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  • Korruption in Europa laut Transparency International.
    Corruption Perceptions Index 2015

    Am Mittwoch hat Transparency International seinen neuen Korruptionsindex für das Jahr 2015 veröffentlicht. Was unseren Kontinent betrifft, erweisen sich die nordischen Länder als absolute Spitzenreiter. Sowohl die drei besten, als auch insgesamt sieben der ersten zehn Staaten zählen weniger als 10 Millionen Einwohner. Luxemburg (rd. eine halbe Million Einwohnerinnen) und Island (rd. 300.000 Einwohnerinnen), souveräne Länder in der Größenordnung Südtirols, schaffen es in die europäischen Top 10.

    Italien hat halb soviele Punkte wie Dänemark

    Am schlechtesten schneiden Länder des Balkans (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Bulgarien, Montenegro, Rumänien, Griechenland) sowie Italien ab. Der Staat, in den Südtirols Autonomie gebettet ist, konnte sich im Vergleich zur letzten Erhebung um einen Punkt auf insgesamt 44 verbessern, liegt jedoch inzwischen EU-weit an vorletzter Stelle vor Bulgarien. Selbst Rumänien und Griechenland schneiden besser ab.

    Der Korruptionsindex hat vielfach Eingang in die akademische Forschung gefunden. Die negativen Auswirkungen der Korruption sind damit folgendermaßen belegt: Ausländische Direktinvestitionen gehen zurück, die Qualität des kulturellen Angebots, des Bildungs- und Gesundheitssystems sinkt, die Produktivität sinkt, Umweltverschmutzung steigt, Militärausgaben steigen, Schattenwirtschaft und Inflation steigen, Einkommen und Vermögen sind ungleicher verteilt und das subjektive Glücksempfinden von Privatpersonen sinkt.

    Wikipedia

    Vielleicht wäre es gut, im Rahmen des Südtirolkonvents auch die Themen Transparenz und Korruptionsbekämpfung anzudiskutieren. Zwar dürfte feststehen, dass unser Land weit vom reststaatlichen Sumpf entfernt ist, die mangelhaften Instrumente zur Vorbeugung und Ahndung von Korruption unterscheiden sich hierzulande jedoch kaum von jenen auf dem übrigen Staatsgebiet. Skandale wie jener um die Landesenergiegesellschaft sollten uns in Alarmbereitschaft versetzen.

    Cëla enghe: 01 02 03 || 01



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  • Früher anders.
    Quotation

    Im friedlichen Nebeneinander der wirtschaftlich blühenden Region sieht Mazza jedoch auch das Risiko eines Ohneeinander. Denn anders als früher ist heute die Kenntnis der jeweils anderen Sprache nicht mehr erforderlich. Gerade auf dem Land bemühen sich viele nicht mehr, Italienisch zu lernen. “Früher brauchte man im Kontakt mit Carabinieri und auf der Post das Italienische, das ist heute anders.”

    Aus einem Artikel von Bettina Gabbe über Südtirol, erschienen in der Südwest Presse am 4. Jänner 2016.

    Aldo Mazza stammt aus Kalabrien, ist in Kampanien aufgewachsen und lebt in Südtirol. Er ist Mitbegründer des Bozner AlphaBeta-Verlags.

    Es ist unglaublich, wie wenig Medien heute in Recherche investieren und wie sehr sie sich auf Meinungen verlassen, die dann — wie in diesem Falle — das Bild eines ganzen Landes verzerren. Erst im letzten Jahr hatten wir einen Beitrag von Barbara Bachmann in der Zeit kritisiert, der in eine ähnliche Kerbe schlug.

    Frau Gabbe hätte einen Blick in das Sprachbarometer des Landesstatistikinstituts werfen können, um herauszufinden, dass:

    • die Zweisprachigkeit in Südtirol während der letzten zehn Jahre deutlich zugenommen hat;
    • auch die deutschsprachigen Südtirolerinnen die italienische Sprache als die wichtigste im Land bezeichnen, was wohl kaum für ein Ohneeinander spricht;
    • die Zweisprachigkeit im Amt sich drastisch und zu Lasten der deutschen Sprache verschlechtert hat, weshalb es nicht stimmt, dass man heute im Kontakt mit Carabinieri und auf der Post das Italienische nicht mehr braucht.

    Auch Herrn Mazza würde ein Blick in das umfassende statistische Werk wohl nicht schaden.



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  • Akademikerball: »Südtirol geht euch nichts an.«

    Der von der rechtspopulistischen FPÖ organisierte Wiener Akademikerball, Nachfolgeveranstaltung des rechtsextremistischen WKR-Balls, steht in diesem Jahr unter dem Motto »Südtirol, eine Herzensangelegenheit«. Schon im vorigen Jahr war die Anwesenheit von SüdtirolerInnen auffallend hoch: Unter anderem waren nebst einer Delegation der Schützen auch Michael Demanega (F) und Matthias Hofer (STF) zugegen.

    In diesem Jahr werden zudem der freiheitliche Landtagsabgeordnete Pius Leitner und die Musikkapelle Olang erwartet.

    Immer wieder waren internationale Rechtsradikale und Rechtspopulisten am Ball zu Gast. Und auch in diesem Jahr werden die Wiener Korporationen (die im Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus als »Kontakt rechtsextremer Vereine« angeführt sind) mit einer Fächerpolonaise prominent vertreten sein.

    Die Südtiroler HochschülerInnenschaft (SH) hat sich bereits von der Veranstaltung distanziert und kündigte aufgrund des Südtirolbezugs ihre Anwesenheit bei der Gegendemonstration an.

    Wir verwehren uns als SüdtirolerInnen ganz klar der Vereinnahmung durch Rechtsextreme. […] Bei Sekt und Walzer treffen sich hier u.a. deutschnationale Burschenschaften, verurteilte HolocaustleugnerInnen und rechtsextreme PolitikerInnen. […] Das Weltbild, für das sie einstehen, ist mit unserem Grundverständnis eines demokratischen und aufgeklärten Gesellschaftskonsenses nicht in Einklang zu bringen.

    — aus einer Stellungnahme der SH Wien, Südtiroler Tageszeitung

    Die Antifa Meran wird sich laut eigener Facebookseite ebenfalls nach Wien begeben, um an den Protesten teilzunehmen:



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  • Down under: Queen no more?

    Was ist da los? Die USA benennen ihren höchsten Berg um. Neuseeland überlegt, sich eine neue Flagge zuzulegen. Und Australien wird möglicherweise die Queen in Rente schicken: Premierminister Malcom Turnbull (Liberal Party) ist Mitbegründer einer Initiative, um der britischen Monarchin das Amt des australischen Staatsoberhaupts zu nehmen. Wie den Neuseeländerinnen geht es auch den Australierinnen um mehr Eigenständigkeit und um die endgültige Überwindung von Kolonialherrschaft — obwohl beide Länder längst souverän sind. Der Initiative haben sich inzwischen sowohl der Oppositionsführer, als auch (bis auf einen) die Präsidentinnen sämtlicher australischer Bundesstaaten angeschlossen.

    Dazu fallen mir nur folgende Bemerkungen ein:

    1. Haben die alle keine anderen Probleme?
    2. Dann geht es ihnen wohl gut!
    3. Folglich sollten sie am Status Quo auch nix ändern.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • Q&A mit Thomas Benedikter.
    POLITiS-Interview

    Thomas Benedikter hat mich anlässlich des Südtirolkonvents im Rahmen eines Projekts über die Themen »Autonomieausbau« und »Selbstbestimmung« interviewt. Da ich den Fragenkatalog sehr interessant finde und er die Gelegenheit bietet, wichtige Teile der -Position auf eine grundsätzliche Weise auszuformulieren, möchte ich hier einiges davon wiedergeben.

    1. [Thomas Benedikter:] Du hast 2008 auf geschrieben: »Nicht nur sehe ich im Ausbau der Autonomie eine Wegbereitung für die Loslösung von Italien, sondern auch im anzubahnenden sprachgruppenübergreifenden Prozess, der zum ‘vorläufgen’ Ziel führen soll, ein enormes einendes Potenzial.« Ist somit der Ausbau der Autonomie ein ganz unvermeidlicher Zwischenschritt, bevor über weitergehende Schritte überhaupt real politisch diskutiert wird? Siehe Beispiel Katalonien.

      Der Autonomieausbau ist ein wichtiger, aber trotzdem kein zwingender Zwischenschritt. Auch das zeigt Katalonien: Dort hatte das Landesparlament 2006 einen wesentlichen Ausbau der Befugnisse gefordert, doch der Zentralstaat hat diesen legitimen Wunsch in zentralen Punkten abgelehnt. Der jetzige Unabhängigkeitsprozess — oder zumindest seine Beschleunigung — lässt sich großteils mit einem nicht erfolgten Autonomieausbau erklären.

    2. Wie beurteilst du den Boykott des Südtirolkonvents durch die »deutsche Opposition«? Das Thema Selbstbestimmung steht im Konvent nicht zur Debatte, doch Grundrechte der Minderheiten und viele andere Politikfelder müssen ja möglichst gerecht geregelt werden. Riskiert der Konvent von vornherein von diesem Teil der Südtiroler Wählerschaft abgelehnt zu werden?

      Jene Parteien, die den Konvent boykottieren, tragen eine große Verantwortung, denn der Konvent wird eine wichtige Möglichkeit der Mitsprache und somit der Willensbekundung sein. Es ist meines Erachtens ein Missverständnis, dass die regierenden Parteien wesentliche Forderungen einfach vom Tisch wischen können. Sie können zwar möglicherweise verhindern, dass sie Eingang in den Entwurf für ein neues Autonomiestatut finden, aber nicht, dass sie eine politische Wirkung entfachen. Die Oppositionsparteien sollten sich einbringen und ihren Widerstand sinnvollerweise auf einen möglichen Autonomieentwurf konzentrieren, der dem Konvent nicht angemessen Rechnung trägt. Andernfalls werden ihre Forderungen unter den Tisch fallen.

    3. Wesentlich für Fortschritte im Ausbau der Autonomie ist die Zustimmung der Mehrheit der italienischen Sprachgruppe und ihrer politischen Vertreter: Wie kann es gelingen einen wesentlichen Anteil der italienischen Sprachgruppe heute für einen Autonomieausbau zu gewinnen?

      Ich weiß nicht, ob die Zustimmung der Mehrheit einer jeden Sprachgruppe tatsächlich erforderlich ist — aus rechtlicher Sicht ja nicht. Wichtig wird aber sein, den Konsens zu suchen und dass ein etwaiger Autonomieausbau deutlich macht, dass er zum Wohle aller hier lebenden Menschen angestrebt und umgesetzt wird. Zumindest in der POLITiS-Umfrage haben sich auch die Teilnehmer italienischer Muttersprache für einen dezidierten Ausbau der Zuständigkeiten ausgesprochen — und repräsentative Astat-Umfragen zeigen immerhin eine hohe Zufriedenheit mit der Landesverwaltung.

    4. Soll in einem zukünftigen Statut die Möglichkeit einer Volksabstimmung über die staatliche Zugehörigkeit Südtirol verankert werden? Beim Stand der Dinge wäre sie verfassungswidrig. Wie ist das lösbar?

      Änderungen der Rechtslage gehen stets politische Forderungen voran. Meiner Meinung nach gehört die demokratische Selbstbestimmung unbedingt in ein modernes Autonomiestatut, es wird also drauf ankommen, dass Südtirol (BürgerInnen, Konvent, politische Vertreter…) diese Forderung artikuliert und mit Rom in politische Verhandlungen darüber eintritt.

    5. Zweisprachige Schule und Immersionsunterricht (CLIL): In einer differenzierten Auseinandersetzung 2008 plädierst du für eine »asymmetrische Gesamtlösung nach katalanischem Vorbild«. Was bedeutet dies konkret? Soll der Artikel 19 so abgeändert werden, dass mehrsprachige Schulen ermöglicht werden? Wenn nicht, warum nicht?

      Für eine solche Lösung wäre die Abänderung von Artikel 19 erforderlich, jedoch nicht hinreichend, denn die asymmetrische Gesamtlösung bedarf, wie die Bezeichnung schon sagt, einer ganzen Reihe gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen. Aufgrund der nicht gerade positiven Erfahrungen mit dem Zentralstaat bei der Umsetzung des Autonomiestatuts, etwa in Hinblick auf die Zweisprachigkeit, bin ich jedoch zunehmend skeptisch, ob ein derart umfassendes Projekt in Italien umsetzbar wäre.

    6. Wo gibt es die größten Mängel in der Umsetzung der Pflicht zur Zweisprachigkeit im öffentlichen Dienst? In der POLITiS-Umfrage von 2014 werden vor allem Gericht, Krankenhaus Bozen, Gemeinde Bozen, öffentlicher Nahverkehr und alle Telefonanbieter genannt. Wo kann hier im Autonomiestatut oder bei den Durchführungsbestimmungen angesetzt werden? Wie steht es mit der Erfüllung der im Statut festgehaltenen Pflicht zur Zweisprachigkeit?

      Die Zweisprachigkeitspflicht wurde bis heute, über 40 Jahre nach Verabschiedung des zweiten Autonomiestatuts, nicht zufriedenstellend umgesetzt und erfüllt. Das Astat-Sprachbarometer von 2014 zeigt sogar eine besorgniserregende Verschlechterung im Vergleich zu 2004, ohne dass die Landesregierung bislang einen Handlungsbedarf angemeldet hätte. Zusätzlich zu den bereits von POLITIS ermittelten Bereichen hakt es meines Wissens vor allem bei Post und Polizei.

    7. Beipackzettel für Pharmaka: In der Schweiz sind sie dreisprachig. In Südtirol nach wie vor meist einsprachig, doch auf Verlangen wird ein Infoblatt vom Apotheker ausgedruckt. Haben hier Politik und Justiz in ihren Aufsichtsfunktionen versagt?

      Hier hat die Politik vor den Pharmakonzernen kapituliert und einen Teil unserer Autonomie »verkauft«. Dass die Schweiz für die 350.000 Einwohner zählende italienische Schweiz und Finnland für die 250.000 zählende schwedische Minderheit imstande sind, dieses Recht zu garantieren, macht das Versagen unserer Autonomie offensichtlich. Sogar in der Ukraine sind Packungsbeilagen in der Regel zweisprachig.

    8. Toponomastik: Welche kulturpolitisch überzeugende, bessere Lösung als die heutige Regelung der Pflicht zur Zweisprachigkeit der Ortsnamen?

      Es gibt viele Lösungsmöglichkeiten: die historisch-wissenschaftliche, die Prozentlösung, die basisdemokratische. Ich persönlich würde es befürworten, die Zuständigkeit wie in Graubünden an die Gemeinden zu übertragen, gerne auch mit Schutzklauseln zugunsten der jeweils kleineren Sprachgemeinschaften auf kommunaler Ebene.
      Entscheidend ist für mich aber, dass der Südtiroler Landtag bereits eine Lösung gefunden hat. Sie ist für mich zwar nicht ganz befriedigend, doch es ist bislang die einzige demokratisch legitimierte. Dass der Zentralstaat dieses Gesetz angefochten hat, obschon die primäre Gesetzgebungsbefugnis beim Land liegt und das Thema unzweifelhaft nur Südtirol betrifft, ist ein Affront und spricht m.E. Bände über das restriktive Autonomieverständnis des Staates. Vergessen wir nicht, dass nach heutiger Rechtslage nur die Namensliste von Ettore Tolomei offiziell ist.

    9. Produktetiketten: Wie könnte die Pflicht für Privatunternehmen eingeführt werden, dreisprachige Etiketten auf den Produkten zu platzieren? Zweisprachigkeit ist in der privaten Wirtschaft in Südtirol bislang keine Pflicht.

      Das ist ein massives Versäumnis unserer Autonomie bzw. des Landtags; die Handelskammer ist der Meinung, dass in Anbetracht von Artikel 99 Autonomiestatut nur ein Landesgesetz nötig wäre, das die Gleichberechtigung von Deutsch und Italienisch im Konsumentenschutz ausdrücklich festhält. Obwohl der HK-Präsident dies in einem Brief an alle Landtagsabgeordneten deutlich gemacht hat, wurde dies bis heute nicht umgesetzt. In einem überarbeiteten Autonomiestatut müsste das unbedingt Platz finden; für die Etikettierung auf Ladinisch könnte ich mir zudem die Gewährung von Förderungen vorstellen.

    10. In welchen Bereichen könnten deiner Meinung nach die autonomen Zuständigkeiten des Landes erweitert werden? Gerichtsbarkeit, öffentlicher Rundfunk/TV und Transportwesen sowie Post… auch Polizei?

      Nachdem ich die Schaffung eines unabhängigen Staates befürworte, glaube ich auch, dass Südtirol bereit wäre für die Übernahme möglichst vieler Zuständigkeiten im Rahmen der Autonomie.

    11. hat 2006 eine Kampagne für eine selbstständige und funktionierende Landespost lanciert. Was ist daraus geworden? Hat die Landesregierung formell Anspruch auf eine autonome Südtiroler Post erhoben?

      Ob dies mit etwas zu tun hat, weiß ich nicht — aber schon Alt-Landeshauptmann Durnwalder hatte während seiner Amtszeit diese Forderung erhoben. Geworden ist daraus nichts, nicht einmal unbefriedigende Kompromisse wie die Übernahme des Personals oder die Finanzierung des Postdienstes in Südtirol konnten bislang umgesetzt werden.

    12. Privatrecht und Zivilrecht ist in Italien Staatssache. Katalonien hat allerdings auch in diesem Bereich Zuständigkeiten. Könntest du dir eine solche Aufteilung der Zuständigkeiten auch für Italien und Südtirol vorstellen?

      Alles, was die Gesetzgebung und die Verwaltung näher an die Menschen in Südtirol bringt, ist meiner Meinung nach vorstellbar und wünschenswert. Ich denke, dass wir in vielen Bereichen, zum Beispiel auch bei der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen, eigene Akzente setzen könnten. In Südtirol ist die Debatte zu solchen Themen derzeit großteils »ausgeschaltet«, weil wir wissen, dass wir kaum mitreden können, wenn das auf staatlicher Ebene geregelt wird. So gesehen ist mehr Autonomie auch für die gesellschaftliche Diskussion und somit für deren Fortentwicklung förderlich.

    13. Soll eine Autonome Region Südtirol oder das Land mit verstärkter Autonomie auch zuständig für die Kontrolle der Migration werden, wie es die deutsche Opposition fordert? Wie kann eine derartige Kontrolle mit dem EU-Recht auf Freizügigkeit vereinbar sein?

      Ich glaube, dass bei derart wichtigen Themen von globaler Bedeutung eine europäische Lösung gefunden werden muss, die dann auf lokaler Ebene einer praktikablen Umsetzung bedarf. Somit plädiere ich in solchen und ähnlichen Bereichen für einen »euroregionalen« Ansatz: Die Grundregeln werden auf EU-Ebene definiert, die Details der Umsetzung in den Regionen geregelt.

    14. Macht eine autonome Landespolizei nach dem Muster der »Mossos d’Esquadra« (Katalonien) oder der »Ertzaintza« (Baskenland) in Spanien Sinn?

      Eine Autonomie ohne Polizei hat meiner Meinung nach diesen Namen gar nicht verdient. Weltweit gehören Polizeiaufgaben, selbst in vielen nicht autonomen Gebieten, in die regionale Befugnis. Hierzulande kommt dazu, dass Südtirol im Vergleich zum restlichen Staatsgebiet Besonderheiten aufweist, die einer Berücksichtigung bedürfen — vor allem, aber nicht nur die Mehrsprachigkeit.

    15. Im Sport ist Südtirol in die nationalen Sportverbände, meist bei Carabinieri oder sonstige Heereseinheiten, eingeordnet. Kann Südtirol nach dem Muster von Katalonien, Baskenland und Galizien, Wales, Schottland usw. auch hier eine eigenständige Vertretung erhalten? Das heißt: Soll das gefordert werden?

      Südtirol hat in Vergangenheit viel zu wenig getan, um in diesem Bereich mehr Autonomie zu erhalten. Die erwähnten Beispiele, aber auch die Färöer-Inseln oder Gibraltar zeigen, dass man nicht notwendigerweise ein unabhängiger Staat sein muss, um eigene Sportverbände und -mannschaften zu gründen. Das wäre nicht nur eine Möglichkeit, um Staatlichkeit weniger attraktiv zu machen, als sie noch heute ist, sondern für Südtirol eine Chance, im Sport mehr Unabhängigkeit von nationalstaatlichen Loyalitäten und somit die Förderung von gesellschaftlicher Kohäsion zu erreichen.

    16. In welchen weiteren Bereichen könnten die autonomen Zuständigkeiten des Landes sofort erweitert werden?

      Ich bin der Meinung, dass eine zeitgemäße Autonomie auf eine Definition weniger Kernkompetenzen hinauslaufen sollte, die dem Staat zu überlassen sind. Die Außenpolitik sollte dabei wenigstens zu einer konkurrierenden Zuständigkeit werden. Zudem ist an eine Demilitarisierung Südtirols zu denken.

    17. Vermutlich will eine Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung den Proporz beibehalten. Wenn man als Hauptkriterium Sprachkenntnis und Fachqualifikation betrachtet, könnte man ein anderes System zum Zugang zum öffentlichen Dienst einführen?

      Eine strenge Verpflichtung zur Mehrsprachigkeit sowie eine periodische Überprüfung der Sprachkenntnisse könnten den Proporz überflüssig machen.

    18. Wenn der Proporz entfällt, würde auch die Sprachgruppenerklärung definitiv entfallen? Südtirol würde demnach wie Katalonien auf eine persönliche Erfassung zu einer Sprachgruppe verzichten: Wozu führt dies im Gesamtkonzept zum Schutz der Minderheiten?

      Auch in Katalonien werden Muttersprache und Sprachkenntnisse statistisch erhoben, dann allerdings anonym, so wie hierzulande im Rahmen des »Sprachbarometers«. Eine effiziente Sprachpolitik in einem mehrsprachigen Land kann darauf nicht verzichten. Die heutige Sprachgruppenerklärung wirkt hingegen eher verzerrend, da die Zuordnung zu einer Gruppe noch nicht viel über die tatsächlichen Sprachkenntnisse aussagt.

    19. Welchen Sinn macht die doppelte Staatsbürgerschaft?

      Die doppelte Staatsbürgerschaft ist eine Lösung, die sich noch innerhalb der nationalstaatlichen Logik bewegt. Natürlich wäre eher eine europäische Staatsbürgerschaft erstrebenswert, doch darauf haben wir zu wenig Einfluss. Ich glaube, dass die österreichische Staatsbürgerschaft weder eine endgültige Lösung, noch ein allzu großes Problem darstellen würde. Wer sie mit der Befürchtung einer zweiten Option verknüpft, hat wohl die Tragweite der Option nicht verstanden.

    20. Wie soll sich die Institution Region ändern? Abschaffen, weiter aushöhlen, aufwerten, so wie es die Trentiner gerne hätten?

      Die meisten SüdtirolerInnen können sich mit der Region wohl nicht identifizieren, und die TrentinerInnen sehen darin vielmehr den Rettungsanker ihrer Autonomie. Ich glaube, dass unsere südlichen Nachbarn für eine Abnabelung bereit wären und die Region durch die Europaregion ersetzt werden sollte.

    21. Eine Schaltstelle der Umsetzung jeder Autonomiereform sind die Paritätischen Kommissionen. Die 6er-Kommission wird immer von der Mehrheitspartei in Bozen und Rom nominiert, sie ist also demokratisch nicht repräsentativ.

      Diese Kommissionen sind völlig anachronistisch und sollten meiner Meinung nach abgeschafft bzw. durch demokratisch legitimierte Gremien ersetzt werden. Bezüglich Umsetzung ist zu sagen, dass nach einer etwaigen Autonomiereform so lange Umsetzungszeiten wie beim Statut von 1972 inakzeptabel wären.

    22. Demokratische Beteiligung: Wie kann der Landtag im Rahmen des Autonomiestatuts gestärkt werden? Wie die ethnische Konkordanzdemokratie, also die Vertretungsrechte der stärksten politischen Gruppen aller Sprachgruppen in der Landesregierung?

      Einem vielfältigen Land wie dem unseren steht ein starker Parlamentarismus gut. Dies kann, muss aber nicht notwendigerweise direkt in der Landesverfassung geregelt werden. Wichtiger wäre meines Erachtens ein neues Wahlgesetz, das die Identifikation der Wahlbevölkerung mit den Gewählten verbessert, etwa mit der Möglichkeit des Panaschierens und Kumulierens. Damit der Landtag wieder mehr eigene Gesetze verabschiedet und nicht nur die der Landesregierung abnickt, muss die Infrastruktur — einschließlich geeigneten Personals — vorhanden sein. Und nicht zuletzt muss die Verantwortung der Landesregierung gegenüber dem Parlament verstärkt werden.
      Die Konkordanzdemokratie ist ein gutes Modell, dem ich viel abgewinnen kann — doch letztendlich geht es dabei um eine Frage der politischen Kultur. In der Schweiz, der Heimat der Konkordanz, ist diese Regierungsform nicht gesetzlich geregelt. Vielleicht sollte man sich aber für die Einführung des Kollegialitätsprinzips starkmachen.

    23. Bei welchen Rechten siehst du heute die Ladiner im Rahmen des Autonomiestatuts diskriminiert? Siehst du Möglichkeiten, die Buchensteiner Gemeinden, die sich für eine Angliederung an Südtirol ausgesprochen haben, im Rahmen des Autonomiestatuts zu berücksichtigen?

      Die Ladiner werden im Autonomiestatut nur als Anhängsel der deutschen Minderheit behandelt, was auch damit zusammenhängt, dass sie im Pariser Vertrag gar nicht erwähnt wurden. Ein neues oder überarbeitetes Statut muss die Ladiner als die kleinste und schutzbedürftigste Sprachgemeinschaft anerkennen und jegliche Diskriminierung beseitigen. Dass ein Ladiner aufgrund seiner Sprachgruppenzugehörigkeit gewisse Ämter gar nicht bekleiden darf, ist inakzeptabel — Minderheitenschutz darf niemals zu einer Benachteiligung werden.
      Dem demokratischen Wunsch der LadinerInnen von Souramont sollte meiner Meinung nach im neuen Autonomiestatut schon Rechnung getragen werden.

    24. Finanzregelung und Sicherheitspakt von 2014: Südtirol muss auf Dauer zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen. Derzeit beträgt die Beteiligung des Landes am lokalen Steueraufkommen von rund 8/10. Ist das ausreichend?

      Über Zahlen möchte ich nicht sprechen. Für mich ist das Prinzip der Solidarität, aber auch der Steuerhoheit ausschlaggebend, wobei ein Finanzausgleich klaren Regeln zu unterliegen hat. Diese Voraussetzungen sind heute in Italien nicht gegeben: Der Zentralstaat mischt sich ein, wo und wie wir in Südtirol sparen müssen. Das muss uns aber selbst überlassen werden. Darüberhinaus macht Rom keine ernstzunehmenden Anstrengungen, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Unser Beitrag ist also nicht zielführend. Deshalb plädiere ich für einen europaweiten regionalen Finanzausgleich mit klaren Zielen und Verantwortlichkeiten.

    25. Welche Form der Finanzhoheit schwebt dir vor? Auch autonome Regionen müssen zur Staatsfinanzierung beitragen, in Bundesländern genauso wie in Spanien. Ist Südtirol nicht als finanziell gleich verpflichteter Teil Italiens zu betrachten?

      Südtirol muss seine Einnahmen und Ausgaben völlig unabhängig vom restlichen Staat regeln können. Im Rahmen einer Autonomie wären ein angemessener Beitrag zu den Ausgaben des Staates sowie ein Beitrag zum Finanzausgleich akzeptabel. Letzteres aber nur mit klaren Regeln und einem periodischen Mitspracherecht auf Augenhöhe, um Verschwendungen zu vermeiden. Interregionale und internationale Solidarität sind unbedingt erforderlich, aber ohne Zielvorgaben kann sich ihre Wirkung ins Gegenteil verkehren.

    26. Die interregionale Zusammenarbeit im Rahmen der Euregio: Die Hälfte der Teilnehmer bei der Umfrage von POLITiS 2014 sprach sich für die Euregio als Ersatz für die Region aus. Doch wie wäre sowas verfassungsrechtlich zu bewerkstelligen?

      Dafür wären innovative Lösungen vonnöten, etwa eine teilweise Abtretung von Souveränität. Bei Italien, das derzeit wieder eine drastische Zentralisierungswelle erlebt, bin ich diesbezüglich ziemlich pessimistisch. Bislang konnte sich der Staat nicht einmal zur Ratifizierung der Zusatzprotokolle zum Madrider Abkommen durchringen, die wenigstens eine Vertiefung der Zusammenarbeit in der Euregio gestatten würden.



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