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  • Benussi, Caramaschi und das ANPI.
    Karsthöhlenrevisionismus

    Am Abend des 10. Februar nahm Landeshauptmannstellvertreter Marco Galateo (FdI) gemeinsam mit CPI-Vetreterinnen an einer martialischen Gedenkveranstaltung am Bozner Erinnerungsort für die Karsthöhlenopfer teil. Leiderleider will ihm nicht sofort aufgefallen sein, in wessen Gesellschaft er sich begeben hatte, als er selbst fackelschwenkend mit dem früheren CPI-Gemeinderat Maurizio Puglisi Ghizzi die Quireiner Wassermauer entlangmarschierte. Dann aber sei es, leiderleider, auch schon zu spät gewesen, um die Veranstaltung zu verlassen. Wer kennt das nicht?

    (Wobei: Wie lange hätte es ihn bei einer LGBT-Veranstaltung gehalten, wenn er unerwartet dort gelandet wäre?)

    Schon am Vormittag desselben Tages hatte aber am selben Schauplatz die institutionelle Feier des Erinnerungstags stattgefunden — im Beisein des Bozner Bürgermeisters, weiterer politischer Vertreterinnen (einschließlich Marco Galateo und mehrerer SVPler), Militärs und Vereine. Obschon das Ziel dieses geschichtsvergessenen Tages nicht so sehr das Gedenken an die Opfer der Karsthöhlen als vielmehr die Verschiebung des Diskurses hin zu einer Gleichwertigkeit von Faschistinnen und Partisaninnen ist, nimmt auch der italienische Partisaninnenverband ANPI regelmäßig daran teil. Die Reinwaschung faschistischer Verbrechen — die am Erinnerungstag keine Rolle spielen, obwohl sie ursächlich für die Vergeltung und auch die Exzesse der Karsthöhlen verantwortlich waren — wird somit billigend in Kauf genommen. Damit spielt man den Faschistinnen und ihrem Geschichtsrevisionismus in die Hände.

    BM Renzo Caramaschi hält Giovanni Benussi das Mikrophon (Bildquelle: Rai Südtirol)

    Was ich definitiv nicht verstehen kann, ist aber, dass das ANPI zwar — richtigerweise — den rechtsextremistischen, abendlichen Marsch von Marco Galateo kritisiert, bei der offiziellen Feierlichkeit aber still daneben steht, wenn der ehemalige Bozner Kurzzeitbürgermeister Giovanni Benussi eine offizielle Rede hält. So wie Puglisi Ghizzi sich am Abend als Vorsitzender des Comitato 10 febbraio verkleidete, war Benussi am Vormittag in seiner Rolle als Präsident der Vertriebenenvereinigung für Julien und Dalmatien vor Ort.

    Wahlplakat von 2015 – Querbalken von mir

    Beide waren aber Bürgermeisterkandidaten der Faschisten des dritten Jahrtausends, Benussi 2015 und Puglisi Ghizzi ein Jahr später. Schlimm genug, aber entlarvend, dass so ein Typ zu den offiziellen Feierlichkeiten eingeladen wird. Dass ihm der Bürgermeister (Mittelinks!) das Mikrophon hält, wundert mich auch längst nicht mehr. Wenigstens von einem Partisaninnenverband hätte man sich aber vielleicht doch noch erwarten dürfen, dass er seine Teilnahme am revisionistischen Spektakel davon abhängig macht, dass die offizielle Rede nicht von einem stolzen Faschisten gehalten wird, der den Südtirolerinnen einst sogar empfahl, Rosen vor dem Mussolini-Relief niederzulegen, weil der Faschismus für Südtirol so viel Positives gemacht habe.

    Beim nächsten Mal könnte auch gleich Puglisi Ghizzi eingeladen werden, dann kann sich der Vizelandeshauptmann die düstere Abendveranstaltung sparen.

    In einer früheren Fassung dieses Beitrags war fälschlicherweise behauptet worden, Giovanni Benussi habe für CasaPound auch im Gemeinderat gesessen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Plötzlich authentisch.
    ›Brixen Dolomites‹

    Lustig finde ich das jetzt ehrlich gesagt schon ein wenig: Brixen und Umgebung möchten sich touristisch fortan als Brixen Dolomites vermarkten, doch den Tourismusorganisationen von Gherdëina, Badia und Seiser Alm stößt das sauer auf. Gegen die unliebsame Konkurrenz aus dem Eisacktal führen sie unter anderem Argumente wie »Authentizität« und »Markenschwindel« ins Feld.

    Mit gefälschten Ortsbezeichnungen — von den faschistischen Erfindungen über Fantasiebezeichnungen (wie Meraner Land für das Burggrafenamt) bis hin zu »postfaschistischen« Übersetzungen (wie Orto del Toro für Stiergarten) — haben unsere Touristikerinnen seit jeher kein Problem. Im Gegenteil, sie werden teilweise bis zur totalen Unsichtbarmachung der deutschen und insbesondere ladinischen, historisch gewachsenen Namen forciert. Kulturgut als Verfügungsmasse der Vermarkter.

    Genausowenig stört es jemanden, dass Südtirol  — wissenschaftlich falsch — als Ferienregion mit »mediterranem« oder »alpin-mediterranem« Klima und »300 Sonnentagen im Jahr« verkauft wird. Mitunter erheben Touristikerinnen sogar die Forderung, Wetterberichte zu frisieren, um potenzielle Gäste nicht abzuschrecken.

    Wenn sich aber Brixen, dessen Hausberg (die Plose) — ob es gefällt oder nicht, ob man es so wahrnimmt oder nicht — nach gängiger Definition zu den Dolomiten gehört, dazu entschließt, diese Bezeichnung in sein Ortsmarketing zu übernehmen, soll das plötzlich nicht mehr authentisch genug sein.

    Sicher: Das Kerngebiet der Dolomiten liegt in den ladinischen Tälern, doch warum sollte ihnen daraus ein Alleinvertretungsanspruch Alleinverwertungsanspruch erwachsen?

    Die Debatte müsste doch wennschon eine andere, nämlich eine viel grundsätzlichere sein: Brauchen wir noch immer mehr Tourismusmarketing? Müssen wir noch mehr Menschen aus noch ferneren Regionen nach Südtirol holen, wo wir doch schon jetzt unter den immer größer werdenden Menschenmassen ächzen, die von Hotspot zu Hotspot pilgern? Diese Frage würde aber alle Tourismusregionen betreffen, vielleicht sogar vorrangig die, die jetzt die Stimme erheben, um ihre Pfründe zu verteidigen. Weshalb sie es wohl vermeiden werden, dieses Fass aufzumachen.

    Aber ja: Lasst uns gerne endlich auch über Authentizität im Tourismus reden. Dann aber redlich.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 | 07



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  • 10. Februar: LH-Stellvertreter marschiert mit CasaPound.

    Gerade erst hatte die SVP sich selektiv von Rechtsaußen distanziert, da nimmt »ihr« Landeshauptmannstellvertreter Marco Galateo (FdI) — am neofaschistischen und revisionistischen »Erinnerungstag« — fackeltragend an einer martialischen Gedenkveranstaltung des Bozner Rechtsextremismus teil:

    Bilder: Comitato 10 febbraio – Querbalken von mir

    Neben ihm marschiert der ehemalige Gemeinderat von CasaPound (Eigenbezeichnung: »Faschisten des dritten Jahrtausends«), Maurizio Puglisi Ghizzi, diesmal verkleidet als Vorsitzender des nostalgisch-revanchistischen Comitato 10 febbraio, das den Marsch organisiert hat. Der Bozner Erinnerungsort erweist sich dabei einmal mehr als Pilgerstätte für Rechtsextreme.

    Hoffnungen, dass die SVP irgendwelche Konsequenzen daraus zieht oder auch nur etwas dazu sagt, mache ich mir längst keine mehr.

    Da geht — wenige Tage nach der Heuchelei am Holocaust-Gedenktag — der letzte Funken demokratischen Anstands dahin.

    Cëla enghe: 01 02 03 | 04 05 06 || 01 02 03 04



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  • Baustellen: Gemeinde Bozen marginalisiert die deutsche Sprache.

    Aufgrund zahlreicher Beschwerden aus der Bevölkerung hatte die Gemeinde Bozen Baufirmen im August 2019 auf ihre Verpflichtungen bezüglich zweisprachiger Baustellenbeschilderungen hingewiesen. Gleichzeitig war die Bereitstellung eines entsprechenden Leitfadens beschlossen worden.

    Vor wenigen Tagen — Ende Jänner — veröffentlichte die Landeshauptstadt auf ihrem Internetauftritt eine Pressemitteilung zur Neugestaltung der Promenade an der Grieser Wassermauer, die folgendermaßen bebildert ist:

    Foto: Gemeinde Bozen – rote Markierungen von mir

    Daran sieht man, wie ernst es die Gemeinde mit der Zweisprachigkeit meint. Nicht einmal dort, wo die öffentliche Verwaltung selbst als Auftraggeberin in Erscheinung tritt, ist sie gewillt oder imstande, die einschlägigen Vorschriften zur Einhaltung zu bringen:

    • Offizielles Baustellenschild (gelb): Datum ohne Not123 Gennaio 2025 statt z.B. 23.01.2025 einsprachig italienisch eingetragen
    • Zutrittsverbotsschild: einsprachig italienisch
    • Fußgängerumleitung: einsprachig italienisch
    • Sicherheitshinweise für die Baustelle: einsprachig italienisch
    • Dauer der Arbeiten: einsprachig italienisch eingetragen

    Und zu allem Überfluss ist auch die Werbung der ausführenden Firma einsprachig italienisch.

    Die Gemeinde trägt also selbst aktiv zur Marginalisierung der deutschen Sprache im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt bei, anstatt ihr entgegenzuwirken. Ähnlich wie es unter anderem mit dem öffentlichen Bikesharing geschieht.

    Bezüglich der italienischen Sprache herrscht hingegen höchste Sensibilität: Wenn sie — wie bei den Busdurchsagen — noch nicht einmal fehlt, sondern bloß hinter Deutsch zweitgereiht ist, interveniert der Gemeinderat.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07

    • 1
      23 Gennaio 2025 statt z.B. 23.01.2025


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  • Il cortocircuito narrativo del «ricordismo».
    Quotation

    Con la mano sinistra si officia […] il ricordo, la memoria, la celebrazione delle vittime, mentre con la destra si prosegue il lavoro per consolidare quella tesi che nel passato ha dominato, oppresso, aggredito e schiacciato i corpi e le anime degli oppressi e dei subalterni.

    Che spesso venga utilizzato proprio il ricordo straziante delle vittime per realizzare questa implicita finalità di dominio, fa parte dell’arte del ricordo imperiale e coloniale, inteso come strumento egemonico proprio di un dato sistema di potere che si auto alimenta appunto rappresentandosi non solo come giusto, equo e garante dei diritti di tutti nel presente, ma anche come angelo vendicatore delle sofferenze e delle angherie che nel passato hanno dovuto subire gli ultimi, i diseredati, i subalterni.

    Dieci febbraio

    [U]n’accurata selezione di alcuni specifici episodi violenti commessi dai partigiani jugoslavi verso alcune centinaia di italiani (in buona parte compromessi direttamente o indirettamente con l’occupazione fascista) serve non tanto a ricordare il dolore patito dalle vittime o a condannare in generale la guerra che porta con se sempre ingiustizia, orrore e disastri a tutte le parti coinvolte, quanto a rimuovere la sistematica e pluridecennale opera di pulizia etnica compiuta dall’Italia liberale prima e fascista [poi] nei territori del confine orientale (da Gorizia a Trieste, fino a Fiume e a Pola), i crimini di guerra compiuti dall’esercito italiano nel periodo dell’occupazione della Jugoslavia e a screditare l’unica resistenza europea capace di contrastare senza alcun aiuto esterno il nazifascismo.

    da Il ricordismo come rimozione dei subalterni e delle loro ragioni, Cristiano Sabino, Filosofia de Logu

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02



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  • Experiment Brandmauer beendet?

    Vor einigen Monaten hatte ich die Gelegenheit, mit einer Südtiroler Politikerin links der Mitte privat über die Sinnhaftigkeit von Brandmauern (aka Cordons sanitaires) in der Politik zu diskutieren. Sie hielt — und hält? — das Konzept für wenig hilfreich, weil man mit allen diskutierten müsse und sie keinen Sinn darin erkennen könne, gegen richtige Vorschläge zu stimmen, nur weil sie von der falschen Seite kommen. Ausländische Poltikerinnen, speziell aus Deutschland, seien zwar regelmäßig sehr irritiert darüber, dass hierzulande alle mit allen sprechen, doch gerade der Erfolg der AfD zeige ja, so meine Gesprächspartnerin, dass auch Brandmauern letztendlich nichts brächten.

    Mein Gegenargument war erstens, dass durch die Normalisierung, die sich ergibt, wenn man (auch und gerade öffentlich) auf Augenhöhe mit Demokratiefeinden spricht, viel menschenfeindliches Gedankengut auch auf andere Parteien abfärbt und den Weg in den öffentlichen Diskurs findet. Zweitens aber — und vor allem — habe ich darauf hingewiesen, dass die AfD in Deutschland wohl an Zustimmung gewinne, aber dank konsequenter Ausgrenzung trotzdem noch so gut wie nirgends an die Macht gekommen sei. Während sich ja in anderen Ländern, darunter insbesondere Italien (aber auch Österreich) bereits gezeigt habe, dass das mit der »Entzauberung« nicht funktioniert, habe die Brandmauer in Deutschland bis heute (bzw. bis zum Zeitpunkt unseres Gesprächs) immerhin dafür gesorgt, dass die Feinde unserer Grundordnung nicht an die Schalthebel gelangt sind.

    Vielleicht bin ich da auch zu optimistisch, doch meine Gesprächspartnerin schien das (wenigstens teilweise) überzeugt zu haben. Jedenfalls stimmte sie mir zu, dass die Lage in Deutschland zwar ernst, aber insofern erheblich besser war, da die AfD nicht (mit-)regiert.

    Um den tatsächlichen Erfolg der Brandmauer bewerten zu können, hätte man natürlich noch mindestens ein paar Jahre abwarten müssen, um zu sehen, wie es endet. Jetzt aber, wo die CDU offenbar die Nerven wegschmeißt — oder aber ihrer eigentlichen politischen Veranlagung folgt — und die Ausgrenzung der AfD zur Disposition stellt, wird das Experiment womöglich ganz scheitern.

    Falls es demnächst keine Brandmauer mehr gibt, die Friedrich Merz ja schon massiv durchlöchert hat, werden wir auch nie erfahren, ob sie ihren Zweck hätte auf Dauer erfüllen können.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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