Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Keine sezessionistische Mehrheit in Katalonien.
    Parlamentswahl 12M

    Am vergangenen Sonntag (12. Mai) wurde in Katalonien ein neues Parlament gewählt. Während Euskadi kurz zuvor am 21. April separatistischen Kräften eine große Mehrheit von 72% der Sitze verschafft hatte, war in Katalonien das Gegenteil der Fall: Erstmals seit 2010 — aber nicht seit 1980 — erreichten die Parteien, die sich für eine Loslösung von Spanien einsetzen, keine Sitzmehrheit.

    • Zum ersten Mal wurde unter Spitzenkandidat Salvador Illa die traditionell starke PSC, der katalanische Ableger der PSOE von Pedro Sánchez, erste Partei nach Stimmen (27,94%) und nach Sitzen (42 von 135; +9 im Vergleich zu 2021).
    • Eine beeindruckende Aufholjagd legte während der letzten Wahlkampfwochen Umfragen zufolge Junts unter Spitzenkandidat Carles Puigdemont hin, der seinen Wahlkampf wegen der fortgesetzten juristischen Verfolgung und der noch ausbleibenden Amnestie von dem zu Frankreich gehörenden Nordkatalonien aus führen musste. Seine Partei erreichte 21,64% der Stimmen und 35 Sitze (+3).
    • Die linke ERC unter dem scheidenden, ziemlich farblosen Präsidenten Pere Aragonès als Spitzenkandidat erlebte ein wahres Debakel. Sie sackte auf 13,68% ab und fiel auch nach Sitzen deutlich hinter Junts zurück (20; -13).
    • Zu den absoluten Wahlgewinnern gehört die rechte PP, die ihre Sitze mit einem Stimmenanteil von 10,97% von 3 auf 15 (+12) glatt verfünffachen konnte.
    • Gleichzeitig hielt die neofranquistische Vox mit 7,69% ihre beim letzten Mal errungenen 11 Sitze.
    • Comuns Sumar, Nachfolgebündnis von En Comú Podem, kam auf 5,81% und 6 Sitze (-2), die linksradikale CUP auf 4,09% und 4 Abgeordnete (-5) und die rechtsradikale Aliança Catalana (AC) schaffte mit 3,79% und 2 Mandaten zum ersten Mal den Einzug ins Parlament.
    • Die antiseparatistischen Ciutadans verschwinden gänzlich aus dem Parlament (-6 Sitze), nachdem sie 2017 mit 36 Sitzen noch stärkste Kraft geworden waren.

    Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zu 2021, als die Corona-Pandemie akut war, nur um 6,68 Punkte auf 57,97% gestiegen und bleibt somit unterdurchschnittlich.

    Die unionistischen Kräfte PSC, PP und Vox kommen gemeinsam auf 68 Abgeordnete, das sind genau so viele wie zur absoluten Mehrheit nötig sind. Alle separatistischen Parteien (Junts, ERC, CUP und AC) zusammen kommen dagegen nur noch auf 61 Mandate. Zieht man vom ersten Lager Vox (11 Sitze) und vom zweiten Lager AC (2 Sitze) ab, die von einem Cordon sanitaire bzw. einer Brandmauer betroffen sind, bleiben den Unionistinnen jedoch noch 57 und den Separatistinnen 59 Abgeordnete. Beide Seiten kommen auch dann nicht auf eine absolute Mehrheit, wenn sie die Unterstützung von Comuns Sumar erhalten.

    Wer von diesem Parlament letztendlich zum Präsidenten gewählt wird oder ob es gar zu einer Wahlwiederholung kommen wird, ist im Moment noch völlig offen. Sowohl Salvador Illa (PSC) als auch Carles Puigdemont (Junts) haben jedenfalls angekündigt, an einer Mehrheit zu arbeiten. Denkbar wäre auch ein Minderheitskabinett.

    Ideologisch ist das unionistische Lager (PSC und PP) noch heterogener als das separatistische (Junts, ERC und CUP). Wiewohl sie im Moment noch nicht sehr konkret ist, wäre durchaus eine Zusammenarbeit von PSC, ERC und Comuns Sumar vorstellbar — doch dies ist vor allem vom Ausgang der Grabenkämpfe abhängig, die bei ERC nach der Niederlage ausgebrochen sind. Und natürlich spielt eine Rolle, dass die Regierung von Pedro Sánchez in Madrid von der Unterstützung separatistischer Kräfte abhängig ist und somit nicht völlig frei agieren kann.

    Siehe auch: 01



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  • Kann Südtirol Staat?
    Neuerscheinung

    Buchvorstellungen

    • Montan: Do 23. Mai – 20.00 Uhr – Haus der Vereine
    • Marling: Mi 29. Mai – 20.00 Uhr – Vereinshaus

    Zurückliegende Termine (Aufstellung)
    • Toblach: Mi 15. Mai – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Celovec: Če 25. april – 18.00 uri – Knjigarna Mohorjeva-Hermagoras
    • Wien: Mi 17. April – 20.00 Uhr –  sh.asus.wien, Schwarzspanierstr. 15
    • Wien: Di 16. April – 17.30 Uhr – Österreichisches Parlament (Anmeldung unter info@noiland.org)
    • Mölten: Do 11. April – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Glurns: Mo 25. März – 20.00 Uhr – Gemeindehaus (3. Stock)
    • Laas: Do 21. März – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Ahrntal: Fr 15. März – 20.00 Uhr – Mittelschule St. Johann
    • Tirol: Di 12. März – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Kastelruth: Do 7. März – 20.00 Uhr – Bibliothek Seis
    • Leifers: Do 29. Februar – 20.00 Uhr – Deutsche Bibliothek
    • Vintl: Di 27. Februar – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Schenna: Fr 23. Februar – 20.00 Uhr – Vereinshaus
    • Eppan: Do 1. Februar – 20.00 Uhr – Bibliothek St. Pauls
    • Freienfeld: Fr 19. Jänner – 18.00 Uhr – Gasthaus Post Maria Trens
    • Innsbruck: Di 9. Jänner 2024 – 20.00 Uhr – Geiwi-Turm
    • Villnöß: Di 12. Dezember 2023 – 20.00 Uhr – Feuerwehr St. Peter
    • Auer: Do 7. Dezember 2023 – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Sëlva: Ju 23. nuvëmber 2023 – 20.00 ëures – Tublà da Nives
    • Margreid: Di 21. November 2023 – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Kaltern: Mi 15. November 2023 – 20.00 Uhr – Bibliothek
    • Latsch: Di 14. November 2023 – 20.00 Uhr – Bildungshaus Schloss Goldrain
    • Karneid: Do 9. November 2023 – 20.00 Uhr – Vereinshaus Steinegg
    • Völs: Do 26. Oktober 2023 – 20.30 Uhr – Stanglerhof
    • Salurn: Do 19. Oktober 2023 – 20.00 Uhr – Bibliothek Herrenhof
    • Brixen: Di 17. Oktober 2023 – 19.30 Uhr – Cusanus-Akademie
    • Andrian: Fr. 6. Oktober 2023 – 20.00 Uhr – Pfarrsaal
    • Tramin: Do 28. September 2023 – 20.00 Uhr – Bürgerhaus
    • St. Pankraz: Di 19. September 2023 – 20.00 Uhr – Bürgersaal
    • Sarntal: Mi 30. August 2023 – 20.00 Uhr – Turm Kränzelstein
    • Gais: Do 3. August – 20.00 Uhr 2023 – Feuerwehrhalle
    • Meran: Mi 2. August – 19.30 Uhr 2023 – OstWestCountryClub
    • St. Leonhard i. P.: Sa 15. Juli 2023 – 19.30 Uhr – Jaufenburg
    • Weißenbach/Ahrntal: Do 6. Juli 2023 – 19.30 Uhr – Vereinshaus
    • Eppan: Di 4. Juli 2023 – 19.30 Uhr – Tannerhof, Girlan
    • Schlanders: Mo 12. Juni 2023 – 20.00 Uhr – Bibliothek Schlandersburg
    • Bozen: Fr 9. Juni 2023 – 14.30 Uhr – Palais Widmann (Gedenken an Silvius Magnago)
    • Nals: Do 8. Juni 2023 – 20.00 Uhr – Kulturtreff Sonne
    • Partschins: Mo 5. Juni 2023 – 19.30 Uhr – Bibliothek
    • Vahrn: Mi 31. Mai 2023 – 19.30 Uhr – Bibliothek
    • Bozen: Di 23. Mai 2023 – 19.30 Uhr – Bibliothek Haslach
    • Eppan: Mo 8. Mai 2023 – 20.00 Uhr – Bibliothek St. Michael
    • Kurtatsch: Mi 19. April 2023 – 20.00 Uhr – Kulturhaus
    • Bozen: Do 13. April 2023 – 14.00 Uhr – Filmsaal des Landtags

    Angaben ohne Gewähr · Infos: noiland.org

    Der Verein Noiland Südtirol – Sudtirolo hat am 23. März im Rahmen einer Pressekonferenz bei der Eurac in Bozen sein Weißbuch zur Südtiroler Eigenstaatlichkeit vorgestellt.

    Kann Südtirol Staat? — so der Titel der umfangreichen Publikation — entstand in Zusammenarbeit mit zahlreichen Expertinnen und unter der Aufsicht eines wissenschaftlichen Beirats. Die Autorinnen der insgesamt 40 Kapitel gingen der Frage nach, ob Südtirol als eigenständiger Staat bestehen kann und gelangten zum Schluss, dass das Land die politisch-demokratischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen hat, als unabhängiger Staat erfolgreich zu sein, so wie Luxemburg, Malta, Island oder die drei baltischen Staaten.

    Beitrag zur Versachlichung

    Der europäische Einigungsprozess spielt dabei eine wichtige Rolle, da sich im Zuge dieser Entwicklung für die europäischen Regionen neue Spielräume eröffnen. Im Buch wird nachvollziehbar aufgezeigt, welche Schritte erforderlich wären, um einen unabhängigen Staat zu gründen. Dargelegt werden Chancen, aber auch Risiken, Bedingungen und mögliche Strategien.

    Noiland bekennt sich ausdrücklich zur Rechtsstaatlichkeit und gibt an, dass ein Prozess zur Erlangung der Unabhängigkeit bevorzugt in Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem italienischen Staat erfolgen sollte. Dadurch wäre ein rechtlich und politisch unstrittiges Ergebnis gewährleistet.

    Die Autorinnen — mit unterschiedlicher Haltung zur Eigenstaatlichkeit — beschäftigten sich eingehend mit der Frage, wie weit die politische Mitbestimmung gehen kann und was Demokratie darf. Soll es in einem geeinten Europa möglich sein, einen neuen Staat zu gründen, wenn die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung es wünscht?

    Das Autorenteam unterstreicht, dass ein Südtiroler Staat nur als gemeinsame Anstrengung aller hier lebenden Sprachgruppen gelingen kann. Ein unabhängiges Südtirol soll und muss allen offenstehen und zur Heimat werden.

    Kann Südtirol Staat? ist ein Blick in eine vielleicht gar nicht so entfernte Zukunft. Die Idee zu dieser Publikation entstand vor fast zehn Jahren, als die Regionalregierungen in Schottland und Katalonien in Weißbüchern wichtige Fragen zur Unabhängigkeit einfach und verständlich erklärten.

    Kann Südtirol Staat?
    Noiland (Hrsg.)
    Bozen, 2023 – UVP € 19,90
    ISBN 979-12-210-0918-7
    www.noiland.org

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10



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  • Fünfundneunzig Prozent.
    Totalversagen bei der Integration

    Es ist eine Nachricht die, sofern sie stimmt, in einem Minderheitengebiet alle Alarmglocken bis zum Zerbersten schrillen lassen müsste: Um in den Genuss zusätzlicher Sozialleistungen zu kommen, müssen Zuwandernde aus Nicht-EU-Staaten gemäß Landesgesetz einen Kurs über Südtirol besuchen und eine einfache Sprachprüfung (entweder Deutsch oder Italienisch) bestehen. Laut einem Bericht des A. Adige haben dies im vergangenen Jahr (2023) 655 Personen geschafft, doch sage und schreibe 95 Prozent — salopp gesagt: praktisch alle — haben die Sprachprüfung in Italienisch abgelegt. Das übertrifft wohl jede noch so pessimistische Befürchtung um Längen.

    Die angeblich in Südtirol so dominante deutsche Sprache ist in der Integration und Inklusion de facto inexistent.

    Zum Vergleich:

    • In der mehrheitlich frankophonen Provinz Québec in Kanada dürfen Zuwandernde ihre Kinder nur in französischsprachige Schulen einschreiben. Das gilt sogar für Menschen, die aus dem restlichen Bundesgebiet einwandern. Wer seit über einem halben Jahr in Québec ansässig ist, hat bei Behörden kein Recht auf Gebrauch der englischen Sprache mehr.
    • Im restlichen Kanada wird immer mehr darauf geachtet, dass unter Zuwandernden ein angemessener Anteil an Frankophonen ist, um die französischen Minderheiten in den mehrheitlich anglophonen Provinzen und Territorien zu fördern und zu unterstützen.
    • Auch in Ostbelgien wird die Integration in der regionalen Mehrheitssprache Deutsch gefördert.

    In Südtirol herrscht offenbar die Auffassung vor, dass wir das alles nicht nötig haben und auch ohne unser Zutun schon irgendwie alles gut gehen wird — was sich als enormer Trugschluss erweisen könnte, wie diese Zahlen auf beeindruckende Weise nahelegen.

    Durch die freie Sprachwahl bei den im Landesintegrationsgesetz vorgesehenen Maßnahmen werden die minorisierten Sprachen Deutsch und Ladinisch schwer benachteiligt. Im Grunde fördert das Land so paradoxerweise nur noch zusätzlich aktiv und einseitig die Abhaltung von Italienischkursen und die Integration der Zuwandernden in die staatliche Mehrheitsgesellschaft: eine neue Form der Majorisierung und Assimilierung.

    Während der Staat zur Erlangung der Staatsbürgerschaft oder gar einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung auch in Südtirol ausschließlich die Staatssprache bevorzugt — deren Kenntnis eine zwingende Voraussetzung ist — hat Südtirol keine rechtliche Möglichkeit, gegenzusteuern und asymmetrisch die Kenntnis der Minderheitensprachen einzufordern.

    Ganz offensichtlich werden jedoch auch zu wenig Anreize und aktive Angebote gesetzt oder sie werden schlicht und ergreifend nicht wahrgenommen.

    Zu den Komplizinnen dieser desaströsen Fehlentwicklung können wir aber auch jene deutschsprachigen Südtirolerinnen zählen, die glauben, der Ausschluss von Kindern anderer Muttersprache aus den deutschen und ihre Abschiebung in die italienischen Schulen (vgl. 01) könnte den Minderheitensprachen einen Dienst erweisen. Genau das Gegenteil ist der Fall.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12



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  • EU-Wahl: Die Antwort von Brigitte Foppa.
    Offener Brief


    Lieber Wolfgang,

    danke für deine Mitteilung.

    Ich kann das meiste nachvollziehen. 

    Ich möchte aber dazusagen, dass wir als Südtiroler Grüne im Bündnis mit Alleanza Verdi Sinistra antreten, aber mit ihnen weder das Wahlprogramm abgestimmt haben (bzw. sie mit uns), noch die Kandidaturen.

    Wenn ich gewählt werden würde (was ja tatsächlich im Rahmen des Möglichen ist), dann wäre ich eine Abgeordnete der Grünen Fraktion (Greens/EFA). Wir Südtiroler Grünen sind nicht Teil der Grünen Italiens, sondern direkt Mitglieder der Europäischen Grünen. 

    Deren Meinung zum Krieg in der Ukraine und zu den Waffenlieferungen, und auch zu Israel und Gaza, ist eine andere als die von dir beschriebene und meine eigene Meinung ist auf jeden Fall jener der Europäer näher.

    Ich bin für Waffenlieferungen, um die Ukraine zu verteidigen. In beiden Fällen handelt es sich um brutale Überfälle, die nicht akzeptabel sind. Mich sorgt auch die Eskalation, das will ich nicht leugnen. Ich fühle mich angesichts der Größe der Thematik auch ein wenig ratlos, und verlasse mich auf das sehr gute Wahlprogramm der Europäischen Grünen.

    Wenn du deine ursprüngliche Idee umsetzen möchtest und Grün wählen würdest, so wäre das wirklich sehr nützlich — auch schon rein, um, wenn schon die wahrscheinlich Pragmatischste im Wahlkreis nach Brüssel zu schicken … ;-)

    Einen lieben Gruß

    Brigitte


    Autor:innen- und Gastbeiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung oder die Position von BBD wider, so wie die jeweiligen Verfasser:innen nicht notwendigerweise die Ziele von BBD unterstützen. · I contributi esterni non necessariamente riflettono le opinioni o la posizione di BBD, come a loro volta le autrici/gli autori non necessariamente condividono gli obiettivi di BBD. — ©


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  • Nationalstaatliche EU-Wahlprogramme.
    Grüne + Team K

    Als ich gestern auf eine Liste mit italienischen Parteien gestoßen war, die im EU-Wahlkampf gegen die militärische Unterstützung der Ukraine plädieren, wollte ich die Behauptung in Bezug auf Grüne und Linke selbst überprüfen. In einer deutschsprachigen Fassung konnte ich das Wahlprogramm jedoch — wie bereits erwähnt — nicht finden, genausowenig in irgendeiner anderen anerkannten Minderheitensprache.1Übrigens auch nicht auf Englisch, obwohl gerade bei EU-Wahlen auch Ausländerinnen wählen dürfen. Das ist auch deshalb interessant, weil im Programm selbst bereits im ersten Kapitel, das dem Frieden gewidmet ist, die Abkehr von »jeglichem postkolonialen Ansatz«2»ogni approccio di derivazione post-coloniale« gefordert wird. Das gilt offenbar nicht für binnenkolonialistische Ansätze.

    Eine kurze Überprüfung hat ergeben, dass das Bündnis um Azione von Carlo Calenda, auf dessen Liste Paul Köllensperger (TK) den Einzug ins Europaparlament schaffen möchte, ebenfalls kein Programm auf Deutsch oder in einer anderen Minderheitensprache vorgelegt hat. Das erstaunt schon etwas weniger, wenn man weiß, was Calenda von Minderheitensprachen hält.

    Und dennoch: Wenn Grüne und Team K eigenständig — also nicht auf irgendeiner staatsweiten Liste — kandidieren würden, fiele ihnen wohl nicht im Traum ein, ein einsprachiges Programm vorzulegen. Warum also halten sie es nicht für nötig, das Wahlprogramm der Bündnisse, für die sie jetzt antreten, übersetzen zu lassen?

    Offenbar greift allein aufgrund des Zuschnitts des Wahlkreises auch bei diesen Südtiroler Parteien (die sich doch programmatisch vehement für die Mehrsprachigkeit einsetzen!) die nationalstaatliche Logik, wonach Minderheitensprachen entbehrlich sind. Da wird die »in Vielfalt geeinte« EU — von regionalen Südtiroler Parteien, die zu einem erheblichen Teil auf deutsch- und auch ladinischsprachige Wählerinnen hoffen — gleich nur noch mononational und einsprachig dekliniert.

    Ein gutes Beispiel für Minorisierung und Marginalisierung: Wenn Grüne und Team K nicht nachbessern, wird auf einem Wahlzettel mit zwölf Symbolen am 8. und 9. Juni voraussichtlich nur ein einziges einer Partei entsprechen, die es für angemessen gehalten hat, ihr Programm auch auf Deutsch vorzulegen. Diese Partei wird die SVP sein — die jedoch nach meinem Dafürhalten gerade auch für die deutsch- und ladinischsprachigen Minderheiten schon deshalb unwählbar ist, weil sie ein Bündnis mit FI eingegangen ist.

    All das ist ein Grund mehr für einen eigenen Südtiroler EU-Wahlkreis nach ostbelgischem Vorbild: Offenbar ist ein vom Nationalstaat losgelöster Denkrahmen sogar dafür nötig, dass »mehrsprachige« Südtiroler Parteien ihren potenziellen Wählerinnen ein vollständiges mehrsprachiges Angebot unterbreiten.

    Doch auch inhaltlich wäre ein eigener Wahlkreis wichtig: Wenn sie nicht zu staatsweiten Bündnissen gezwungen wären, glaube ich kaum, dass

    unterstützen würden. So aber müssen sich die Südtirolerinnen mit all dem gemein machen, wenn sie die Genannten wählen wollen.

    Siehe auch: 01

    • 1
      Übrigens auch nicht auf Englisch, obwohl gerade bei EU-Wahlen auch Ausländerinnen wählen dürfen.
    • 2
      »ogni approccio di derivazione post-coloniale«


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  • EU-Wahl: Grüne für… Frieden.

    Autor:a

    ai

    |

    0 Comentârs → on EU-Wahl: Grüne für… Frieden.

    Für die Südtiroler Grünen kandidiert Brigitte Foppa bei der anstehenden Europawahl auf der gemeinsamen Liste von italienischen Grünen und Linken. Deren rund 40 Seiten umfassendes Wahlprogramm, das ich nicht in einer deutschsprachigen Version gefunden habe, beginnt mit einem Kapitel, das dem »Europa des Friedens« gewidmet ist — beziehungsweise dem, was das Bündnis für Frieden hält.

    Zwar wird die russische Invasion der Ukraine als »kriminell« bezeichnet und der Terroranschlag der Hamas als Ursache des laufenden Gazakriegs erwähnt, doch die geforderten Maßnahmen sind einseitig.

    So sollen den Vorstellungen von Grünen und Linken zufolge nicht nur europäische Militärausgaben rationalisiert und gesenkt, sondern auch die Waffenlieferungen an die Ukraine, die sich gegen den russischen Aggressor verteidigt, eingestellt werden. Wie dann aber der Rahmen für einen Waffenstillstand und den ebenfalls geforderten Rückzug der russischen Besatzungsmacht geschaffen werden soll, ist rätselhaft.

    In Bezug auf Israels tatsächlich völlig aus dem Ruder gelaufenen Krieg in Gaza ist im Programm von »Genozid« und »Ausrottung des palästinensischen Volkes«1»sterminio del popolo Palestinese« die Rede. Das Bündnis fordert, die Bemühungen von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel zu unterstützen und das Assoziierungsabkommen zwischen Europäischer Union und Israel auszusetzen. Maßnahmen gegen die Hamas oder auch nur die Freilassung der israelischen Geiseln werden nicht gefordert. Einfach nur unfassbar.

    Mich würde zwar einerseits die Meinung von Brigitte Foppa dazu interessieren2Ich nehme an, sie tickt diesbezüglich eher wie die deutschen Grünen., doch andererseits wählt dieses Programm (das sie mitträgt) und dieses Wahlbündnis automatisch mit, wer am 8. und 9. Juni die Liste von italienischen Grünen und Linken ankreuzt. Für mich persönlich ist das nahezu unmöglich.

    Siehe auch: 01 02 03 | 04 05 || 01

    • 1
      »sterminio del popolo Palestinese«
    • 2
      Ich nehme an, sie tickt diesbezüglich eher wie die deutschen Grünen.


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  • Katalonien: Nicht ganz so historische Niederlage.
    Faktencheck

    In Bezug auf die gestrigen Wahlen zum katalanischen Parlament, bei denen separatistische Parteien gemeinsam 61 von 135 Sitzen errungen und somit die absolute Mehrheit verfehlt haben, schreibt Rai Südtirol heute wortgleich mit anderen Medien:1Die gemeinsame Quelle scheint dabei die APA zu sein.

    Rai Südtirol (Ausschnitt)

    Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Katalonien haben die Separatisten am Sonntag eine historische Pleite erlitten. Erstmals seit 1980 verpassten die verschiedenen Parteien der Unabhängigkeitsbefürworter in der spanischen Konfliktregion zusammen die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament in Barcelona.

    – Rai Südtirol

    Das ist Desinformation. Von den verfügbaren 135 Sitzen hatten die separatistischen Parteien in Katalonien seit 1980 die folgende Anzahl inne:

    • Wahl 1980: 14 Sitze (ERC)
    • Wahl 1984: 5 Sitze (ERC)
    • Wahl 1988: 6 Sitze (ERC)
    • Wahl 1992: 11 Sitze (ERC)
    • Wahl 1995: 13 Sitze (ERC)
    • Wahl 1999: 12 Sitze (ERC)
    • Wahl 2003: 23 Sitze (ERC)
    • Wahl 2006: 21 Sitze (ERC)
    • Wahl 2010: 14 Sitze (10 ERC, 4 Solidaritat Catalana)
    • Wahl 2012: 74 Sitze (50 CiU, 21 ERC, 3 CUP)
    • Wahl 2015: 72 Sitze (62 JxS, 10 CUP)
    • Wahl 2017: 70 Sitze (34 JxC, 32 ERC, 4 CUP)
    • Wahl 2021: 74 Sitze (33 ERC, 32 JxC, 9 CUP)
    • Wahl 2024: 61 Sitze (35 JxC, 20 ERC, 4 CUP, 2 Aliança Catalana)

    Bei höchstens vier von 14 demokratischen Wahlen zum katalanischen Parlament, die seit dem Ende der Franco-Diktatur stattgefunden haben, konnten separatistische Kräfte bislang eine absolute Sitzmehrheit erringen — von 2012 in Folge bis 2021. Ob CiU 2012 bereits als separatistisch bezeichnet werden kann, ist fraglich.

    Die gestrige Wahl hat aber der Sitzmehrheit zumindest vorerst ein Ende bereitet.

    Siehe auch: 01 || 01

    • 1
      Die gemeinsame Quelle scheint dabei die APA zu sein.


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  • Revisionismus im Unterhaltungsfernsehen.

    Autor:a

    ai

    |

    1 Comentâr → on Revisionismus im Unterhaltungsfernsehen.

    Im öffentlich-rechtlichen staatlichen Fernsehen Italiens, das zum heurigen Befreiungstag eine milde antifaschistische Rede zensiert hat, hat der Moderator einer Quizsendung am 21. April Faschismus und Kolonialismus verharmlost. Gefragt war in der Sendung L’Eredità (it. für Das Erbe), in welchem Jahr italienische Ehepaare »dem Vaterland« ihre Eheringe im Tausch gegen wertlose (Eisen-)Ringe übergeben haben. Nachdem die Kandidatin unter den vier verfügbaren Optionen korrekt die Antwort »1935« ausgewählt hatte, informierte Moderator Marco Liorni:

    Es war 1935, genau. Das Gold fürs Vaterland, der Ehering fürs Vaterland. Stellen Sie sich vor: Sehr viele Familien haben diese wirklich patriotische Tat vollbracht, ihren Ehering dem Vaterland gegen eine Quittung und einen wertlosen Ring zu schenken.

    – Marco Liorni

    Übersetzung von mir (Original anzeigen)

    Era il ’35, esatto. L’Oro alla Patria, la Fede alla Patria. Pensate: tantissime Famiglie hanno compiuto questo gesto veramente patriottico, quello di donare la fede matrimoniale alla patria con una ricevuta e un anello di nessun valore.

    – Marco Liorni (Transkription von mir)

    Im Dezember jenen Jahres spendeten tatsächlich viele Ehepaare ihre Ringe dem faschistisch regierten Staat. Sie taten dies, um die Fortführung des brutalen Krieges zu ermöglichen, den Italien in Äthiopien führte. Dazu aufgerufen hatte das Regime, weil der Völkerbund im Oktober wegen des Angriffs Sanktionen gegen das Land verhängt hatte. Unter anderem spendeten die italienische Königsfamilie, aber auch Persönlichkeiten wie Gabriele D’Annunzio, Guglielmo Marconi und Luigi Pirandello.

    Auch die Entschuldigung von Liorni macht es nicht wirklich besser: Er habe sagen wollen, dass es sich bei der Aktion aus damaliger Sicht um eine patriotische Tat gehandelt habe. Einerseits klingt diese Erklärung wegen der Formulierung »wirklich patriotische Tat« unglaubwürdig, doch andererseits und vor allem war die Unterstützung eines kolonialen und völkerrechtswidrigen Eroberungskrieges auch aus damaliger Sicht verwerflich.

    In einem von Postfaschistinnen regierten Land, wo die Streitkräfte ihre Kriegsverbrechen in Afrika seit jeher systematisch verharmlosen und sogar heroisieren (01 02 03) sind solche Aussagen allerdings nicht wirklich überraschend.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05



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  • Minderheitensprachen im Konsumentinnenschutz.
    Ein Vergleich

    Die äußerst rührige katalanische Sprach-NRO Plataforma per la Llengua und die Fundació Vincle, deren Fokus ebenfalls auf der Förderung der katalanischen Sprache liegt, haben kürzlich ihr Informationsportal El Català és negoci ins Englische übersetzt. Die mit Unterstützung der Generalitat erstellte Website bietet Unternehmen nicht nur einen Überblick über die sprachlichen Verpflichtungen in Katalonien, sondern sensibilisiert darüber hinaus für einen angemessenen Sprachgebrauch.

    Die auf der Seite verfügbaren Häufigen Fragen und Antworten (FAQs) will ich hier wiedergeben, um einen Vergleich mit Südtirol anzustellen:


    Webauftritt El Català és negoci Vergleich mit Südtirol (von mir)
       
    Ist der Gebrauch der katalanischen Sprache in Unternehmen gesetzlich geregelt? Ja. Der Abschnitt über Gesetzgebung beinhaltet alle Vorschriften, die eingehalten werden müssen. Ist der Gebrauch der deutschen Sprache in Unternehmen gesetzlich geregelt? Nein.
    Ist es vorgeschrieben, in katalanischer Sprache zu etikettieren/beschriften? Ja, es ist vorgeschrieben, dass Produkte, die in Katalonien verkauft und vertrieben werden, zumindest in katalanischer Sprache etikettiert/beschriftet sind. Ist es vorgeschrieben, in deutscher Sprache zu etikettieren/beschriften? Nein.
    Ist es vorgeschrieben, Verbraucher:innen schriftlich und mündlich in katalanischer Sprache beraten zu können? Ja, es ist erforderlich, Verbraucher:innen in katalanischer Sprache zu bedienen, wenn sie es wünschen. Das Unternehmen kann dies nicht ablehnen, ohne eine Strafe zu riskieren. Ist es vorgeschrieben, Verbraucher:innen schriftlich und mündlich in deutscher Sprache beraten zu können? Nein.
    Welche weiteren Elemente der Geschäftstätigkeit müssen auf Katalanisch verfügbar sein? Werbung, dauerhafte Geschäftsinformationen, Vertraagsunterlagen, Bilanzen, Zahlungsbelege, Rechnungen, für den angemessenen Verbrauch, Gebrauch und Handhabung von Waren und Dienstleistungen nötige Informationen, obligatorische Angaben zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit, Teilnahmeverträge, Standardverträge, allgemeine Geschäftsbedingungen und damit zusammenhängende Unterlagen und Dokumente. Welche weiteren Elemente der Geschäftstätigkeit müssen auf Deutsch verfügbar sein? Keine.
    Müssen Beschriftungen in Geschäften in katalanischer Sprache sein? Ja, es ist vorgeschrieben, dass sämtliche dauerhafte Information in Geschäften und Läden zumindest auf Katalanisch verfasst ist. Müssen Beschriftungen in Geschäften in deutscher Sprache sein? Nein.
    Muss ich mit einer Strafe rechnen, wenn ich mich nicht an die geltenden Vorschriften halte? Ja, die geltenden Vorschriften umfassen auch Strafen für die Nichteinhaltung. Muss ich mit einer Strafe rechnen, wenn ich mich nicht an die geltenden Vorschriften halte? Es gibt keine.
    Gibt es viele Unternehmen, die die Sprachgesetzgebung einhalten? Ja, immer mehr Unternehmen halten sich daran, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist und weil die Anwesenheit der katalanischen Sprache in einem Unternehmen von den Verbraucher:innen sehr geschätzt wird. Gibt es viele Unternehmen, die die Sprachgesetzgebung einhalten? Eine solche Gesetzgebung existiert nicht. Sie wäre lediglich im Bereich der Packungsbeilagen von Medikamenten vorgesehen, wurde aber nicht umgesetzt.
    Belohnen die Verbraucher:innen die Verfügbarkeit der katalanischen Sprache in einem Unternehmen? Ja. Die verfügbaren Daten belegen mehr und mehr, dass die Verbraucher:innen einen verantwortungsvollen Umgang mit der katalanischen Sprache erwarten und dass dieser Faktor auch bei der Auswahl von Produkten und Dienstleistungen eine Rolle spielt. Belohnen die Verbraucher:innen die Verfügbarkeit der katalanischen Sprache in einem Unternehmen? Möglicherweise. Daten gibt es dafür leider in Bezug auf Südtirol nicht.


    Übersetzung der linken Spalte von mir

    Die Auswirkungen dieses großen Mankos bei den Minderheitenschutzvorschriften in Südtirol sehen wir jeden Tag. Dies trägt zur fortschreitenden Marginalisierung der deutschen und ladinischen Sprache bei. Trotzdem steht eine diesbezügliche Anpassung nicht auf der Tagesordnung der Südtiroler Landesregierung.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 | 12



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