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  • Autonomie: Nur Südtirol macht Zugeständnisse.

    Hierzulande wird argumentiert, es sei irgendwie selbstverständlich, dass Südtirol für den Autonomieausbau — sofern es denn überhaupt einer ist — auch Zugeständnisse machen muss. An anderer Stelle hatte ich schon darauf hingewiesen, dass das völlig unüblich, ja absurd ist. Mir persönlich ist ehrlich gesagt weltweit kein einziger Fall bekannt, in dem ein Gebiet für zusätzliche Zuständigkeiten oder aber für die Absicherung der bestehenden Autonomie »bezahlen« musste.

    Dass diese Logik keineswegs zwingend ist, offenbart der gerade zwischen Rom, Bozen und Trient ausgehandelte Entwurf aber ohnehin auch selbst: Das Trentino wird nämlich auf der »Habenseite« von der Autonomiereform genau in demselben Ausmaß profitieren wie Südtirol. Unser Nachbarland muss dafür jedoch keinerlei Zugeständnisse machen.

    Trentino gibt nichts

    Nur von Südtirol wird erwartet, dass es für die Wiederherstellung und Absicherung der Autonomie bezahlt. Besser gesagt: Verlangt wird dies nur von einem Teil der Südtirolerinnen. Die nationalen Minderheiten müssen Zugeständnisse machen, während die nationale Mehrheit fortan sogar bessergestellt wird.

    Es ist also keineswegs so, dass einer unbestechlichen, allgemeingültigen Logik zufolge stets Zugeständnisse machen müsste, wer den Ausbau der eigenen Autonomie möchte. Draufzahlen müssen in unserem Fall nur die, für deren Schutz im Nationalstaat diese Autonomie ursprünglich eingeführt wurde.

    Das ist bedenklich. Und es ist bei allen Unterschieden ungefähr so, als würde man von Frauen, LGBTQIA-Personen oder anderen vulnerablen Gruppen verlangen, dass sie für die Verbesserung ihrer Rechte Zugeständnisse (an Männer, Heterosexuelle etc.) machen müssen.

    In einer Demokratie ist es legitim, wenngleich nicht unbedenklich, auch über die Verschlechterung des Minderheitenschutzes zu diskutieren. Doch im aktuellen Fall wird die Forderung vom Zentralstaat, der am längeren Hebel sitzt, ungeniert an eine Erpressung gekoppelt: Entweder ihr nehmt den Schutz der nationalen Mehrheit (zu Lasten der Minderheiten) hin oder eure Autonomie bleibt so wie sie ist — nämlich im Vergleich zum Zeitpunkt der Streitbeilegung 1992 stark eingeschränkt.

    Cëla enghe: 01 02 03 || 01 02 03 04



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  • Standardsprache und internalisierte Minderheitenfeindlichkeit.
    Ana Grilc

    Gestern war ich bei der Minority Rights Lecture an der Eurac, wo ich den Auftritt der Kärntner Slowenin Ana Grilc echt beeindruckend fand: Als junge weibliche Aktivistin ist sie neben drei männlichen Professoren1Peter A. Kraus ist Professor, Oskar Peterlini Vertragsprofessor, Matthias Scantamburlo Assistenzprofessor Vertrags aufgetreten und hat einen »militanten« Wind in die Veranstaltung gebracht.

    Interessant fand ich unter anderem ihre Forderung, auch in Wien/Dunaj und Graz/Gradec gewisse Minderheitenrechte einzuführen, obwohl die beiden Städte nicht zum historischen Siedlungsgebiet der Sloweninnen und Kroatinnen gehören. Durch Akademisierung und Landflucht hätten sich in den großen Städten aber nicht wenige Mitglieder der Minderheit niedergelassen, die dann nur geringe Möglichkeiten vorfinden, ihre Sprache und Kultur zu leben.

    Doch eigentlich will ich an dieser Stelle einen anderen Aspekt herausgreifen, der für Südtirol ebenfalls von Bedeutung ist.

    Grilc berichtete nämlich, dass — vor allem bei der »vorigen Generation« — das Narrativ geherrscht habe, »die Kärntner Slowenen können kein Slowenisch«, was sie treffend als »internalisierte Minderheitenfeindlichkeit« bezeichnete.

    Bei Minderheiten, deren Sprache woanders Staatssprache ist, ist dieses Vorurteil weit verbreitet und ein wichtiges Mittel der Minorisierung. Die Sprache der Minderheit wird regelmäßig am Standard gemessen, der in »ihrem« nationalen Mutterstaat gilt. Unterschiede werden dann — insbesondere von Mitgliedern der Mehrheit — als »falsch« interpretiert, als angeblicher Beweis, dass die Minderheit gar nicht die Sprache spricht, die sie zu sprechen vorgibt. Dabei wird verkannt, dass häufig auch im sogenannten Mutterstaat kaum jemand den geschriebenen Standard spricht und dass dieser auch nicht grundsätzlich eine größere Würde besitzt als die Sprache der Minderheit. Ihren selbstgebastelten Befund nutzen Mitglieder der Mehrheit dann oft zur Entwertung der Minderheit und auch als Ausrede, um deren »unreine«, »falsche« Sprache nicht zu erlernen. Häufig übernehmen Minderheiten das Narrativ, was Grilc so passend als »internalisierte Minderheitenfeindlichkeit« einordnete.

    Nicht selten bewerten auch die Mehrheiten im sogenannten Mutterstaat — in Bezug auf Südtirol etwa die Deutschen aus Deutschland — die von Minderheiten im Ausland gesprochenen Varianten besonders streng. So streng, wie sie es in ihrem eigenen Land nicht machen würden, weil ihnen gar nicht in den Sinn käme, die »Deutschheit« von Saarländerinnen oder Sächsinnen in Abrede zu stellen.

    In Südtirol ist diese Spielart der Minorisierung allgegenwärtig. Wie oft hört und liest man, die deutschsprachigen Südtirolerinnen beherrschten — was auch immer das ist — gar kein richtiges Deutsch? Wie oft wird dies als Grund angeführt, weshalb italienischsprachige Südtirolerinnen nicht Deutsch lernen wollen oder aber es im Alltag angeblich nicht pflegen können? Als wäre es nicht möglich, eine Variante des Deutschen zu sprechen, sondern nur einen reinen Standard.

    Regelmäßig wird sogar behauptet, die deutschsprachigen Südtirolerinnen würden lieber Italienisch sprechen als (»richtiges«) Deutsch, weil sie es nicht beherrschten.

    Die Unsicherheit, die durch das Vorherrschen solch glottophober Narrative bei deutschsprachigen Südtirolerinnen entsteht, führt wohl auch dazu, dass ein gestörtes Verhältnis zur Standardsprache besteht.

    Zu den — zugegebenermaßen wenigen — Vorteilen von »Minderheiten ohne Mutterstaat« gehört, dass sie es selbst sind, die definieren, was in ihrer Sprache richtig oder falsch ist, bestenfalls auch einen eigenen Standard.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 || 01

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      Peter A. Kraus ist Professor, Oskar Peterlini Vertragsprofessor, Matthias Scantamburlo Assistenzprofessor


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  • Geplante Autonomiereform fürs VfG kein Hindernis.

    Obwohl es sich vermutlich um einen Zufall gehandelt hat, war das Timing nahezu perfekt: Als die Landeshauptleute Arno Kompatscher (SVP) und Maurizio Fugatti (Lega) ihre römischen Erfolge in punkto Autonomiereform verkündeten, wurden sie fast zeitgleich vom italienischen Verfassungsgericht (VfG) vorgeführt, das mit Urteil Nr. 37/2025 erneut einen Teil des Südtiroler Raumordnungsgesetzes für verfassungswidrig erklärte.

    Erst letzten Monat hatte das VfG dem Land die Befugnis entzogen, Sanktionen bei Bauvergehen anders zu gestalten als der Staat. Dazu gingen die Richterinnen nach einem erprobten Schema vor und erklärten die gesamtstaatliche Norm kurzerhand zu einer »grundlegenden Bestimmung der wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik«. Im Sinne des Autonomiestatuts (Artikel 4) reicht dies, um Südtirol eine Zuständigkeit zu entziehen.

    Beim aktuellen Entscheid, in dem es um die Dauer von Enteignungsprozeduren ging, griff das VfG allerdings nicht auf dieses Verfahren zurück. Es deutete die staatliche Vorschrift nicht in eine »grundlegende Reformbestimmung« um und erkannte sogar ausdrücklich an, dass die Angelegenheit zu den primären Befugnissen des Landes gehört.

    Das macht das Urteil aber noch besorgniserregender.

    Denn gleichzeitig befand das VfG, dass das Land nicht ausreichend begründet habe, warum es von der staatlichen Vorschrift abweicht, die die Enteignungsprozeduren auf maximal fünf Jahre befristet.

    Daraus ergebe sich eine Ungleichbehandlung zwischen den Bürgerinnen in Südtirol und auf dem restlichen italienischen Staatsgebiet, weshalb die Landesvorschrift gegen Artikel 3 der italienischen Verfassung verstoße:

    (1) Alle Staatsbürger haben die gleiche gesellschaftliche Würde und sind vor dem Gesetz ohne Unterschied des Geschlechts, der Rasse, der Sprache, des Glaubens, der politischen Anschauungen, der persönlichen und sozialen Verhältnisse gleich.

    (2) Es ist Aufgabe der Republik, die Hindernisse wirtschaftlicher und sozialer Art zu beseitigen, die durch eine tatsächliche Einschränkung der Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger der vollen Entfaltung der menschlichen Person und der wirksamen Teilnahme aller Arbeiter an der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gestaltung des Landes im Wege stehen.

    – Artikel 3 der italienischen Verfassung – Quelle: Lexbrowser des Landes Südtirol

    Noch einmal: Das VfG erklärt ausdrücklich »dafür seid ihr zuständig«, sagt jedoch im selben Atemzug »eure Zuständigkeit ist aber wertlos, wenn ihr nicht den zentralstaatlichen Vorschriften folgt.«

    Wenn sogar eine primäre Gesetzgebungsbefugnis nur so ausgeübt werden darf, dass sich daraus zwischen Südtirol und dem restlichen Staatsgebiet keine Ungleichbehandlung ergibt, ist das nach allgemeiner Definition wohl keine Autonomie mehr, sondern höchstens noch ihr Schatten.

    Selbst in Bereichen, für die er nicht primär zuständig ist, gibt der Zentralstaat somit vor, was »normal« ist — und die vorgeblich autonomen Gebiete dürfen davon nur abweichen, wenn das für die Bürgerinnen keinen nennenswerten Unterschied ergibt. Beim Erlass eigener Regelungen kann Südtirol nicht frei agieren, sondern muss sich soweit möglich an den Staatsgesetzen orientieren und darf nur davon abweichen, wenn triftige Gründe vorliegen.

    Warum das aus meiner Sicht so wichtig ist

    LH Kompatscher hat es als großen Erfolg verkauft, dass die »grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik« (nicht aber das nationale Interesse!) durch die Autonomiereform als Schranke der autonomen Befugnisse entfallen könnten.

    Angesichts der Tatsache, dass diese grundlegenden Reformbestimmungen dem VfG in der Vergangenheit sehr oft dazu gedient haben, Südtiroler Gesetze außer Kraft zu setzen, könnte man ihren Wegfall auch tatsächlich als großen Wurf betrachten.

    Mit einem unglaublichen Timing hat das VfG nun aber vorgeführt, dass es gar nicht darauf angewiesen ist. Ihm reicht Artikel 3 der Verfassung. Wenn der nur restriktiv genug ausgelegt wird, kann damit so gut wie jede autonome Befugnis kastriert werden.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Resistenze in Cirenaica.
    Workshop / Trekking urbano

    In vista del 25 aprile, Spazio autogestito 77 domani e dopodomani organizza:

    • 10 aprile ore 17.45 presso Spazio 77: workshop conviviale con cena, ricerca storica, pratiche di memoria, patrimonio difficile e guerriglia odonomastica con Mariana E. Califano e Jadel Andreetto del collettivo bolognese Resistenze in Cirenaica (RIC).
    • 11 aprile ore 17.45: Trekking urbano per le strade di Bolzano Bozen sulle tracce del colonialismo italiano in compagnia di RIC e dello storico Federico C. Simonelli, autore di D’Annunzio e il mito di Fiume. Punto di ritrovo: via Locatelli angolo corso Libertà.
      A seguire cena palestinese allo Spazio 77.

    Ospite speciale per la «lezione outdoor» nella tappa di piazza della Vittoria, durante il Trekking urbano sulle tracce del colonialismo italiano, Andrea Di Michele, professore di Storia contemporanea alla Libera Università di Bolzano, autore di Terra italiana, Possedere il suolo per assicurare i confini 1915-1954 (Laterza) e direttore scientifico della rete degli istituti della Resistenza e dell’età contemporanea.

    Gli organizzatori specificano che gli eventi sono gratuiti ma che è gradita la prenotazione scrivendo a spazioautogestito77[at]gmail.com

    Il contenuto di questo avviso corrisponde alle informazioni rese pubbliche dagli organizzatori.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06



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  • In una parte del Galles potrebbero sparire le scuole in lingua inglese.

    Il governo del Gwynedd, contea nord-occidentale del Galles (Cymru), di 120.000 abitanti, qualche giorno fa ha reso pubblica una proposta di riforma in materia di Politica linguistica, che a medio termine comporterebbe una forte riduzione della presenza dell’inglese nelle scuole, pubbliche e private.

    Sostanzialmente

    [le] modifiche proposte in relazione all’attuale Politica linguistica riguardano la rimozione del bilinguismo e dell’insegnamento bilingue. La strategia prevede chiaramente che il gallese sarà la lingua principale dell’educazione.

    – dal documento ufficiale

    Traduzione mia (visualizza l’originale)

    [the] amendments proposed to the existing Language Policy is to remove bilingualism and bilingual teaching. The policy notes clearly that Welsh will be the principal language of the education.

    Più in concreto, secondo quanto proposto:

    • tutta l’educazione prescolastica sarà veicolata solo attraverso il gallese;
    • l’insegnamento e la valutazione di tutti gli alunni nella fase fino al secondo anno di scuola avverrà solo in gallese;
    • a partire dal terzo anno (quando gli alunni hanno 7 anni) l’inglese verrà introdotto come materia e come lingua aggiuntiva «transcurricolare», ma almeno l’80% delle attività educative degli alunni dovranno essere in gallese;
    • nelle scuole secondarie fino all’età di 16 anni il gallese sarà la lingua veicolare dell’insegnamento.

    Tutte le scuole o le classi ad insegnamento in lingua inglese o bilingui verrebbero invece progressivamente eliminate. Con questa misura si vorrebbe rafforzare ulteriormente la lingua minoritaria, che nella contea — secondo il censimento del 2021 — viene parlata dal 64,4% della popolazione. Anche i bambini anglofoni e allofoni sarebbero dunque tenuti a frequentare scuole in lingua gallese.

    Per ora si sono detti contrari alla misura soprattutto i Tories (partito conservatore), che nel parlamento di 75 seggi del Gwynedd nel 2022 non sono riusciti a eleggere nemmeno un rappresentante.

    Mentre in Sudtirolo ancora troppo spesso si cerca di limitare l’accesso alle scuole di lingua tedesca ai soli bambini germanofoni, altre minoranze (Québec, Catalogna, Paesi Baschi e ora anche quella gallese) ambiscono a fare l’esatto opposto, in modo che

    • la lingua minoritaria funga da colonna vertebrale dell’inclusione e dell’integrazione e
    • la scuola in lingua minoritaria non si trasformi in una sorta di riserva indiana.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 || 01



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  • Autonomiereform: Schutz der nationalen Mehrheit.

    Langsam sickert durch, was der Entwurf zur Autonomiereform beinhaltet und dass sich die italienischen Rechten mit ihren Forderungen fast auf der ganzen Linie durchsetzen konnten. Das finden nicht nur Alessandro Urzì (FdI) oder Michaela Biancofiore (Coraggio Italia) ziemlich dufte, sondern zum Beispiel auch Fabio Gobbato auf Salto.

    Vergifteter Apfel

    Das, was durch die Reform an Autonomie gewonnen werden könnte ist — wenn die durchgesickerten Informationen stimmen — keineswegs zu verachten. Aber dass bei Autonomieverhandlungen von einer Minderheit überhaupt Zugeständnisse gefordert werden, ist völlig unüblich. In diesem Fall ist es sogar so, dass die Zugewinne an Autonomie (bzw. deren Wiederherstellung) allen zugute kommen, während die Konzessionen einseitig dem Minderheitenschutz schaden und der Titularnation nutzen. Hinzu kommt, dass sie aus demokratischer Sicht teils sehr bedenklich sind.

    Alessandro Urzì von den neofaschistischen Fratelli d’Italia hatte die Beschneidung der Ansässigkeitsklausel gefordert, und wie kolportiert wird soll es auch wirklich so kommen: Statt vier sollen Zuwandernde aus italienischen Regionen fortan nur noch zwei Jahre in Südtirol ansässig sein müssen, um an Gemeinde- und Landtagswahlen teilnehmen zu dürfen. Gobbato schreibt, die vierjährige Ansässigkeitsklausel hätte in den Siebziger Jahren einen Sinn gehabt, als die Zuwanderung aus Italien noch hoch war. Im Jahr 2025 sei das aber ein Irrsinn. Warum es ein Irrsinn sein soll, belegt er nicht. Gerade jetzt, wo der Anteil der Deutschsprachigen in vielen Gemeinden — insbesondere auch in der Landeshauptstadtso niedrig wie nie ist und sehr viele Menschen aus Italien hierher ziehen, kann eine Halbierung der Ansässigkeitsklausel riskant sein. Der Jubel von Urzì & Co. lässt ebenfalls erahnen, dass dies ganz im »nationalen Interesse« (und so gar nicht im Interesse der Minderheiten) ist.

    Für einen echten Irrsinn halte ich hingegen eine Maßnahme, die von Gobbato als »vom gesunden Menschenverstand geleitet« bezeichnet: In Hinkunft soll der Landtag entscheiden können, bei der Zusammensetzung der Landesregierung statt der Gewichtung der Sprachgruppen im Landtag den allgemeinen Proporz in der Gesamtbevölkerung zu berücksichtigen. Auch dies war von Urzì gefordert worden. In der Praxis heißt das, dass die italienische Sprachgruppe zu Lasten der anderen in der Landesregierung besser vertreten sein wird, als es das Wahlergebnis vorgeben würde. Das ist nicht »nur« minderheitenfeindlich, sondern auch undemokratisch. In der Praxis wird diese Kannbestimmung wohl zu einer faktischen Mussbestimmung werden, denn die Gewählten der italienischen Sprachgruppe können Koalitioinsbildung so lange verweigern, bis der Landtag (mit den Stimmen der zu bildenden Mehrheit) »freiwillig« beschließt, vom Landtagsproporz abzugehen und den Bevölkerungsproporz anzuwenden. Dass sie zu solchen Erpressungen nicht nur in der Lage sondern auch mit vollster Beharrlichkeit gewillt sind, haben sie bereits bei den letzten Koalitionsverhandlungen gezeigt, als es darum ging, einen weiteren italienischen Landesrat zu erzwingen. Italienische Rechte und italienische Linke ticken dabei grundsätzlich ähnlich und stellen im Zweifelsfall oft die ethnische Logik allem anderen voran.

    Lustig nicht lustig: Der Proporz ist immer bäh — wenn es jedoch darauf ankommt, die nationale Causa gegen die Minderheiten durchzusetzen, ist er plötzlich ganz toll. Auch für Salto.

    Eine weitere Ad-Hoc-Bestimmung, die der Titularnation zugute kommt, ist die, dass das ladinische Mitglied der Landesregierung zum Zwecke des Proporzes zwischen deutscher und italienischer Sprachgruppe nicht berücksichtigt wird. Daran wäre nämlich bei der letzten Regierungsbildung nahezu der zweite italienische Landesrat gescheitert.

    Nicht zuletzt soll auch die letzte Forderung des Ultranationalisten Urzì im Reformentwurf enthalten sein: Wiederum zu Lasten der Sprachminderheiten soll es fortan möglich sein, am Proporz vorbei eine Italienerin zur Gemeindereferentin zu ernennen, auch wenn es nur eine einzige italienische Gemeinderätin gibt. Wie bei der Zusammensetzung der Landesregierung wird es der Titularnation auch hier nicht schwer fallen, durch Erpressung (und medialen Druck) die Kann- in eine faktische Mussbestimmung zu verwandeln.

    All das kommt gerade jetzt, wo die deutsche und die ladinische Minderheit ohnehin schrumpfen und wennschon mehr Schutz nötig hätten. Neue Schutzmaßnahmen sind in der Reform jedoch nicht enthalten. Stattdessen werden die Minderheiten fortan — mit voraussichtlicher Zustimmung der SVP — noch mehr unter Druck gesetzt.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 || 01 02 03 04 05 06



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  • Beflaggung im Jerichower Land (und in Südtirol).

    In Deutschland ist es ein Skandal: AfD und CDU haben im Landkreis Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) gemeinsam beschlossen, dass öffentliche Gebäude, einschließlich Schulen, fortan die schwarz-rot-goldene Deutschlandflagge hissen müssen, sofern sie einen Flaggenmast besitzen. Allerdings sind nur Gymnasien, Sekundarschulen, Förder- und Berufsschulen betroffen, deren Träger der Landkreis ist. Grundschulen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden und sind somit von der neuen Regelung ausgenommen.

    Mir fällt hier vor allem der eklatante Unterschied zu Südtirol auf: Während in Deutschland also Landkreise und Gemeinden selbst über die Beflaggung befinden, ist hierzulande seit jeher vorgeschrieben, dass alle Schulen — auch die deutschen und ladinischen — die italienische Trikolore hissen müssen. Auf lokale Befindlichkeiten, zudem in einem Minderheitengebiet wie unserem, wird keinerlei Rücksicht genommen. Obschon Südtirol autonom ist, entscheidet Rom.

    Abgesehen von den Beflaggungsvorschriften ist hierzulande noch nicht einmal die Beflaggungspraxis lockerer. Darauf wird penibel geachtet, unter anderem von den nunmehrigen Koalitionspartnern der SVP, die die italienische Flagge sogar schon in die Landespressekonferenz gebracht haben.

    Anders als in Deutschland führt das in Südtirol zu keinem Aufschrei.

    Auch interessant: AfD und CDU begründen ihren Beschluss ausdrücklich damit, dass es historisch

    gerade in Anbetracht großer Krisen […] immer wieder ein verbindendes Element gab, einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Dieser kleinste gemeinsame Nenner war die Zugehörigkeit zur eigenen (!) Nation, einer Schicksals- und Bekenntnisgemeinschaft, ruhend auf einem allgemein anerkannten Wertekanon.

    Analog dazu kann auch die oktroyierte Präsenz der Trikolore in Südtirol als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Nation, Schicksals- und Bekenntnisgemeinschaft interpretiert werden. Für eine Minderheit, die diesbezüglich — wie erwähnt — anders als ein beliebiger Landkreis in Deutschland kein Mitspracherecht hat, ist das höchst problematisch.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06



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  • Il paradosso di Taxell.
    Scuole plurilingui

    Christoffer Taxell dello Svenska folkpartiet è stato ministro della giustizia della Finlandia dal 1979 al 1987 e ministro dell’istruzione dal 1987 al 1990, ed è a lui che generalmente viene attribuito un concetto fondamentale della politica linguistica del suo paese, dove vige un bilinguismo finlandese-svedese generalizzato. Questo concetto, conosciuto come «paradosso di Taxell», afferma che le soluzioni monolingui svedesi, come scuole o media, sono le più efficaci per preservare il bilinguismo, mentre le soluzioni bilingui tendono sempre a favorire la lingua finlandese dominante, e in definitiva portano al monolinguismo.

    Taxell stesso non ritiene che tale concetto possa essere considerato un paradosso. Ad ogni modo la sua affermazione, riconducibile a un discorso d’inaugurazione di una scuola nel 1985, ricorda vagamente il famoso — o famigerato — «je klarer wir uns trennen, desto besser verstehen wir uns» di Anton Zelger (SVP).

    Ad oggi i sistemi scolastici svedese e finlandese rimangono separati in Finlandia, e sono quasi sempre separati fisicamente tra di loro anche gli edifici scolastici. Laddove ciò non è il caso, sovente vengono adottate soluzioni architettoniche particolari per mantenere ambiti separati. Inoltre la Strategia per le Lingue Ufficiali del governo finlandese, adottata nel 2012, stabilisce esplicitamente che gli istituti scolastici non sono scuole di lingue.

    La Finlandia è considerata uno dei paesi più avanzati al mondo sia per quanto riguarda le sue politiche sociali sia per la tutela della minoranza svedese. Inoltre, è all’avanguardia nelle politiche educative in generale, con risultati eccellenti in varie classifiche internazionali.

    Al sistema scolastico sudtirolese, con scuole a lingua d’insegnamento tedesca o italiana, normalmente separate fisicamente, vengono spesso mosse pesanti critiche di arretratezza e di chiusura. Non di rado la richiesta di istituire scuole miste o di introdurre l’immersione linguistica viene avanzata definendole soluzioni «europee».

    Anche per questo trovo interessante — per non dire: sorprendente — che in realtà non siamo per nulla distanti da ciò che viene fatto altrove. Ad esempio, appunto, in uno dei paesi più evoluti del continente.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 | 08 09 | 10



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