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  • Hundert Millionen oder tausend.

    In der aktuellen Ausgabe der Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ – Nr. 31/16 vom 5. August) berichtet der ehemalige Chefredakteur Robert Weißensteiner von Spekulationen, wonach die römische Zentralregierung plane, Südtirol und das Trentino mit einer weiteren Milliarde Euro zu belasten, um die im Staatshaushalt klaffenden Löcher zu stopfen. Senator Karl Zeller (SVP) habe diese Gerüchte jedoch bereits mit Verweis auf das Finanzabkommen zurückgewiesen.

    Wer weiß, für wie sicher das sogenannte Mailänder Abkommen als Vorgänger der derzeitigen Regelung gehalten wurde und wie unverschämt es insbesondere von der Regierung Monti übergangen wurde, kann nicht wirklich beruhigt sein.

    Doch: Selbst ohne das Finanzabkommen zu brechen, könne sich Rom mindestens 100 Millionen im Jahr von Südtirol (und noch einmal gleichviel vom Trentino) zusätzlich holen, gibt Weißensteiner zu bedenken. Rund 480 Millionen trage Südtirol bis 2022 ohnehin jedes Jahr zur Sanierung der Staatsfinanzen bei. Aufgrund außerordentlicher Erfordernisse könne der Staat diesen Beitrag einseitig um 10% erhöhen und, wenn die mit der EU vereinbarten Haushaltsziele nicht erreicht werden können, noch einmal um weitere 10%.

    Für die Jahre von 2017 bis 2022 wären dies nach Adam Riese zusätzliche 500 Millionen. Zusammen mit dem Trentino: Eine Milliarde.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Dezentralisierung (oder Wasserkopf)?

    Wie soll sich Südtirol in Zukunft entwickeln? Gerade während der letzten Jahre gibt es etwa mit der Schließung der Bezirksgerichte und der Schwächung der Bezirkskrankenhäuser eine zentralistische Marschroute. Die Landeshauptstadt droht damit immer mehr zum Wasserkopf zu werden, der unter einer massiven Überlastung leidet, während man die Entvölkerung der ländlicheren Gegenden mit Subventionen zu verhindern versucht. Doch nichts wirkt der Abwanderung besser entgegen, als Lebensqualität vor Ort.

    Diesbezüglich unterbreiteten vor einigen Tagen, wie mehrere Medien berichteten, die drei SVP-Abgeordneten Magdalena Amhof, Sepp Noggler und Albert Wurzer einen Vorschlag, der endlich einen neuen Kurs einleiten könnte.

    In Anlehnung an ein ähnliches Konzept, das in Bayern umgesetzt wird, soll es zur Dezentralisierung von Landesämtern kommen. Dadurch entstünden einerseits mehr Arbeitsplätze in den Bezirken, gäbe es mehr öffentliche AnsprechpartnerInnen vor Ort und könnte Bozen von den vielen PendlerInnen entlastet werden. Zudem ließen sich möglicherweise auch Kosten senken, nachdem zum Beispiel Mieten in der Landeshauptstadt höher sind oder Pendlerbeiträge entfallen.

    Zunächst sollten vor allem Außenstellen entstehen, sodass, wie es heißt, etwa die örtlich zuständigen Ansprechpartner des Denkmalamts ihre Büros direkt in Schlanders, Bruneck oder Neumarkt hätten. In weiterer Folge ließen sich vielleicht auch ganze Abteilungen und Dienste in die Bezirke verlegen.

    Die fortschreitende Digitalisierung wird die Dezentralisierung erleichtern, da eine unmittelbare physische Nähe der Ämter zueinander immer unwichtiger wird.

    Während aber der Landeshauptmann angeblich sein Interesse an dem Vorschlag bekundet haben soll, wird sich erst zeigen müssen, wie der PD darauf reagiert. Die aufgrund römischer Protektion mächtige Kleinpartei ist bislang vor allem als Verfechterin des Bozner Zentralismus’ in Erscheinung getreten. Der natürliche Ort, um über dieses Thema zu debattieren, wäre aber ohnehin der Südtirolkonvent.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Höhere Strafen zur Abschreckung?
    Quotation

    Aber das ist eine sehr populäre Forderung: höhere Strafen zur Abschreckung.
    Ich finde es lustig, dass das immer wieder gesagt wird. Dabei steht in jedem Kriminologielehrbuch: Weder die Art noch die Höhe der Strafe haben eine signifikante Wirkung auf die Rückfallwahrscheinlichkeit.

    Was ist eher massgeblich?
    Die Wahrscheinlichkeit, entdeckt und bestraft zu werden. Obwohl die Busse nicht sehr hoch ist, werden Sie auf der Autobahn nicht rasen, wenn Sie wissen, dass da mit grosser Wahrscheinlichkeit Blitzkästen stehen. Aber wenn Sie wissen, dass eh niemand die Geschwindigkeit kontrolliert, kann man die Strafe noch so hoch ansetzen – es ist Ihnen egal. Es geht immer um die Entdeckungswahrscheinlichkeit.

    Marcel Niggli, Kriminologe, Rechtsphilosoph, Strafrechtsprofessor, im WOZ-Interview (Ausgabe 31/2016).

    Ist das nicht gerade eines der Probleme des (auch in Südtirol geltenden) italienischen Rechtssystems? Einerseits wird — insbesondere auch im Straßenverkehr — auf drakonische Strafen gesetzt, welche ganze Familien in den Ruin treiben können, während andererseits jedoch die Kontrollen so eingeschränkt werden, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist.

    In Südtirol wird seit Jahren vergeblich die Installation eines Tutors (oder Section Control) auf der Brennerautobahn gefordert.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02



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  • Staatsgeheimnis Außenstände.

    Auf Anfrage des STF-Gemeinderates Christoph Mitterhofer bestätigte die Meraner Stadtverwaltung laut SüdtirolNews, dass einige staatliche Behörden mit der Zahlung von Trink-, Abwasser- und Müllgebühren stark im Verzug sind. Manche der Außenstände reichten bis ins Jahr 2013 zurück. Mitterhofer sei offenbar jedoch untersagt worden, Details zu Schuldnern und Beträgen zu veröffentlichen, da diese unter Datenschutz fielen.

    Eine solche Auflage – sollte sie tatsächlich in dieser Art gegeben worden sein – ist unbegreiflich. Das absolutistische “Der Staat bin ich”-Verständnis haben wir doch hoffentlich abgelegt. Der Staat sind wir. Und somit haben wir auch ein Recht zu erfahren, was wir tun und wie es uns geht. Das Ganze mutet gerade so an, wie wenn ich zur Bank ginge, um meinen Kontostand zu erfahren und der Schalterbeamte meint: “Tut mir leid. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Fällt unter Datenschutz.” Oder beim Arzt: “Sie sind schwer krank. Was Ihnen genau fehlt, darf ich Ihnen aus datenschutzrechtlichen Gründen aber nicht mitteilen.”

    Umso unverständlicher ist die Geheimnistuerei in einem Bereich, wo eigentlich Transparenz angesagt wäre, angesichts dessen, wie in Italien sonst mit Datenschutz – insbesondere Persönlichkeitsrechten – umgegangen wird. Mitunter gibt sogar die staatliche Exekutive die vollen Namen von Verdächtigen, Unfallopfern, ja sogar Zeugen eines unaufgeklärten Mordes an die Medien weiter, die diese dann nicht selten mit dazugehörigem Foto veröffentlichen. Anscheinend kein Problem. Aber bei Informationen über die Finanzgebarung öffentlicher (!) Körperschaften hört sich der Spaß auf.



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  • Sammelgesetz vor Verfassungsgericht angefochten.

    Die römische Zentralregierung hat wieder einmal ein Landesgesetz — bzw. Teile davon — angefochten. Diesmal handelt es sich um zwei Artikel eines sogenannten Sammelgesetzes (LG 71/2016), die angeblich gegen die »Grundsätze der Rechtsordnung der Republik« verstoßen. Es handelt sich um Vorschriften bezüglich der Hausärzte (Dauer der Vertragsbindung) und der Betriebskontrollen.

    Der Corriere berichtet in seiner Südtirolbeilage von letztem Sonntag, dass Karl Zeller (SVP) diese Anfechtung als ein unschönes Signal bezeichnet, da der Staat die Differenzen auf dem Verhandlungsweg hätte ausräumen können, anstatt den konfliktreichen Weg über das Verfassungsgericht zu wählen. Für die Landesregierung handle es sich dabei um eine »kalte Dusche«. Landeshauptmann Arno Kompatscher habe bereits Kontakt zur Zentralregierung aufgenommen, um den Weg vor das Verfassungsgericht zu vermeiden.

    Wahrscheinlich läuft es auf einen erneuten Kniefall hinaus. Postfaschist Alessandro Urzì hatte ja schon Ende 2013 einen Vorschlag gemacht, wie man zentralstaatskonform — faktisch — auf die Autonomie verzichten könnte: Ungeachtet der eigenen Zuständigkeiten alle Landesgesetze präventiv mit der Zentralregierung verhandeln.

    Hier (ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit) eine kleine Chronologie der Anfechtungen, Konflikte und Angriffe auf die Autonomie:



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  • Ortstaxe: Staat sticht Land.

    Mehrfach wurde im Laufe der letzten Jahre thematisiert, dass Einrichtungen des italienischen Heeres de facto als günstige Urlaubsdomizile für Staatsbedienstete — bis hin zu (ehemaligen) Staatspräsidenten — missbraucht werden. Dabei verfügen die mitunter luxuriösen Ansitze und Villen, die Privatbetrieben mit Steuergeldern unlautere Konkurrenz machen, noch nicht einmal über die vorgeschriebenen Lizenzen. Meist entrichten sie auch keine Ortstaxe.

    Das ist zum Beispiel bei der Villa Ausserer auf dem Gemeindegebiet von Kastelruth der Fall, die immer wieder den ehemaligen italienischen Nationalbankchef und Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi beherbergt, ohne dass dieser seiner Urlaubsdestination von seinem nicht unbescheidenen Reichtum einen fairen Beitrag abgäbe.

    Seit einigen Jahren versucht der Bürgermeister von Kastelruth, Andeas Colli (SVP), das italienische Militär dazu zu bewegen, sich an die Regeln zu halten. Vergeblich. Der Staat ist nicht davon abzubringen, seine feudale Machtauffassung bis ins kleinste Detail durchzusetzen.

    Doch während Colli bislang wenigstens das Land hinter sich wusste, vollzog dieses nun eine Kehrtwende: Landesrecht sei auf Staatsgüter nicht anwendbar. Trotz Zuständigkeiten, trotz Autonomie. Der Ober sticht den Unter.

    Vorerst will sich der wackere Bürgermeister nicht geschlagen geben und die laxe Haltung des Landes, das wie so oft den Weg des geringsten Widerstandes beschreitet, nicht nachvollziehen.

    Cëla enghe: 01



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  • Leitner und die religiösen Ärztinnen.

    Will der freiheitliche Landtagsabgeordnete Pius Leitner einen (religionsbezogenen) Konflikt generieren, wo es keinen gibt?

    Im Vorspann zu einer Landtagsanfrage gibt er an, muslimische Frauen (welche? wieviele?) lehnten es in Südtirol ab, sich von männlichen Ärzten behandeln zu lassen. Gegenüber der Tageszeitung erweitert er diesen Aspekt um die Religion: Muslimische Frauen ließen sich nur von muslimischen »Ärzten« (jetzt also doch auch von Männern?) versorgen.

    Polemisch fragt Leitner dann die zuständige Landesrätin, ob auch »unsere Frauen« (gemeint sind wohl jene, die freiheitlichen Männern gehören) ablehnen könnten, sich von »einem muslimischen Arzt« behandeln zu lassen.

    In ihrer Antwort lässt LRin Martha Stocker (SVP) wissen, dass der Gesundheitsbetrieb — im Einklang mit einem einschlägigen Beschluss der Landesregierung — »nur im Rahmen des Möglichen« die Wahl einer bestimmten Ärztin oder eines bestimmten Arztes gewährleisten müsse.

    Das gilt dann wohl für alle. Im Einzelnen wird es natürlich schwer nachzuvollziehen sein, ob jemand einen Arzt oder eine Ärztin aus kulturellen, sprachlichen, religiösen Gründen oder solchen des Geschlechts, der Hautfarbe oder des persönlichen Vertrauens wählt bzw. ablehnt.

    Nach meinem Dafürhalten darf es aber im öffentlichen Gesundheitswesen weder einen verbindlichen Anspruch auf eine bestimmte Ärztin, noch eine Auskunftspflicht über den Glauben, die sexuelle Orientierung und andere nicht offensichtliche, der Privatsphäre der Ärztin zuzurechnenden Merkmale geben.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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