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  • Ausgesessene Demokratie.

    • Im Jahr 2004 setzte Friaul-Julien, im Jahr 2006 Aoûta/Aosta einen Konvent zur Überarbeitung des Autonomiestatuts ein. Die Ergebnisse der jeweils hochdemokratischen Prozesse wurden an das Parlament in Rom weitergeleitet, wo sie seitdem in einer Schublade verstauben.
    • Im Jahr 2007 sprachen sich drei ladinische Gemeinden in Venetien (sogenanntes »Souramont«), die während des Faschismus von Südtirol abgetrennt worden waren, um deren sprachlich-kulturelle Assimilierung zu erleichtern, großmehrheitlich für die Wiederangliederung an Südtirol aus. Obschon dieses Verfahren von der italienischen Verfassung vorgesehen ist, und obwohl die Region Venetien und das Land Südtirol der Rückgliederung zugestimmt haben, verstaubt auch dieses Vorhaben seit Jahren in der italienischen Hauptstadt. Niemand weiß, ob und gegebenenfalls nach welchem Zeitplan der Regionswechsel umgesetzt wird. Die Frustration ist groß.
    • In einem aufwändigen Mediationsverfahren wurde 2007 beschlossen, auf den weiteren Ausbau des Bozner Airports zu verzichten. Während der Landesvolksabstimmung von 2009 sprach sich zudem eine klare Mehrheit der teilnehmenden Bevölkerung gegen einen weiteren Ausbau aus. Obschon das Beteiligungsquorum (äußerst knapp) verfehlt wurde, bleibt dies die einzige massive Willensbekundung zu diesem Thema. Landeshauptmann Arno Kompatscher versprach im Landtagswahlkampf 2013, ein eventuelles Flughafenkonzept erneut einer Volksabstimmung zu unterwerfen. Stattdessen versucht das Land über die Flughafengesellschaft seit Jahren, in Umgehung des Mediationsergebnisses Ausbaumaßnahmen umzusetzen. Teils erfolgreich.
    • Im Jahr 2013 beteiligten sich 60.000 Südtirolerinnen an einer selbstverwalteten Volksabstimmung der Süd-Tiroler Freiheit, wovon 56.000 das Recht einforderten, im Rahmen einer amtlichen Abstimmung über die staatliche Zugehörigkeit Südtirols abstimmen zu dürfen. Zwar hatte die Abstimmung keine rechtlichen Auswirkungen, eine derart massive Willensbekundung hätte aber politisch und medial hohe Wellen schlagen müssen. Stattdessen beteiligten sich so gut wie alle etablierten Medien und Parteien an der Demontage und Bagatellisierung der massiven Teilnahme.
    • Im Jahr 2014 hielt die Gemeinde Mals eine bindendende Volksabstimmung über das Verbot von Pestiziden auf dem Gemeindegebiet ab. Zahlreiche Medien und die Landespolitik übertrafen sich schon im Vorfeld darin, das Votum zu delegitimieren, das schlussendlich bei reger Teilnahme der Bevölkerung klar für das Pestizidverbot ausfiel. Nicht nur die Landespolitik boykottierte das Ergebnis; auch die Mehrheit des Malser Gemeinderats weigerte sich, den Auftrag der eigenen Bürgerinnen umzusetzen und das Ergebnis wie vorgesehen in die Gemeindesatzung aufzunehmen.

    Schon im Vorfeld der Gemeindewahlen vom 10. Mai wird nicht nur ein Einbruch der Wahlbeteiligung befürchtet, bereits bei der Kandidatensuche hatten die Parteien mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Angesichts der Arroganz der Macht, die politische Entscheide, Willensbekundungen und Wünsche, die aus der Bevölkerung kommen, nicht ernst nimmt, sollte sich allerdings niemand über Demokratie- und Politikverdrossenheit wundern. Während der letzten Jahre wurde der Eindruck massiv verstärkt und bestätigt, dass die aktive Teilnahme der Bevölkerung am politischen Geschehen nicht erwünscht ist und als störend empfunden wird.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Deutsche Führung?

    Immer wieder hört und liest man letzthin in deutschen Medien, dass sich Deutschland angeblich in einem Dilemma befinde, da es einerseits dazu aufgefordert werde, als größtes und wirtschaftlich starkes Land Europa zu führen, dann aber — andererseits — beschuldigt werde, anderen seinen Willen und sein Modell aufzuoktroyieren oder gar Europa mit nichtkriegerischen Mitteln erobern zu wollen.

    Es sei an dieser Stelle zumindest von unserer Warte aus klar und deutlich gesagt: Europa benötigt nicht die Führung eines einzelnen Nationalstaats, so groß und stark er auch sein mag. Sowohl Größe und Stärke, als auch historische Erfahrungen mit deutscher Führung seien dahingestellt. Soll Europa als einendes und einigendes Projekt jemals Erfolg haben, so kann das wohl nur geschehen, wenn niemand führt, der nicht von allen Europäerinnen und Europäern gewählt (und vor allem abgewählt!) werden kann. Und wenn niemand auch nur den leisesten Zweifel daran haben kann, dass ein Land die Führung übernimmt, das seine eigenen kulturellen, wirtschaftlichen, machtpolitischen Interessen über jene der anderen stellen könnte — ganz egal, ob dieser Zweifel berechtigt ist oder nicht. Das Projekt Europa wird in jenem Maße Erfolg haben, wie es die heutigen Nationalstaaten überwinden kann, anstatt ihnen (einzeln oder gemeinsam) neue Führungsrollen zuzuerkennen.

    Wir haben europäische Institutionen, die drastisch demokratisiert und dann gestärkt werden müssen, daran führt kein Weg vorbei. Dann entsteht auch kein »deutsches Dilemma« um die Führung.



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  • Skandale statt Politik.
    Quotation

    Unsere Medien sind inzwischen dazu da, uns mit Skandalen zu füttern, über die wir uns aufregen sollen, damit wir uns nicht mehr mit Politik beschäftigen.

    – Volker Pispers, Meinungen und Stimmungen 2014

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Faschistengruß in Sportstätten erlaubt.

    Ein toskanisches Gericht hat vier Fußballfans des FC Hellas Verona freigesprochen, die im Jahr 2011 — so schnell ist die Justiz! — während eines Spiels gegen Livorno den Faschistengruß gezeigt hatten. Große Teile der Fangemeinde der venetischen Mannschaft sind für ihre rechtsextremistische Gesinnung bekannt. Der einschlägige Vorfall war von den Überwachungskameras im Stadion festgehalten und von der Staatsanwaltschaft verfolgt worden. Richter Angelo Perrone stellte jedoch in seinem umstrittenen Urteil fest, dass die Handlung nicht strafbar sei, da unter anderem:

    • Sportstätten normalerweise nicht der Ort seien, wo politische Propaganda gemacht werde;
    • angesichts der zahlenmäßigen Minderheit der vier Fußballfans im Vergleich zum gegnerischen Fanblock keine Gefahr der Destabilisierung bestanden habe;
    • der Faschismus weit zurückliege und dies die Stabilität antifaschistischer Werte im rebublikanischen Italien beweise.

    Gerade letzteres »Argument«, das einer verqueren Logik entspringt und bisweilen von Rechtsextremistinnen selbst vorgebracht wird, wenn man ihnen Nähe zum Faschismus bzw. Nationalsozialismus vorwirft, ist wahrlich haarsträubend. Faschismus und Nationalsozialismus sind keine beschränkte historische Epoche und die Zeit allein ist kein Faktor, der das Wiedererstarken ähnlicher Ideologien erschweren würde. Urteile wie dieses tragen hingegen dazu bei, rechtsextremistische Positionen hoffähig zu machen und am Leben zu halten.

    Richter Perrone ließ es sich übrigens nicht nehmen, die »Diskriminierungen« im Faschismus und im Nationalsozialismus ausdrücklich mit jenen von »Bewegungen umgekehrten Vorzeichens« in einen Topf zu werfen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02 03 04



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  • Konvent & Kastration.

    Gestern wurde vom Landtag das Gesetz genehmigt, das als Grundlage zur Abhaltung des Südtirolkonvents dienen soll. Die politische Mehrheit von SVP und PD hat dabei unter Beweis gestellt, wie wenig ihr an Konsensfindung und Partizipation gelegen ist. Wenn auf parlamentarischem Weg ein derart grundlegendes Thema behandelt und geregelt wird, gehört es zum guten Ton, quasi zur Pflicht, breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens zu suchen. Nicht so für die »neue« und »junge« Politikerriege an den Hebeln der Südtiroler Politik: Das Gesetz wurde mit einfacher Mehrheit, gar mit der einfachst möglichen Mehrheit von 18 Abgeordneten auf 35 verabschiedet.

    Ein ergebnisoffener Prozess ist offenbar nicht erwünscht, wie große Teile der Opposition beklagen. Doch ebendiese Opposition stellt unter Beweis, recht wenig von Ergebnisoffenheit zu verstehen, wenn sie im Vorfeld behauptet, der Konvent habe nur einen Sinn, wenn er die Ansässigkeitsklausel zu Fall bringe (Urzì), oder fordert, Proporz und Artikel 19 vom Konvent auszunehmen (Knoll).

    Vermutlich ist die Regierungsmehrheit tatsächlich nicht an Ergebnisoffenheit interessiert. Doch die Stärke partizipativer Prozesse ist, dass sie nur sehr schwer von oben steuer- und manipulierbar sind, ja eine wirkungsmächtige Eigendynamik entwickeln können. Aus diesem Grund wird es bei aller berechtigter Kritik und Skepsis wichtig sein, daran teilzunehmen.



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  • Gespräch über das Schweizer Modell.

    Gestern Abend fand an der Eurac unter dem Titel »Partizipation in Südtirol — Modell Schweiz ja oder nein?« ein Gesprächsabend mit Sen. Francesco Palermo und Prof. Reiner Eichenberger statt. Der Dialog entwickelte sich in Form eines »Interviews«, bei dem ersterer — so mein Eindruck — seine Skepsis über direktdemokratische Prozesse bzw. einige Aspekte davon zum Ausdruck brachte, denen dann zweiterer aus seinem Blickwinkel meist energisch widersprach. Ich fasse stichpunktartig, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und vorerst möglichst wertungsfrei zusammen, wobei die Nummerierung lediglich das Kommentieren einzelner Punkte erleichtern soll:

    1. Von Palermo auf die historischen Voraussetzungen für das Schweizer Modell angesprochen, antwortete Eichenberger, dass es einen starken Föderalismus (auch in Form unabhängiger Kleinstaaten) und Ansätze von Demokratie auch andernorts — z.B. Deutschland — schon früh gegeben habe. Der Unterschied sei vor allem, dass diese in der Schweiz nicht »eingeebnet« worden seien.
    2. Das Konkordanzmodell, wonach die meisten parlamentarisch vertretenen Parteien auch in der Regierung sitzen, sei, so Eichenberger, nicht institutionalisiert. Das heißt, dass es gesetzlich nicht verankert oder gar vorgeschrieben ist und auch nicht auf einem Proporzwahlrecht beruht, sondern (mit wenigen kantonalen Ausnahmen) auf einem ausgeprägten Mehrheitswahlrecht. Die Bevölkerung aber wolle — und wähle so —, dass ein möglichst breites Spektrum in den Regierungen vertreten ist.
    3. Auf Palermos Frage, ob das Schweizer Modell (teilweise oder vollständig) exportierbar sei, antwortete Eichenberger, dass dies sogar »problemlos« möglich sei. Als Beispiel nannte er etwa Bayern, wo sich auf kommunaler Ebene in kurzer Zeit eine sehr lebendige direkte Demokratie etabliert habe, und zwar gegen den ausdrücklichen Willen der allmächtigen CSU. Auch in Hamburg sei es gelungen, die direkte Demokratie einzuführen. In den USA habe die Schweiz ausdrücklich als Vorbild gedient, auch dort sei das System in vielen Fällen erfolgreich umgesetzt worden. Wichtig sei, dass der rechtliche Rahmen richtig konstruiert ist, man wisse heute relativ genau, wie eine funktionierende direkte Demokratie aussehen muss.
    4. Palermos Hinweis, man müsse möglicherweise gewisse Themen von Volksabstimmungen ausnehmen, widersprach Eichenberger vollständig. Auch von qualifizierten Mehrheiten oder Quoren halte er nichts. Einzig die Schweizer Regelung, dass »Volk und Stände« (also die Mehrheit der Abstimmenden und die Mehrheit der Kantone) einer Vorlage zustimmen müssten, finde er akzeptabel. Darüberhinaus könnten die BürgerInnen aber selbst am besten beschließen, welche Themen sie von Abstimmungen ausschließen wollen. In der Schweiz gebe es solche Einschränkungen, sie könnten aber vom Volk selbst jederzeit revidiert werden.
    5. Auch die etwas sonderbare Frage, ob die direkte Demokratie in Italien oder Südtirol, wo — laut Palermo — das Vertrauen in die Politik gleich null sei, nicht gefährlich sein könnte, weil die BürgerInnen dann einfach »alles« ablehnen würden, verneinte der Schweizer klar. Direktdemokratische Vorlagen seien klarer und in ihrer zwingenden Umsetzung glaubwürdiger, als Wahlversprechen, die häufig nicht eingehalten würden. Ein »Kernvorteil« von direkter Demokratie sei, dass sie ernsthafter und problemorientierter sei.
    6. Partizipationsmodellen steht Eichenberger eher skeptisch gegenüber, da sie seiner Auffassung nach auf dem Papier gut funktionierten, in der Realität aber sehr schnell die Interessensgruppen zurückkehrten. Damit entstehe ein Repräsentanzproblem (wer repräsentiert wen, wieviele) und man lande wieder recht schnell bei der repräsentativen Demokratie.
    7. Bezüglich der Kosten von direkter Demokratie zog der Eidgenosse einen kuriosen Vergleich mit dem Fußball. Niemand sage je, Fußball sei zu teuer oder der Gang ins Stadion zu aufwändig, dabei sei Demokratie mit den vielen Polittalks usw. doch auch ein wichtiges »Unterhaltungsprogramm«.
    8. Ein zu jeder Zeit und überall optimales Modell gebe es nicht, daher sei es laut Eichenberger wichtig, dass direkte Demokratie dynamisch angepasst werden könne, und zwar von der Bevölkerung selbst.
    9. Bezüglich der (Mindest-)Größe für (direktdemokratische) Systeme, Palermo legte die »Kleinheit« Südtirols nahe, wartete Eichenberger mit einem spannenden Vergleich auf: Die »erfolgreichsten« Kantone seien derzeit jene der Mittelschweiz, die übrigens gerne entgegen objektiver Befunde als »Hinterwäldler« bezeichnet würden. Die Mittelschweiz bestehe aus ganzen sechs Kantonen, die zusammen nur rund 780.000 Einwohnerinnen zählten; drei der sechs Kantone kämen gar nur auf ca. 50.000 Einwohnerinnen. Trotzdem habe jeder einzelne Kanton mehr Zuständigkeiten, als ein deutsches Bundesland — und in Deutschland gelte das Saarland mit 1,5 Mio. Einwohnerinnen gemeinhin als »zu klein«. Man könne die Macht eines Kantons am ehesten mit jener eines US-Bundesstaates vergleichen. Trotzdem funktioniere das hervorragend — und Politiker seien, so Eichenberger mit einem Augenzwinkern, meist nicht so schlaue Menschen, als dass man unter 50.000 Einwohnern nicht fündig würde.
    10. Wenn es aber etwas gebe, was sich Südtirol von der Schweiz nicht abschauen solle, dann sei dies der übermäßige Protektionismus. Da sei Liechtenstein ein nachahmenswerteres Beispiel. Entgegen der allgemeinen Meinung sei das souveräne Fürstentum mit seinen nur 30.000 Einwohnern nicht nur ein Steuerfluchtpunkt, sondern auch äußerst produktiv. Dies liege unter anderem daran, dass man auch stark auf Leute von außen setze. Dies gelte übrigens auch für Institutionen wie das Verfassungsgericht, wo zwei von fünf Richtern per Gesetz aus dem Ausland berufen werden müssen. Eichenberger zog wieder einen Fußballvergleich: Bei so wenigen Einwohnerinnen sei es eben so, dass man manchmal gerade 10 hervorragende Spielerinnen hervorbringe, manchmal aber nur sehr wenige. Indem man sich aber die guten Leute aus dem Ausland hole (und auch Leute ins Ausland entsende) könne man diese Schwankungen ausgleichen.
    11. Palermo lenkte dann die Aufmerksamkeit noch einmal zurück auf die Proporzregierungen (Konkordanz). Er selbst sei zum Schluss gekommen, dass dies ein sehr nachahmenswertes Modell sei. Erneut machte Eichenberger darauf aufmerksam, dass die Proporzregierung nicht aus einer Proporzwahl hervorgehe, sondern aus einer Wahl nach dem Mehrheitsprinzip. Die BürgerInnen brächten nur durch ihr Wahlverhalten den Wunsch zum »Mischen« zum Ausdruck. Das Mehrheitswahlrecht sei deshalb wichtig, weil es die Extremismen bestrafe. Um die Chance auf einen Sitz zu haben, müssten sich auch die Kandidaten weit linker und weit rechter Parteien in Richtung politischer Mitte bewegen. Bei einem Proporzwahlsystem hätten gute Politiker hingegen oft den Anreiz, in Richtung Extremismus zu gehen. Daher sei er der Auffassung, dass Konkordanz mit einem Proporzwahlrecht nicht funktionieren könne — die Positionen gingen dann zu weit auseinander. In der Schweiz hingegen kämen »die besten der Rechten und die besten der Linken« in die Regierung.
    12. Aus dem Publikum meldete sich Prof. Pallaver zu Wort, der sagte, die direkte Demokratie müsse sehr wohl Grenzen haben, zum Beispiel bei den Menschenrechten.
    13. Palermos Hinweis, dass Mehrheitsentscheide nicht immer richtige Entscheidungen gewährleisteten, widersprach aus dem Publikum Stephan Lausch mit dem Hinweis, dass es in der Demokratie nicht um richtig oder falsch gehe. Was richtig oder falsch sei, lasse sich meist auch gar nicht unmittelbar feststellen, sondern zeige sich erst im Laufe der Zeit. Direkte Demokratie gewährleiste aber, dass das demokratisch Gewollte umgesetzt werde.
    14. Bezüglich qualifizierter Mehrheiten und Quoren fügte Eichenberger hinzu, dass mit einem Quorum zwar möglicherweise Fehlentscheidungen schwieriger wären, allerdings auch Fehlerkorrekturen, wenn einmal etwas Falsches entschieden werde. Außerdem seien in Abwesenheit von qualifizierten Mehrheiten, Quoren und Fristen für eine erneute Abstimmung zum gleichen Thema auch Manipulationen weniger attraktiv, da die Bevölkerung jederzeit wieder korrigierend eingreifen könne.
    15. Von deliberativer Demokratie halte er sehr viel, sagte Eichenberger. In der Schweiz gebe es in Gemeinden bis 15.000 Einwohner die Gemeindeversammlung, wo sehr rege debattiert und dann Beschlüsse gefasst würden. Allerdings sei wichtig, dass jederzeit das Referendum ergriffen werden könne, wenn sich jemand übergangen fühle oder wenn jemandem nicht passe, was beschlossen wurde.
    16. Bezüglich der Besteuerung widersprach Eichenberger dem Einwand von Prof. Palermo sowie Hermann Atz aus dem Publikum, dass die BürgerInnen, wenn sie denn direktdemokratisch darüber entscheiden könnten, die Steuern senken und somit das Sozialsystem schwächen würden. Vielmehr sorgten die BürgerInnen zunächst für einen sparsamen Umgang mit finanziellen Ressourcen durch die Politik, was dann niedrigere Steuern erlaube. Im Übrigen stimme das mit den niedrigen Steuern gar nicht. Der Mittelstand sei gering belastet, doch die Reichen hätten in der Schweiz eine der höchsten Vermögenssteuern Europas zu entrichten, wobei es in nur wenigen Ländern überhaupt eine Vermögenssteuer gebe. Auch die Erbschaftssteuer sei relativ hoch. Wenn die Bevölkerung keine Steuern und somit weniger Sozialleistungen möchte, gab Eichenberger zu bedenken, würden Politiker wohl auch in einer repräsentativen Demokratie Streichungen vornehmen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Schweizer Modell ja oder nein?

    Heute Abend findet an der Eurac in Bozen von 18.00 bis 19.30 Uhr ein Vortrag zum Thema der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild statt.

    Es diskutieren Reiner Eichenberger, Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, und Francesco Palermo, Leiter des Eurac-Instituts für Föderalismus- und Regionalismusforschung.

    Außerdem sprechen die Landtagsabgeordnete Magdalena Amhof (SVP), Cristian Girardi (Global Forum Südtirol) und Elisabeth Alber (Eurac).

    Der Eintritt ist frei.



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