Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Regierungsvertretungen in Cymru und Südtirol.

    Autor:a

    ai

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    0 Comentârs → on Regierungsvertretungen in Cymru und Südtirol.

    Vor einigen Monaten war ich in Cymru (engl. Wales), wo ich unter anderem die Zweisprachigkeit bei der Bahn dokumentieren konnte. Wenige Schritte vom Bahnhof der walisischen Hauptstadt Caerdydd (engl. Cardiff) entfernt befindet sich das William-Morgan-Gebäude, die 2022 eröffnete Vertretung der Zentralverwaltung. Anders als beim Regierungskommissariat in Bozen handelt es sich dabei nicht um eine Machtzentrale, sondern vielmehr um eine Servicestelle, wo gebündelt Dienstleistungen erbracht werden, die in die Zuständigkeit des Zentralstaates fallen.

    Dabei ist (wie am Bahnhof) selbstverständlich, dass die walisische Sprache, wiewohl sie in der Hauptstadt von nur rund 11% und in Cymru von ca. 18% der Bevölkerung gesprochen wird, an erster Stelle gereiht ist:

    Eine britische Flagge als klassischen Ausdruck von banalem Nationalismus sucht man am gesamten Areal vergeblich. Ursprünglich war geplant, wenigstens einige Fenster des Neubaus mit den Farben des Union Jacks zu versehen — ein Ansinnen, das schlussendlich wieder fallengelassen wurde. Eine Petition, um diesen »brachialen Unionismus« zu stoppen hatte rund 20.000 Unterschriften erhalten.

    Mit William Morgan ist das Regierungsgebäude nicht zuletzt einer Leitfigur der walisischen Sprache und Kultur gewidmet: Der Reformer und Bischof hatte im 16. Jahrhundert die Bibel ins Walisische übersetzt und damit eine kaum zu überschätzende Rolle für die Entwicklung der walisischen Sprache gespielt. Als wäre ein Gebäude der italienischen Zentralregierung in Südtirol Andreas Hofer oder Walther von der Vogelweide gewidmet.

    Wie es in Südtirol wirklich ist, wissen wir: Der italienische Staat tritt hierzulande konsequent und beharrlich mit der Sprachreihung Italienisch-Deutsch auf, wo Deutsch nicht sogar ganz weggelassen wird. Staatsflaggen müssen nicht nur an staatlichen Gebäuden, sondern auch an jenen des Landes (bis hin zu Schulen) gehisst sein. Und zu allem Überfluss befindet sich am zentralen Ort staatlicher Macht in Südtirol, am Eingang des Regierungskommissariats, nach wie vor das Relief eines Siegesengels mit großem faschistischem Liktorenbündel.

    Größer könnte der Unterschied zwischen dem Auftreten des Staates in Südtirol und Cymru wohl kaum sein.

    Siehe auch: 01 02 03 | 04 05



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  • Quästor schreibt für ‘südtirolfeindliches’ Blatt.

    Ende Jänner hatte ich aus einem Beitrag zitiert, der 2018 in der italienischen Zeitschrift Limes erschienen war: Darin wird die Südtirolautonomie als ein für Italien nachteiliger Kompromiss dargestellt, weil es sich dadurch die Bevölkerung nicht »einverleiben« — sprich: vollständig assimilieren — könne. Es ist von beschnittener Souveränität und einer Unterminierung der territorialen Integrität des Staates die Rede, selbst die alte Wasserscheidentheorie wird darin beschworen. Derartige Ergüsse würde man eigentlich in revanchistischen Blättern der extremen Rechten (oder zumindest in einer anderen Epoche) vermuten, doch in Italien scheinen sie quasi zum geopolitischen Mainstream zu gehören.

    Dazu hatte ich geschrieben:

    Es wäre wohl höchst naiv zu glauben, dass es sich dabei um einzelne, fehlgeleitete Stimmen handelt, die in der staatlichen Administration, beim Verfassungsgericht und gerade in einer rechtsrechten Regierung wie der gerade in Rom am Werk befindlichen keine Beachtung finden. Wenn regelmäßig die Lockerung oder Abschaffung von Schutzmechanismen unserer Autonomie gefordert wird, weil ohnehin keine Gefahr mehr drohe, sollten wir vielleicht daran denken, dass einige Strategen im Staat nach wie vor auf nichts anderes warten, als Italien durch Auslöschung der Minderheiten seiner wohlverdienten nationalen Vollendung zuzuführen.

    Hellseherische Fähigkeiten waren dafür keine vonnöten. Doch nun hat die rechtsrechte römische Regierung einen neuen Polizeipräsidenten (aka Quästor) für Südtirol ernannt, den Trentiner Paolo Sartori: Er ist nicht nur Polizeibeamter sondern — wie es der Zufall will — auch Autor von Limes. Es wäre selbstverständlich falsch, von den Positionen, die in dieser Publikation vertreten werden, unmittelbar auf die Gesinnung von Sartori zu schließen. Doch eine gewisse Nähe zur grundsätzlichen Ausrichtung der Zeitschrift darf zumindest vermutet, ja befürchtet werden. Ein hoher staatlicher Beamter sollte aber, umso mehr in einem sensiblen Gebiet wie Südtirol, über jeden Zweifel erhaben sein.

    Auch während der Corona-Pandemie hatte sich Limes übrigens mit Südtirol beschäftigt. Damals forderte Autor Federico Petroni, Rom müsse unser Land endlich wieder unter seine Kontrolle bringen. Auch ein Polizeipräsident kann seinen kleinen Beitrag dazu leisten.

    Siehe auch: 01 02 03 04 || 01



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  • Geschmackloser Käse.
    Autokolonialismus

    Autor:a

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    9 Comentârs → on Geschmackloser Käse.
    Autokolonialismus

    Beim Brixner Milchhof (Brimi), der schon seit Jahren mit einer immer dreisteren Italianisierung von Verpackung und Etikettierung auffällt, sind jetzt offensichtlich sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Eine neue Produktlinie, in der vermutlich keine Südtiroler Milch enthalten ist, erscheint unter dem Label einer ominösen Antica Latteria Bressanone, bei der ausschließlich der von Ettore Tolomei bevorzugte Ortsname im Vordergrund steht:

    Querbalken von mir – Bildquelle: unacom.it

    Nicht genug, dass es sich etwa beim Mozzarellakäse erklärtermaßen um ein »italienisches Produkt« mit »100% italienischer Milch« handeln soll — was mit einer aufgedruckten grünweißroten Flagge unterstrichen wird, ohne die gefühlt bald gar kein Erzeugnis aus dem Stiefelstaat mehr auszukommen scheint. Es ist vor allem ein Detail dieser neuen Marke des Typs Selbstverleugnung, das durch besondere Dreistigkeit auffällt und der mangelnden Sensibilität das Sahnehäubchen aufsetzt: Die womöglich frei erfundene Antica Latteria soll nämlich, der Jahrzahl im Logo zufolge, 1929 gegründet worden sein, also in der faschistischen Ära, als Südtirol zwangsweise italianisiert wurde. In der Selbstitalianisierung der Marke stellt Brimi also ausdrücklich eine Verbindung zum historischen Faschismus her.

    Zu so einem geschmacklosen Erzeugnis fällt mir auch nicht mehr viel ein.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 || 01 02 03



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  • Zur Regionalwahl in Sardinien.
    Sprachliche und politische Diskriminierung

    Bei den Wahlen vom Sonntag wurde Alessandra Todde von der russlandfreundlichen Fünfsternebewegung (5SB) zur neuen Präsidentin der Region Sardinien gewählt. Sie war bis Ende letzten Jahres stellvertretende Parteivorsitzende auf gesamtstaatlicher Ebene und wurde unter anderem vom PD und einer Allianz aus Grünen und Linken unterstützt. Bei über 750.000 Wählenden konnte sie sich mit einer hauchdünnen Mehrheit von weniger als 3.000 Stimmen gegen ihren Hauptkontrahenten Paolo Truzzu (FdI) durchsetzen, der erst wenige Wochen zuvor zum Kandidaten der Rechten gekürt worden war.

    Während aber Todde mehr Stimmen als Truzzu erhielt, wählten 48,9% die Rechts- und nur 42,6% die Mittelinkskoalition.

    Weit abgeschlagen an dritter Stelle landete der ehemalige Regionspräsident (2004-2009) von Mittelinks, Tiscali-Gründer Renato Soru, der mit einem Bündnis aus autonomistischen und sezessionistischen Parteien sowie +Europa und Rifondazione Comunista zur Wahl angetreten war. Auch einige PD-Mitglieder unterstützten seine Kandidatur gegen jene von Todde.

    Das sardische Wahlgesetz war vor gut zehn Jahren ad hoc verändert worden, um einen Erfolg von Michela Murgia möglichst zu erschweren und hat auch diesmal seine Wirkung nicht verfehlt: Mit 8% der Stimmen geht an das Bündnis von Soru kein einziger Regionalabgeordneter.

    Shaming

    Selbst von linksliberalen Medien wie la Repubblica wurde Soru zudem gemobbt, weil er sich erlaubt hatte, bei Wahlveranstaltungen auch auf Sardisch zu sprechen. Am 19. Dezember 2023 etwa erschien in dem römischen Blatt ein Beitrag, in dem unter anderem kritisiert wird, dass der Inhalt einer halbstündigen Rede vom 16. September unverständlich gewesen sei, bis einige — Achtung: — »indigene« Journalisten eine Übersetzung geliefert hätten. Im Interview mit dem staatsweiten Blatt habe er dann aber immerhin Italienisch gesprochen, wird zufrieden vermerkt. Doch Soru wurde von Repubblica natürlich mit dem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert, und er rechtfertigt sich: Ein Vorredner habe ihn herausgefordert, Sardisch zu sprechen. Dass Mitarbeiterinnen, die aus Sardinien berichten, Sardisch wenigstens passiv beherrschen sollten, auf diese Idee kommt bei Repubblica offenbar niemand. Minderheitensprachen sind dazu da, offensiv marginalisiert zu werden: da ist man sich so sicher, dass die Sprachwahl sogar öffentlich thematisiert und problematisiert wird. Natürlich muss sich hingegen niemals rechtfertigen, wer die ohnehin über jedes Maß privilegierte Staatssprache spricht — und das in einem Land, das sich minderheitenfreundlich schimpft.

    Auch Präsidentin Todde gibt an, Sardisch zu beherrschen. Auf die Idee, es in der Öffentlichkeit zu sprechen, sollte sie aber nicht kommen, wenn sie nicht beschimpft werden möchte.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 | 06 07 || 01



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