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  • Bianchi ist Landesrat für ›Valorisierung‹.

    Christian Bianchi (FI), der die Italienerinnen in Südtirol für eine Sprachminderheit hält und sogar der Meinung ist, man sollte ihnen das Recht absprechen, sich von deutschsprachigen Landtagsabgeordneten vertreten zu lassen, ist seit 2024 »Landesrat für Hochbau, Valorisierung des Vermögens, Grundbuch und Kataster«.

    Offizielle Website der Landesregierung (Ausschnitt)

    Dabei ist »Valorisierung des Vermögens« nichts als eine wörtliche, aber irreführende Übersetzung aus dem Italienischen (»valorizzazione del patrimonio«), die im Deutschen keinerlei sinnvolle Bedeutung hat.

    Laut Duden ist der Begriff »Valorisierung« gleichbedeutend mit »Valorisation«, für den wiederum auf das Verb »valorisieren« verwiesen wird. Einzige Definition:

    Preise durch staatliche Maßnahmen zugunsten der Produzierenden beeinflussen

    – Duden

    Nachdem Christian Bianchi ganz sicher nicht Preise zugunsten der Produzierenden beeinflusst, ist seine deutsche Amtsbezeichnung Unfug. Sowas geschieht, wenn man selbst auf Landesebene — wo die deutsche Sprache vorwiegt — alles nur noch vom Italienischen her denkt und sich noch nicht einmal die Mühe macht, sorgfältig zu übersetzen.

    Wollte man die »valorizzazione del patrimonio« korrekt ins Deutsche übertragen, wenn Amtsbezeichnungen schon zuerst auf Italienisch erdacht werden, könnte man beispielsweise »Vermögensaufwertung« sagen.

    Aber wen interessiert das schon? Hauptsache, pro forma steht da irgendwas deutsch Klingendes. Dass es auch noch etwas bedeuten soll, scheint inzwischen selbst auf höchster Ebene niemand mehr für nötig halten.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06



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  • Radarkontrollen werden in Italien wieder reformiert.
    Tödliches Schilda

    Während Rasende weltweit seit Jahrzehnten dank elektronischer Geschwindigkeitskontrollen aus dem Verkehr gezogen werden können, erfindet Italien gerade — zum gefühlt 84. Mal — das Rad(ar) neu.

    Standardlösung: Es wird zentralisiert und ein staatsweites (aka »nationales«) Register der Blitzeranlagen eingeführt. Was sonst?

    Ohnehin dürfen Geräte in Italien nur an besonders gefährlichen Stellen stehen. Sie müssen einzeln vom Präfekten genehmigt werden und dürfen seit einer kürzlichen Gesetzesänderung beispielsweise keine Begrenzungen unter 50km/h mehr überwachen, weil Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) 30er Zonen missfallen.

    Zu allem Überfluss muss jede Messung mit Schildern angekündigt werden, damit höchstens unaufmerksame Raserinnen geschnappt werden können.

    Fehlt eigentlich nur noch, dass sich ein Polizist in Unterhosen neben jeden Blitzer stellen und gleichzeitig auf einem Bein hüpfen muss, damit die Kontrolle gültig ist.

    Hierzulande sind laut Rai Südtirol derzeit sogar alle sogenannten Speedcheckboxen außer Betrieb.

    Außerdem besteht — wieder einmal — große Rechtsunsicherheit: Messgeräte brauchen eine sogenannte »Homologierung«, die gar nicht existiert, weil eine nötige Durchführungsverordnung seit über 30 Jahren fehlt. Das Kassationsgericht habe wiederholt festgestellt, so Rai Südtirol, dass eine behördliche Genehmigung kein Ersatz für die Homologierung ist.

    Mir ist kein Land der Erde mit einer derart bürokratischen, absurden und dysfunktionalen Regelung bekannt. In Italien ist das leider eher die Regel als eine Ausnahme. Bloß dass es bei den Radarkontrollen um die allgemeine Sicherheit und Gesundheit geht, im Grunde oft sogar um Leben oder Tod. Überhöhte Geschwindigkeit ist eine der Hauptursachen für tödliche Unfälle, damit sollte man nicht spaßen.

    Doch mit dem staatsweiten Register wird nun sicher alles besser — oder?

    Oder?

    Mitnichten. Zwar sollen nicht im Verzeichnis eingetragene Geräte fortan illegal sein, doch das heißt nicht, dass dann im Umkehrschluss die anderen legal sind. Es wird nur eine weitere Hürde aufgebaut, während das Homologierungsproblem unverändert bestehen bleibt.

    Inzwischen wundern sich vielleicht manche, dass die Unfallzahlen in Bozen nach oben schnellen oder dass unsere Straßen — insbesondere die Dolomitenpässe — als Rennstrecken missbraucht werden können.

    Daran aber, dass ein unabhängiges (oder tatsächlich autonomes) Südtirol Geschwindigkeitskontrollen besser (nämlich wie ein normales, zivilisiertes Land) reglementieren könnte und auch würde, dürften wohl kaum Zweifel bestehen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Tourismus fünf Milliarden Euro schwer?


    Wenige zweifeln am wirtschaftlichen Gewicht der Tourismusindustrie. Doch der HGV meint, die Bevölkerung schätze das zu wenig und rechnet die Tourismuserlöse hoch.

    Der HGV hat erstmals eine eigene »Hochrechnung« vorgelegt, um das wirtschaftliche Gewicht seiner Branche nach Umsätzen zu belegen. Weil der Sektor unter Rechtfertigungsdruck stehe, so HGV-Pinzger in den Dolomiten (27./28. September 2025) und sein Beitrag nicht wahrgenommen werde, müsse man Zahlen bringen. Rätselhaft, warum dann diese apologetische Studie nur exklusiv dem Athesia-Blatt zugeleitet wird. Im Übrigen gibt es für diesen Zweck auch die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, die den Beitrag des Tourismus amtlich und umfassend berechnet. Das ASTAT weist für 2022 eine Wertschöpfung des Sektors von 2,859 Milliarden Euro aus: 2024 könnten es auch 3 Milliarden Euro sein, aber nicht 5 Milliarden. Umsätze sind eben nicht Wertschöpfung, womit für die volkswirtschaftliche Analyse und für den Vergleich mit anderen Sektoren mit dieser Art Berechnung nicht viel gewonnen ist. Dankbar wird allerdings das Finanzamt sein, das sonst mühsam sogenannte »studi di affidabilità fiscale« erstellen muss. Was die HGV-Studie dabei diskret verschweigt, ist der Nettogewinn der Tourismusunternehmen, wohin dieser transferiert wird und warum eine so florierende Branche immer noch rund 70 Millionen Euro an jährlichen Subventionen einstreicht. 

    Wie dem auch sei: am wirtschaftlichen Gewicht des Tourismus zweifelt in Südtirol wohl kaum jemand. Mit einem Anteil von 11,5 Prozent (2023) an der Gesamtwertschöpfung ist der Tourismus hierzulande stark, aber nicht überragend, wie von der Lobby immer behauptet. Verwiesen wird dabei immer auf die Vorleistungen, wie z.B. auf die touristischen Lebensmittel- und Getränkeausgaben in Höhe von 830 Millionen Euro (Dolomiten, 27./28. September 2025) an Landwirtschaft, Brauereien, Weinkellereien. Dabei wird verschwiegen, dass die Südtiroler Landwirtschaft überraschend wenig ans Gastgewerbe liefert, während der Löwenanteil der Lebensmittel der Gastronomie importiert wird. Man denke z.B. ans Fleisch. Verschwiegen wird, dass auch alle anderen Sektoren Vorleistungen beziehen. Wäre es nicht der Tourismus, täten dies eben mehr Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen.

    Einen gewichtigen Teil der Ausgaben bilden die Investitionen, so die Studie, nämlich knapp 1 Milliarde Euro, die laut HGV-Studie jährlich in die Modernisierung, Ausstattung und den Ausbau der Betriebe gesteckt wird. Davon profitiert das Bauhaupt- und Baunebengewerbe. Doch in einer Situation touristischer Überentwicklung ist das kein Segen mehr, sondern zeigt ungebrochenes Wachstum an. Befeuert wird es durch die Bettenbaubeschleunigungsverordnung von 2022, die dem Land in drei Jahren einen Zuwachs von 34.000 Betten beschert hat (Stand August 2025), aber seltsamerweise »Bettenstopp« genannt wird. Tendenz nach oben, keine Obergrenze in Sicht, was wiederum das Baugewerbe beruhigt. Doch anscheinend will der HGV nicht wahrhaben, dass 1 Milliarde Euro im Jahr in Erweiterung, Neubau und Modernisierung der Hotels das heutige Problem spiegelt: ein gewaltiger Fluss an Ressourcen, Energie und Baumaterial, der sich laufend über Südtirols Landschaft ergießt. Der HGV präsentiert es als Wohltat, doch geht es um Überinvestitionen in Beherbergungskapazität, die nur mit immer mehr Ankünften und Nächtigungen zu amortisieren sind.

    Die Tourismuslobby scheint in ihrem Wachstumsdenken dermaßen gefangen zu sein, dass sie die Kehrseite dieser Entwicklung einfach verkennt. Feuer mit Öl zu löschen, wird nicht gut funktionieren. Immer mehr Menschen stoßen sich am Übermaß, am ungebrochenen Wachstum, an den zunehmenden Belastungen, wie auch repräsentative Erhebungen ergeben haben. Sie zweifeln nicht am Erlös der florierenden Branche, sondern am Leitmotiv »Nie genug«. Sie leiden am Verkehr, am Lärm, an Überfüllung, hohen Preisen, fehlenden Mietwohnungen. Immer mehr Menschen möchten der gnadenlosen Vermarktung des Landes endlich Grenzen setzen (Südtirol liegt an 3. Stelle in der EU nach Tourismusintensität). Mit etwas weniger Tourismus geriete die Wirtschaft nicht in Krise, sondern andere Branchen erhielten mehr Chancen, z.B. die sozial wichtigen Bereiche Gesundheit, Pflege, Bildung und Kultur. Der HGV verweist auf die 14 Prozent Beschäftigten im Gastgewerbe: Wäre es nicht hilfreich gegen den Personalmangel in wichtigen Branchen, wenn etwas weniger Menschen Gäste bedienen und Betten bauen? Wäre es nicht denkbar, dass der HGV sich eine Hochrechnung gönnt, wieviel die Branche zum menschengemachten Klimawandel beiträgt und warum der Klimaschutz in seinen Analysen keine Rolle spielt? Und schließlich: leben wir noch immer in einer Gesellschaft, die Wohlstand und Lebensqualität an den Umsätzen und Renditen der Hotellerie bemisst? 


    Autor:innen- und Gastbeiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung oder die Position von BBD wieder, so wie die jeweiligen Verfasser:innen nicht notwendigerweise die Ziele von BBD unterstützen. · I contributi esterni non necessariamente riflettono le opinioni o la posizione di BBD, come a loro volta le autrici/gli autori non necessariamente condividono gli obiettivi di BBD. — ©


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  • Illegalität als Vorwand für weitere Italianisierung.
    Entrechtung

    Auch der dritte und letzte italienische Koalitionspartner der SVP im Landtag, Angelo Gennaccaro von der Civica, hat sich jetzt zu Wort gemeldet, um den Zweisprachigkeitsnachweis im öffentlichen Dienst (und somit die elementarsten Grundrechte der deutschsprachigen Bevölkerungsmehrheit) anzugreifen.

    Ich zitiere hierzu aus der TAZ:

    Civica-Chef Angelo Gennaccaro drängt die Mitte-Rechts-Koalition auf eine Überprüfung des Patentinos (sic): Dieser sei nicht mehr zeitgemäß.

    – TAZ

    Auslöser ist der Skandal um gefälschte Sprachzertifikate, die zehn Angestellte im Südtiroler Sanitätsbetrieb vorgelegt haben, um den begehrten Patentino (sic) zu erhalten. Die Koalitionsparteien Fratelli d’Italia und Forza Italia fordern nun eine Überarbeitung der Regelung, da sie Menschen in die Illegalität treibe.

    – TAZ

    Den Link zu dem Artikel habe ich gestern einer Bekannten geschickt, eine progressiv denkende, engagierte Frau, die meines Wissens — zur Einordnung — keine Unabhängigkeitsbefürworterin oder auch nur glühende Verfechterin eines Autonomieausbaus ist. Sie hat mir folgendermaßen geantwortet:

    ich würde den straftatbestand der vergewaltigung abschaffen, damit männer nicht in die illegalität getrieben werden 🤬

    Dem ist, in vielerlei Hinsicht, nicht wirklich viel hinzuzufügen. Weshalb ich mir diesen Ausspruch hiermit zueigen mache.

    Es ist einfach eine bodenlose Frechheit und ein Affront, wie ungeniert sich italienische Politikerinnen, Medien, Personen des öffentlichen Lebens inzwischen erlauben, die Grundlage unseres mehrsprachigen, zumindest theoretisch gleichberechtigten Zusammenlebens grundlegend in Frage und zur Disposition zu stellen.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Mit intellektueller Faulheit zum Verlust der Deutungshoheit.
    Pro & Contra zum Siegesdenkmal

    Als Reaktion auf einen Beitrag des Eppaner Gemeinderates und vormaligen Co-Sprechers der Südtiroler Grünen, Felix von Wohlgemuth, über das sogenannte Siegesdenkmal, der auf erschienen ist, fand gestern Abend auf RAI-Südtirol ein Pro & Contra mit dem Historiker Hannes Obermair und dem Autor des Beitrags statt.

    Von Wohlgemuth fordert eine radikale Dekonstruktion des faschismusverherrlichenden Charakters des Denkmals, das auf die “Müllhalde der Geschichte” befördert gehöre. Obermair schickte gleich zu Beginn voraus, dass es gut sei, über die Thematik zu diskutieren:

    Ich freue mich sehr, dass wir diese Debatte hier führen können. Ich schätze auch, dass Herr von Wohlgemuth sich der Debatte stellt – im Unterschied zu anderen Exponenten vom rechten Rand, dem Sie nicht angehören, aber deren Argumentationsmuster Sie leider bedienen.

    – Hannes Obermair

    Erstaunlicherweise erliegt der eloquente Historiker, der maßgeblich an der Umsetzung des Dokumentationszentrums unterhalb des Siegesdenkmals beteiligt war, hier aber genau jenem Beißreflex, der so viele sachliche und notwendige gesellschaftspolitische Debatten in Südtirol und darüber hinaus im Keim erstickt. Nur weil eine angesprochene Thematik vom rechten Rand befeuert und besetzt wird, heißt das nicht notwendigerweise, dass man sich dessen Argumentationsmuster bedient, auch wenn dieses am Ende zumindest äußerlich und oberflächlich betrachtet ähnliche Resultate zeitigt. Obermairs Anwurf ist einer der schädlichsten für den demokratischen Diskurs, denn er führt dazu, dass rechten Gruppierungen die Deutungshoheit über bestimmte Themen kampflos überlassen wird, anstatt ihnen inhaltlich etwas entgegenzusetzen. Wenn man als bekennender Linker – von Wohlgemuths Selbstdefinition in der RAI-Diskussion – Gefahr läuft, zumindest bezüglich seiner Ansichten in die rechte Schublade befördert zu werden, nur weil man eine in der letzten Konsequenz, nicht jedoch in Motivation und Substanz, vergleichbare Forderung wie diverse Rechtspopulisten stellt, überlegt man lieber zweimal, ob man sich das antun möchte (Selbstbestimmungsbefürworter docet). Über mittlerweile Jahrzehnte hat die politische Linke es aus diesem Grund verabsäumt, vermeintlich rechte Themen wie Migration, öffentliche Sicherheit, Verteidigung usw. mit progressiven Konzepten, die über simple Parolen wie “Refugees welcome!” oder “ACAB” hinausgehen, zu besetzen und die Diskussion darüber faktenbasierend und ohne Scheuklappen und Denkverbote zu führen.

    Für mich ist dieses Phänomen, wie auch die Schubladisierung von von Wohlgemuths Forderung, Ausdruck intellektueller Faulheit. Von Wohlgemuth hat ausdrücklich betont, dass das Dokumentationszentrum gelungen sei, gibt aber zu Bedenken, dass dieses nur von jenen wahrgenommen werde, die aktiv den Schritt dahingehend tun. Passiven und arglosen Betrachtern gegenüber würde das Denkmal jedoch nach wie vor ungebrochen seine menschenverachtende Wirkungsmacht entfalten (Leuchtring und Marmor sind – im Gegensatz zum Schriftzug beim Piffrader-Relief – nicht auf Augenhöhe), da zwar die Geschichte des Baus wissenschaftlich kontextualisiert wurde, nicht jedoch dessen äußeres Erscheinungsbild. Damit hat von Wohlgemut vollkommen recht und legt eine Haltung an den Tag, die eine wohltuende Abwechslung zur in Südtirol vorherrschenden Appeasement-Attitüde ist – frei nach dem Motto: “Rom würde das ohnehin nicht erlauben, also fordern wir es gar nicht” (Was sagt das über Rom aus? Was sagt das über Südtirols Autonomie aus?) oder “Eine Beseitigung würde die Gefühle vieler Italiener verletzen und sie eines wichtigen Identitätsfaktors berauben.” (Seit wann wird in einer Demokratie auf die Gefühle jener Rücksicht genommen, deren Identifikation von einem diktatorischen Symbol genährt wird?) Selbst Obermair hat unlängst im Mittagsmagazin auf RAI-Südtirol bestätigt, dass es hinsichtlich der Außenwirkung Optimierungsbedarf gäbe. Und über Ausmaß und Erscheinung dieser “Optimierung” wird man doch wohl noch diskutieren dürfen, ohne gleich in Verdacht zu geraten, rechte Argumentationsmuster zu bedienen. Allein dass ein Abriss oder auch nur eine Musealisierung des Siegesdenkmales den massivsten Protest bei italienischen Rechtsextremisten hervorrufen würde, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass dies im Kern alles andere als ein rechtes Ansinnen ist, solange man gleichzeitig auch den Abriss nationalsozialistischer Denkmäler gutheißen würde. Auf welchem Planeten also ist die Forderung nach Schleifung faschistischer Denkmäler rechts? Nach dieser Logik wäre auch die in den USA immer wieder lancierte Forderung nach Entfernung der Statuen von Südstaaten-Generälen ein Konföderierten-Anliegen.

    Beschämenderweise ist über Jahrzehnte – vom unrühmlich ausgegangenen Friedensplatz-Intermezzo abgesehen – bezüglich Geschichtsaufarbeitung rund um das Siegesdenkmal nichts weitergegangen, obwohl Bozen immer von Mitte-Links regiert wurde. Man kann sich leider des Eindrucks nicht erwehren, dass es die deutschnationalen Kräfte und Nostalgiker in Südtirol gebraucht hat, um Bewegung in die Sache zu bringen. Allen anderen war das Eisen zu heiß, was einiges über den Status totalitärer Ideologien hierzulande aussagt. Meine persönliche Vision für den “Bogen der Schande” wäre übrigens kein Abriss, sondern die folgende: Die Liktorenbündel werden abgeschlagen und in Trümmern am Boden unter dem Denkmal liegen gelassen, um den Fall des Faschismus zu symbolisieren. Zusätzlich wird das Denkmal komplett in rosarote Farbe getüncht und oben drauf wird eine Quadriga aus regenbogenfarbenen Einhörnern gesetzt. Die Treppen werden Teil eines Skateparks, der das Denkmal umgibt.

    Gestaltungsvorschlag für das Bozner Siegesdenkmal – Bildbearbeitung von mir (Bildquelle)

    Im Laufe der Diskussion hat mich eine weitere Aussage Obermairs erstaunt:

    Sie müssten aber – weil Sie Deutschland zitiert haben – natürlich dann auch etwa in Buchenwald „Jedem das Seine“ entfernen. Das irritiert Sie wahrscheinlich genauso.

    – Hannes Obermair

    Obermair suggeriert somit, dass die Forderung nach Abriss des Siegesdenkmales zwangsläufig bzw. konsequenterweise auch die Forderung nach Abriss von Konzentrationslagern mit sich bringen müsse. Das ist – mit Verlaub – eine absurde Schlussfolgerung oder wiederum intellektuelle Faulheit. Was die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts anbelangt, gibt es mindestens drei Kategorien von architektonischen Zeugnissen, die völlig unterschiedlich zu betrachten sind. Zunächst gibt es da die Zweckbauten, die sich nach wie vor vielerorts finden und deren reine Existenz – wenn entsprechend entnazifiziert, sprich expliziter faschistischer Symbolik wie Hakenkreuzen entledigt – nicht bedenklich ist, obschon sie die propagandistische Ästhetik des Regimes weitertragen (z. B. die rationalistischen Büro- und Wohngebäude der Bozner Freiheitsstraße, das Berliner Olympiastadion usw.). Dann gibt es Gedenk- und Erinnerungsstätten wie die verbliebenen Konzentrationslager, die Mauer des Bozner Durchgangslagers oder auch – um ein Beispiel im kommunistisch-totalitären Kontext zu nennen – das ehemalige S-21-Foltergefängnis der Roten Khmer in Phnom Penh. Diese waren zwar auch “Zweckbauten”, jedoch war dieser Zweck der Innbegriff der Menschenverachtung dieser Regime. Somit sollte in einer demokratischen Gesellschaft klar sein, dass deren Erhalt (inklusive etwaiger Symbolik) ausschließlich Mahnmalcharakter haben kann. Für die dritte Kategorie – die Monumentalbauten, die keine praktische Funktion erfüllen, sondern wie im Falle des Siegesdenkmals ausschließlich Macht und Unterdrückung symbolisieren – gilt dies nicht. Sie werden nicht automatisch als Mahnmal wahrgenommen und entfalten – unkontextualisiert – ihre originäre Wirkung. Daher muss das “Jedem das Seine” in Buchenwald oder auch das “Arbeit macht frei” in Auschwitz selbstverständlich bleiben, das “HINC CETEROS EXCOLVIMVS LINGVA LEGIBVS ARTIBVS” jedoch wie das gesamte sogenannte Siegesdenkmal in dieser Form hinterfragt werden.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Korporatismus für den Landtag.
    Quotation

    Wenn wir bei der Landespolitik anfangen, wäre es richtig, dass sich die Zahl der italienischen Abgeordneten im Südtiroler Landtag nach dem Verhältnis der italienischen Bevölkerung in Südtirol richtet. Ein solcher Schritt würde die italienische Repräsentation auf Landesebene stärken sowie den für die italienische Bevölkerung wichtigen Themen mehr Nachdruck verleihen.

    – Landesrat Christian Bianchi

    “Wahlen sind überbewertet” ist wohl die treffendste Zusammenfassung für jenen haarsträubenden Vorschlag, den Landesrat Christian Bianchi (Forza Italia – Uniti per l’Alto Adige) im Interview mit der Tageszeitung (26. September 2025) vom Stapel lässt. Der Landesrat, der bei den Landtagswahlen 2023 3.098 Vorzugsstimmen erreichte (er lag mit diesem Ergebnis übrigens an 49. Stelle aller angetretenen Kandidatinnen), geht zum einen offenbar von einer Identität von Sprachgruppenzugehörigkeit und Wahlverhalten aus und ist zum anderen nicht von der demokratischen Überzeugung beseelt, dass die Südtirolerinnen und Südtiroler entscheiden sollen, wer sie im Landtag vertritt.

    Für einen Demokraten kommen die Themen, die der italienischsprachigen Bevölkerung wichtig sind, in ihrem Wahlverhalten zum Ausdruck und sind somit repräsentiert. Und wenn italienischsprachige Südtirolerinnen auch deutschsprachigen Kandidaten zu einem Mandat verhelfen, dann ist das zu akzeptieren und nicht durch jemanden zu “beheben”, der besser zu wissen glaubt, was die Italienischsprachigen wollen.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Rechter Frontalangriff auf die Zweisprachigkeit.
    Nach Betrugsfällen

    In Südtirol sind erneut Betrügerinnen aufgeflogen, die gefälschte Zertifikate vorgelegt hatten, um die Kenntnis der deutschen Sprache vorzutäuschen und sich einen öffentlichen Arbeitsplatz zu erschleichen. Dies nahmen die italienischen Rechten — Koalitionspartner der SVP! — nicht etwa zum Anlass, hauptsächlich die Schwindlerinnen zu verurteilen oder die Grundlagen von Autonomie und Minderheitenschutz zu verteidigen, sondern haben prompt einen konzertierten Frontalangriff auf Zweisprachigkeitspflicht und Stellenproporz in die Wege geleitet.

    Sie zeigen damit, dass ihnen die wesentlichen Säulen unseres gleichberechtigten Zusammenlebens, einschließlich des Rechts auf Gebrauch der deutschen Sprache insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich nichts wert sind.

    Die beiden Landesräte Marco Galateo von den neofaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) sowie Christian Bianchi von Forza Italia (FI) forderten eine grundlegende Reform der Zweisprachigkeitspflicht, die ihrer völligen Abschaffung sehr nahe käme. Der Parlamentarier und Vorsitzende der Sechserkommission Alessandro Urzì (FdI) nutzte die Gelegenheit, um erneut die Ausweitung von Ausnahmen, die kürzlich für den Staatsdienst genehmigt wurden, auch auf andere Bereiche ins Spiel zu bringen. Jeder kleine Dammbruch wird sofort missbraucht, um Schritt für Schritt und systematisch Demontage der Minderheitenrechte voranzutreiben.

    Fast wie der MSI

    Sowohl über die Sechserkommission als auch über die »großartige« Autonomiereform, die gerade ihren Weg durch das römische Parlament geht, hat es Urzì bereits geschafft, Minderheitenschutzmaßnahmen wie die Ansässigkeitsklausel oder den Proporz bei der Zusammensetzung von Landesregierung und Gemeindeausschüssen einseitig zugunsten der Titularnation — also der italienischen Sprachgruppe — zu schwächen.

    Der Rechtsaußen, mit dem sich die SVP bereitwillig unter eine Decke begeben hat, hat während der letzten Wochen und Monate bereits:

    Diese wenigen Beispiele ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit zeigen einmal mehr, wes Geistes Kind Urzì ist. Und während die Rechte der nationalen Mehrheit ausgeweitet werden, befinden sich die Sprachminderheiten nur noch in der Defensive. Woche für Woche gehen die italienischen Rechtsparteien mit neuen Vorstößen an die Öffentlichkeit, die den Minderheitenschutz als überholt darstellen.

    Wer solche Freunde hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 | 10 11 || 01 02



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