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  • Freund Fitto.

    Im Interview mit Rai Südtirol bezeichnet es EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann (SVP) heute als für unser Land »sicher positiv«, dass Raffaele Fitto (FdI) — mit dem er »sehr befreundet« sei — zum neuen italienischen EU-Kommissar ernannt werden könnte. Dabei nimmt er sogar ausdrücklich darauf Bezug, dass Fitto in Verhandlungen mit LH Luis Durnwalder (SVP) versucht habe, »die leidige Frage der Toponomastik auf einen guten Weg zu bringen«.

    Das ist eine krasse Verdrehung der Tatsachen: Fitto hat damals (2010) als Regionenminister im Namen einer Rechtsregierung (Berlusconi IV) verhandelt, die wegen ein paar Wegweisern gedroht hatte, das Militär nach Südtirol zu entsenden, um die koloniale Ordnungsmäßigkeit aufrecht zu erhalten. Er tat dies zudem in einer Materie, in der die ausschließliche Zuständigkeit beim Land lag und liegt, der Zentralstaat also eigentlich nichts zu sagen hätte — zudem in einer Manier, die keineswegs von Entgegenkommen und Großzügigkeit gekennzeichnet war. Im Gegenteil: Er hat den Landeshauptmann regelrecht über den Tisch gezogen. Noch nicht einmal die Bezeichnung Vetta d’Italia für den Klockerkarkopf — die wohl symbolisch für den italienischen Imperialismus stehen kann — wäre dem Verhandlungsergebnis zufolge weggefallen.

    Noch 2015 brachten die von Fitto gegründeten und geleiteten Conservatori e Riformisti Änderungsanträge zur geplanten Verfassungsreform ein, mit der alle Sonderautonomien (einschließlich der von Südtirol) hätten abgeschafft werden sollen. Dass die Anträge nicht angenommen wurden und eine Abschaffung auf diesem Weg (aufgrund der internationalen Verankerung) ohnehin nicht möglich gewesen wäre, ist kein Verdienst von Fitto.

    Diese Vorgeschichte qualifiziert das heutige Mitglied einer europafeindlichen, neofaschistischen Partei also in den Augen eines führenden SVPlers dafür, aus Südtiroler Sicht als gute Wahl für den Posten des EU-Kommissars betrachtet zu werden.

    Er sei ja schließlich »regelrecht verliebt« in unser Land. Wahrscheinlich so, wie — überspitzt formuliert — Rodolfo Graziani in Äthiopien und Jean-Marie Le Pen in Algerien verliebt waren.

    Wenn er so weitermacht, droht ihm noch ein Verdienstorden.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 | 05



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  • La negazione del rischio di assimilazione.

    Se ne poteva benissimo fare a meno, ma la discussione — avvelenata — sulla «classe speciale» della Goetheschule nella capitale sudtirolese, tra le altre cose, ha portato alla luce l’assoluta (e colpevole) inconsapevolezza di molti concittadini di lingua italiana di quello che significa la scuola per una minoranza linguistica. Anzi, peggio: addirittura alcune delle persone intervenute nel dibattito, non certo delle sprovvedute, negano espressamente il rischio di assimilazione (cfr. 01 02 03 04).

    Due esempi concreti:

    Oggi non ci sono rischi di assimilazione, la scuola deve dare a tutti le stesse opportunità.

    Nell’Alto Adige /Suedtirol del terzo millennio, in cui non incombe sulla minoranza tedescofona nessun pericolo/minaccia di assimilazione, la domanda è se il sistema scolastico pubblico altoatesino/sudtirolese sia strutturato in modo da formare i futuri cittadini offrendo a tutti le stesse opportunità.

    Vanda Carbone (ex PD) in L’Svp gioca col fuoco, su Salto (30 agosto 2024), enfasi mia

    Quindi chi parla di pericolo di nuova italianizzazione onestamente o non sa cosa dice, oppure è in malafede.

    Luca Fazzi, professore di sociologia presso l’Università di Trento, in La paura dei barbari, sempre su Salto (30 agosto 2024)

    Questo fa comprendere come manchi sostanzialmente un consenso minimo, base imprescindibile per la convivenza, sulla situazione di minorizzazione in cui ci troviamo e sulle tutele necessarie.

    Cëla enghe: 01 02 || 01 02 03 04



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  • Die ›Sonderklasse‹ der Goetheschule.

    In der Bozner Goetheschule will bzw. wollte Direktorin Christina Holzer eine gesonderte Grundschulklasse bilden, um dem Problem zu begegnen, dass viele Kinder in die Schule eingeschrieben werden, die die deutsche Sprache nicht oder auf einem unzureichenden Niveau beherrschen  — und es somit schwierig wird, Unterricht zu gestalten. Dabei ist mir noch unklar, ob die Aufteilung der Schülerinnen aufgrund der Sprachkenntnisse, aufgrund der Muttersprache oder aufgrund der Staatsbürgerschaft erfolgen sollte. Medienberichte widersprechen sich diesbezüglich — ebenso, wie sie sich darin uneinig zu sein scheinen, ob es eine endgültige oder eine provisorische Maßnahme hätte sein sollen, die nur so lange aufrecht geblieben wäre, bis die betroffenen Schülerinnen ein gewisses Sprachniveau erreicht hätten.

    Ohne wichtige Fakten zu kennen und darüber Einigkeit erlangt zu haben, wurde der Plan von Medien, Politikerinnen und anderen Kommenatorinnen entweder bejubelt oder mit drastischen Tönen kritisiert. Unter anderem war schon von Apartheid, Nazismus, Rassismus, Gettobildung, Arroganz und Diskriminierung die Rede. Andere wiederholen einfach reflexhaft ihre Forderung nach einer mehrsprachigen Schule.

    Jedenfalls findet wieder einmal keine sachliche und faktenbasierte Debatte statt, obwohl gerade die in einer solchen Situation dringendst nötig wäre.

    Dass ich persönlich strikt gegen eine Ablehnung von Einschreibungen anderssprachiger Kinder und gegen ihre Überweisung an Schulen mit italienischer Unterrichtssprache bin, habe ich mehrfach geschrieben und begründet — und dabei bleibe ich auch. Schulintern muss es aber Möglichkeiten geben, mit dem Problem von Klassen umzugehen, in denen zu viele Schülerinnen die Unterrichtssprache nicht auf einem Niveau beherrschen, das Unterricht auf eine sinnvolle Weise ermöglicht. Dabei halte ich Inklusion für ein sehr, sehr hohes Gut, das nicht leichtfertig zur Disposition gestellt werden darf.

    Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass unter Umständen die Verteilung von Schülerinnen innerhalb und zwischen den Schulen sowie ihre (vorübergehende) Trennung nötig sein kann, auch wenn es sich dabei um eine möglichst zu vermeidende Maßnahme handelt. Man muss sie aber meines Erachtens immer konkret sorgfältig gegen andere Möglichkeiten (mehr Personal, zusätzliche Unterrichtsstunden…) abwägen und erst dann eine Entscheidung treffen. Wobei zu sagen ist, dass einer Schulführungskraft möglicherweise nicht viele Alternativen zur Verfügung stehen, wenn die Unterstützung von Verwaltung und Politik fehlt.

    Einfach nur zu sagen, dass Inklusion vorgeschrieben und somit die Bildung gesonderter Klassen verboten sei, ist ein wenig hilfreiches Totschlagargument, das meiner Meinung nach eindeutig zu kurz greift. (Genauso wie übrigens der Verweis auf Artikel 19 des Autonomiestatuts per se kein sinnvolles Argument gegen mehrsprachige Schulen ist.)

    Wenn die Folge — wie kolportiert — die ist, dass Eltern ihre Kinder in die Schulen des Umlandes bringen, findet die Segregation auf Umwegen trotzdem statt, dann aber nicht innerhalb der Schule, sondern schon im Vorfeld. Auch das muss meiner Meinung nach mitgedacht werden.

    In der ganzen Debatte wird aber leider auch wenig bis gar nicht berücksichtigt, dass die deutschen in dieser Hinsicht nicht mit den italienischen Schulen in Südtirol — oder gar mit Schulen auf Staatsebene — gleichgesetzt werden können, da wir es hier mit einer Minderheitensprache zu tun haben, die im direkten Kontakt mit dem Italienischen erwiesenermaßen den Kürzeren zieht (01 02). Dies gilt noch mehr im Kontext von Bozen (und einigen anderen Südtiroler Städten), wo auch außerhalb der Schule kein sprachliches Umfeld vorherrscht (01 02), das die Deutschkenntnisse von Anderssprachigen unterstützen und fördern würde.

    Zwar mag es auch in Wien, Mailand oder München Schulen mit einem hohen Anteil von Migrantinnen geben, doch die gemeinsame Sprache — die man dann auch im Sportclub, im Fernsehen oder im Supermarkt wiederfindet — ist ziemlich unstrittig die jeweilige nationale Amts- und Mehrheitssprache. In Südtirol ist dies bezüglich Deutsch nicht der Fall, es droht also viel eher, dass die Lage sprachlich in Richtung einer Sprache (Italienisch) kippt, die nicht die Schulsprache ist. Dafür gibt es auch genügend Beispiele aus anderen Minderheitengebieten.

    Aufgrund dieses Risikos wiegt umso schwerer, dass Inklusion immer auch eine Frage der Verhältnisse ist. Wenn die Situation zahlenmäßig stark unausgewogen ist, ist die Gefahr des Misserfolgs deutlich größer. Sollen zum Beispiel zwanzig italienischsprachige Schülerinnen in eine Klasse mit drei Deutschsprachigen »inkludiert« werden, so wird dies vermutlich nicht zum erwünschten Ergebnis führen.


    Ich ergänze, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Mit dem obigen Beitrag will ich nicht suggerieren, dass die Bildung der sogenannten Sonderklasse richtig wäre. Vielmehr kritisiere ich, wie die Debatte geführt wird, während wichtige Fakten unbekannt und Argumente unberücksichtigt bleiben. Diese Erklärung halte ich für nötig, weil in der vorherrschenden Schwarz-Weiß-Diskussion eventuell nicht nachvollzogen wird, dass sich jemand in der Sache nicht ultimativ positioniert.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06 || 01 02 03 04 05 06 07



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  • Mehrsprachigkeit von Minderheiten und Sprachverlust.
    Quotation

    Mit einem diglossischen Sprachkontext geht die anfängliche Erweiterung der sprachlichen Repertoires von Minderheiten durch den Erwerb der »Sprache des Eroberers« in ihrem alltäglichen (öffentlichen) Gebrauch einher. Aufgrund der bestehenden Sprachhierarchien und der daraus resultierenden Abwertung/Eingrenzung von Minderheitensprachen kann dies jedoch im Laufe der Zeit selbst in mehrsprachigen Gemeinschaften letztendlich zum Sprachwechsel und zum Verlust von Minderheitensprachen führen. Diese Tendenz zum Sprachersatz wird in moderner Zeit durch den Einfluss des Nationalismus und des Nationalstaatensystems — das, im Gegensatz zu seinen imperialen Vorgängern […] das Streben nach sprachlicher Homogenität als ein zentrales Ziel und Merkmal des Nationenaufbaus bevorzugt —, weiter verstärkt.

    Übersetzung von mir (Original anzeigen)

    Diglossic language contexts involve the initial expansion of the linguistic repertoires of minorities via the acquisition of “the language of the conqueror” in their everyday (public) use. However, given the linguistic hierarchies at play, and the consequent devaluation/delimitation of minority languages, it also might well lead, over time, to the eventual shift and loss of minority languages, even in multilingual communities. This tendency toward language replacement is further reinforced in the modern era by the influence of nationalism and the nation-state system, which, unlike its imperial antecedents […] privileges the pursuit of linguistic homogeneity as a key imperative in, and characteristic of, nation-building.

    – Stephen May

    Stephen May in »The Oxford Handbook of Language and Society« (2017), Kapitel »Language, Imperialism and the Modern Nation-State System«; Verlinkungen von mir

    Die Mehrsprachigkeit von Minderheiten im Nationalstaat ist also, wenn sie die nationale Mehrheitssprache betrifft und nicht auf Gegenseitigkeit beruht, vorsichtig formuliert nicht notwendigerweise eine gute Sache.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02 03



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  • Zweitsprachkenntnisse nach Sprachgruppe.
    Minorisierung

    Auf den Sprachwechsel bei Outgroup-Kontakten und auf die Dialekt-Intoleranz war ich erst kürzlich eingegangen, nun komme ich ein drittes Mal auf die vom Astat veröffentlichten Daten über Sprachkenntnisse und Sprachgebrauch (Astat-Info 34/2024) in Südtirol zurück.

    Diesmal will ich die Zweitsprachkenntnisse thematisieren, wo es zwischen den Sprachgruppen bedeutende Unterschiede gibt. In allen vier Grundfertigkeiten (Lesen/Schreiben/Sprechen/Hören) ordnen sich anteilsmäßig über doppelt so viele Deutschsprachige wie Italienischsprachige der höchsten Kompetenzstufe zu. Zur Wahl standen jeweils die Antwortmöglichkeiten »alles«, »Zusammenhänge«, »einfache Aussagen« und »einzelne Wörter/kein Wort«.

    Dabei fällt auf, dass der Unterschied bei den passiven Fertigkeiten (lesen und hören) deutlich größer ist als bei den aktiven Fertigkeiten (schreiben und sprechen):

    Der Anteil der Deutschsprachigen in der höchsten Kompetenzstufe (»alles«) ist bei den aktiven Fertigkeiten sogar rund dreimal so hoch wie der Anteil der Italienischsprachigen: Nur 14 Prozent der Südtirolerinnen italienischer Muttersprache haben beim Deutschsprechen keinerlei Schwierigkeiten, bei den Schreibkompetenzen sinkt dieser Wert sogar auf 11 Prozent.

    Sehen wir uns das niedrigste Kompetenzniveau (»einzelne Wörter/kein Wort«) an, ist der Unterschied zwischen den Sprachgruppen noch viel größer:

    So gut wie keine Deutschsprachigen sehen sich — in sämtlichen Grundfertigkeiten — auf der untersten Stufe. Dagegen gibt jede fünfte Italienischsprachige an, beim Lesen eines Textes in deutscher Sprache (fast) nichts zu verstehen, nahezu ein Viertel der Befragten kann auf Deutsch höchstens einzelne Wörter schreiben.

    Wenn in einem mehrheitlich deutschsprachigen Land

    • nur noch vier Prozent der Deutschsprachigen angeben, im Kontakt mit Anderssprachigen vorwiegend Deutsch zu sprechen;
    • die Italienischsprachigen gegenüber dem autochthonen deutschen Dialekt wesentlich intoleranter eingestellt sind als die Deutschsprachigen gegenüber allochthonen italienischen Dialekten;
    • deutlich mehr Deutschsprachige angeben, über nahezu perfekte Italienischkenntnisse zu verfügen als umgekehrt;
    • je nach Fertigkeit zwischen einem guten Zehntel und einem knappen Viertel der Italienischsprachigen angeben, dass ihre Deutschkenntnisse bei null stehen, während praktisch keine Deutschsprachigen so schlechte Italienischkenntnisse angeben;
    • die italienische Sprache von allen Sprachgruppen als die wichtigste für das Zusammenleben betrachtet wird;

    hat dies einen Namen: Minorisierung.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 || 01 02 03



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  • Kritik an Ausschluss von Pädagoginnen.

    Der italienische Schul- und Kulturlandesrat Marco Galateo von den neofaschistischen Fratelli d’Italia hatte letzte Woche medienwirksam angekündigt, zwei Pädagoginnen von den Schulen entfernen lassen zu wollen, die wegen ihrer Teilnahme an unerlaubten Kundgebungen mehrere Anzeigen kassiert hätten. Unter anderem wird ihnen vorgeworfen, an der antisemitischen Stolperstein-Aktion vom letzten Juni beteiligt gewesen zu sein, doch Urteile von unabhängigen Gerichten gibt es derzeit nicht.

    An Galateos Ansinnen üben nun Grüne, Linke und mehrere zivilgesellschaftliche Bewegungen, einschließlich No Excuses, in einer Medienmitteilung scharfe Kritik. Es handle sich um einen »offensichtlich repressiven Lynchmord«, der in einem demokratischen Staat keinen Platz haben dürfe. Konktret beanstandet werden unter anderem die Missachtung der Privatsphäre sowie die institutionelle Präpotenz, die juristische Ignoranz und das Zusammenwirken von Kategorien, die eigentlich unabhängig und neutral bleiben sollten.

    Damit wird offenkundig auf das Zusammenspiel zwischen Polizeipräsident Paolo Sartori und Landesrat Marco Galateo angespielt.

    All das sei »ein weiteres alarmierendes Zeichen« für »die dramatische Zeit, in der wir leben«, weshalb die Unterzeichnenden den Schulpädagoginnen ihre volle Solidarität aussprechen.

    Zu den Verfasserinnen der Stellungnahme gehören Die Linke, Bozen Solidale, Scioglilingua, Rifondazione Comunista, Repair Café, No Excuses, Climate Action, Spazio Autogestito 77, Omas gegen Rechts, Ambiente e Salute, die Grünen, Ciclofficina Popolare und Unione Popolare.

    Cëla enghe: 01 02 || 01



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  • Extinction Rebellion gegen Übertourismus.

    Die Gruppierung Extinction Rebellion (XR) hat heute vor dem Gebäude der IDM am Bozner Pfarrplatz gegen den Übertourismus und für die Umsetzung von lange versprochenen Klimaschutzmaßnahmen protestiert. Dazu wurden zwei Transparente mit den Aufschriften »STOP Übertourismus« und »START Klimaschutz« hochgehalten und Flyer mit den entsprechenden Forderungen an das IDM-Schild am Eingang gehängt. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sei der Tourismus für 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich, Angaben von Eurac und IDM zufolge sei dieser Anteil in Südtirol noch höher. Die immer größer werdenden Touristenmassen würden zudem in den »bereits angeschlagenen alpinen Ökosystemen« Schäden und Störungen verursachen.

    Dieses Tourismussystem führt zu einem unverhältnismäßigen Anstieg der Lebenshaltungskosten, erhöht das Verkehrsaufkommen und fördert die Verbauung von Naturräumen. Der Tourismus steht oft an erster Stelle, zum Nachteil der Bedürfnisse der Bevölkerung.

    – Pressemitteilung von XR

    Deshalb fordern die Aktivistinnen von XR das Land Südtirol auf, den Massen- und Luxustourismus »zu stoppen«, der das Land und seine Bevölkerung ausplündere. Statt wie bisher mit öffentlichen Geldern Marketingkampagnen zu finanzieren, die die Destination Südtirol weltweit »als Konsumprodukt« vermarkten, sollten Investitionen in den Klimaschutz, öffentliche Mobilität, Gesundheitsdienst, Sozial- und Bildungssystem fließen.

    Foto: Extinction Rebellion Südtirol

    In letzter Zeit wurden auch in Südtirol die Stimmen, die sich gegen den Massentourismus wenden, immer lauter. Öffentlichkeitswirksame Aktionen gab es unter anderem in Gherdëina, wo »Tourists-Go-Home«-Sprüche aufgetaucht sind, daneben in Oberbozen, wo bei der Bergstation der Rittner Seilbahn eine »Vorzugsspur« für Bewohnerinnen auf den Boden gesprüht, wie sie von der dortigen Bevölkerung seit einiger Zeit gefordert wird. Gestern wurde bekannt, dass auch in der Val Badia auf einen Felsen die Botschaft »Stop! No more tourists« gesprüht wurde.

    Zu größeren Kundegebungen, wie auf den Kanaren, den Balearen oder in Barcelona, ist es in Südtirol bislang noch nicht gekommen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Die anachronistische K2-Mission des CAI.

    Der italienische Alpenverein CAI, der in Südtirol auf die lücken- und ausnahmslose Berücksichtigung der kolonial-faschistischen Ortsnamensgebung besteht und nach wie vor Schutzhütten besetzt hält, die im Faschismus enteignet wurden, hat zum siebzigsten Jubiläum der K2-Erstbesteigung eine chauvinistische Expedition organisiert, die das Rad der Alpingeschichte um Jahrzehnte zurückdreht. Damals waren Besteigungen meist Wettrennen zwischen den Staaten respektive den Systemen, die individuellen Leistungen sekundär und der Ruhm der Nation — die ihre vorgebliche Überlegenheit beweisen und wichtige Landmarken (symbolisch) einnehmen konnte — alles. Einer, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den sportlichen Aspekt in den Vordergrund zu stellen und sich hingegen stets geweigert hat, seine Leistungen in den Dienst des Staates zu stellen, war Reinhold Messner.

    Doch im Jahr 2024 hat der CAI eine Besteigung geplant, die wie aus der Zeit gefallen wirkt, während sie gut in das politische Gesamtbild des Landes passt. Als Jubiläumsevent geplant, sollte die als erste rein weibliches Unterfangen dargestellte Mission vor allem daran erinnern, dass es Italiener waren, die den Gipfel des zweithöchsten Bergs der Erde 1954 erstmals erreicht hatten und es sich demnach um einen »italienischen Berg« handle.

    Den italienischen Mitgliedern der Gedenkmission, die von gleich drei Ministerien (Äußeres und Kooperation, Tourismus, Universität und Forschung) unterstützt und wohl auch (ko-)finanziert wurde, hat Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) am 4. Juni eine Trikolore überreicht, die auf den Gipfel gebracht werden sollte. Auch deshalb wurde das Unterfangen, das von vier italienischen und vier pakistanischen Bergsteigerinnen umgesetzt werden sollte, von Kritikerinnen als »neokolonialistisch« bezeichnet.

    Dazu kommt, dass die Expedition vorab — übrigens von Männern — geplant wurde und man die Teilnehmerinnen erst nachträglich »ausgesucht« hat, was zeigt, dass (wie bei der Erstbesteigung) nicht die Individuen, sondern die Eroberung an sich im Vordergrund stehen sollte. Dass die Wahl dabei auch auf zu unerfahrene Bergsteigerinnen fiel, die teils noch nie auf einem Achttausender waren, brachte dem CAI den Vorwurf ein, ihr Leben fahrlässig aufs Spiel gesetzt zu haben. Gleichzeitig liegt es wohl auch daran, dass die Besteigung letztendlich scheiterte, während andere den Gipfel im selben Zeitraum relativ problemlos erreichen konnten.

    Wohl um die unglaublich anachronistische Aktion etwas zeitgemäßer erscheinen zu lassen, hatte man sich für die rein weibliche Zusammensetzung des achtköpfigen Teams entschieden. Nicht nur der Paternalismus in der Auswahl der Mitglieder (und die eher oberflächliche Einbeziehung von Pakistanerinnen) entlarvte dies als Marketinggag, sondern auch dass die Expedition von einem Mann geleitet und von männlichen Sherpas ermöglicht wurde. Außerdem hätte es sich keineswegs um die erste rein weibliche Besteigung gehandelt, wenn sie denn gelungen wäre.

    Aus Südtiroler Sicht ist das Vorgehen des CAI eher eine Bestätigung denn eine Überraschung. Ein Verein, der sich noch im 21. Jahrhundert für die (Wieder-)Eroberung eines Berges im Namen der Nation hergibt, macht als Ansprechpartner für zukunftsfähige Lösungen in Südtirol jedenfalls wenig Hoffnung.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01



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