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  • Bereit für die 53L85783571MMUN9?

    Am vergangenen Wochenende konnte die Fünfsternebewegung (5SB) bei italienweiten Stichwahlen zur Wahl der Bürgermeisterinnen (BM) einen veritablen Erdrutschsieg feiern. Nachdem die Grillo-Anhängerinnen bereits im ersten Wahlgang vier BM-Sessel errungen hatten, entschieden sie im zweiten Wahlgang 19 von 20 Stichwahlen, zu denen sie zugelassen waren, für sich — darunter in so wichtigen Städten wie Rom und Turin.

    Dabei konnten die 5SB-Kandidatinnen in vielen Fällen auch die Wählerinnen der jeweils im ersten Wahlgang unterlegenen Kandidatinnen »traditioneller« Parteien für sich gewinnen. Diese stimmten offenbar lieber für die Grillo-Bewegung, als für das entgegengesetzte Lager.

    Ausgehend von dieser Entwicklung erscheint nun auch auf gesamtstaatlicher Ebene das Szenario einer Regierungsübernahme durch die Grillini nicht mehr ganz unwahrscheinlich.

    Das von Regierungschef Matteo Renzi (PD) eingeführte neue Wahlgesetz, das den hölzernen Namen Italicum trägt und am 1. Juli in Kraft tritt, sieht nämlich ebenfalls die Möglichkeit einer Stichwahl vor. Erreicht keine der wahlwerbenden Listen im ersten Anlauf 40% der Stimmen, treten in einem weiteren Wahlgang nur noch die beiden erfolgreichsten Listen gegeneinander an.

    Wer die Stichwahl gewinnt, wird dann automatisch mit 340 Parlamentssitzen (54%) ausgestattet. Diese Regelung, die das Zeug hat, den demokratischen Wählerwillen bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren, könnte dazu führen, dass die 5SB, die derzeit in staatsweiten Wahlumfragen an zweiter Stelle rangiert, die Regierungsmehrheit im Parlament übernimmt. Dafür wäre ausreichend, dass sich das bereits im Zuge der BM-Stichwahlen beobachtete Phänomen wiederholt.

    Falls die Bewegung ihren Grundprinzipien sowie ihren bisherigen Verlautbarungen und Wahlversprechen treu bleibt, könnte dies bedeuten, dass Südtirol schneller als gedacht die Möglichkeit erhält, eine Abstimmung über die staatliche Zugehörigkeit abzuhalten. Es wäre also sinnvoll, darauf nicht gänzlich unvorbereitet zu sein und entsprechende Pläne in der Schublade bereitzuhalten. Einmalige Chancen haben nämlich an sich, dass sie einmalig sind.

    Cëla enghe: 01 02 || 01 02



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  • Autonomievergleich (II).

    In Thomas Benedikters neu erschienener Publikation »Mehr Eigenständigkeit wagen – Südtirols Autonomie heute und morgen« (Arca Edizioni, im Buchhandel erhältlich) ist auf Seite 24 ein Vergleich verschiedener autonomer Zuständigkeiten Südtirols, Kataloniens und der Åland-Inseln zu finden. Mit Zustimmung des Autors darf ich die Tabelle hier wiedergeben.

    Obschon sich ein »Quellen-Kurzschluss« ergibt (die Aufstellung bezieht sich teilweise auf -Informationen) scheint mir die Wiedergabe aufgrund des größeren Umfangs und der Übersichtlichkeit gerechtfertigt.

    Thomas Benedikter schreibt im genannten Buch:

    Am 5. November 2014 stellte LH Arno Kompatscher im Landtag fest, dass Südtirol über die am weitesten reichende Territorialautonomie Europas verfüge. Hier ein nicht erschöpfender Überblick zur Begründung, warum diese These nicht haltbar ist.

    Dazu veröffentlichte er eine Aufstellung von Zuständigkeiten, über die Südtirol im Gegensatz zu Katalonien und/oder Åland nicht verfügt:

    Autonomievergleich.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08 || 01 02 03



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  • Christoph Baur für Zusammenarbeit mit CPI.

    Es ist echt unfassbar: In der Südtiroler Landeshauptstadt reichen knapp 7% der Stimmen auf Gemeindeebene, um jeglichen antifaschistischen Konsens, so er jemals existiert hat, zum Einsturz zu bringen.

    Kurz nach der Gemeinderatswahl wollte ein angeblich erschütterter Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) den Erfolg der faschistischen CasaPound Italia (CPI) als Auftrag an Gesellschaft und Politik verstanden wissen, »solche Tendenzen […] zu bekämpfen«.

    Wenig später konterkarierte seine eigene Partei auf Gemeindeebene diesen Wunsch mit dem Angebot an Mario Tagnins Rechtsbündnis Uniti per Bolzano (UxB), Teil der Regierungskoalition zu werden. Für UxB sitzt unter anderem CPI-Mitglied Marco Caruso im Stadtparlament.

    Doch nun kommt es noch dicker: Wenige Tage, nachdem gegen CPI Ermittlungen aufgenommen wurden, weil ihre Mitglieder eine Neuauflage des Marsches auf Bozen (»Bozner Blutsonntag«) inszeniert hatten, macht SVP-Vizebürgermeister Christoph Baur den Faschisten des dritten Jahrtausends via Tagblatt A. Adige sogar ein Angebot zur Zusammenarbeit jenseits »ideologischer Unterschiede«:

    Ma la loro azione è stata ultimamente molto votata al concreto. Insomma meno ideologia e più lavoro sul terreno e nei quartieri intorno ai problemi concreti, anche ai piccoli. […] Che proprio su questo terreno c’è spazio per la collaborazione. Dico di più: anch’io magari avrò da imparare rispetto alla loro esperienza sulle strade, potrò trarre spunti interessanti per alcune azioni nei quartieri, ad esempio. […] Se sono stati bravi nel fare, ecco, proprio nel fare potremmo trovare spazio per un qualche dialogo.

    — Christoph Baur (SVP), A. Adige, 20. Juni 2016

    Ein führender SVPler, dessen Partei (bei aller Widersprüchlichkeit) aus dem Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus hervorgegangen war, kann sich heute also vorstellen, bei »konkreten Themen« mit den Erben derer zusammenzuarbeiten, die im 20. Jahrhundert unsägliches Leid über den gesamten Kontinent gebracht, die Rassismus, Menschenverachtung und Vernichtung von »Anderen« zur Staatsdoktrin gemacht, ein totalitäres und kriegstreiberisches Regime installiert und in Südtirol eine ethnische Säuberung begonnen hatten.

    Was soll man da anderes sagen, als dass all das zum Kotzen ist? Vielleicht, dass man darauf hinarbeiten muss, dass die letzten verbliebenen genuin antifaschistischen Kräfte in diesem Land endlich zusammenfinden und eine Strategie gegen diesen Relativismus und diese unerträgliche Beliebigkeit entwickeln.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Welches »Wir«?
    Quotation

    Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wie wir unser »Wir« definieren, ein »Wir«, das nicht gegen die anderen gehen kann. Ein »Wir«, das sich nicht darin verstehen darf, dass eine Mehrheit gegen eine Minderheit, gegen »die Minderwertigen«, gegen »die Anderen« hetzt. Und wenn wir über unser »Wir« reden, dann muss es ein »Wir« sein, das niemand verliert und niemand ausschließt. Dann muss es ein »Wir« sein, in dem alle inklusive sind.

    Christian Kern (SPÖ), österreichischer Bundeskanzler, während seiner Rede bei der Regenbogenparade in Wien vom 18. Juni 2016.



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  • Entscheidend ist, was hinten rauskommt.
    Über Heimplätze und positive Diskriminierung

    Gleichbehandlung vs. Gleichstellung.

    Bild: Prof. Craig Froehle

    Das Land Südtirol plant, rund eine halbe Million Euro bereitzustellen, um den Südtirolerinnen (egal welcher Muttersprache) — und hoffentlich bald auch den Einwohnerinnen von Souramont — das Studium im deutschen Sprachraum zu erleichtern.

    Wie schon in den vergangenen Jahren soll das Geld dazu verwendet werden, den Studierenden einen Heimplatz zu sichern.

    Nun hat Postfaschist Alessandro Urzì in der zuständigen Landtagskommission interventiert; er fordert, gleich viel Geld auch für Südtirolerinnen zur Verfügung zu stellen, die in Italien studieren möchten. Wer wollte einem solchen Ansinnen schon widersprechen?

    Es handelt sich dabei jedoch um einen Denkfehler, der in Südtirol mit seiner auf Proporz ausgerichteten Autonomie sehr häufig begangen wird.

    Auf Anhieb klingt Gleichbehandlung natürlich immer gut. Wiewohl für die Minderheitensprachen in vielen Fällen (zum Beispiel bei der vorgeschriebenen Produktetikettierung) nicht einmal die Gleichbehandlung gewährleistet ist, sollten wir aber vielmehr auf das Endergebnis achten. Und für tatsächliche Gleichstellung darf, wie das obige Bild gut veranschaulicht, Gleichbehandlung kein Maßstab sein.

    Cëla enghe: 01 02 03 || 01 02 03 04



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  • Demokratie?
    Quotation

    Nicht immer hat das Volk recht. Nicht immer ist es klug, wenn gewählte Volksvertreter wichtige Entscheidungen an das Volk delegieren, zumal bei Angelegenheiten, welche komplex sind und somit Gefahr laufen, von Populisten vereinfacht zu werden. Größere Infrastrukturprojekte erhalten nie die Zustimmung der Bevölkerung — in Südtirol nicht und sonstwo nicht.

    Franz Staffler, SWZ Nr. 24/16, Präsident der SWZ-Herausgebergesellschaft

    1. In der Demokratie geht es nicht ums Rechthaben — sondern ums Wollen oder Nichtwollen.
    2. Sind der Gotthardbasistunnel, der Lötschbergtunnel, die zweite Gotthardröhre keine »größeren Infrastrukturprojekte«?

    Cëla enghe: 01



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  • NZZ-Bericht über die Situation in Südtirol.

    Schon wieder ist in einem internationalen Medium ein — aus meiner Sicht — äußerst unausgewogener und schlecht recherchierter Bericht über Südtirol erschienen, diesmal in der NZZ. Allein schon, dass den Beitrag eine Karte ziert, auf der zwar die Region Trentino-Südtirol hervorgehoben, diese jedoch als »Südtirol« beschriftet ist, zeigt, wie tiefgreifend die Recherche und wie hoch die Ansprüche wohl waren.

    Auch sonst wiederholt der von Rom-Korrespondentin Andrea Spalinger verfasste Artikel großteils die weithin bekannten Klischees (und manche Idealisierungen). Von einem Qualitätsmedium aus der ebenfalls mehrsprachigen Schweiz hätte man sich jedenfalls mehr erwarten dürfen.

    Dass Bozen wie »eine deutsche Kleinstadt«, nur charmanter und lebensfreudiger wirke, lasse ich mal wohlwollend unkommentiert, es kann unter »harmlose Pauschalisierungen« verbucht werden.

    Einige andere Passagen kann man aber kaum unwidersprochen lassen:

    Die Autonomie hat nicht nur Frieden gebracht, sondern auch beeindruckenden Wohlstand. […] Und selbst im Vergleich mit dem benachbarten österreichischen Bundesland Tirol schneidet Südtirol deutlich besser ab.

    Deutlich besser? Von der Arbeitslosigkeit über die Indikatoren für Forschung & Entwicklung bis hin zu BIP, Wertschöpfung und »verfügbarem Einkommen« schneidet das Bundesland Tirol in fast allen wirtschaftlich relevanten Bereichen besser ab, als Südtirol. Eindrucksvoll belegt durch offizielle Statistiken. Auf welche Quellen sich Frau Spalinger bezieht, ist hingegen unklar.

    Noch mehr Unabhängigkeit dürfte Südtirol von Rom allerdings kaum bekommen. «Was wollen wir denn auch noch mehr?», fragt der Journalist Mair. «Wir haben bereits grosse finanzielle und gesetzgeberische Kompetenzen.»

    Das ist eines der Lieblingsklischees hiesiger Politiker und Journalisten und wird im NZZ-Beitrag unhinterfragt übernommen. Dabei mögen die Zuständigkeiten im Vergleich zum sonst sehr zentralistischen Italien groß sein. Doch eigentlich ist die Autonomie in vielerlei hinsicht nicht einmal mit der eines normalen deutschen Bundeslandes vergleichbar, geschweige denn mit jener eines Schweizer Kantons. Landespolizei? Fehlanzeige. Primäre Schul- und Bildungskompetenz? Nicht vorhanden. Justiz? Keineswegs. Finanzhoheit? Höchstens ansatzweise.

    und trotz obligatorischer Zweisprachigkeit beherrschen laut Studien die meisten Südtiroler die andere Sprache nur ungenügend.

    Auch hier wäre es nett, wenn im Artikel eine Quelle genannt würde. Denn laut offiziellem Sprachbarometer nahmen die Zweitsprachkenntnisse im Laufe von zehn Jahren deutlich zu — und zumindest bei den Italienischkenntnissen der deutschsprachigen Bevölkerung kann von »ungenügend« kaum die Rede sein. Ob man noch besser werden könnte? Keine Frage.

    Gemäss der letzten Volkszählung (2011) sind 63 Prozent der rund 500 000 Einwohner der Provinz Südtirol deutschsprachig, 23 Prozent italienischsprachig. 4 Prozent gehörten der ladinischen Minderheit an, die Romanisch spricht.

    Leider wird gerade von internationalen BeobachterInnen immer wieder übersehen, dass diese Volkszählungsdaten keinerlei Aussagen über die tatsächlichen Sprachkenntnisse machen. Nachdem die Erhebung die Grundlage für den ethnischen Proporz bildet, kann davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angaben aus Opportunismus gemacht werden. Wie wenig die amtlichen »Volksgruppen« mit der Sprachlandschaft korrelieren, hatten wir zum Beispiel anhand des Sprachbarometers von 2004 aufgezeigt.

    Dem Landeshauptmann bereitet das Erstarken dieser Ewiggestrigen Sorgen. Früher hätten diese argumentiert, innerhalb des italienischen Staates könne das deutsche Volkstum nicht geschützt werden, sagt Kompatscher. Mittlerweile sei das Gegenteil bewiesen.

    UnabhängigkeitsbefürworterInnen pauschal als ewiggestrig darzustellen, ist ein Unding, an das wir uns nie gewöhnen werden. Inwiefern aber bewiesen sein soll, dass die deutsche Sprache in Italien geschützt werden kann, bleibt wiederum offen. Das hängt wohl auch davon ab, welche Maßstäbe man anlegt. Während nämlich die Bevölkerung immer zweisprachiger wird, nimmt die Bedeutung der italienischen Staatssprache in Südtirol zu, sodass sie nun (ungeachtet der oben erwähnten Volksgruppenstärken) von allen Sprachgemeinschaften schon als die wichtigste Landessprache empfunden wird. Die Gleichstellung von Deutsch und Ladinisch mit Italienisch ist nicht nur ungenügend, sondern verschlechtert sich zunehmend.

    Jene, die sich von Italien loslösen wollten, brächten nun ökonomische Argumente vor. Italien gehe es schlecht und man wolle nicht mit dem sinkenden Schiff untergehen, heisse es.

    Keine der im Artikel genannten Parteien, aber auch keiner der sonstigen gesellschaftlichen Akteure, die sich für die Unabhängigkeit aussprechen — ob sie nun rechts oder links einzustufen sind — bemüht ausschließlich oder vordergründig ökonomische Motive, sondern vor allem kulturelle, sprachliche und solche der Eigenverantwortlichkeit und Autonomie. Die einen tun dies mit egoistische(re)n Hintergedanken (die wir als ökosozial inspirierte Plattform heftig kritisieren), die anderen mit Blick auf ein solidarisches, inklusivistisches, subsidiäres Europa. Dagegen muss schon mehr her, als der Vorwurf der »Ewiggestrigkeit«.

    Die historisch gewachsene Sonderbehandlung wird im Parlament aber kaum infrage gestellt.

    Das ist nun wirklich hanebüchen. Immer wieder werden im römischen Parlament Vorlagen zur Abschaffung der Sonderautonomien präsentiert. Sowohl der heutige Ministerpräsident Renzi, als auch Reformministerin Boschi hatten sich solchen Forderungen bereits angeschlossen. Auch sonst ficht Rom (Regierung oder Parlament) immer wieder Landesgesetze vor dem Verfassungsgericht an und kürzt einseitig die Finanzmittel.



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