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  • Schrödingers Landesrat.

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    1 Comentâr → on Schrödingers Landesrat.

    Die rote Linie der SVP ist wieder um eine Facette reicher.

    Die Katze in Schrödingers berühmtem Gedankenexperiment ist gleichzeitig tot und lebendig. Erst wenn man die Kiste öffnet, in der sie sich befindet, springt die Katze in den Zustand lebendig oder tot. Ähnlich verhält es sich beim Landtagsabgeordneten und Landesrat Marco Galateo (FdI): Er ist beides gleichzeitig — doch erst wenn er etwas gesagt hat, springt er in den Augen der Volkspartei in den einen oder in den anderen Zustand. Als Landesrat befindet er sich diesseits und als Landtagsabgeordneter jenseits der roten Linie.

    Situationselastik

    Konkretes Beispiel: Heute hat Galateo laut TAZ im Landtag behauptet, dass die Corona-Zeit die größte Freiheitsberaubung in Friedenszeiten gewesen sei. Der Landtagsabgeordnete der Grünen Zeno Oberkofler habe ihm deshalb vorgeworfen, den Faschismus zu verharmlosen. Landesrat Philipp Achammer (SVP) soll sich daraufhin von seinem Kollegen distanziert und behauptet haben, dass er die Aussage als Abgeordneter und nicht als Mitglied der Landesregierung gemacht habe.

    Der Landesrat, LH-Stellvertreter und Landtagsabgeordnete Marco Galateo kann also gleichzeitig dies- und jenseits der roten Linie, in und außerhalb des Wertekatalogs, Demokrat und Faschist, koalitionswürdig und untragbar sein. Erst wenn er den Mund öffnet, erhält man Gewissheit, welchen der genannten Zustände er gerade angenommen hat.

    Auf weitere Windungen und Wendungen in der roten Linie bin ich schon sehr gespannt.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Rote Linie (in Katalonien).

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    Während in Südtirol symbolische rote Linien gegen einen einzelnen rechtsextremen Landtagsabgeordneten der Opposition gezogen werden, haben heute früh im Vorfeld der Neuwahlen zum katalanischen Parlament fast alle demokratischen Parteien schriftlich erklärt, dass sie mit rechtsradikalen und rechtsextremen Kräften keine Koalition bilden werden. Auf Einladung der Plattform Unitat contra el feixisme i el racisme (Einheit gegen Faschismus und Rassismus – UCFR) haben

    • die linke Esquerra Republicana de Catalunya (ERC)
    • Junts per Catalunya (JxC) von Carles Puigdemont
    • die radikal linke Basisbewegung Candidatura d’Unitat Popular (CUP)
    • die ökosoziale Catalunya en Comú – Sumar
    • die sozialistische PSC, katalanischer Ableger der gesamtspanischen PSOE

    eine entsprechende Erklärung unterzeichnet, in der sie sich dazu verpflichten, vor und nach der Wahl vom 12. Mai weder aktiv noch passiv mit der neofranquistischen Vox und mit Aliança Catalana (AC) zusammenzuarbeiten. Vox, eine europäische Partnerpartei von FdI, wurde schon in der vergangenen Legislaturperiode konsequent isoliert. Bei AC handelt es sich um die erste separatistische Rechtspartei, die den Einzug ins katalanische Parlament schaffen könnte. Eine Zusammenarbeit hatte etwa Carles Puigdemont (JxC) schon zuvor ausgeschlossen.

    Bildquelle: Unitat contra el feixisme i el racisme

    Nicht unterzeichnet haben die Selbstverpflichtung lediglich die rechtsnationalistische PP aus der EVP-Familie sowie die antiseparatistische Ciutadans (Cs), die den Wiedereinzug in die katalanische Volksvertretung Prognosen zufolge verpassen dürfte.

    Den Kräften, die Vox und AC aktiv und bewusst ausgrenzen wollen, sagen die Umfragen derzeit rund 110 der insgesamt 135 Sitze voraus. Das sind über 80 Prozent.

    Konkret umfasst die Erklärung folgende fünf Punkte:

    1. Wir werden uns nicht der Hassrede bedienen und auch keine Hassrede dulden, ganz gleich von wem sie kommt. Die internationale Erfahrung macht deutlich, dass etablierte Parteien, die rassistische, machistische Ideen etc. nicht bekämpfen — oder schlimmer, sie sogar unterstützen — nicht zur Eindämmung der extremen Rechten, sondern zu ihrer Normalisierung und Stärkung beitragen.
    2. Die Zustimmung zur extremen Rechten wächst nicht auf der Grundlage logischer Argumente, sondern durch die Verbreitung von Lügen und Hass. Es hat keinen Sinn, mit ihnen zu diskutieren, da es kein gemeinsames Terrain des Respekts für Mensch und Demokratie gibt. Daher werden wir das Mögliche unternehmen, damit Hassdiskurse bei Wahlveranstaltungen keinen Platz finden: in dieser Hinsicht werden wir für eine gemeinsame Front der demokratischen Kräfte arbeiten. Wir werden Hassdiskurse aufzeigen und enttarnen, jedoch ohne mit [den extremen Rechten] in den Dialog zu treten: Es muss über die extreme Rechte, aber nicht mit der extremen Rechten gesprochen werden.
    3. Falls extreme Rechte im Parlament vertreten sein werden, werden wir in keiner Weise mit ihnen zusammenarbeiten; wir werden das Mögliche tun, um ihre Versuche, die demokratischen Institutionen für Angriffe auf die Rechte der Menschen zu nutzen, zu vereiteln.
    4. Während wir unseren eigenen Wahlkampf führen, werden wir das Mögliche tun, um die Argumente der UCFR zu verbreiten. Bei unseren Veranstaltungen werden wir die Verteilung von Informationsmaterial der UCFR erleichtern, damit die Teilnehmenden ihre Positionen kennenlernen und weiterverbreiten können.
    5. Vox, AC und die Ultrarechten im allgemeinen bedrohen die demokratischen Werte. Daher rufen wir dazu auf, an den kommenden Wahlen teilzunehmen und die demokratischen Angebote zu unterstützen, um dazu beizutragen, dass die Extremist:innen nicht ins Parlament gewählt werden.

    Übersetzung von mir

    Echte rote Linien sehen so aus.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 || 01 02



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  • Die SVP macht eine STF.
    Rote Linie

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    0 Comentârs → on Die SVP macht eine STF.
    Rote Linie

    Aufgrund der schockierenden Rede, die Jürgen Wirth Anderlan kürzlich bei der FPÖ in Wien gehalten hat, rufen mehrere Landtagsfraktionen für morgen Dienstag um 14.20 Uhr zu einer Kundgebung am Silvius-Magnago-Platz auf, bei der symbolisch eine rote Linie gegen Rechtsextremismus gezogen werden soll. Das ist zu begrüßen.

    Neben der Unterschrift von Brigitte Foppa (Grüne) trägt die offizielle Einladung erstaunlicherweise auch jene von Harald Stauder (SVP). Genau die Volkspartei hatte erst vor wenigen Monaten zivilgesellschaftliche Kundgebungen und besorgte Aufrufe in den Wind geschlagen, mit denen sie eindringlich davor gewarnt wurde, mit extremistischen Kräften zu koalieren. Stauder selbst war unter den Verharmloserinnen und verteidigte die Zusammenarbeit etwa bei einem Pro&Contra auf Rai Südtirol gegen David Röck von der Bewegung No Excuses.

    Doch rote Linien — oder meinetwegen Brandmauern — existieren entweder ganz oder gar nicht. Offenbar will die SVP das partout nicht einsehen: Genauso unglaubwürdig wie die STF ist, die zuerst gegen Giorgia Meloni (FdI) klagt und dann mit Herbert Kickl (FPÖ) paktelt, ist leider auch die SVP, wenn sie jetzt rote Linien gegenüber JWA zieht, während sie mit FdI, Lega und F regiert.

    So kann das nicht funktionieren.


    Nachtrag vom 7. Mai 2024: Wenig überraschend haben neben der STF auch die rechten Koalitionspartner der SVP (FdI, Lega/Uniti, F) Ausreden gefunden, um sich nicht am Protest gegen JWA zu beteiligen. LH-Stellvertreter Marco Galateo will sogar JWAs »Recht auf Kritik« (!) verteidigen. Nur das Team K, der PD und die Civica sind der Einladung von Grünen und SVP gefolgt.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 | 07 || 01 02 03



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  • In- und ausländische Extremistinnen.

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    In der gestrigen Tagesschau von Rai Südtirol war folgender kurzer Ausschnitt der Rede von LH Arno Kompatscher bei der SVP-Landesversammlung zu hören:

    [Wir brauchen] in Südtirol mit Gewissheit keine — weder österreichische noch deutsche — Neonazis, die zu uns kommen, wir haben mit unseren Rechtsradikalen schon genug Probleme.

    – Arno Kompatscher

    Transkription von mir

    Das ist schön gesagt. Ausländische Rechtsextremisten wie Martin Sellner sollen bitte an der Einreise gehindert werden. Inländische aber sitzen neben Arno Kompatscher auf der Regierungsbank. Dass sie ihm dort Probleme machen, ist wirklich nicht in Ordnung.

    Siehe auch: 01 02 03 || 01 02 03



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  • SVP: Tajani bei der Landesversammlung.

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    Bei der 66. ordentlichen Landesversammlung der SVP wurde im Meraner Kursaal nach zehnjähriger Obmannschaft von Philipp Achammer der Parlamentsabgeordnete Dieter Steger zu seinem Nachfolger gewählt. Hauptgastredner war der italienische Außenminister Antonio Tajani, der als früheres Mitglied einer monarchistischen Partei, die mit dem MSI fusionierte, noch immer Sympathien für den faschistischen Diktator Benito Mussolini hegt, Separatistinnen lebenslänglich wegsperren würde und mit seiner Partei die rechtsrechte Regierung von Giorgia Meloni (FdI) ermöglicht. Im Schlepptau seiner Forza Italia soll Herbert Dorfmann in einem Monat erneut ins Europaparlament einziehen.

    Gleichzeitig mit seinem Auftritt bei der Volkspartei in Meran ist gestern auch ein Interview mit Tajani im A. Adige erschienen, das eigentlich aufhorchen lassen sollte: Da bezeichnet der Nachfolger von Silvio Berlusconi als FI-Chef, der auch Spitzenkandidat seiner Partei bei der Europawahl sein wird, die SVP als »Partei der deutschsprachigen Italiener«1«partito di riferimento degli italiani di lingua tedesca» und betont, dass die Regionen und Provinzen Italiens in ihrer Unterschiedlichkeit für ein geeinteres Italien zusammenarbeiten sollten — auch um in Europa stärker sein zu können.2«Crediamo che, insieme, tutte le regioni e le province d’Italia nella loro diversità possano collaborare per avere un’Italia più unita, e quindi una voce più forte in Europa.» Über Matteo Gazzini, der in die Voice-of-Europe-Affäre verwickelt ist und im Verdacht steht, sich in den Dienst der russischen Propaganda gestellt zu haben, sagt Tajani völlig unkritisch, er verdiene es, bestätigt zu werden, da er gut gearbeitet habe und von den Wählerinnen geschätzt werde.2«Gazzini sta lavorando bene, è apprezzato dagli elettori ed avrà un ottimo risultato. Merita la conferma.» Dieter Steger schließlich sei ein »raffinierter Politiker«, der die Probleme seiner Wählerinnen im Geiste der Zusammenarbeit »mit der nationalen Regierung« zu lösen wisse.

    Für die EU wünscht sich Tajani nicht die Fortsetzung einer Koalition mit den sozialdemokratischen Kräften (S&D), sondern die Zusammenarbeit von EVP, Konservativen und Liberalen. Zu seinen Favoriten gehört also wenig überraschend die nationalistische, EU-feindliche EKR-Fraktion, in der unter anderem die neofaschistische FdI, die neofranquistische Vox, die PiS, Reconquéte, die Wahren Finnen und die Schwedendemokraten vertreten sind. Sie stellen das genaue Gegenprojekt zu einem Europa der Regionen dar und wollen die EU in einen Ort der punktuellen Zusammenarbeit homogener Nationen zurückbauen. Wie das im Interesse von Südtirol sein könnte, erschließt sich mir nicht — doch der SVP scheint das längst alles egal zu sein.

    Siehe auch: 01 02 03 || 01

    • 1
      «partito di riferimento degli italiani di lingua tedesca»
    • 2
      «Crediamo che, insieme, tutte le regioni e le province d’Italia nella loro diversità possano collaborare per avere un’Italia più unita, e quindi una voce più forte in Europa.» Über Matteo Gazzini, der in die Voice-of-Europe-Affäre verwickelt ist und im Verdacht steht, sich in den Dienst der russischen Propaganda gestellt zu haben, sagt Tajani völlig unkritisch, er verdiene es, bestätigt zu werden, da er gut gearbeitet habe und von den Wählerinnen geschätzt werde.2«Gazzini sta lavorando bene, è apprezzato dagli elettori ed avrà un ottimo risultato. Merita la conferma.»


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  • Aus dem Bauch heraus.
    “Willkommen” im Land der Vorurteile

    Im dieswöchigen Leitartikel der Wochenzeitung ff mit dem Titel “Willkommen” beschäftigt sich Direktorin Verena Pliger mit der Frage, was Südtirol unternehmen müsste, um attraktiver für (ausländische) Fachkräfte zu sein. Pliger räumt zwar ein, dass es etwas mit vergleichsweise niedrigen Gehältern, gepaart mit knappem Wohnraum und hohen Lebenshaltungskosten zu tun haben könnte, aber das wahre Problem sei dann doch wohl die vermeintlich mangelnde Weltoffenheit der Südtirolerinnen, und irgendwie auch die fehlende Immersion an den Schulen, die gefühlt mittlerweile an so ziemlich allem Schuld ist – vom Klimawandel bis hin zum schlechten Abschneiden der Südtiroler Herren beim Super-G anlässlich der Skiweltmeisterschaften 2023 in Courchevel und Méribel.

    Betriebe würden zwar Anstrengungen unternehmen, attraktive Angebote für (potenzielle) Mitarbeiterinnen zu schaffen, “doch was nutzt das alles, wenn wir in einem Land leben, das sich immer weiter verschließt, anstatt sich zu öffnen”, diagnostiziert Pliger ziemlich plakativ und vorurteilsbeladen. Mir ist schon klar, dass es in Südtirol mitunter zum guten Ton gehört, sich über die Engstirnigkeit, Rückständigkeit und Fremdenfeindlichkeit der Landsleute zu echauffieren – ganz nach Karl-Markus Gauß: “Provinz ist dort, wo Provinzler Provinzler Provinzler schimpfen.”

    Aber stimmt denn der Befund? Ist es bei uns wirklich schlimmer als anderswo – zumal dort, wohin die Südtiroler Fachkräfte abwandern? Gibt es belastbare Indizien und Belege dafür oder reichen uns Bauchgefühl und anekdotische Evidenz?

    Lustig ist, dass die Töne, die Pliger anschlägt, auch genau dort zu vernehmen sind, wo die meisten “Auslandssüdtirolerinnen” beschäftigt sind: in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland. Auch dort gibt es die Debatte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, auch dort werden Stimmen laut, die nach mehr Offenheit gegenüber Fremdem und Neuem verlangen und die Landsleute als zu verschlossen brandmarken (vgl. 01 02 03), auch dort sind Xenophobie und andere Formen der Diskriminierung ein Thema. Und ich bin mir sicher, dass sich diese Debatten nicht nur auf die D-A-CH-Region beschränken. Wir finden sie überall. Was dann aber wiederum heißt, dass Südtirol in dieser Hinsicht keine Ausnahme darstellt und wohl ähnliche Entwicklungen durchlebt, wie die meisten anderen Regionen Europas.

    Dazu gehört beispielsweise die Tendenz, dass rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien erstarken, was man freilich als Indiz für fehlende Weltoffenheit interpretieren könnte. Eine Analyse des EU Science Hub der Europäischen Kommission für die Europawahlen 2019 hat jedoch ergeben, dass Südtirol zu jenen Regionen in Europa zählt, in denen migrationsfeindliche Parteien am schlechtesten abgeschnitten haben. Die jüngsten Landtagswahlen haben allerdings sehr wohl einen Rechtsruck gebracht – im Vergleich zu 2018, nicht jedoch zu 2013 wohlgemerkt, als der Landtag noch weiter nach rechts lehnte als heute. Rechtsparteien (STF, FdI, JWA, F, Lega) kamen 2023 auf knapp über 30 Prozent der Stimmen. Jedoch lagen die Rechtspopulisten (SVP, Lega, MCR) auch in der Schweiz, die trotz wenig weltoffener Schritte wie dem Minarettverbot, der Ausschaffungsinitiative oder der Debatte um die Einführung einer Einwanderungsgebühr einer der größten Anziehungspunkte für ausländische Fachkräfte in Europa ist, bei den jüngsten Nationalratswahlen bei rund 30 Prozent. Und auch in Österreich liegt die FPÖ laut Umfragen bei 30 Prozent. Lediglich in Deutschland scheint das Wählerpotenzial für Rechtspopulisten deutlich geringer. Der AfD werden in der Sonntagsfrage derzeit rund 16 Prozent zugetraut.

    In punkto Toleranz gegenüber Rechtsextremismus scheint Südtirol zumindest im italienischen Kontext mehr Sensibilität aufzubringen. Während ein Bademeister, der Tätowierungen mit Nazi-Symbolik während der Arbeit offen zur Schau getragen hat, in Brixen seine Arbeitsstelle verlor, ist er an der Adriaküste weiter als solcher im Einsatz.

    Als weiteren Beleg für ihre These nennt Pliger die unsäglichen und hetzerischen Aussagen des Landtagsabgeordneten Wirth Anderlan.

    Wenn wir immer weiter nach rechts abdriften und ein Jürgen Wirth Anderlan nach wie vor als Landtagsabgeordneter tätig sein darf, obwohl er zynisch hetzt und Leute in Steinbrüche schicken will.

    – Verena Pliger

    So skandalös Wirth Anderlans Verhalten auch ist, mich würde interessieren, in welchem Land er nicht mehr Abgeordneter sein dürfte (!). Gibt es irgendwo Regelungen, wonach Abgeordnete nach derartigen Aussagen ihr Mandat automatisch verlieren? Natürlich gibt es Länder mit “Rücktrittskultur”, wo der politische Druck in so einem Fall derart hoch werden würde, dass die betroffene Politikerin zurücktreten müsste. Aber in Südtirol ist doch Italien hat ein gewisser Silvio Berlusconi die Latte diesbezüglich verdammt niedrig gelegt. Selbst wenn die Justiz einschreitet – was sie wahrscheinlich nicht wird – müsste das nicht notwendigerweise bedeuten, dass JWA aus dem Landtag fliegt.

    Als nächste müssen – wie bereits erwähnt – das Schulsystem und die Immersion herhalten.

    Wenn sich eine unserer Regierungsparteien vehement gegen einen englischsprachigen Klassenzug am Realgymnasium – ein Pilotprojekt noch dazu! – wehrt. Wenn Unternehmerverbandspräsident Federico Giudiceandrea mit seiner Forderung einer internationalen Schule seit Jahren auf taube Ohren stößt. Wenn Roland Seppi, der Landeskommandant der Schützen, auf der 59. Bundesversammlung des Schützenbundes nichts als warnt, dass deutschsprachige Kinder zu „Reservespielern“ herangebildet werden, da die deutschen Schulen massiv von italienischsprachigen und ausländischen Kindern besucht werden.

    – Verena Pliger

    Im kommenden Schuljahr startet übrigens ein Klassenzug mit englischer Unterrichtssprache am Realgymnasium Bozen. Es steht bereits fest, dass die Anzahl jener Schülerinnen in diesem Klassenzug, die aus dem Ausland zugezogen sind, genau 0 sein wird. Generell sind die geforderten Initiativen (englischsprachige Klassenzüge, internationale Schulen) im Zusammenhang mit der Diskussion um “Weltoffenheit”, “Willkommenskultur” und “Integration” irgendwie paradox. Einerseits wird von den Südtirolerinnen gefordert, dass sie mehr Anstrengungen unternehmen sollen, zugezogene Fachkräfte zu integrieren und sich ihnen nicht zu verschließen, andererseits sollen elitäre Bildungsstätten für genau diese – offenbar integrationsunwillige – Zielgruppe geschaffen werden, damit sie möglichst nicht in Kontakt mit den Südtiroler Schülerinnen kommt. Wie dem auch sei, der Zusammenhang zwischen Immersionsunterricht, den es in der mehrsprachigen Schweiz auch nur sehr vereinzelt gibt, und der Attraktivität für Facharbeiterinnen erschließt sich mir nicht wirklich. Fest steht hingegen, dass die durchschnittliche verschlossene Südtirolerin mehr Sprachen spricht als die durchschnittliche weltoffene Europäerin.

    Unsere Wirtschaft kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn wir es als Gesellschaft insgesamt sind. Weltoffen, nach außen gewandt und zugleich inklusiv.

    – Verena Pliger

    Auch hier wieder: Wir sind zu unattraktiv, weil wir zu verschlossen, zu introvertiert, zu diskriminierend sind. Zu diesem – von manchen in Südtirol so liebgewonnenen – Hinterwäldler-Vorurteil gibt es eine interessante Studie des Community Media Research der Uni Padua. Dabei wurde abgefragt, wie die Menschen in Italien zu verschiedenen Verhaltensweisen stehen. Daraus wurden “Toleranzprofile” erstellt. Erhoben wurde unter anderem die Einstellung zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen und Schwangerschaftsabbrüchen.

    Die Untersuchung ergab zum Beispiel, dass in der Region Trentino-Südtirol 90,5 Prozent der Befragten nichts gegen gleichgeschlechtliche Sexualität einzuwenden hätten. Der italienische Durchschnitt lag nur bei 75,2 Prozent. Wenn man derartige Einstellungen als Indiz für Offenheit werten möchte, dann gehören die Menschen in unserer Region zumindest in Italien zu den tolerantesten. Laut Community Media Research waren 0 Prozent der Befragten in Trentino-Südtirol dem Profil der “Intoleranten” zuzuordnen. Italienweit waren es jedoch 9,6 Prozent. Immerhin hätten in Trentino-Südtirol 57,1 eine tolerante und 38,1 Prozent eine liberale Gesinnung in Bezug auf die abgefragten gesellschaftlichen Verhaltensweisen. In ganz Italien lagen diese Werte jeweils um rund 10 Prozentpunkte tiefer. Vorurteile sind aber auch verdammt praktisch, wenn Fakten wurscht sind.

    “Weltoffenheit” ist schwer zu messen, aber die von mir aufgelisteten Indizien deuten nicht darauf hin, dass Südtirolerinnen in besonderem Maße fremdenfeindlich, verschlossen, intolerant und was weiß ich noch alles wären, wenngleich diese Attribute auch hierzulande ein Problem sind. Interessant wären vergleichende Studien zu rassistisch motivierten Gewalttaten oder auch zu Alltagsrassismus. Leider bin ich da nicht fündig geworden. Zur Abwechslung lass ich jetzt aber mal ein Bauchgefühl vom Stapel: Ich habe nicht den Eindruck, dass es in Südtirol mehr rassistische Gewalttaten gibt als anderswo. Sollte es tatsächlich belastbare Daten für Pligers These geben, die die von mir genannten widerlegen, bin ich über entsprechende Hinweise froh. Bislang komme ich jedenfalls, wenn schon nicht zum gegenteiligen Schluss, dann doch zum Befund, dass sich Südtirol in den von Pliger beanstandeten Einstellungen nicht maßgeblich abhebt und diese somit kaum der Grund für den Fachkräftemangel sein können.

    Der Vergleich mit der Schweiz legt nahe, dass es doch eher am Geld liegt. Das jüngste AFIBarometer bestätigt, dass für Südtiroler Arbeitnehmerinnen das Gehalt der wichtigste Aspekt ist und beispielsweise die Work-Life-Balance weit weniger Bedeutung hat. Es ist anzunehmen, dass dies im hiesigen Kontext für auswärtige Beschäftigte ebenso der Fall ist.

    Ein zusätzlicher Aspekt ist, dass das “Niedriglohnland” Südtirol am Arbeitsmarkt mit Metropolregionen wie Wien, München, Mailand usw. konkurriert. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Städte aufgrund der Akkumulation von Angeboten für gewisse Tätigkeiten (künstlerische bis wirtschaftliche) attraktiver sind. Ein Umstand, den man auch kaum beheben wird können und den man anderweitig kompensieren muss. Vielleicht indem wir weltoffener sind als sie?

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06



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