→→ Autorinnen →→ Gastbeiträge →→

  • BBT-Orakel.
    Wird unter uns ein Milliardengrab gebuddelt?

    Vor fast 20 Jahren – es dürfte im Juni 2007 gewesen sein – habe ich als Redakteur folgenden Kommentar in der Stubai/Wipptal-Ausgabe der Tiroler Bezirksblätter geschrieben:

    Wieviel Geld sind 6 Milliarden Euro?
    Mit 6 Milliarden Euro könnte man das Jahresbudget der Marktgemeinde Matrei für die nächsten 2390 Jahre (also bis ins Jahr 4397) finanzieren. Mit 6 Milliarden Euro könnte man rund 22.000 durchschnittliche Einfamilienhäuser errichten. Im Wipptal gibt es derzeit exakt 5.151 Haushalte. Mit 6 Milliarden Euro könnte man gleich zwei Exemplare des derzeit wohl verrücktesten – manche meinen auch größenwahnsinnigsten – Bauprojektes in Dubai verwirklichen. Der 160 stöckige, über 800m! hohe Wolkenkratzer Burj Dubai – kostet großzügigen Schätzungen zufolge nämlich „nur“ 3 Milliarden Euro. Sollte der Brennerbasistunnel tatsächlich die Lösung des leidigen Transitproblems bringen, war er jeden dieser 6 Milliarden Euros wert. Aber wenn nicht!? Entweder wird man den Verantwortlichen dereinst ob ihres Mutes und ihrer Weitsicht Denkmäler setzen oder sie aber ob ihrer Torheit ein Milliardenloch ohne gesicherte Rahmenbedingungen – wie Zulaufstrecken und gesetzlich verpflichtende Verlagerung auf die Schiene – gegraben zu haben, verfluchen. In 20 Jahren werden wir‘s wissen!

    Die 20 Jahre sind noch nicht ganz um, aber in letzter Zeit deutet einiges darauf hin, dass ich mit meiner Einschätzung nicht ganz falsch gelegen bin. Ich kann mich noch gut erinnern, wie damals im Wipptal bei einem Informationsabend mit Konrad Bergmeister Umweltschützer und besorgte Bürgerinnen und Bürger als “Verhinderer” und “Panikmacher” abgekanzelt wurden. Wobei die kritischen Stimmen nicht grundsätzlich gegen den Tunnel als Lösung für das Transitproblem waren, sondern eben genau das anprangerten und vorhersahen, was nun offensichtlich passiert: Dass es zwar – nach derzeitigen Schätzungen mit 16 Jahren Verspätung – 2032 einen Tunnel geben wird, aber die entsprechenden Bedingungen, dass dieser gut funktionieren kann, nicht geschaffen wurden. Von der Kostenexplosion des Unterfangens ganz zu schweigen. Damals habe ich noch von 6 Mrd. Euro prognostizierten Baukosten geschrieben. Anfängliche Schätzungen lagen bei 4,5 Mrd. Mittlerweile sind wir bei 10,5 Mrd. Tendenz steigend.

    Hier ein Auszug der Schlagzeilen aus der Tiroler Tageszeitung in den vergangenen Monaten:

    Milliardengrab Brennerbasistunnel im Visier: Sorge in Tirol wächst
    Peter Nindler, Freitag, 5.05.2023

    Die Ampel für den Brennerzulauf steht endgültig auf Rot
    Peter Nindler, Sonntag, 10.11.2024

    „Es ist sehr ernüchternd“: Brenner-Nordzulauf steht vor dem Aus
    Peter Nindler, Freitag, 18.04.2025

    Cëla enghe: 01 02 03



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Tag+Nacht: Autonomie und Schule.
    Autonomiereform

    Sie sagten, dass die Autonomiebestrebungen mit dieser Reform nicht abgeschlossen sind. In einigen Wortmeldungen wurde [bei der Landesversammlung der SVP zur Autonomiereform] das Thema Schule angesprochen. Wäre das der nächste Schritt?

    Im Schulbereich und in der Lehrerfortbildung wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Landesrat Philipp Achammer hat hier sehr viel weitergebracht. Wir verfügen bereits über weitreichende Kompetenzen im Schulwesen. Derzeit kämpfen wir eher mit Problemen wie etwa der Bezahlung, die uns als Arbeitgeber weniger attraktiv macht. In Bezug auf die Unterrichtsmethoden sind wir jedoch völlig frei in unseren Entscheidungen.

    LH Arno Kompatscher (SVP) im Salto-Interview mit Astrid Tötsch vom 15. April 2025


    Auch am 15. April 2025 war bei bei Rai Südtirol zu lesen:

    Zurück zu “ungenügend” und “gut”

    Ab Herbst wird in Grund- und Mittelschulen neu bewertet. Südtirol muss sich den staatlichen Vorgaben anpassen und das Bewertungssystem ändern.

    Landesrat Philipp Achammer (SVP) wollte Bewertungen eigentlich ganz abschaffen (vgl.). Stattdessen gibt es ab Herbst an Grundschulen wieder eine »synthetische Bewertung« (z.B. »gut«), an den Mittelschulen wird sogar die Notenskala von 4 bis 10 eingeführt. Mit einer Fünf in Betragen muss man sogar das Jahr wiederholen. Im heutigen Rai-Morgengespräch äußert sich Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner kritisch.

    Ganz so weitreichend, wie der Landeshauptmann im Salto-Interview angibt, sind die Zuständigkeiten wohl nicht, wenn Südtirol noch nicht einmal selbst entscheiden kann, welches Bewertungssystem zum Beispiel in den Grundschulen gelten soll und jede römische Kapriole mitmachen muss. Geschweige denn, dass das Land selbständig die Abschaffung der Noten beschließen dürfte.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 | 05



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Intensiv beschäftigt.
    Historische Ansässigkeit

    Auch auf die umstrittene Neuregelung zur Ansässigkeitsdauer beim Wahlrecht ging [SVP-Obmann Dieter] Steger ein. Dass künftig zwei Jahre Wohnsitz ausreichen sollen, sei ein „Kompromiss, dem wir mit gutem Gewissen zustimmen können“.
    Die neue Bestimmung zum „historischen Wohnsitz“ stelle sicher, dass Rückkehrer aus dem Ausland „vom ersten Tag an politisch mitgestalten können“. Das sei „ein echtes Heimatrecht – gerade für die junge Generation“.

    – Quelle: Salto

    Nun spricht der JG-Politiker David Felderer: Wir haben uns intensiv mit dieser Reform beschäftigt und wollen auch unsere Einschätzung dazu abgeben, sagt er.

    Was die Ansässigkeitsklausel anbelangt, so sei ganz wichtig daran die historische Ansässigkeit. Das ist vor alle für uns junge Leute wichtig, die ein paar Jahre im Ausland leben und danach wieder z[u]rückkommen und wählen können.

    – Quelle: Stol

    Hervorhebungen von mir

    Ganz so intensiv hat man sich mit der Reform offenbar nicht beschäftigt, denn die historische Ansässigkeit ändert nur für Rückwandernde aus Italien etwas. Darauf weist im Kommentarbereich von Salto auch Alessandro Stenico, seines Zeichens früherer Leiter des Wahlamtes in Brixen, hin. Wer zwischenzeitlich im Ausland war, konnte immer schon sofort nach der Rückkehr nach Südtirol wählen.

    Wer weiß, vielleicht haben sich SVP-Mitglieder mit anderen Aspekten der Reform etwas besser beschäftigt.

    Cëla enghe: 01



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Das Partei-Statut.

    Laut Stol soll LR Philipp Achammer (SVP) bei der gestrigen Landesversammlung der Volkspartei folgendes gesagt haben:

    Mit dieser Reform holen wir uns die Autonomie-Hoheit, die wir als SVP immer hatten, wieder ganz deutlich und auch für die Öffentlichkeit zurück.

    – Philipp Achammer

    Man ist also tatsächlich stolz darauf, das Autonomiestatut, das als Landes- bzw. Regionalverfassung allen Bürgerinnen gehört, zur Angelegenheit einer einzelnen (wenngleich der größten) Partei gemacht und andere Akteure ausgegrenzt zu haben. Nach dem Partizipationstheater des Konvents nimmt die SVP die Zügel in die Hand, fegt alle Zweifel vom Tisch und macht aus dem Statut der Südtirolerinnen wieder ein Partei-Statut.

    Bis jetzt war das nur ein Eindruck, eine böse Unterstellung. Nun wissen wir aber, dass es tatsächlich so ist.

    Dazu passt, dass Karl Zeller (SVP) laut Stol gesagt haben soll, man dürfe »nicht immer den Zweifelscheißern nachgeben«. Gelebte Demokratie- und Debattenkultur. Wenn er das sagt, der als Parlamentarier schon die Verfassungsreform von 2001 begleitet hatte, deren Schäden die aktuelle Reform ja etwas ausbügeln soll, lässt das natürlich große Hoffnung aufkommen. Ein bisschen mehr Zweifelscheißertum hätte damals vielleicht nicht geschadet, aber was weiß ich schon.

    Cëla enghe: 01 || 01



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Kommt jetzt auch noch die Ortsnamen-Erpressung?
    Der Preis der Autonomiereform

    Laut dem gestern öffentlich gewordenen Autonomiereformentwurf (und dem entsprechenden Begleitbericht) soll die von den Faschisten oktroyierte Landesbezeichnung A. Adige nicht bloß nicht abgeschafft und etwa durch Sudtirolo ersetzt, sondern sogar noch auf die deutsche Bezeichnung der Region ausgedehnt werden. Fortan wird es offiziell die Region Trentino-Südtirol/Alto Adige sein, was den krankhaften Ideen von Ettore Tolomei hundert Jahre später wieder etwas mehr Legitimität verschafft.

    Doch damit nicht genug, denn Alessandro Urzì von den neofaschistischen Fratelli d’Italia schwebt offenbar schon Größeres vor: Wie der Corriere in seiner gestrigen Südtirolbeilage berichtet, forderte er nun, der Landtag möge »eine Lösung zur Ortsnamenfrage« finden — und zwar ausdrücklich unter Berücksichtigung der vom Autonomiestatut vorgesehenen Zweisprachigkeit. Dass Urzì unter »Zweisprachigkeit« die »Zweinamigkeit« versteht und somit erwartet, dass die nationalen Minderheiten im Landesparlament die vom Faschismus aufgezwungenen kolonialen Ortsbezeichnungen absegnen, dürfte klar sein.

    Dass der Rechtsaußen seine Forderung im zeitlichen Zusammenhang mit der Autonomiereform erhebt, lässt befürchten, dass das ein weiteres Zugeständnis, also der nächste Preis sein wird, den Südtirol bezahlen soll, um die sogenannte Wiederherstellung und Absicherung der Autonomie zu bekommen: nach der Enthaltung beim Antritt von Giorgia Meloni (FdI), der Regierungsbeteiligung in Südtirol, den zwei Landesräten (statt nur einem) und der Schwächung des Minderheitenschutzes zugunsten der nationalen Mehrheit. Die SVP könnte einmal mehr geneigt sein, für das Ego des Landeshauptmanns auch diese Kröte zu schlucken.

    Ich hoffe sehr, mich zu irren.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 || 01 02



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Integration und Diversität ohne Ladinisch.

    Das Land Südtirol, das in den letzten Jahren immer wieder Anstrengungen unternommen hat, um die ladinische Sprache über gesetzliche Verpflichtungen hinaus zu berücksichtigen (01 02 03 04 05), macht die kleinste und älteste Landessprache ausgerechnet auf seinem neuen Portal zum Thema »Integration und Diversität« unsichtbar.

    Dieses ist nicht nur in keiner Einwanderungssprache verfügbar — obschon es sich hauptsächlich an Migrantinnen richtet —, sondern auch nicht auf Ladinisch.

    Website »Integration und Diversität« – Bildschirmausschnitt

    Darüber hinaus wird Ladinisch in keinem einzigen der Themenblöcke wie Ankommen in Südtirol oder Sprache und Kultur in Südtirol auch nur erwähnt. Für Menschen, die hierher zuwandern ist diese Minderheitensprache also inexistent.

    Auf den Missstand hat mich ein -Leser hingewiesen.

    Website »Integration und Diversität« – Bildschirmausschnitt

    Zugewanderte, die sich ja nicht selten auch in der Ladinia niederlassen, werden somit natürlich auch nicht über Ladinischkurse oder andere Möglichkeiten informiert, die für sie eventuell relevante Sprache zu erlernen — was dann wohl allein den Institutionen und Organisationen vor Ort aufgebürdet wird.

    Geschweige denn, dass es neben Deutsch oder Italienisch möglich wäre, Ladinischkenntnisse nachzuweisen, um in den Genuss bestimmter Landesförderungen zu kommen.

    Dabei hätte es Ladinisch als besonders gefährdete Sprache mehr als die beiden anderen, großen Landessprachen nötig, sichtbar gemacht und aktiv gefördert zu werden, gerade auch im entscheidenden Bereich der Migration.

    Zum Vergleich: In der nahen Schweiz besteht sogar die Möglichkeit, den Einbürgerungstest ausschließlich in Rätoromanisch abzulegen.

    Ich halte es für einen ganz besonders dreisten Beitrag zur Eindämmung von Vielfalt, ausgerechnet mit einer Seite, die der Diversität gewidmet sein will, eine Landessprache und somit eine ganze autochthone Sprachgruppe zu canceln — auch noch die vulnerabelste.

    Cëla enghe: 01 02



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.
  • Grüne für mehr Zentralismus.
    Autonomiereform

    In einer heute versendeten Stellungnahme kritisieren die (von den italienischen Grünen unabhängigen) Südtiroler Grünen die geplante Autonomiereform. Zu Recht bemängeln sie das undurchsichtige und wenig demokratische Zustandekommen des Entwurfs, wünschen sich aber auch mehr staatlichen Zentralismus, etwa bei ihrem Kernthema Umwelt.

    So schreiben sie:

    Man darf nicht in den Automatismus verfallen, dass es immer besser sei, nach Unten zu delegieren. Gerade wenn es um Interessenskonflikte geht – und das ist bei Raumordnung und Umwelt gang und gäbe – ist eine übergeordnete Instanz, die die Entscheidungen trifft und die Regeln vorgibt, von Vorteil. Mehr als einmal hat der Staat in Sachen Umwelt das Machtwort gesprochen.

    – aus der Pressemitteilung

    Machtworte von oben sind also — ausgerechnet in einem Staat, der seit Jahrzehnten hauptsächlich von Recht(sradikal)en regiert wird —, für die Südtiroler Grünen das Gebot der Stunde. Die Neofaschistinnen, die die Zuständigkeiten Südtirol überlassen würden, sind Brigitte Foppa, Zeno Oberkofler und Madeleine Rohrer also offenbar zu autonomistisch.

    Die Grünen trauen dem Land die Umweltpolitik nicht zu — auch sich selbst nicht, falls sie irgendwann in Regierungsverantwortung kommen sollten. Besser sind Diktate von oben.

    Ganz allgemein bezeichnen sie die Forderung nach mehr Zuständigkeiten despektierlich als »Einkaufsliste« und kritisieren gleichzeitig, dass dem zentralistischen Verfassungsgerichtshof (der die Autonomie seit 2001 massiv zusammengekürzt hatte) engere Grenzen gesetzt werden sollen.

    Die Beschneidung des Minderheitenschutzes finden die drei Landtagsabgeordneten aber gut. Sie gehen ihnen bloß noch nicht weit genug: So sind sie etwa der Meinung, dass die Ansässigkeitsklausel nicht auf zwei Jahre hätte gekürzt werden sollen, wie von der rechtsrechten italienischen Regierung geplant, sondern auf nur noch eines.

    Die Kannbestimmung zum Bevölkerungsproporz bei der Zusammensetzung der Landesregierung kritisieren sie nicht etwa, weil sie undemokratisch ist, sondern nur, weil sie sich »eine klare und unmissverständliche Lösung gewünscht« hätten, »um nicht zu jedem Legislaturbeginn in einen Gutachterstreit zu verfallen und um die politischen Manöver einzugrenzen.« Hätte man den Landtagsproporz also einfach ganz mit dem undemokratischen Bevölkerungsproporz ersetzt, den Grünen hätte es wohl gefallen.

    Cëla enghe: 01 02 03



    Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.

You are now leaving BBD

BBD provides links to web sites of other organizations in order to provide visitors with certain information. A link does not constitute an endorsement of content, viewpoint, policies, products or services of that web site. Once you link to another web site not maintained by BBD, you are subject to the terms and conditions of that web site, including but not limited to its privacy policy.

You will be redirected to

Click the link above to continue or CANCEL