charme eines Omnibusgesetzes.

    Unter Strom
    Am 11. Juni 2014 hat der Südtiroler Landtag mehrheitlich beschlossen, dass sich die Parlamentarier in Rom – die Südtiroler Autonomie reicht nämlich nicht so weit, um die Stärke von Stromanschlüssen selbst festlegen zu dürfen – für eine Erhöhung der Grundleistung von 3 auf 4,5 kW starkmachen mögen, bei gleichbleibendem Grundentgelt versteht sich. (Zur Erinnerung: der Standardanschluss in Nordtirol liegt bei 6 kW, in Deutschland angeblich gar bei 13 kW).

    Da seit diesem Beschluss mittlerweile einige Monate ins Land gezogen sind, ohne dass man in der Angelegenheit Bahnbrechendes hätte vernehmen können, hat die freiheitliche Abgeordnete Tamara Oberhofer in einer Anfrage einmal nachgehakt, um sich über den Stand der Dinge zu informieren. Die Anfrage wurde am 29. Jänner 2015 eingebracht und am 2. Februar an den zuständigen Landesrat Richard Theiner weitergeleitet. Für die Beantwortung der Anfrage ist eine Frist von 30 Tagen vorgesehen. Heute (27. März 2015), gut einen Monat nachdem die Frist verstrichen ist, ist auf der Internetseite des Landes nach wie vor noch keine Antwort abrufbar. Ein paar stichprobenartige Kontrollen haben mir dann gezeigt, dass das Verstreichenlassen besagter Fristen mehr Norm denn Ausnahme ist. Ob dies ein respektloses Versäumnis der Landesregierung ist, ob diese sich bisweilen eine Verlängerung der Frist erbittet, ohne dass dies auf der Webseite aufscheint oder ob die Antworten mit großer Verzögerung erst online gestellt werden, entzieht sich meiner Kenntnis.

    Denkbar wäre natürlich auch – wofür man beinahe Verständnis aufbringen könnte – dass sich die Landesregierung grundsätzlich weigert, Anfragen, die in Comic Sans verfasst wurden, zu bearbeiten. Eine weitere stichprobenartige Kontrolle hat nämlich ergeben, dass die Freiheitlichen in aller Tatsächlichkeit viele ihrer Schriftstücke im Landtag im Kindergeburtstagseinladungsstil verfassen.

    Anfrage

    Wir halten fest:
    In Südtirol ist die Absicherung von Standardstromanschlüssen halb so hoch wie im nördlichen Landesteil. Das “in den Keller gehen, um die Sicherung wieder einzuschalten”, kennt man dort nicht.

    Südtirol verfügt nicht über die Zuständigkeit, den Richtwert für diese Anschlüsse selbst festzulegen.

    Die Landesregierung benötigt mehr als zwei Monate, um die Frage zu beantworten, ob die SVP-Parlamentarier in der besagten Angelegenheit bereits mit der römischen Regierung Kontakt aufgenommen haben.

    Die größte Oppositionspartei im Lande verfasst Landtagsanfragen in einer Schriftart, die für Comic-Sprechblasen erfunden wurde und bestätigt damit den Eindruck, dass die Landtagspolitiker, was Professionaltiät betrifft, sprichwörtlich auf Kindergartenniveau agieren.

    Am Pranger
    Das zweite Thema lässt hingegen überhaupt keinen Spielraum für Humor. Wie – mittlerweile nicht mehr nur – in italienischen bzw. Südtiroler Medien mit Persönlichkeitsrechten und Unschuldsvermutung umgegangen wird, ist beschämend und schockierend. Anlässlich des jüngsten Mordfalles in Bozen, werden der volle Name, unverpixelte Fotos und Facebook-Einträge der Tatverdächtigen (bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt jede(r) als unschuldig) gnadenlos publik gemacht. Ein solcher Pranger ist für besagte Person, die sich als Mordverdächtige in jedem Fall in einer psychischen Ausnahmesituation befindet, eine unvorstellbare Belastung. Ein solche Pranger ist existenzbedrohend. Man stelle sich vor, ein Gericht stellt in weiterer Folge fest, dass die Frau die Tat gar nicht begangen hat. Den “Makel” wird sie ihr Leben lang nicht mehr los.

    Dass die Tageszeitung diesbezüglich wenig Skrupel hat und sich boulevardesquer als der tiefste Boulevard gebärdet, ist bekannt. Dass aber auch ein selbsternanntes “Qualitätsmedium” wie salto.bz sensationsgeil dem mitteralterlichen Pranger frönt, ist bestürzend. Noch dazu, wo sich das besagte Medium in jüngster Zeit als Retter der journalistischen Ethik aufspielt, nachdem das Boulevardblatt “Österreich” einen Rittner Eishockey-Goalie fälschlicherweise als Schläger identifiziert und in einem Artikel mit Foto und Namen an den Pranger gestellt hat.

    Im Zuge der Flugzeugkatastrophe in Frankreich fielen dann endgültig sämtliche Schranken und Hemmungen was journalistische Ethik anbelangt. “Österreich” und “Krone” veröffentlichten ein unverpixeltes Bild, welches jedoch gar nicht den im Verdacht stehenden Co-Piloten, sondern einen völlig unbeteiligten Mann ähnlichen Namens, zeigt. Il Giornale zieht fragwürdige Vergleiche zur Costa Concordia. Nicht wenige Medien verzichten auf Unkenntlichmachung bei der Abbildung von Angehörigen der Opfer.

    Mats Schönauer 01 02 von bildblog.de dokumentiert das mediale Fiasko penibel und bringt jene Problematik, die man in abgeschwächter Form auch auf den Bozner Mord übertragen kann, auf den Punkt:

    Was in den vergangenen Tagen passiert ist, ist in weiten Teilen, in sehr weiten Teilen kein Journalismus mehr, sondern eine Jagd. Eine Jagd nach Informationen und Bildern, die für das Verständnis des Geschehens komplett irrelevant sind.



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