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  • K33: Minderheitenschutz.

    Am Freitag (8. Juli 2016) fand in der Eurac die letzte Konventssitzung vor der Sommerpause statt. Thema war der Minderheitenschutz, ein recht brisantes Thema, von dem ich mir einige kontroverse Dikussionen erwartete. Riccardo Dello Sbarba (Grüne) riss sogleich das Wort an sich und forderte in einem 4-Punkte-Programm die Aufweichung der Schutzbestimmungen. Er betonte, dass sich die gesellschaftliche Situation seit 1972 geändert habe, die Gesellschaft sei mobiler, das Machverhältnis Staat-Region-Land habe sich geändert, der Minderheitenschutz habe nicht mehr vorrangigen Charakter, sondern der Mensch müsse die Freiheit der Entscheidung (»libertà  di scelta«) haben. Aus diesem Grund forderte Dello Sbarba, dass die Bürger sich frei entscheiden können sollten, welche Schule sie besuchen, beispielsweise auch eine mehrsprachige Schule. Weiters sollten die Südtiroler Jugendlichen nicht mit 18 Jahren dazu verpflichtet werden, die Sprachgruppenerklärung abzugeben. Da dies viele vergäßen, würden sie für 18 Monate gesperrt, sodass häufig eine öffentliche Stelle nicht angetreten werden könne. Die Ansässigkeitspflicht für vier Jahre sollte reduziert sowie der Proporz und der Zweisprachigkeitsnachweis hinterfragt werden.

    Luis Durnwalder (SVP) konterte sofort und verwies darauf, dass der Minderheitenschutz die Grundlage unsere Autonomie sei und ein Erfolgsmodell darstelle. Neue Lösungen sollten aber nicht in das Statut hineingeschrieben werden, sondern pragmatisch im Rahmen der Regierungstätigkeit ermöglicht werden. Neue Schulformen könnten ja zum Beispiel schon heute praktiziert werden ohne in das Statut einzugreifen. Ganz klar wandte sich Durnwalder gegen eine Aufweichung der Schutzbestimmungen.

    Roberto Bizzo (PD) argumentierte ähnlich wie Dello Sbarba, immer wieder wurde auch der Ärztemangel angeprangert, welcher durch eine Aufweichung des Proporzes bzw. der Zweisprachigkeitsvorschriften behoben werden sollte. Für mich völlig unverständlich, denn erstens ist der Ärztemangel ein europaweites Phänomen und zweitens kann man — wie auch Durnwalder betonte — von Akademikern sehr wohl verlangen, dass sie entweder Deutsch oder Italienisch lernen. Auffallend war die Diskrepanz zwischen deutscher und italienischer Seite, was die Ausrichtung der Schulen betrifft. Während die italienischen Vertreter die mehrsprachige Schule forderten, wurde dies von deutscher Seite fast ausnahmslos abgelehnt. Experimente wie CLIL sollten hinterfragt werden, für mich sind auch die aktuellen Ergebnisse des Invalsi-Tests an den italienischen Schulen ein Grund, vieles zu hinterfragen. Dies waren auch vor allem meine Kritikpunkte, ich forderte dazu auf, die ständigen Experimente an den Schulen zu unterlassen und endlich einmal die aktuelle Sprachsituation im Lande und in den Schulen systematisch und professionell zu erheben. Zudem erscheint mir die Fixierung auf den Sprachunterricht in den Schulen völlig überzogen, von Mathematik und Naturwissenschaften als viel wichtigere Kompetenzen für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes (das Lieblingsthema Bizzos) wird niemals gesprochen.

    Wolfgang Niederhofer argumentierte sehr geschickt und widersprach vor allem auch Dello Sbarba, den er vor einem »autonomiepolitischen Neoliberalismus« warnte; Dello Sbarba nahm diese Kritik ernst und versprach, darüber nachzudenken.

    Die Sitzung verlief aus Sicht der meisten Teilnehmenden zum wiederholten Mal sehr konstruktiv und war in vielen Punkten durch Konsens geprägt. Vor allem bemerkenswert war für mich die Aussage Dello Sbarbas zum Minderheitenschutz: »Non nego il successo di questo strumento«. Erstaunlich, wie sich doch die Meinungen im Laufe der Zeit ändern können. Der Mensch ist lernfähig, ein hoffnungsvolles Zeichen!

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  • Öl ins Feuer. · Olio gettato sul fuoco.

    Im gestrigen A. Adige ist ein Kommentar der grünen Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa erschienen, der seinerseits eines Kommentars bedarf.

    Da es unserer, »wenngleich« wir Sezessionisten sind, antifaschistischen Grundhaltung widerspricht, mittels Leserbrief über ein Blatt zu antworten, welches kontinuierlich die faschistischen Umtriebe von CasaPound und Konsorten verharmlost, bleibt uns nur dieser Weg, um Feuerlöscher zu spielen.

    Sull’A. Adige di ieri è apparso un commento della deputata verde alla dieta sudtirolese, Brigitte Foppa, che a sua volta — in quanto ci chiama in causa — rende necessario un nostro commento.

    Siccome, «pur» essendo secessionisti, rispondere dalle righe di un quotidiano che attivamente contribuisce a sdoganare CasaPound contrasterebbe con le nostre convinzioni antifasciste, ci limitiamo a scrivere da qui.

    Zum Text:

    Passiamo al testo:

    Cari secessionisti, vi scrivo. Vi devo scrivere, dopo i vostri ultimi due successi.

    Primo, aver suscitato un dibattito reale. Aver suscitato nella nostra provincia un dibattito reale (ancora non ci posso credere) su una possibile squadra nazionale di calcio sudtirolese. E secondo, quello di essere riusciti a far eliminare la parola “altoatesini” da un testo di legge.

    Da Foppa den politischen Gegner pauschal auf eines seiner Ziele reduziert, sei zunächst die Frage erlaubt, inwiefern eine Ersetzung des italienischen Begriffes »altoatesini« durch den italienischen Begriff »della Provincia di Bolzano« mit Sezessionismus zu tun hat.

    Als weitere Frage drängt sich auf, warum die Forderung nach einer Mitgliedschaft Südtirols bei der FIFA und der UEFA derart abartig sei, dass man sie nicht glauben könne. Es ist eine völlig legitime und demokratische politische Forderung, deren Verwirklichung Vor- und Nachteile mit sich bringt und der man daher zustimmend oder ablehnend gegenüber stehen kann. Es sei denn, man hält die Abkehr von nationalpatriotischer Zugehörigkeit in Italien für ein Sakrileg.

    Zuletzt sei noch erwähnt, dass die Süd-Tiroler Freiheit in keiner ihrer Aussendungen oder Beschlussanträge diesbezüglich das Wort Südtiroler »Nationalmannschaft« in den Mund genommen hat.

    Visto che Foppa, generalizzando, riduce i suoi avversari a una sola delle loro posizioni, ci sia concesso domandare qual’è il legame fra il secessionismo e la sostituzione del termine italiano «altoatesini» col termine italiano «provincia di Bolzano».

    Inoltre ci chiediamo perché rivendicare l’adesione del Sudtirolo alla UEFA e alla FIFA sarebbe talmente perverso da risultare incredibile. Si tratta di una richiesta politica assolutamente legittima e democratica, la cui realizzazione comporterebbe vantaggi e svantaggi e la quale, dunque, si può certamente assecondare o avversare. Eccetto se si ritiene un sacrilegio il solo pensiero di emanciparsi dall’appartenenza nazional-patriottica all’Italia.

    Ad ogni modo, Süd-Tiroler Freiheit in nessuno dei suoi comunicati stampa né in alcuna mozione parla di squadra «nazionale» sudtirolese.

    In entrambi i casi vi è venuta dietro la Volkspartei, ma, vabbè, questa è una questione di tattica politica (stanno perdendo consensi a vista, dopo aeroporto e chiusura del reparto nascite di Vipiteno).

    Nach den vielen Erfahrungen der Vergangenheit ist es freilich naheliegend der SVP opportunistische, politische Taktik vorzuwerfen. Es könnte aber auch sein, dass die SVP mittlerweile zwischen dem Beschlussantragseinbringer und dessen Intentionen sowie der eigentlichen Sachfrage, über die es zu befinden gilt, zu unterscheiden vermag. Die Unfähigkeit, dies zu tun, hat dem Südtiroler Landtag nämlich einen der unrühmlichsten Tage seiner Geschichte beschert, als dieser mehrheitlich (mit den Stimmen der SVP, des PD und der Grünen) ein Bekenntnis zu einem Teil der Menschenrechte und zu friedlichen Lösungen von Minderheitenkonflikten ablehnte, nur weil der Antrag von der Süd-Tiroler Freiheit kam. Und selbst wenn die vermuteten Intentionen des Einbringers unlauter sind, kann man sich die Sachfrage zu eigen machen und im eigenen Sinne positiv gestalten.

    Viste le esperienze del passato è comprensibile che si tenda a pensare che l’SVP operi per puro opportunismo politico. Non è da escludere, però, che nel frattempo anche il partito di raccolta abbia imparato a distinguere fra i proponenti di una mozione, le loro intenzioni e il contenuto della proposta. L’incapacità di fare questa distinzione qualche anno era stato alla base di uno dei giorni più bui della dieta sudtirolese, in quanto si arrivò (con i voti di SVP, PD e Verdi) a rifiutare una parte dei diritti umani e il principio di risoluzione pacifica dei conflitti etnici, solo perché la relativa mozione era stata presentata da Süd-Tiroler Freiheit. Anche quando le intenzioni dei proponenti fossero dubbie, è possbile far propria la questione connotandola in maniera positiva.

    Sembra tutto incredibile. Siamo tra i più ricchi d’Italia e dell’Europa. Viviamo in un territorio baciato dalla fortuna. Bello, ricco di bellezze naturali di ogni tipo, invidiato da buona parte dell’Italia.

    Zudem, dass man nicht versteht, was an den Forderungen so »unglaublich« ist, wird es jetzt richtig absurd. Worin der Zusammenhang zwischen dem Wohlstand und den natürlichen Reichtümern unserer Heimat und dem Willen nach politischer Veränderung sowie fortlaufender Weiterentwicklung (zumindest sind die Forderungen nach dem Dafürhalten der Einbringer eine solche) besteht, weiß wohl nur Foppa selbst. Die Position der Frau oder Homosexueller war wohl in der Geschichte der Menschheit auch noch nie besser als im Europa von heute. Dennoch ist es legitim sich für eine weitere Verbesserung hin zur echten Gleichstellung einzusetzen. Auch ist das Zentrum der neuseeländischen Nordinsel ein Naturparadies, das von vielen beneidet wird. Und dennoch engagieren sich die Maori dort für ihre Gemeinschaft. Überdies mutet es aus dem Munde einer Grünen befremdlich an, wenn materieller Wohlstand als Gradmesser für Zufriedenheit gelten soll. Demnach dürften auch die Menschen in Katar keinen Grund zur Klage haben.

    Oltre a non essere chiaro che cosa sia talmente «incredibile», qui il discorso diventa veramente assurdo. Probabilmente solo Foppa sa qual’è il nesso fra il benessere e le ricchezze naturali della nostra terra e la volontà di cambiamento e di continua evoluzione (almeno per chi ha presentato la mozione è di questo che si tratta). Le donne o gli omosessuali in Europa non hanno mai avuto più diritti di oggi, ma ciononostante è legittimo che si continui a combattere per un ulteriore miglioramento sino all’eguaglianza totale. Il centro dell’isola settentrionale della Nuova Zelanda è un paradiso naturale invidiato da molti; eppure i maori, che vi abitano, s’impegnano per migliorare i diritti della propria comunità. Fa un certo effetto udire, dalla bocca di un’esponente dei Verdi, che il benessere economico sia un indicatore per la soddisfazione. Allora gli abitanti del Qatar non avrebbero ragione di lamentarsi.

    Eppure, c’è chi, evidentemente qui si sente male. Ma non sono gli immigrati, i rifugiati, neanche gli italiani, che pure vivono concentrati nei punti meno esaltanti della provincia. Non sono nemmeno le donne, che comunque sono ancora in svantaggio su molte questioni. No, sono i tedeschi, spesso maschi, spesso giovani, di per sé predestinati a formare la classe dirigente della nostra terra, i protagonisti di questo nuovo malessere (non lo chiamo disagio per rispetto verso chi il disagio lo percepisce da tempo e per motivi più reali). In altre parti d’Europa forse le stesse persone vivono un malessere sociale che incanalano in un voto di destra xenofoba.

    Vom Absurden zur Pauschalisierung: Die Migranten, Flüchtlinge (auch die, die die Landespolitik auf der Straße leben lässt) und Italiener (gemeint sind wohl die italienischsprachigen Südtiroler) fühlen sich hier wohl und genießen den Wohlstand und die Naturschönheiten. Die Deutschen jedoch (gemeint sind wohl wiederum die deutschsprachigen Südtiroler) sind trotz allem unzufrieden. Stereotyper geht’s wohl kaum. Das Schlimme daran ist, dass Foppa damit genau jene Vorurteile bedient und Generalisierungen betreibt, die das Zusammenleben in Südtirol so erschweren. Und das gleich in zweierlei Hinsicht:

    So wie den Italienischsprachigen von der »Gegenseite« erklärt wird, dass ihr »disagio« unbegründet sei und auf Nichtigkeiten beruhe, so wird hier umgekehrt die Legitimation für ein Unbehagen abgesprochen. Das Unbehagen ist dennoch da und für die, die es fühlen, auch real begründet. Der Grund ist dabei in den seltensten Fällen ökonomischer Natur.

    Zum Zweiten projiziert Foppa gewisse Ansichten auf eine ganze Sprachgruppe. »Die Deutschsprachigen sind unzufriedene Sezessionisten« ist ungefähr so präzise wie »die Italienischsprachigen sind im Ventennio stecken geblieben«. Es ist diese Art von Pauschalisierung, die das Klima im Land vergiftet, da sie die jeweils andere Seite als rückständig, hoffnungslos und dialogunfähig darstellt. Dass Foppa bezüglich Sezessionismus nicht differenziert und das kontraproduktive, ohnehin schon verfestigte und fast ausschließlich in Südtirol gängige Vorurteil befeuert, dass ein Unabhängigkeitswille notwendigerweise rechtsnational motiviert sein muss, macht ihre Aussagen noch schwerwiegender.

    Qui si passa dall’assurdo al pregiudizio: gli immigrati, i profughi (anche quelli che vengono lasciati per strada) e gli italiani (probabilmente i sudtirolesi di lingua italiana) si sentono a loro agio e si godono le bellezze naturali e il benessere economico. I tedeschi (probabilmente s’intendono i sudtirolesi di lingua tedesca) invece, nonostante tutto, sono insoddisfatti. Stereotipi all’ennesima potenza. La cosa peggiore è che Foppa ripete gli stessi pregiudizi e opera le stesse generalizzazioni che rendono così difficile la convivenza in Sudtirolo. E lo fa in un senso doppio:

    Così come spesso ai cittadini di lingua italiana dalla «controparte» viene spiegato che il loro «disagio» è ingiustificato e si basa su futilità, qui Foppa nega la legittimazione a sentire un malessere. Il malessere però esiste e per coloro che lo sentono è realmente motivato. E solo raramente le ragioni hanno radici economiche.

    Inoltre Foppa proietta determinate opinioni su un intero gruppo linguistico. L’affermazione che i cittandini di lingua tedesca sono secessionisti insoddisfatti è tanto superficiale quanto quella che i cittadini italiani sono tutti rimasti fermi al ventennio. Questo tipo di generalizzazioni avvelena il clima della nostra terra perché rappresenta «gli altri» come retrogradi, senza speranze e incapaci al dialogo. Che Foppa non faccia alcuna differenza in merito alla secessione non facendo altro che sottolineare il pregiudizio secondo cui l’indipendentismo sarebbe per forza un’idea da attribuire alla destra nazionalista, rende il tutto ancor più preoccupante.

    Nella nostra provincia invece questo malessere si articola in un disagio culturale, nutrito e amplificato da voi secessionisti. Spesso tirate in ballo la storia, ricordando le umiliazioni inflitte dal fascismo alla popolazione tedesca del Südtirol-Alto Adige. Fate bene a ricordare i tempi bui delle dittature fasciste, bisogna sempre tenere a mente quello che i nostri nonni hanno subí­to o fatto subire.

    Ed è importante che ne siano consapevoli sia i nipoti di chi ha subí­to il torto che i nipoti di chi lo ha inflitto.

    Zustimmung. Wobei sich das »kulturelle Unbehagen« durchaus auch in einem konsequenten Antinationalismus und Antifaschismus manifestieren kann (und die Ladiner in der Aufzählung der Opfer des Faschismus wieder einmal außen vor gelassen wurden).

    D’accordo. Ma il «disagio culturale» può senz’altro manifestarsi anche sotto forma di un forte antinazionalismo e antifascismo (ancora una volta, inoltre, si è dimenticato di aggiungere i ladini all’elenco delle vittime del fascismo).

    Questa consapevolezza potrebbe anche unirci, ma non è questo che cercate. Vi serve invece una nuova polarizzazione tra italiani e tedeschi e fate di tutto per aumentarla. Con continue provocazioni (la maglietta neutra per i nostri sportivi, l’inno di Hofer per l’Euregio, le polemiche se gli sportivi cantano l’inno italiano o portano la bandiera italiana, ecc. ecc.), con l’inquadramento ideologico delle giovani leve (che iniziano a pensare che in Italia non si può esser liberi o che chi usa un toponimo tolomeiano è fascista ecc. ecc.), con tutti i più stupidi clichè che vengono tenuti in vita (gli italiani che non sanno il tedesco perché “siamo in Italia”, gli italiani che non vogliono capire la terra in cui abitano, ecc. ecc.). E sempre più spesso anche con l’umiliazione. Perché imporre le parole agli altri è un segno di dominazione.

    Man kann Foppa beipflichten, dass viele Aktionen der Süd-Tiroler Freiheit – sei es aus Kalkül, sei es aus Ungeschicklichkeit – nicht gerade zu einem gemeinsamen Geschichtsbewusstsein und gegenseitiger Verständigung beitragen. Potentiell einende Vorschläge aber pauschal als Provokationen abzutun, ohne ihren Kern zu hinterfragen, ist ebenso kontraproduktiv. Ob dies aus Kalkül oder Ungeschicktheit heraus passiert, wage ich nicht zu beurteilen.

    • ad neutrale Leibchen: Dieser Vorschlag schlägt in die gleiche Kerbe wie die Forderung nach einem eigenen Südtiroler Team. In ihrem Kern, ist diese Idee die einendste überhaupt, wenn man sich das Identifikationspotenzial des Sports vor Augen hält. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Südtiroler Sprachgruppen (die in ihrem Fanverhalten, anders als oft dargestellt, auch in sich nicht absolut homogen sind) in großen Teilen auf eine bestehende (National-)Mannschaft einigen können. So wie es für viele Deutschsprachige nicht denkbar ist, Italien die Daumen zu drücken, so hegen nur wenige Italienischsprachige im Lande Sympathien für österreichische oder deutsche Teams. Wenn wir alle vom Nationalismus abkehren und gemeinsam mit einer bunten, nicht nationalen Südtiroler Mannschaft mitfiebern könnten, wäre das ein großer Schritt in Richtung gesellschaftlicher Kohäsion.
    • ad Hofer-Hymne: »Zu Mantua in Banden« ist nach Ansicht von als Hymne für die Euregio unbrauchbar. Nicht, weil sie sich gegen die italienischsprachigen Bürgerinnen und Bürger richtet (das tut sie nämlich nicht, denn Andreas Hofer starb ein halbes Jahrhundert bevor Italien überhaupt existierte), sondern weil es ein durch und durch martialisches Lied ist, dass nicht zu einem Friedensprojekt wie der Euregio passt. Inwiefern aber eine Hymne über einen Mann, der zwar reaktionär aber des Italienischen mächtig war und in dessen Reihen Scharen italienischsprachiger Tiroler gegen Bayern und Franzosen gekämpft haben, eine spezifische Provokation gegenüber den italienischsprachigen Mitbürgern sein kann, ist schleierhaft.
    • ad Mameli-Hymne und Trikolore: Grundsätzlich sollte es den Sportlern überlassen bleiben, ob und mit welchen Symbolen sie ihre Erfolge feiern. Für Südtiroler Sportler besteht diesbezüglich jedoch ein immenser Druck und nicht selten wurden in der Vergangenheit absurde nationalpatriotische Bekenntnisse eingefordert. Im Übrigen ist »Fratelli d’Italia« neben der französischen »Marseillaise« und mehr noch als die Andreas-Hofer-Hymne eines der scheußlichsten und martialischsten Lieder überhaupt, das im völligen Widerspruch zu einem pazifistischen europäischen Geist steht.
    • ad Freiheit: Wiederum geht es hier nicht um die Extreme »frei« und »unfrei«, sondern um den Grad der Freiheit. Natürlich können alle Menschen in Südtirol freier leben als in Saudi Arabien. Auch sind wir alle in Europa heute freier als noch vor 60 Jahren. Das heißt dennoch nicht, dass es keine Luft nach oben gibt. Es ist ein Faktum, dass Italien – was Freiheitsrechte betrifft – in vielen Rankings im europäischen Vergleich hinterher hinkt.
    • ad Tolomei: Freilich ist nicht jeder, der tolomeische Namen verwendet, ein Faschist. Es ist auch nicht jeder, der »Neger« sagt, ein Rassist. Wir müssen aber verstehen, dass Wörter und Bezeichnungen – sogar solche die ursprünglich semantisch neutral waren – belastet und somit für andere verletztend sein können und dass konsequenter Antifaschismus/Antirassismus einen Verzicht auf solche Begriffe bedeutet.
    • ad Klischees: Nachdem Foppa kein Klischee über Deutschsprachige und Sezessionisten ausgelassen hat, beklagt sie nun, dass die Italienischsprachigen mit Klischees über sich zu kämpfen hätten. Inwiefern man bezüglich Sprachkenntnissen von einem Klischee sprechen kann, wenn in einem auf dem Papier durchgehend zweisprachigen Land laut Astat-Sprachbarometer ein Drittel der Italienischsprachigen aus welchen Gründen auch immer so gut wie kein Deutsch versteht, bleibt jedem Einzelnen überlassen. (Deutschsprachige, die kein bis rudimentär Italienisch verstehen gibt es rund 5 Prozent).

    Foppa ha ragione, molte azioni di Süd-Tiroler Freiheit — per calcolo o per goffaggine — non contribuiscono esattamente a una visione condivisa della storia e alla comprensione reciproca. Altrettanto controproducente sarebbe classificare (per calcolo o per goffagine) come mere provocazioni tutte le loro proposte, anche quelle potenzialmente unificanti.

    • magliette neutre: Questa proposta va nella stessa direzione di una squadra indipendente. Nel suo nocciolo si tratta di un’idea assolutamente coesiva, se pensiamo al potenziale identificativo dello sport. È assai improbabile che tutti i gruppi linguistici (che anche al loro interno in tal senso, al contrario di quel che si dice, non sono certo omogenei) inizino a tifare congiuntamente una delle squadre (nazionali) esistenti. Così come per molti sudtirolesi di lingua tedesca sarebbe inimmaginabile tifare Italia, pochissimi sudtirolesi di lingua italiana hanno simpatie verso l’Austria o la Germania. Se tuttavia provassimo tutti ad allontanarci dai rispettivi nazionalismi e potessimo tifare una variopinta squadra sudtirolese, ciò sarebbe un passo importante verso la coesione sociale.
    • inno di Hofer: «A Mantova in catene» a giudizio di è inservibile come inno dell’Euregio. Non perché fosse un attacco ai concittadini di lingua italiana (Andreas Hofer perì mezzo secolo prima che esistesse uno stato italiano), ma perché si tratta di una canzone intrinsecamente marziale, inadatta a un progetto di pace come l’Euregio. Ma una canzone su un personaggio certamente reazionario, ma che parlava l’italiano e le cui truppe comprendevano un grande numero di tirolesi di lingua italiana, che con lui combatterono contro francesi e bavaresi, non può certo essere una provocazione specificamente indirizzata ai cittadini italofoni.
    • inno di Mameli e tricolore: Fondamentalmente gli atleti dovrebbero poter decidere se e con quali simboli festeggiare i loro successi. Gli sportivi sudtirolesi però si vedono confrontati con pressioni immense e non di rado in passato gli si è chiesto di dimostrare la loro appartenenza nazionalpatriottica all’Italia. Tra l’altro «Fratelli d’Italia» assieme alla «Marsigliese» (e più ancora dell’inno di Hofer) è una delle canzoni più marziali, totalmente incompatibile con uno spirito di pace europeo.
    • libertà: Qui non si tratta degli estremi «libero» o «non libero», bensì del grado di libertà. È chiaro che tutti in Sudtirolo possono vivere in maggiore libertà che non in Arabia Saudita. E in Europa oggi siamo tutti più liberi che 60 anni fa. Ma ciò non significa che non ci sia più alcun margine di miglioramento. Ed è un fatto che lo stato italiano in molte classifiche internazionali risulta in coda agli stati europei, anche per quanto riguarda la libertà.
    • Tolomei: Ovviamente non tutti coloro che usano i toponomi di Tolomei sono fascisti. Come non tutti quelli che usano la parola «negro» sono razzisti. Dobbiamo però capire che le parole e le denominazioni — perfino quelle che in origine erano semanticamente neutrali — possono essere compromesse o risultare offensive per altri e che un coerente antifascismo/antirazzismo richiede la rinuncia a una certa terminologia.
    • cliché: Foppa non ci risparmia alcun cliché sui sudtirolesi di lingua tedesca e sui secessionisti e poi si lamenta dei cliché sui sudtirolesi di lingua italiana. Ma che i dati confermati dal barometro linguistico dell’Astat, secondo cui un terzo dei cittadini di madrelingua italiana (ma solo il 5% dei cittadini di lingua tedesca) non parla l’altra lingua, difficilmente potrà essere chiamato un cliché.

    Lo sanno bene i sudtirolesi. Per questo il piccolo gesto l’altro giorno in Consiglio, quando avete fatto togliere “altoatesino” dal testo italiano mi ha spaventata.

    Dass die Forderung von der »falschen Seite« und mit »verdeckter Intention« kommt, tut in der Essenz nichts zur Sache. Es geht hier mehr um politische Korrektheit, denn um Aufoktroyierung. Man hätte der Forderung inhaltlich ja auch zustimmen und die eventuell andersgelagerten Motive dafür (politische Korrektheit, Antifaschismus) kommunizieren können. Somit hätte man den politischen Gegner entzaubert und gleichzeitig das – in einem internationalen Geiste – »Richtige« getan. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen Aufsatz, den die großartige Lidia Menapace für Politika 10 – Das Südtiroler Jahrbuch für Politik geschrieben hat, in dem sie erklärt, warum sie – wie im Übrigen auch die Verdi Grüne Vërc selbstkonsequent Sudtirolo und nicht Alto Adige verwendet.

    Che la richiesta provenga dalla «parte sbagliata» e con «intenzioni mascherate» è essenzialmente ininfluente. Si tratta più di correttezza politica che di un’imposizione. Quindi si poteva aderire alla mozione comunicando le proprie motivazioni (correttezza politica, antifascismo), smascherando l’avversario politico ma facendo comunque la cosa «giusta». In questo contesto mi viene in mente un contributo della grandissima Lidia Menapace per l’annuario Politika 10, in cui spiegava le ragioni per cui — come anche i Verdi Grüne Vërc stessi — usava solo il termine Sudtirolo e mai Alto Adige.

    Nachtrag:
    Einen demokratischen Entscheid, der sich nur auf den amtlichen Gebrauch bezieht, mit dem Diktat eines totalitären Regimes zu vergleichen, das die historischen Ortsnamen und die deutsche Sprache in allen Lebensbereichen verbieten wollte (und großteils verboten hat) ist absurd. Sind folglich auch die Katalanen, Aostaner, Grönländer, Südafrikaner und australischen Aborigines Revanchisten und auf einer Stufe mit (Franko-)Faschismus und Kolonialismus, da sie genau das getan haben, was auch der Südtiroler Landtag mit seinem Beschluss gemacht hat?

    Appendice:
    È assurdo equiparare una decisione democratica, riferita al solo uso ufficiale di una denominazione, al dettato di un regime totalitario, che intendeva vietare i toponimi originali e la lingua tedesca in tutti gli ambiti (riuscendoci in gran parte). Quindi anche i catalani, gli aostani, i groenlandesi, i sudafricani e gli aborigeni australiani sono sullo stesso piano di (franco-)fascisti e colonialisti, perché hanno fatto la stessa identica cosa che ha fatto anche la dieta sudtirolese con la sua decisione di evitare il termine «altoatesino»?

    Badate bene che ripagare le umiliazioni subí­te con ulteriori umiliazioni, non porta a nulla se non a nuovi conflitti.

    Zustimmung. Aber wo ist die Erniedrigung?

    D’accordo. Ma quale sarebbe l’umiliazione?

    Vi serve probabilmente per accumulare consensi per il vostro progetto secessionista. Ma il prezzo che dobbiamo pagare noialtri, che vogliamo solo pacificamente vivere, capire, fruire la nostra composita e curiosa convivenza, è troppo alto.

    Non voglio pagarlo.

    Und ich möchte nicht den Preis dafür bezahlen, dass vermeintlich weltoffene Menschen, die von Klischees und Ignoranz geprägte Kampagnen einer Zeitung mittragen, indem sie Öl ins Feuer der Ewiggestrigen schütten.

    E io non vorrei pagare il prezzo per chi, ritenendosi persona particolarmente aperta, sostiene le campagne basate su cliché e ignoranza di un certo giornale.

    E non credo di essere sola in questo.

    Der Text hat bestimmt dazu beigetragen, dass noch mehr Menschen ein undifferenziertes Bild haben und sich in ihrer Haltung bestätigt fühlen.

    Il testo ha certamente contribuito a promuovere una visione superficiale delle cose e a confermare molte persone nei loro pregiudizi.

    Cëla enghe: /Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Wir hätten diese Autonomie nicht.
    Quotation

    Wenn wir immer von dem ausgegangen wären, was in der Politik möglich und nicht möglich ist, dann hätten wir heute diese Autonomie nicht. Wer hätte 1945 geglaubt, dass es einmal möglich ist, diese Art der Autonomie zu bekommen, die wir haben? Wer hätte geglaubt, dass es überhaupt möglich ist, die Region, die zwangsmäßig und gegen jede Vernunft eingerichtet worden ist, so ausgehöhlt werden kann wie sie ausgehöhlt worden ist?

    Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) im Rahmen der fünften Sitzung des Konvents der 33 (K33), 2. Juli 2016

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Operación Cataluña.
    Keine Verschwörungstheorie!

    Erst kürzlich hatte das Informationsportal Público.es in mehreren Etappen Mitschnitte konspirativer Gespräche zwischen dem spanischen Innenminister Fernández Díaz und dem Leiter der katalanischen Antikorruptionsbehörde Daniel de Alfonso Laso veröffentlicht, in denen Möglichkeiten ausgelotet wurden, katalanische Politikerinnen, die die Unabhängigkeit befürworten, zu diskreditieren.

    De Alfonso Laso wurde vom katalanischen Parlament (nach einer Anhörung durch die Abgeordneten) bereits entlassen.

    Doch nun weitet sich der Skandal weiter aus. Vor Gericht bestätigte ein hochrangiges Mitglied der spanischen Polizei die Existenz einer von Fernández Dí­az persönlich gegründeten, geheimen Spezialeinheit (»DAO«) mit dem politischen Ziel, die katalanische Unabhängigkeit zu bekämpfen. Unter anderem sollen DAO-Mitglieder gezielt belastende Informationen über Politikerinnen von CDC, ERC und CUP gesucht haben — ohne je die dafür nötige Zustimmung der Staatsanwaltschaft einzuholen.

    Den Machenschaften einer solchen im Untergrund agierenden Spezialeinheit, deren Existenz die spanische Zentralregierung bis anhin stets geleugnet hatte, waren von spanischen und katalanischen Medien unter anderem der mit falschen Behauptungen bespickte, dem konservativen El Mundo zugespielte Polizeibericht über den ehemaligen Präsidenten Artur Mas oder die medial perfekt inszenierte (aber ergebnislose) Durchsuchung der Parteizentrale von CDC zugeschrieben worden.

    Dass die schmutzigen Aktivitäten des Innenministeriums und der Polizei nun ans Tageslicht kommen, ist auf Streitigkeiten zurückzuführen, die in der Führungsetage der spanischen Polizei entstanden sind — und jetzt ein gerichtliches Nachspiel haben. Parallel dazu wurden spanischen Medien die oben erwähnten Mitschnitte sowie auch ein USB-Stick mit brisanten Unterlagen der DAO zugespielt.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Percentuale di laureati più bassa d’Europa?
    Il nostro «fact check»

    [P]ensare di fare ricerca scientifica in un territorio di 500 mila abitanti che ha la più bassa percentuale di laureati d’Italia e d’Europa è impensabile.

    Roberto Bizzo (PD), Convenzione dei 33, quinta seduta del 2 luglio 2016.

    I fatti: Secondo i dati più recenti pubblicati da Eurostat, relativi alla popolazione fra i 30 e i 34 anni e riferiti all’anno 2015, il Sudtirolo ha un tasso di laureati sensibilmente inferiore agli altri due territori componenti la nostra Euregio, ma: eguale alla media italiana. E quindi non certo la percentuale più bassa d’Italia.

    Senza voler negare che rimane molto da fare per aumentare la quota, va comunque ricordato che

    • sia il Trentino che il Tirolo settentrionale hanno una tradizione accademica che il Sudtirolo ha iniziato a costruire solo pochi anni fa;
    • solamente il Sudtirolo, in Italia, dispone di un sistema di formazione duale da parecchi anni, che tradizionalmente tende a far diminuire (o a mantenere più bassa) la percentuale di laurati.

    Akademikerquote 2015.

    Cëla enghe: 01 02 || 01



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  • The Blair Witch Project.

    In Großbritannien geht’s rund. Erst das BREXIT-Chaos und jetzt der Chilcot-Report, der der Entscheidung unter der damaligen Regierung Blair, an der Seite George W. Bushs in den Irak-Krieg zu ziehen, ein vernichtendes Urteil ausstellt.

    Ich erspare mir und dem geneigten Leser jetzt eine Bewertung der Nahostpolitik des Westens der vergangenen 30 Jahre. Vielmehr möchte ich ein paar Gedanken zum Spannungsfeld zwischen direkter und repräsentativer Demokratie loswerden, da dieses nicht nur wegen des BREXITs, sondern auch aufgrund der unlängst abgehaltenen Befragungen/Abstimmungen in Südtirol (Plose-Seilbahn, Benko-Projekt, Flughafen …) kontrovers diskutiert wird. Dabei wird nicht selten die direkte Demokratie grundsätzlich in Frage gestellt.

    Zunächst müssen wir uns klar sein, dass es in einer Demokratie nicht um richtig oder falsch (das ist subjektiv), sondern um gewollt oder nicht gewollt geht. Sowohl repräsentative als auch direkte Demokratie sind nicht unfehlbar, wenngleich – wie gesagt – richtig und falsch in diesem Zusammenhang keine funktionierenden Termini sind. Dennoch werden Entscheidungen im Nachhinein von vielen Seiten bewertet, wobei sich, wie auch jetzt im Falle des Irak-Krieges, hin und wieder ein klarer Tenor in Richtung “falsch” oder “richtig” entwickelt.

    Jedenfalls sehe ich keine Hierarchie – im Sinne von “besser” und “schlechter” – zwischen direkter und repräsentativer Demokratie. Die BREXIT-Entscheidung ist zwar eine, die von sehr vielen als Fehlentscheidung gewertet wird; aber wie viele solcher – ebenso gravierender – “Fehlentscheidungen” hat die repräsentative Demokratie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten getätigt? Soweit ich mich erinnern kann, hat uns die Banken- und Schuldenkrise, die Flüchtlingskrise und das quasi Totalversagen im Zuge deren Bewältigung nicht die direkte Demokratie eingebrockt. Dennoch stellt kaum jemand – richtigerweise – die repräsentative Demokratie als solche in Frage.

    Ich denke, eine Mischung aus deliberativen, direkten und repräsentativen Elementen macht eine gute und funktionierende Demokratie aus. Ein Garant, dass keine “Fehlentscheidungen” getroffen werden, ist das dennoch nicht. Wie auch der völlige Verzicht auf Partizipation kein Garant für perfekte Entscheidungen ist. Im Gegenteil, wir würden auf ein wichtiges Korrektiv verzichten. Beispielsweise hat uns die direkte Demokratie in Italien vor der – von der repräsentativen Demokratie gewollten – Atomkraft sowie der Privatisierung des Wassers und den Off-Shore-Ölbohrungen bewahrt. Wenngleich meine positive Sicht auf das Ergebnis dieser Abstimmungen freilich auch eine subjektive ist.

    Auch das Argument, dass bestimmte Themen für das Volk zu komplex und weitrechend seien, um darüber befinden zu können, ist kein wirklich durchdachtes. So haben im Zuge der Finanzkrise (die wohl zu den komplexesten Sachverhalten zählt), die größten Experten, wie sich im Nachhinein herausstellte, katastrophale Fehleinschätzungen und -entscheidungen getroffen. Und auch bei der britischen Entscheidung für den Irak-Krieg haben Profipolitiker im Verein mit Experten nach Auffassung der Untersuchungskommission einen gravierenden Fehler gemacht, der bis heute nachwirkt und nach meinem Dafürhalten größere – zumal negative – Auswirkungen auf die Welt als der BREXIT hat. Einen Fehler, den “das Volk” beispielsweise nicht gemacht hätte. Wäre nämlich über die von der UNO nicht sanktionierte Entsendung der Truppen abgestimmt worden, hätte sich aller Wahrscheinlichkeit nach sogar eine Dreiviertelmehrheit im Vereinigten Königreich gegen den Krieg entschieden.

    Überdies sind Personalentscheidungen – und das werden erfolgreiche Unternehmer wohl bestätigen – meist komplexer und weitreichender als einzelne Sachentscheidungen. Bei einer schlechten Personalentscheidung laufe ich nämlich Gefahr, dass in der Folge sämtliche Sachentscheidungen dieser Person suboptimal verlaufen. Die komplexe Personalentscheidung einer Wahl muten wir dem Volk jedoch unumstritten zu. Schwierige Sachentscheide könne man dem Volk hingegen nicht anvertrauen. Für mich ist das ein Widerspruch. Auch ein Politiker, der behauptet, dass gewisse Entscheide zu kompliziert für das Volk und seine “Schwarmintelligenz” seien, diskreditiert sich im Grunde selbst. Denn es war genau jenes “unwissende Volk”, das ihn an die Stelle gehoben hat, von der aus er dessen Entmündigung fordert. Somit war – der Logik des Politikers folgend – seine Wahl mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine Fehlentscheidung. Siegreiche Politiker werden kurz nach einer Wahl/Abstimmung meist aber nicht müde zu betonen, wie “mündig” das Volk entschieden habe.

    Ein weiterer Einwand ist, dass die Bürgerinnen und Bürger bei Volksentscheiden zu sehr manipulierbar wären, als dass sie eine freie, durchdachte Entscheidung treffen könnten. Der Einwand lässt jedoch außer Acht, dass auch Berufspolitiker nicht frei von äußeren Einflüssen entscheiden. Zahlreiche Korruptions- und Lobbying-Affären – nicht zuletzt auch im Zuge der Finanzkrise oder des Irak-Krieges – entlarven die Immunität der Politiker gegenüber Manipulation als Mythos. Mehr noch, im Gegensatz zu einzelnen Politikern ist das gesamte Stimmvolk rein technisch nicht korrumpierbar. Überdies ist die Gefahr der Manipulation der Bevölkerung durch Lügen und Propaganda auch bei Wahlen gegeben. Wollen wir deshalb auf Wahlen verzichten?

    Vor allem in Südtirol wird auch immer wieder behauptet, dass die Menschen noch nicht reif für die direkte Demokratie seien. Man könne sich nicht mit der Schweiz vergleichen, denn dort würden Volksentscheide eine jahrhundertelange Tradition haben. Dieser Logik folgend, dürfte man Dinge also nur tun, wenn man sie bereits perfekt beherrscht. Es ist richtig, dass direkte Demokratie eine gewisse Reife voraussetzt. Aber diese Reife stellt sich nicht urplötzlich ein. Demokratie ist ein Prozess. (Direkte) Demokratie lernt man, indem man sie ausübt. Anders geht das nicht. Wenn wir direktdemokratische Instrumente nicht zulassen, werden wir auch in fünfhundert Jahren nicht “reif” dafür sein.



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