Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Wichtigste Sprache: Italienisch.

    Autor:a

    ai

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    19 Comentârs → on Wichtigste Sprache: Italienisch.

    Die wichtigste Sprache »für ein gutes Zusammenleben« in Südtirol ist die italienische. Das sagt nicht , sondern die Südtirolerinnen und Südtiroler laut neu veröffentlichtem Sprachbarometer. Obschon gerade während der letzten Jahre immer wieder davon die Rede war, dass angeblich die Bedeutung der italienischen Sprache in Südtirol zurückgeht (»Südtirol verdeutscht« — zum Beispiel in einem Artikel von Barbara Bachmann in der Zeit), sehen das die hier lebenden Menschen anders.

    Dabei wird das Italienische nicht nur insgesamt als die bedeutendste Landessprache angesehen, sondern auch von jeder einzelnen der berücksichtigten »Sprachgruppen«.

    Bedeutung der Landessprachen.

    Selbst die deutschsprachigen Südtirolerinnen sind mehrheitlich der Meinung, dass die lingua franca nazionale hierzulande wichtiger sei als ihre eigene, wiewohl das Deutsche die Muttersprache von über zwei Dritteln der hier wohnenden Menschen ist. Vor zehn Jahren noch sahen die Deutschsprachigen Deutsch als die wichtigste Landessprache an.

    Die Südtirolerinnen italienischer Muttersprache waren 2004 noch zu 75,8% der Meinung, die deutsche Sprache sei für das gute Zusammenleben »ausschlaggebend« oder »sehr wichtig«. 2014 sahen das nur noch 68,1% so.

    Auffallend ist zudem, dass gerade die Personen, die eine andere Muttersprache als die drei autochthonen Landessprachen angaben, dem Deutschen unter allen Gruppen die geringste Bedeutung beimessen (67,6%), deutlich weniger als dem Italienischen (87%). Dies deutet darauf hin, dass Südtirol außerstande ist, Zugewanderten die Gleichwertigkeit der beiden landesweiten Amtssprachen Deutsch und Italienisch erfolgreich zu vermitteln.

    Die von den Südtirolerinnen insgesamt gefühlte Bedeutung der deutschen Sprache ist während der letzten zehn Jahre — also im Vergleich zum ersten Sprachbarometer — um über sechs Prozentpunkte eingebrochen, von damals 79,2% auf heute nur noch 72,7%. Gleichzeitig hat die Wichtigkeit der italienischen Sprache leicht von 81,5% auf 81,8% zugenommen. Der Unterschied zwischen Deutsch und Italienisch beläuft sich nun schon auf knapp zehn Prozentpunkte und hat sich somit in zehn Jahren vervierfacht.

    Die Bedeutung des deutschen Dialekts (63,8%) ist laut Einschätzung der Südtirolerinnen übrigens noch einmal um fast zehn Prozentpunkte geringer, als jene der deutschen Hochsprache (72,7%).

    Die ladinische Sprache liegt hingegen weit abgeschlagen bei 6,8%. Dies liegt vermutlich daran, dass sie fast nur in den Gemeinden, wo sie Amtssprache ist, für ein gutes Zusammenleben nötig ist. Für ein gutes Zusammenleben auf Landesebene halten sie selbst eine knappe Mehrheit der LadinerInnen nicht für »ausschlaggebend« oder »sehr wichtig«. Es wäre jedoch interessant zu wissen, wie die BewohnerInnen der ladinischen Gemeinden die Wichtigkeit des Ladinischen für das dortige Zusammenleben einschätzen.

    Fazit: Eine angebliche »Verdeutschung« Südtirols lässt sich anhand dieser Daten nicht nachweisen. Im Gegenteil — die deutsche Sprache verliert in nur zehn Jahren in der sprachgruppenübergreifenden Einschätzung deutlich an Bedeutung »für ein gutes Zusammenleben« in Südtirol. Ein Befund, der sich mit den wachsenden Schwierigkeiten des Deutschen als Amtssprache deckt.

    Siehe auch: 01 02



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  • Spanische Expressreform gegen Mas.

    Autor:a

    ai

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    3 Comentârs → on Spanische Expressreform gegen Mas.

    Wie schnell es gehen kann, eine Verfassungsänderung durchzuboxen, hat der spanische PP um Ministerpräsident Mariano Rajoy gestern in Madrid eindrucksvoll bewiesen. Da der Partido Popular über die erforderliche Mehrheit verfügt, konnte er gegen den Widerstand fast aller anderer Fraktionen, einschließlich der Sozialisten (PSOE), im Eilverfahren das Grundgesetz anpassen. An einem einzigen Tag.

    Freilich wurde mit der Änderung nicht etwa die Grundlage geschaffen, damit die Katalaninnen und Katalanen eine Abstimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit abhalten können. Die Möglichkeit hierzu hätte der PP mit seiner Mehrheit jedoch, weshalb die Feststellung, Madrid könne — anders als London den Schotten — die Abhaltung einer derartigen Volksabstimmung aufgrund von Verfassungszwängen selbst dann nicht gewähren, wenn es wollte, Lügen gestraft wurde. Verfassungszwänge ließen sich binnen eines Tages aus dem Weg räumen.

    Der Inhalt der nunmehrigen Verfassungsänderung war vom PP bereits vor den katalanischen Parlamentswahlen vom 27. September angekündigt worden: Fortan soll das spanische Verfassungsgericht die Möglichkeit haben, selbst für den unmittelbaren Vollzug der eigenen Urteile zu sorgen.

    Was er sich von der Reform erwartet, hat Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits verkündet: Eine Amtsenthebung des katalanischen Präsidenten Artur Mas direkt durch das Verfassungsgericht. Ein Versuch, die wahren Absichten zu kaschieren oder die Reform nicht als Ad-Personam-Maßnahme erscheinen zu lassen, wurde erst gar nicht unternommen.

    Dabei scheint Rajoy das Ausmaß der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung nicht ganz verstanden zu haben: Wenn am vergangenen Sonntag knapp 48% der Katalaninnen und Katalanen für die Unabhägngigkeit votiert haben, wird die Amtsenthebung von Artur Mas, so er überhaupt als Präsident bestätigt wird, nicht wirklich etwas verändern. Mas ist nicht für den Selbstbestimmungswunsch verantwortlich, er hat ihn lediglich interpretiert und institutionell kanalisiert.

    Maßnahmen, wie die jetzt in Madrid genehmigte, werden das Gefühl, vom Zentralstaat nicht ernstgenommen zu werden, in Katalonien nur noch vergrößern. Mit Demokratie und einem Dialog auf Augenhöhe hat all dies nichts zu tun.

    Europäische Politikerinnen reisen gern mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt, und werben für die Einhaltung von Grundrechten und Demokratie. Es wäre jetzt aber höchst an der Zeit, auch auf unserem Kontinent die Augen nicht länger zu verschließen und die Judizialisierung der Politik in Spanien an den Pranger zu stellen.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Freiheitlicher Spagat.

    Autor:a

    ai

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    6 Comentârs → on Freiheitlicher Spagat.

    Ausländer gehören zu den Lieblingsthemen der Freiheitlichen. Nicht selten wird die Einwanderungs- und Integrationspolitik kritisiert. So fordert Ulli Mair: “Einwanderer haben zunächst eine Bringschuld und ohne diese auch in die Pflicht zu nehmen, wird Integration unmöglich sein.” Ausländer müssten über Werte, Normen, Denk- und Verhaltensmuster, kulturelle und religiöse Traditionen unserer Gesellschaft informiert werden und Bescheid wissen sowie die Landessprachen beherrschen.

    Laut salto.bz wollen nun genau diese Freiheitlichen mit einem Beschlussantrag erreichen, dass Vereine, die “keine Einwanderer aufnehmen oder Einwanderer aus der Vereinsgemeinschaft ausschließen” nicht vor der Antidiskriminierungsstelle landen können.

    Wir fassen zusammen: Ausländer haben eine Bringschuld und müssen unsere Sprache(n) lernen und unsere Tradition verstehen, sich integrieren, sich anpassen. Besser als mit jedem Lehrbuch erreicht man dies wohl durch die Mitgliedschaft in einem Verein. Gleichzeitig möchten die Freiheitlichen aber dafür sorgen, dass Vereine sich ohne Konsequenzen Ausländern verschließen dürfen.

    Ich habe den Verdacht, die Blauen wollen die neuen Südtiroler bewusst in eine lose-lose-Situation bringen, damit sie dann in einigen Jahren wieder schimpfen können und den “Beweis” dafür haben, dass sich diese Ausländer einfach nicht integrieren wollen. Es wäre ihr Untergang, würden sie durch gelungene Integration ihren Lieblingsfeind verlieren. Deshalb torpedieren sie eine solche, indem sie die Erfüllung ihrer eigenen Integrationsforderungen erschweren bis verunmöglichen. Es darf einem nur nichts zu blöd sein.



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  • Pauschalisierungsprojekt ff-Georg Mair.

    Autor:a

    ai

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    5 Comentârs → on Pauschalisierungsprojekt ff-Georg Mair.

    Die heute erschienene Ausgabe des Wochenblatts ff enthält — mal wieder, möchte man sagen — einen Leitartikel zum Thema Selbstbestimmung, der nur so vor Vorurteilen, Pauschalisierungen und Totschlagargumenten strotzt. Anlass diesmal: Die katalanische Parlamentswahl von letztem Sonntag, bei der die Unabhängigkeitsbefürworter knapp 48% der Wählerstimmen erhielten, während die Unabhängigkeitsgegner etwas mehr als 39% auf sich vereinigen konnten.

    Die Parteien, die eine Abstimmung über die Staatszugehörigkeit Kataloniens befürworten, kommen auf weit über 50% der Wählerstimmen.

    Der Autor, Georg Mair, stellt seinen Leitartikel unter den vielsagenden Titel »Egoismusprojekt Selbstbestimmung«, einen gemeinamen Nenner, den er unter die Bestrebungen von Katalanen, Schotten und Südtirolern schiebt. Obschon erstere genauso wie letztere nie eine freie und demokratische Abstimmung über die Unabhängigkeit durchführen durften, weiß Mair:

    In Katalonien [gibt es] keine Mehrheit für ein unabhängiges Katalonien.

    – Georg Mair

    So demokratisch sind unsere Unabhängigkeits- und Selbstbestimmungsgegner, dass sie das Ergebnis schon kennen, bevor jemals eine Abstimmung stattgefunden hat.

    Dafür ist sich Mair nicht zu schade, den Südtiroler Selbstbestimmungsbefürwortern — pauschal, wohlgemerkt! — vorzuwerfen, »ein gelassener Umgang mit anderen Anschauungen oder Respekt für Minderheiten« gehöre nicht zu ihren Tugenden. Aha. Bislang fällt in Südtirol jedoch vor allem auf, dass mit Unabhängigkeitsbefürwortern paternalistisch und herablassend umgegangen wird. Eine ergebnisoffene Diskussion wird gerade auch von Medien wie der ff nicht zugelassen, sondern mit Totschlagargumenten (Egoismus! Zündelei! Krieg!) erstickt.

    Mair schreibt:

    Was passiert etwa mit den Italienern in Südtirol, die wollen, dass alles bleibt, wie es ist? Müssten diese sich einfach beugen, sollte der (unwahrscheinliche) Fall eintreten, dass die Mehrheit der Südtiroler eine Loslösung von Italien befürwortet?

    – Georg Mair

    Für den Fall, dass sich eine Mehrheit der Südtiroler für die Loslösung von Italien entscheidet, ist es zunächst äußerst unwahrscheinlich, dass die Gegner allesamt »Italiener« und die Befürworter allesamt »Nichtitaliener« sein werden. Aber drehen wir die Frage einfach um, Herr Mair:

    Was passiert etwa mit den Menschen aller Sprachgruppen in Südtirol, die die Unabhängigkeit wollen? Müssten diese sich einfach beugen, sollte der (wahrscheinliche oder unwahrscheinliche, das sei dahingestellt) Fall eintreten, dass die Mehrheit der Südtiroler einen Verbleib bei Italien befürwortet?

    Auf eine Antwort wäre ich gespannt. Ich gehe kaum davon aus, dass Herr Mair Schwierigkeiten hätte, den Unabhängigkeitsbefürwortern die Folgen einer demokratischen Unterlegenheit zuzumuten. Das unterstelle ich jetzt mal, so wie er gern mit Unterstellungen arbeitet.

    Selbstbestimmung klingt gut. Ich bin selbstbestimmt, der Nachbar links und der Nachbar rechts auch. Und dann kommen wir uns in die Haare, selbstbestimmt wie wir sind, beharren wir auf unserem Recht und vor allem darauf, dass der arme Nachbar keineswegs von unserem Wohlstand profitieren darf.

    – Georg Mair

    Es ist völlig unklar, warum die bestehenden Staaten diesem Beispiel folgend einen höheren Anspruch auf Eigenregierung haben, als neue Staaten, die einem Selbstbestimmungsprozess entspringen. Glaubt Mair wirklich, dass sich letztere — aus welchem Grund? — häufiger in die Haare geraten, als erstere? Und was unterscheidet die »staatliche« Selbstbestimmung in dieser Hinsicht von der individuellen Selbstbestimmung? Sollten wir letztere etwa aufgeben, damit wir uns nicht mit unserem Nachbarn streiten? Nachvollziehbare Argumente gegen die Unabhängigkeit, und solche gibt es, klingen anders.

    Selbstbestimmung ist auch ein Egoismus-Projekt. Das wurde besonders in Katalonien deutlich: Die reichen Katalanen wollen nicht mit den armen Galiziern teilen, nur um einen Namen zu nennen.

    – Georg Mair

    Dieses immer wiederkehrende »Argument« hat etwa Peter Kraus in seinem exzellenten Beitrag entkräftet, den wir hier wiedergeben durften. Weshalb ich mich weiterer Ausführungen enthalte.

    Am schlimmsten und gleichzeitig am aufschlussreichsten finde ich aber diese Passage im Leitartikel von Georg Mair:

    Politisch ist die Selbstbestimmung für Südtirol sowieso ein schwieriges Geschäft und wäre mit schweren Konflikten verbunden, weil sie nur im Streit mit dem Staat erfolgen könnte, zu dem Südtirol gehört. Und dieser Staat wird es nicht erlauben, dass Südtirol sich davonmacht.

    – Georg Mair

    Was ist das für eine Demokratie und was ist das für ein Demokrat, der so etwas behauptet? Politische Konflikte sind also grundsätzlich zu vermeiden, wir sollen kuschen? Mit dieser Anpassungsmentalität hätten wir heute nicht nur kein Autonomiestatut, sondern wahrscheinlich auch kein Frauenwahlrecht, keinen Zivildienst und vieles mehr. Politische Errungenschaften sind fast immer durch Missachtung oder zumindest Herausforderung des juristischen Status Quo entstanden.

    Warum neue Konflikte provozieren, warum Unfrieden zwischen den Sprachgruppen schüren, warum einen Spalt in die Gesellschaft treiben – wo sich doch in anderen Ländern zeigt, dass Selbstbestimmung ein Land in etwa genau gleiche Teile teilt.

    – Georg Mair

    Auch das muss und kann eine reife Demokratie aushalten. Es geht nicht um Spaltung, sondern um ganz normale Konfliktfähigkeit, die für jeden demokratischen Entscheid vonnöten ist.

    Kraus schreibt hierzu:

    Katalonien ist keineswegs eine tief gespaltene Gesellschaft. Zwar polarisiert die Frage »Unabhängigkeit ja oder nein« die Bürger. Wie sollte es auch anders sein? Doch diese Polarisierung wird — ähnlich wie im vergangenen Jahr in Schottland oder 1995 in Québec — demokratisch gut ausgehalten. In den Straßen und Bars Barcelonas ist von tiefen Spaltungen nichts zu spüren. Und auch unter Politikern, die für diametral entgegengesetzte Optionen stehen, wie Xavier García Albiol, der Nummer eins der spanisch-konservativen Volkspartei in Katalonien, und Raül Romeva, dem Spitzenkandidaten der sezessionistischen Koalition Junts pel Sí­, bleibt der Umgangston jovial.

    – Peter Kraus

    Mairs Rundumschlag hingegen endet mit einem wahren Feuerwerk an Vorurteilen:

    Denkt europäisch, wer neue Grenzen schaffen will? Was wollen wir noch: Eine Armee, eine eigene Polizei (Gott bewahre uns vor dem Südtiroler Kontrollwahn!), Grenzkontrollen in Salurn und am Brenner? Wollen wir Mauern bauen, um die Zuwanderung zu verhindern oder Flüchtlinge aufzuhalten?
    Wer die Selbstbestimmung will, höhlt die Autonomie aus, die wir haben und die das Maximum ist, das wir haben können. Sind wir etwa unfrei, werden in Südtirol die Menschenrechte eingeschränkt, hat jemals ein Schütze nicht gegen Italien wettern oder für die Selbstbestimmung eintreten dürfen? Die Antwort ist nein.
    Also muss mir erst einmal jemand erzählen, welche Vorteile die Selbstbestimmung hätte: Sind wir dann freier, aufgeschlossener, europäischer, besser an die Welt angebunden, betreiben wir weniger Nabelschau, geht es uns wirtschaftlich besser?

    – Georg Mair

    • Südtiroler Kontrollwahn? Gibt es dafür irgendeinen Anhaltspunkt? Geht es Ländern mit laschen Gesetzen und Kontrollen besser, ist dort die Lebensqualität höher?
    • Grenzkontrollen in Salurn und am Brenner? Am Brenner gibt es schon heute eine Staatsgrenze, ohne dass es dort Kontrollen gäbe. Wir haben in Europa nicht »keine Grenzen«, sondern weitgehend »offene Grenzen«. Besser sind mehr offenere Grenzen als wenigere geschlossene Grenzen. Verwaltungsgrenzen werden wir stets benötigen, wenn die EU nicht als zentralistisches Monster nach italienisch-französischem Vorbild regiert werden soll.
    • Die Autonomie als das Maximum, das wir haben können? Warum? Wer sagt das? Ist die Geschichte schon zu Ende oder darf nicht sein, was Herr Mair nicht will?
    • Wer die Selbstbestimmung will, höhlt die Autonomie aus? Wo liegt der Zusammenhang? Ist es wennschon nicht umgekehrt? Um die Schotten zum Verbleib im Vereinigten Königreich zu bewegen, machte London große Zugeständnisse, die einen nie dagewesenen Autonomieausbau für Schottland bedeuten würden.
    • Unfrei, Menschenrechte? Worum geht’s? Wir sprechen hier doch über Demokratie, über das ganz normale Recht, frei und demokratisch über die Zukunft unseres Landes zu befinden. Um dies tun zu dürfen, sind Unfreiheit und Verletzung der Menschenrechte keine Voraussetzung — sondern vielmehr der Wunsch, die Lebensverhältnisse für alle zu verbessern.

    Ich habe den Verdacht, dass ein selbstbestimmtes Südtirol ein altes Südtirol wäre: selbstbezüglich, verfilzt, intolerant und mit dem festen Glauben, der Nabel der Welt zu sein.

    – Georg Mair

    Ist das Georg Mairs »gelassener Umgang mit anderen Anschauungen«? Eine verhaltenere und vorurteilsbehaftetere Stellungnahme als seine ist für mich eigentlich schwer vorstellbar.

    PS: Wenn er ein Anliegen teilt, ist er zu ganz anderen Ansichten fähig, die den hier zum Ausdruck gebrachten teils diametral widersprechen.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Katalonien: Politischer Rock’n’Roll.

    Mit freundlicher Genehmigung des Autors, Peter Kraus, geben wir hier einen Artikel wieder, der gestern in der »Süddeutschen Zeitung« erschienen ist. Kraus ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Augsburg.

    Der Block der Unabhängigkeitsbefürworter hat am vergangenen Sonntag bei der Regionalwahl in Katalonien einen Sieg errungen, wenngleich es ein relativer Sieg ist. Bei einer außerordentlich hohen Wahlbeteiligung von 77,44 Prozent haben die Gruppierungen, die das Ausscheiden Kataloniens aus dem spanischen Staatsverband anstreben, eine absolute Mehrheit der Mandate im Regionalparlament erlangt. Die hohe Wahlbeteiligung ist insofern überaus signifikant, als die in Spanien regierende konservative Volkspartei und die Madrider Medien bisher immer argumentiert haben, eine bislang schweigende Mehrheit der katalanischen Wähler würde der Unabhängigkeit eine klare Absage erteilen, wenn es um die Frage »Sezession ja oder nein« ginge. Die Wahlen waren auf katalanischer Seite der Versuch, ein Ersatzplebiszit über diese Frage zu veranstalten, da die Exekutive des Königreichs Spanien die Abhaltung einer echten Volksbefragung bislang um keinen Preis zulassen will. Spanien unterscheidet sich hier vom Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, das im vergangenen Jahr die Schotten über ihren Verbleib im britischen Staat abstimmen ließ.

    Die katalanischen independentistes, repräsentiert vom Bündnis Junts pel Sí­ (»Gemeinsam für das Ja«) sowie der kleineren und radikaleren Candidatura d’Unitat Popular (einer losen Plattform linker Basisgruppen), haben die Wahlen nach Sitzen klar gewonnen, eine absolute Mehrheit der Stimmen allerdings knapp verfehlt. So bleibt letztlich offen, wie ein unter normalen Bedingungen abgehaltenes Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien ausgehen würde. Die katalanische Frage wird Spanien und Europa noch eine ganze Weile weiter beschäftigen.

    In der deutschen Öffentlichkeit wird der »Prozess« — so die unter Katalanen gebräuchliche Bezeichnung für den Weg, der ihr Land vom aktuellen Autonomiestatus zur Erlangung der staatlichen Souveränität führen soll — häufig von einer Perspektive aus betrachtet, die recht borniert scheint. Zum einen wird der Streit um die politische Zukunft Kataloniens als Ausdruck des Konflikts zwischen reichen und armen Regionen gedeutet. Zum anderen wird das Gespenst heftiger ethnischer Gegensätze, wie wir sie aus dem ehemaligen Jugoslawien kennen, heraufbeschworen. Doch wirtschaftliche Motive sind nur einer von vielen Faktoren, die die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen erklären.

    Viel wichtiger ist das unter einer großen Mehrheit katalanischer Bürger verbreitete Gefühl, als strukturelle Minderheit keinerlei Möglichkeit zu haben, eigene Anliegen gegenüber einem auch 40 Jahre nach Francos Tod im Namen der »einen und unteilbaren« spanischen Nation zentralistisch agierenden Staat effektiv vertreten zu können.

    Tief gespaltene Gesellschaft? Selbst unter den Politikern bleibt der Umgangston jovial

    Nicht viel erhellender ist es, den Prozess als Ausdruck der »ethnonationalen« Identitätssuche in Zeiten globaler Unsicherheit zu interpretieren. Katalonien ist keineswegs eine tief gespaltene Gesellschaft. Zwar polarisiert die Frage »Unabhängigkeit ja oder nein« die Bürger. Wie sollte es auch anders sein? Doch diese Polarisierung wird — ähnlich wie im vergangenen Jahr in Schottland oder 1995 in Québec — demokratisch gut ausgehalten. In den Straßen und Bars Barcelonas ist von tiefen Spaltungen nichts zu spüren. Und auch unter Politikern, die für diametral entgegengesetzte Optionen stehen, wie Xavier Garcà­a Albiol, der Nummer eins der spanisch-konservativen Volkspartei in Katalonien, und Raül Romeva, dem Spitzenkandidaten der sezessionistischen Koalition Junts pel Sí­, bleibt der Umgangston jovial.

    Der sich politisch aufgeklärt wähnende Blickwinkel, der in Deutschland dominiert, neigt dazu, katalanische Forderungen nach kollektiver Selbstbestimmung vor dem Hintergrund der in nationalen Fragen stark problembehafteten eigenen Vergangenheit zu sehen. Zudem mögen die nationalistischen Exzesse auf dem Balkan im Zuge der Auflösung Jugoslawiens eine Rolle spielen, wenn bundesrepublikanische Beobachter den gegenwärtigen Konflikt zwischen Katalonien und Madrid einzuordnen und zu bewerten versuchen.

    Oft werden die Katalanen als skurril, wenn nicht gar als störend wahrgenommen. Ihre Forderungen erscheinen als anachronistisch, und immer wieder fällt der Hinweis, dass Europa im Moment wichtigere Sorgen hat, als sich um die Befindlichkeit eines kleinen Volkes zwischen östlichen Pyrenäen und Mittelmeer zu kümmern. Mitten im katalanischen Wahlkampf hat die Bundeskanzlerin mit ihrem Eintreten für die »territoriale Integrität« Spaniens dem spanischen Premier Mariano Rajoy den Rücken gestärkt. In Spanien stoßen katalanische Selbstbestimmungswünsche bislang auf Granit, und auch unter Europas Mächtigen finden sie keine beherzten Fürsprecher.

    Viele Katalanen empfinden das beharrliche Ignorieren ihrer Anliegen nicht nur von Seiten Madrids, sondern auch von Seiten Brüssels und Berlins inzwischen als demütigend. Die beeindruckenden Mobilisierungserfolge, die die Unabhängigkeitsbewegung seit 2010 vor Ort erzielt, scheinen nicht zuletzt den Zweck zu erfüllen, katalanische Ohnmachtsgefühle voluntaristisch zu überwinden und die Hoffnung zu bewahren, dass sich harte politische Wirklichkeiten durch beharrlichen kollektiven Einsatz verändern lassen. Denjenigen, für die es keine Politik jenseits der harten Grenzen staatlicher Realpolitik gibt, mag dies naiv erscheinen. Für die Hunderttausende Katalaninnen und Katalanen, die in einem dichten Netz zivilgesellschaftlicher und politischer Assoziationen seit Jahren für das »Recht zu entscheiden« eintreten, ist der breite Rückhalt, den ihre Forderungen genießen, hingegen ein Zeichen demokratischer Würde und Legitimität. Im Kern ist der katalanische Prozess Ausdruck des Wunsches dieser Bürger, über ihr politisches Schicksal nach demokratischen Regeln selbst bestimmen zu können. Ethno-Pathos und der Vergangenheit zugewandte Folklore spielen demgegenüber eine allenfalls marginale Rolle.

    Dies wird jedesmal deutlich, wenn man Aktivisten der Bewegung reden hört, etwa am Freitag vor den Wahlen auf der Abschlusskundgebung von Junts pel Sí­, einer schillernden Koalition, die liberale und linke politische Kräfte, gesellschaftliche Organisationen, Intellektuelle, Künstler und Sportler mit dem Ziel gebildet haben, um den Weg für eine katalanische Republik zu ebnen. Die Ansprachen von Politikern werden eingerahmt von einem Happening, bei dem neben lokalen Pop-Bands und der afrokatalanischen Jazzsängerin Mónica Green die Gitanos von Sabor de Gràcia auftreten. Die katalanischen Roma aus Barcelonas Szene-Stadtteil singen Rumbas für die Unabhängigkeit und lassen sich zwischendurch von dem aus Puerto Rico eingeflogenen Sänger Jerry Medina begleiten.

    Als Spitzenkandidaten der Parteien, die sich den independentisme auf die Fahnen geschrieben haben, wenden sich Oriol Junqueras und Artur Mas in katalanischer Sprache an die 70.000 versammelten Anhänger. Doch die Vertreter von Súmate (»Mach mit«), einer Organisation, die sich als Sprachrohr »zugewanderter« Katalanen im Prozess versteht, geben ihre Statements zuvor auf Spanisch ab.

    Dies ist keine Bewegung, die danach strebt, auf dem Gebiet der von Karl dem Großen gegründeten Spanischen Mark im 21. Jahrhundert ein ethnokulturelles Ghetto zu errichten, wie manch ein spanischer Intellektueller gegen die Causa catalana ins Feld geführt hat. Es ist eine Bewegung, die bisher in allen ihren Schritten darum bemüht war, demokratische Glaubwürdigkeit und kosmopolitische Offenheit zu vermitteln. Es ist in weiten Teilen eine Bewegung, die versucht, im realpolitischen »Europa der Staaten« eine Lücke für das »Europa der Bürger« aufzureißen. Und es ist eine neuartige Bewegung, die — wie so vieles, was sich heute in einem sklerotischer denn je anmutenden Europa von unten artikuliert — althergebrachte Raster zu sprengen und einen politischen Paradigmenwechsel anzukündigen scheint.

    Es geht nicht um reaktionäre Folklore, sondern um fortschrittliche Selbstorganisation

    Der katalanische Prozess steht weniger für einen angestaubten oder gar regressiven identitären Trachtentanz als für zeitgemäßen mediterranen Rock’n’Roll. Es gibt darin gewiss nicht nur Licht, sondern durchaus auch Schatten. Aber in Katalonien wird die Unabhängigkeitsbewegung, anders als im Veneto oder zum Teil wohl auch in Flandern, nicht von Wohlstandschauvinismus oder völkischem Atavismus angetrieben. Sie ist vielmehr Ausdruck einer zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation und eines demokratisch getragenen Selbstbehauptungswillens, die auch vor den starren Strukturen etablierter Staatlichkeit nicht haltmachen wollen. Es ist gerade dieses innovative Moment, das in Deutschland und in Europa ernst genommen werden sollte, um zu vermeiden, dass die Europäische Union zu einer reinen Ordnungsanstalt wird, in der die Verwaltung des Status quo Bemühungen um demokratischen Wandel keinen Spielraum lässt.

    Siehe auch: 01



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  • Zweisprachigkeit im Amt deutlich verschlechtert.

    Autor:a

    ai

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    2 Comentârs → on Zweisprachigkeit im Amt deutlich verschlechtert.

    Alle zehn Jahre veröffentlicht das Landesstatistikinstitut (Astat) ein sogenanntes Sprachbarometer, das — wie der Name schon verrät — die wichtigsten Daten zur Sprachsituation in Südtirol beinhaltet. Nun ist es endlich wieder so weit.

    Da es sich beim soeben veröffentlichten Bericht (erst) um den zweiten dieser Art handelt, sind jetzt erstmals Vergleiche möglich. Eine Gesamtanalyse maße ich mir noch nicht an, doch habe ich mir vorerst einen wichtigen Teilaspekt herausgefischt — und der hat es in sich.

    Schon 2004 wurde klar, dass die deutsche Sprache als Amtssprache, obschon rechtlich der italienischen gleichgestellt, einen sehr schweren Stand hat. In einem mehrheitlich deutschsprachigen Land wie Südtirol war die Schwierigkeit, die deutsche Sprache im Umgang mit öffentlichen Ämtern zu benutzen, eher mit der Lage der (rechtlich nicht umfassend gleichgestellten) ladinischen Sprache zu vergleichen, als mit der Lage des Italienischen.

    Diese Tatsache hat sich im Laufe der letzten 10 Jahre nicht etwa verbessert, sondern noch einmal bedeutend verschlechtert. Während nämlich die — unbefriedigende — Situation des Ladinischen mehr oder minder unverändert blieb, verschlechterte sich die Erfahrung der deutschen Sprachgruppe in öffentlichen Ämtern noch einmal deutlich, sodass der Anteil an Negativerfahrungen zwischen den beiden Minderheitensprachen nur noch rund fünf Prozentpunkte auseinanderliegt (59,6% und 64,4%).

    Bemerkenswert ist zudem, dass auch die Mitglieder der italienischen Sprachgruppe insgesamt eine Verschlechterung beklagen und nunmehr zu rund 14% angeben, (im Jahr vor der Erhebung) »oft« oder »manchmal« eine Verweigerung ihres Rechts auf Muttersprache erlebt zu haben. Wie schon 2004 war die Situation des Italienischen als Amtssprache jedoch »um Welten« besser, als die der beiden anderen Landessprachen.

    Der Anteil an Bürgerinnen der deutschen Sprachgruppe, denen im Jahr vor der Erhebung nie ihr Recht auf Muttersprache verweigert wurde, sackte zwischen 2004 und 2014 um über 40% ein und liegt nunmehr bei lediglich 25,4%.

    Erstaunlich ist, dass die Verweigerung der deutschen Amtssprache auch in der Landesverwaltung und im (ebenfalls vom Land Südtirol abhängigen) Gesundheitswesen um ein Vielfaches größer ist als die Verweigerung der italienischen Amtssprache.

    Die deutsche Sprache wird von den Carabinieri (36,1%) am häufigsten verweigert, dicht gefolgt von den Sanitätseinheiten und Krankenhäusern (31,9%). Für Italiener- (8,8%) und Ladinerinnen (56,3%) stellt das Gesundheitswesen gar den Bereich dar, wo ihnen das Recht auf Muttersprache am häufigsten verweigert wurde — wodurch dies auch sprachgruppenübergreifend der Sektor ist, der (dicht gefolgt von den Carabinieri) die meisten Probleme schafft.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 || 01 02



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  • Demokratie vor Gericht.

    Autor:a

    ai

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    0 Comentârs → on Demokratie vor Gericht.

    Zwei Tage nach dem erfolgreichen Plebiszit in Katalonien hat Madrid seine demokratische Reifeprüfung angetreten — nicht mit Dialog, sondern mit einer weiteren Kursverschärfung in der Judizialisierung eines politischen Prozesses. Artur Mas, Joana Ortega und Irene Rigau, ihres Zeichens Präsident, Stellvertreterin und Bildungsministerin der scheidenden katalanischen Regierung wurden für die Abhaltung der nicht bindendenen Volksabstimmung über die staatliche Zugehörigkeit Kataloniens vom 9. November 2014 vor Gericht zitiert. Ihnen werden Amtsmissbrauch, Amtsanmaßung, Rechtsbeugung und Missbrauch von Steuergeldern vorgeworfen, weil sie in einer Demokratie mit einer Abstimmung den freien Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in Erfahrung bringen wollten.

    Dass es sich bei der zeitlich punktgenauen Vorladung um keinen Zufall handelt, sondern um eine politische Antwort, stellte der spanische Justizminister indirekt klar. Er erklärte, dass man bewusst die Wahlen vom 27. September abgewartet habe, »um sie nicht zu beeinflussen«. Damit steht aber gleichzeitig fest, dass die Zentralregierung ihre Hände mit im Spiel hat und die Justiz möglicherweise benutzt, um politischen Einfluss auszuüben. Schon die Anklageerhebung im November letzten Jahres war äußerst umstritten und gegen den Willen der katalanischen Staatsanwaltschaft zustandegekommen.

    Dass der Vorladungstermin von Artur Mas (der 15. Oktober), anders als jener von Rigau und Ortega, mit dem 75. Jahrestag der Erschießung seines Vorgängers Lluís Companys durch die Franquisten zusammenfällt, ist nur ein geschmackloses Detail.

    Siehe auch: 01



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