Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Wilde Pressemitteilung zum wilden Campen.
    Ein Fallbeispiel

    Der Landtag hat sich mit dem »wilden Campen« befasst und eine so fehlerfreie Pressemitteilung dazu veröffentlicht:

    Am Vormittag wurde die Debatte zum Beschlussantrag Nr. 453/21: »Nein zum wilden Campen/Maßnahmen ergreifen« (eingebracht von den Abg. Lanz und Tauber am 20.05.2021) wieder aufgenommen. Der Landtag möge die Landesregierung beauftragen, [Doppelpunkt?] 1. über die IDM in der touristischen Werbung in Südtirol die legalen Campingmöglichkeiten auf Campingplätzen/Stellplätzen in Südtirol zu bewerben und gleichzeitig auf das Verbot des freien Campens hinzuweisen; 2. in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und den Polizeiorganen die Kontrollen zu verschärfen und illegales Campieren konsequent zu bestrafen; 3. die Gemeinden dahingehend zu sensibilisieren, dass die Führung von Stellplätzen in Zusammenarbeit mit den Campingplatzbetreibern vor Ort erfolgen soll, um den dem Anspruch nach [?] „Qualitätstourismus“ gerecht zu werden; 4. mit den Interessenvertretern, den Gemeinden und der IDM zu prüfen, inwieweit ein einheitliches digitales Verkehrsleitsystem auf digitaler Basis für Camper in Südtirol eingeführt werden kann; 5. weiters zu prüfen, welche Maßnahmen mittel- und langfristig zu einer verbesserten Reglementierung des „CamperTourismus“ führen.
    LR Arnold Schuler erklärte, dass es für das Parken keine Unterschiede zwischen PKW und Camper gebe. In Südtirol sei Campieren nur auf Campingplätzen erlaubt sowie auf Wohnmobilstellplätzen erlaubt, wo man sich bis zu drei Tage aufhalten könne. Mit dem anstehenden Omnibusgesetz solle eine Übergangsregelung für jene Stellplätze geschaffen werden, die bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung bestanden hätten. Das Campieren werde aufgrund der Pandemie zunehmen, es seien in dieser Zeit viele Wohnmobile gekauft worden in dieser Zeit. Es werde also weitere Maßnahmen brauchen, eine Sensibilisierung, Kontrollen durch die verschiedenen Ordnungskräfte u.a. Die Landesregierung stimme dem Antrag zu.
    Gerhard Lanz (SVP) [warum wird erst hier und nur bei Lanz auf die Parteizugehörigkeit hingewiesen?] präzisierte, dass die Gemeinden Stellplätze Flächen mit bis zu 20 Plätzen Stellplätzen ausweisen könnten, wo auch die Aufenthaltssteuer fällig werde. Diese [die Gemeinden oder die Stellplätze?] hätten aber keine Infrastrukturen. Die Camper [besser »Campingfahrzeuge« zur Unterscheidung von campierenden Personen] seien immer autonomer geworden, hätten mehr größere Wasserreservoirs usw., und vermittelten so das Gefühl von mehr Freiheit. Mit diesem Antrag wolle man das Problem angehen, da man wisse, dass es im Steigen [?] begriffen sei. Gewisse Maßnahmen seien zu verstärken, andere neu einzuführen. So werde das Verbot des wilden Campens zu wenig kommuniziert.
    Der Antrag wurde mit 27 Ja und 5 Enthaltungen angenommen.

    Korrekturen und Hinweise von mir

    Diese Qualität ist leider kein Einzelfall. Dazu kommt, dass diese Mitteilungen in der Regel ohne weitere Überprüfung (und demnach mit allen Fehlern) übernommen werden — in diesem Fall zum Beispiel von Rai Südtirol und Südtirol News.

    Einige der Fehler sind übrigens nicht erst in der Pressemitteilung des Landtags enthalten, sondern bereits im (darin verlinkten) Beschlussantrag. Sie haben also einen weiten Weg zurückgelegt, obwohl dies mit etwas Sorgfalt in der Fraktion, im Landtag oder vonseiten der Medien leicht zu vermeiden gewesen wäre.

    Siehe auch: 01 02 || 01



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  • Die EU hat eine Staatsanwaltschaft.

    Autor:a

    ai

    |

    0 Comentârs → on Die EU hat eine Staatsanwaltschaft.

    Die Nachricht ist nicht mehr ganz neu, aber noch immer positiv: Seit Monatsbeginn gibt es eine Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA) mit Sitz in Luxemburg, deren Befugnisse zunächst hauptsächlich auf die Verfolgung von Finanzbetrug, Korruption, Geldwäsche und Unterschlagung von EU-Geldern beschränkt sind, aber jederzeit vom Europäischen Rat ausgedehnt werden können.

    An dem Projekt beteiligen sich derzeit 22 Mitgliedsstaaten, während drei (Polen, Schweden und Ungarn) — noch — außen vor bleiben. Zwei weitere sind nicht (Dänemark) oder nur teilweise (Irland) im gemeinsamen Rechtsraum.

    Die erste Generalstaatsanwältin der EuStA ist die aus Siebenbürgen stammende Laura Codruța Kövesi. Sie wurde vom EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten zunächst bis 2026 ernannt und wird 22 Europäische Staatswanwältinnen an ihrer Seite haben.

    Die Ermittlungsarbeit wird aber faktisch großteils von den sogenannten delegierten Staatsanwälten durchgeführt werden, die sich in den Mitgliedsstaaten befinden. Auch die allfällige Anklageerhebung wird in den jeweils betroffenen Staaten nach den örtlichen Gesetzen geführt. Somit ist auch die Funktionsweise der EuStA zumindest vorerst noch stark nationalstaatszentriert.

    Ein erstes wichtiges Betätigungsfeld für die neue Behörde wird der milliardenschwere Corona-Wiederaufbaufonds sein, der voraussichtlich das Interesse und die Begehrlichkeiten der organisierten Kriminalität wecken wird.



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  • Gleichstellung der Österreichischen Gebärdensprache.

    Kürzlich wurde in Italien die italienische Gebärdensprache (LIS) und die italienische taktile Gebärdensprache (LIST) offiziell anerkannt. Unklar war und ist, ob dies in Südtirol sinngemäß auch für die Deutsche und/oder die Österreichische Gebärdensprache (DGS/ÖGS) gilt.

    Diesbezüglich erkundigte sich Andreas Leiter-Reber (F) in der aktuellen Fragestunde bei LRin Waltraud Deeg (SVP). Demnach hätten die zuständigen Landesämter im Rahmen der Umwandlung des Dekrets in ein Gesetz versucht, eine Änderung herbeizuführen, die die Gleichstellung zugunsten der deutschsprachigen Südtiroler Bevölkerung sichergestellt hätte. Allerdings wurde das Gesetz — wie so oft in Italien — an die Vertrauensfrage geknüpft, womit keine Änderungen möglich gewesen seien. Bei nächster Gelegenheit solle die Änderung jedoch in den Gesetzestext aufgenommern weden. Es handle sich jedoch hauptsächlich um eine formelle Angelegenheit, da die Gleichstellung der deutschen Sprache aufgrund des Autonomiestatuts bereits gegeben sei und das Gesetz 69/2021 bereits »die entsprechende Schutzklausel für die Sonderautonomien beinhaltet«.

    Ob hier das Autonomiestatut (Art. 99) wirklich automatisch greift, würde ich mit einer gesunden Portion Skepsis dahingestellt lassen. In Bezug auf die Berufsverzeichnisse war die Landesregierung ebenfalls dieser Auffassung — die es natürlich zu verteidigen gilt —, schlussendlich musste jedoch ein entsprechender Passus in ein Staatsgesetz eingebaut werden.

    Und die erwähnte Schutzklausel für die Sonderautonomien konnte ich im Gesetz ehrlich gesagt auch nicht finden — jedenfalls nicht im einschlägigen Artikel (34-ter), wo ausdrücklich die italienische Gebärdensprache erwähnt wird.

    Ferner wollte Leiter-Reber wissen, ob die Landesregierung dem Landtag eine Initiative vorlegen werde, um unter Einbindung der Interessensvertreterinnen zu klären, ob in Südtirol die deutsche, die österreichische oder beide Gebärdensprachen amtlich verwendet werden sollen.

    LRin Deeg antwortete darauf, dass die Landesregierung gemäß Landesgesetz 7/2015 (Artikel 29, Abs. 6) das Ziel verfolge

    die Inklusion der gehörlosen und taubblinden Menschen durch die Unterstützung, Förderung und Verbreitung der Gebärdensprache und der taktilen Gebärdensprache anzuerkennen.

    Davon war gerade in der Pandemie nur ansatzweise etwas zu erkennen.

    Aktuell sei die ÖGS die von der deutschsprachigen Bevölkerung im Lande am häufigsten benutzte Gebärdensprache. Heißt wohl im Klartext: wennschon soll diese der italienischen Gebärdensprache in Südtirol gleichgestellt werden.

    Siehe auch: 01 02 03 || 01



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  • Fodom und Calfosch — nicht.
    Quotation

    Autor:a

    ai

    |

    3 Comentârs → on Fodom und Calfosch — nicht.
    Quotation

    Der Gadertaler Hotelier Michil Costa schreibt in einem Salto-Beitrag zum Thema Ski-WM:

    WM-Profite kämen zum Beispiel Livinallongo gut zu Pass, einem Tal, das wirtschaftlich bisher viel weniger Glück hatte als wir, in dem ein anderer unternehmerische Geist herrscht als bei uns und welches das Geld viel nötiger braucht als wir.

    Ja zur WM unter der Bedingung, dass gleichzeitig ein Radweg gebaut wird, der Colfosco mit Sankt Lorenzen verbindet.

    Hervorhebungen von mir

    Die genannten ladinischen Ortschaften haben ein ladinisches Endonym (Fodom und Calfosch) und neben dem italienischen auch ein deutsches Exonym (Buchenstein und Kolfuschg). Viele in Südtirol — darunter — bemühen sich, auch in deutschen und italienischen Texten die ladinischen Endonyme zu benutzen. Dass Herr Costa in einem deutschsprachigen Text die italienischen Exonyme verwendet, finde ich da sonderbar.

    Costa ist Grüner, ehemaliger Präsident der Union Generela di Ladins dla Dolomites und Gemeinwohlunternehmer. Er hat damit wie ich finde auch eine Vorbildfunktion.

    Weltweit setzen sich die Grünen für regionale Gemeinschaften und speziell für Minderheiten ein. Gerade als ehemaliger Präsident des wichtigsten ladinischen Kulturvereins würde man sich von Herrn Costa wenigstens ein Mindestmaß an kultureller Sensibilität erwarten. Und nicht zuletzt: Gehört es nicht zu einem ganzheitlichen Verständnis von Gemeinwohl, Kultur, speziell jene von Minderheiten, nicht nur unter utilitaristischen Gesichtspunkten zu betrachten und dem Profit unterzuordnen?

    Was macht es mit uns — und was sagt es über uns aus — wenn wir die historisch gewachsenen Ortsnamen vernachlässigen oder wie in diesem Fall sogar aufgeben?

    Siehe auch: 01 02 03 04 05



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  • Skyalps fliegt nicht ab Bozen…

    Autor:a

    ai

    |

    2 Comentârs → on Skyalps fliegt nicht ab Bozen…

    Die neue Fluggesellschaft mit Heimatflughafen Bozen fliegt gar nicht von dort, sondern nur ab: Bolzano. Jedenfalls ist das so, wenn man über die Homepage der Skyalps einen Flug buchen möchte. Weder befindet sich Bozen unter den vom Ausklappmenü angebotenen Flughäfen, noch wird irgendetwas gefunden, wenn Bozen in die Buchungsmaske eingetippt wird.

    Das ist sonderbar, da es sich ja erstens um den Heimatflughafen handelt — und die bei Skyalps zweitens »Botschafter der Alpen« und »passionierte Flieger und Regionalisten« (sic) sein wollen. Da passt das meiner Meinung nach besonders schlecht.

    Schon blöd, die haben wohl einfach die offiziell registrierte Flughafenbezeichnung abgerufen und waren nicht einmal willens und imstande, sie anzupassen. Dachte ich jedenfalls.

    Suchergebnis auf iata.org

    Doch es ist sogar noch schlimmer: Sucht man nämlich über die Homepage der International Air Transport Association (IATA) nach dem Flughafen mit dem Location Code BZO, spuckt die Datenbank brav Bolzano/Bozen aus — auch wenn die Bezeichnung Dolomiti einnamig italienisch ist.

    Die passioniert regionalistischen Botschafterinnen haben es also geschafft, eine Suchfunktion in ihre Seite einzubauen, die nicht einmal den offiziellen Namen ihres Heimatflughafens kennt.

    Siehe auch: 01 02 03 || 01



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  • Irreführender Lockdown-Vergleich.

    Autor:a

    ai

    |

    4 Comentârs → on Irreführender Lockdown-Vergleich.

    Die TAZ hat — in der Printversion vom 1. Juni und online am 6. Juni  — einen sogenannten Lockdown-Vergleich zwischen Südtirol und italienischen Regionen veröffentlicht, der ein desaströses Ergebnis aufzeigt:

    Die Bilanz des Corona-Managements der Landesregierung fällt ernüchternd aus: Keine Region Italiens verharrte so lange in der roten Zone und im harten Lockdown wie Südtirol.

    — Matthias Kofler (TAZ)

    Demnach sei unser Land zwischen dem 4. November 2020 und dem 31. Mai 2021 vom Staat an 90 Tagen in den »harten Lockdown« (rote Zone) versetzt worden.

    Wollte ich natürlich — wie es so meine erbsenzählerische Art ist — überprüfen, wozu ich mir die letzten Tage sämtliche Verordnungen der Regierung herausgesucht und in eine Tabelle eingetragen habe:

    Tabelle zum Vergrößern anklicken

    Doch… ähm… wider Erwarten komme ich dabei auf ganz andere Zahlen als die TAZ. Die Unterschiede sind so groß, dass sie auch nicht mit dem ein oder anderen Versehen, das mir sicherlich unterlaufen sein könnte, zu erklären sind.

    Es geht schon damit los, dass Autor Matthias Kofler seine Zählung am 4. November beginnt. Während jedoch an diesem Tag die erste Verordnung mit der Einteilung in Risikozonen erlassen wurde, trat diese erst am 6. November in Kraft.

    Nach Auswertung der obigen Tabelle komme ich zwischen dem 6. November und dem 31. Mai nicht annähernd auf die 90 Tage, in denen Südtirol von Rom als rote Zone eingestuft worden sein soll:

    Tabelle zum Vergrößern anklicken

    Ich komme auf gut halb so viele Tage (nämlich 51), was unser Land zwar ans Ende der Spitzengruppe, aber keineswegs — wie bei der Tageszeitung — an die Spitzenposition setzen würde.

    Tabelle zum Vergrößern anklicken

    In der orangen Zone, die in den Betrachtungen der TAZ gänzlich vernachlässigt wurde, war Südtirol laut staatlichen Verordnungen an 106 Tagen. Nur Umbrien und die Abruzzen waren noch häufiger orange.

    Tabelle zum Vergrößern anklicken

    Bezüglich der sogenannten gelben Zone, in der wir laut Zeitung staatlich verordnet an 49 Tagen waren, stimmen meine Zahlen ziemlich genau mit jenen von Herrn Kofler überein.

    Aus Gründen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind meine Tabellen hier vollständig (und nicht nur die Ergebnisse) veröffentlicht. So kann im Einzelnen überprüft werden, ob meine Angaben korrekt sind.

    Wie die TAZ auf ihre Ergebnisse gekommen sein mag, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Wenn man jedoch als Informationsmedium mit relativ großer Reichweite so schwerwiegende Vorwürfe erhebt, sollte man doch mit Sorgfalt arbeiten.

    Selbst wenn die Wahrheit irgendwo zwischen meinen Zahlen und jenen der Tageszeitung läge, wäre hierzu unter anderem auch Folgendes zu berücksichtigen:

    • dass man eine gelbe/orange/rote Zone im November nicht mit einer gelben/orangen/roten Zone im April über einen Kamm scheren kann, weil sich sowohl die Einstufungskriterien als auch die Einschränkungen teils sogar deutlich geändert haben;
    • dass eine rote Zone des Landes nicht eins zu eins mit einer roten Zone des Staates verglichen werden kann;
    • dass nicht nur Südtirol, sondern auch andere Gebiete teils strengere Maßnahmen ergriffen haben als vom Staat verordnet;
    • ob in Südtirol etwa die Schulen länger geöffnet waren als andernorts, was meines Wissens erklärtes Ziel der Landesregierung war;
    • wie sich die Infektions- und Todeszahlen, aber auch die Auslastung der Intensivstationen in den unterschiedlichen Gebieten unterscheiden — da ja bei den Einstufungen nicht nur und auch nicht primär wirtschaftliche, sondern hauptsächlich gesundheitliche Erwägungen eine Rolle gespielt haben;
    • dass Südtirol wenigstens zeitweise erheblich mehr getestet hat als andere Gebiete und dies zu einer ungünstigeren Einstufung (aber gegebenenfalls zu besseren Ergebnissen in der Pandemiebekämpfung) geführt haben kann.
    • wie sich die Maßnahmen konkret auf die Wirtschaft ausgewirkt haben.

    All dies wurde im TAZ-Beitrag bewusst oder unbewusst weitgehend vernachlässigt, was meiner Meinung nach den Beigeschmack einer reißerischen, wenig konstruktiven Berichterstattung hat.

    Natürlich sollen Landesregierung und Gesundheitsbetrieb für ihr keineswegs brilliantes Management kritisiert werden (01 02 03), doch dann meiner Meinung nach auf eine differenzierte Art und Weise, mit vollständigen (orange Zone) und nachvollziehbaren Zahlen.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Europarat: Neues Ungemach für Spanien.
    Politische Gefangene // Schaden für EU

    Erst vor wenigen Tagen hatte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die vom EU-Parlament aufgehobene Immunität von Carles Puigdemont, Clara Ponsatí und Toni Comín vorläufig wiederhergestellt, was ein Omen für den Ausgang des Einspruchs der drei katalanischen Abgeordneten sein könnte.

    Und nun hat der Ausschuss für Recht und Menschenrechte des (nicht zur EU gehörenden) Europarats die vorläufige Fassung eines Berichts veröffentlicht, der neues Ungemach für Spanien — indirekt aber auch für die EU insgesamt — bedeutet. In dem Dokument, für das Boriss Cilevičs (Sozialisten, Demokraten und Grüne) als Berichterstatter verantwortlich zeichnet, wird die Verfolgung von Politikerinnen am Beispiel der Türkei und Spaniens behandelt. Allein schon diese Aneinanderreihung sorgte bei Richtervereinigungen wie der Àgora Judicial berechtigterweise für große Besorgnis. Doch zudem sind in der Stellungnahme des Ausschusses folgende direkt an Spanien gerichtete Forderungen enthalten:

    • Die Reform der Tatbestände der Rebellion und des Aufruhrs.
    • Die Begnadigung bzw. Freilassung der katalanischen Politikerinnen, die wegen des Referendums vom 1. Oktober 2017 einsitzen sowie die Einstellung der Auslieferungsbemühungen für die im Ausland aufhältigen Politikerinnen.
    • Die Einstellung der Verfolgung von Beamtinnen im Zusammenhang mit dem Referendum sowie der Verzicht auf rechtliche Konsequenzen für Politikerinnen, die mit symbolischen Aktionen ihre Solidarität mit den Gefangenen zum Ausdruck gebracht haben.
    • Den Tatbestand der Veruntreuung nur dann anzuwenden, wenn reale und quantifizierbare Verluste für das Staatsbudget entstehen.
    • Die katalanischen Politikerinnen nicht dazu zu drängen, ihren politischen Ansichten abzuschwören, um in den Genuss von Haftbegünstigungen zu kommen.
    • Mit allen katalanischen politischen Kräften in einen Dialog zu treten, um die Qualität der spanischen Demokratie zu stärken.

    Dass diese wahrliche Bombe mit einigen Hinweisen auf Spanien als lebendige Demokratie und auf die Verfassungswidrigkeit des Referendums gespickt ist, veranlasste das spanische Außenministerium zu einer surrealen Note, in der es nahezu euphorisch behauptet, dass der Ausschuss für Recht und Menschenrechte das Vorgehen Spaniens bestätige. Indes ist die Regierung von Pedro Sánchez (PSOE) eigenen Aussagen zufolge einem Straferlass zugeneigt, der wohl die sich abzeichnende Blamage begrenzen soll.

    Vergeblich hatten bisher unter anderem die UNO (Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen) und verschiedene Menschenrechtsorganisationen (wie Amnesty International) die Entlassung der politischen Gefangenen aus der Haft gefordert. Russland, China oder Aserbaidschan nahmen bereits auf die Situation der katalanischen Gefangenen Bezug, um ihre eigene Politik zu rechtfertigen.

    Dennoch stand die Europäische Union als Club der Nationalstaaten bisher immer an der Seite der Zentralregierung in Madrid — und weigerte sich, sich in die angeblich innere Angelegenheit Spaniens einzumischen. Dass dadurch ihre Glaubwürdigkeit massiven Schaden nehmen würde, war vorprogrammiert. Zu allem Überfluss machte Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen (EVP) gerade den katalanischen Hardliner Josep Borrell (S&D) zum Außenbeauftragten.

    Die Stellungnahme des Menschenrechtsausschusses könnte explosive Folgen haben. So gehört auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der sich ebenfalls mit der Verfolgung der Katalaninnen befassen wird, zum Europarat. Zwar ist der Gerichtshof keineswegs an den Bericht gebunden, gänzlich unbeeindruckt lassen wird er ihn aber wahrscheinlich nicht.

    Siehe auch: 01 02 03 04 | 05 06 || 01



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  • Deutschland anerkennt Genozid in Namibia.

    Autor:a

    ai

    |

    0 Comentârs → on Deutschland anerkennt Genozid in Namibia.

    Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich Namibia und Deutschland über einen gemeinsamen Umgang mit der Kolonialgeschichte im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika geeinigt. Dabei wird die Bundesrepublik die brutale Niederschlagung des Volksaufstands von Nama und Herero als Genozid anerkennen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll schon bald in das Land reisen und sich im namibischen Parlament für den Völkermord entschuldigen. Außerdem werden in einem Zeitraum von 30 Jahren rund 1,1 Milliarden Euro an Hilfsgeldern fließen.

    Allerdings waren die betroffenen Volksgruppen und Stämme nur mangelhaft an den Verhandlungen beteiligt. Einige Vertreterinnen kritisieren das Abkommen und halten die Geldsumme für viel zu niedrig. Sie überschreitet kaum das Niveau der bisherigen deutschen Entwicklungshilfe. Nicht zuletzt wird bemängelt, dass die Folgen der Kolonialisierung noch bis heute massiv spürbar sind: so sei etwa der Grundbesitz in dem später unter südafrikanische Kontrolle gestellten Land nach wie vor erheblichenteils in der Hand von Weißen.

    Nichtsdestoweniger wird die Anerkennung der deutschen Taten als Genozid fast einstimmig als wichtiger Schritt in die richtige Richtung gesehen. Die deutsche Seite versichert zudem, dass das nun geschlossene Abkommen nicht als Schlussstrich betrachtet werden wird.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 || 01 02



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