Autorinnen und Gastbeiträge →

  • Heißen Sie niemals Tschurtschenthaler!

    Autor:a

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    5 Comentârs → on Heißen Sie niemals Tschurtschenthaler!

    “Der Jannik ist wie ein Brillant im Mittelmeer. Wir machen keine Werbung mit ihm, profitieren aber, wenn andere über ihn berichten”, sagt Waltraud Watschinger, Präsidentin des Tourismusvereins und Inhaberin des Hotels Drei Zinnen.

    Bei Jannik Sinner stimme einfach alles. Selbst sein Name. “Stellen Sie sich vor, er würde Reinhard Tschurtschenthaler heißen, das kann doch kein australischer Reporter aussprechen.”

    aus der Titelgeschichte der dieswöchigen ff (Nr. 02/24) über Jannik Sinner

    Darüber hatte ich noch nie nachgedacht, doch natürlich klafft hier eine gewaltige Gesetzeslücke, die im Interesse der Standortvermarktung dringend geschlossen werden muss: Personen des öffentlichen Lebens sollten fortan, sinngemäß, wie Ortsnamen behandelt und ihr Name ins Italienische übertragen werden, insbesondere wenn die inter- und die nationale Aussprechbarkeit gefährdet sind. Die nötige wissenschaftliche Grundlagenforschung hat gottseidank bereits ein angesehener Wissenschafter vor einem Jahrhundert erledigt — und, ganz ehrlich, damals war ja auch nicht alles schlecht. Jedenfalls war kaum je ein Zeitpunkt günstiger für diese im besten Sinne autokoloniale Maßnahme als jetzt. Bei den Koalitionspartnern der SVP und der Regierung in Rom wird die Umsetzung im Rahmen des Autonomieumbaus wohl ein Selbstläufer sein.

    Frau Watschinger (autsch, was für ein Name) muss ich aber leider enttäuschen: Ihr mag es ja nicht aufgefallen sein, doch während der Name Jannik Sinner eine akzeptable Geschmeidigkeit aufweist, ist seine Bedeutung im Englischen verbesserungsfähig. Auch in seinem Fall wäre also, natürlich im ausschließlichen öffentlichen Interesse, eine Anpassung ratsam.

    Siehe auch: 01 02 03 04



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  • Katalonien soll Einwanderung selbst regeln.

    Autor:a

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    1 Comentâr → on Katalonien soll Einwanderung selbst regeln.

    Mit einer kurzen Medienmitteilung hat Junts per Catalunya (JxC), die Partei des katalanischen EU-Abgeordneten und Ex-Präsidenten Carles Puigdemont, gestern bekannt gegeben, dass mit der spanischen Regierung von Pedro Sánchez (PSOE) eine Einigung zum Übergang sämtlicher Zuständigkeiten im Bereich Immigration an die katalanische Generalitat erzielt worden sei. Schon das Autonomiestatut von 2006 hätte eigentlich vorgesehen, dass diese Kompetenz von Katalonien autonom wahrgenommen wird. Das spanische Verfassungsgericht erklärte dies damals jedoch nachträglich für unzulässig.

    Nun werde jedoch der verfassungsrechtlich abgesicherte Weg eines Organgesetzes beschritten, das speziell für Katalonien erlassen werden und der Generalitat die volle Zuständigkeit über diesen Bereich, einschließlich der entsprechenden Finanzmittel, übertragen soll. Damit könnten die Regierung und das Parlament von Katalonien eine eigene, auf die Bedürfnisse des Landes zugeschnittene Zuwanderungspolitik beschließen.

    Angaben des Generalsekretärs von Junts Jordi Turull zufolge soll Katalonien damit in diesem Bereich auf die Ebene eines Staates gehoben werden. Die Einigung sehe nicht lediglich die Übertragung der Verwaltungszuständigkeiten vor, denn damit wäre die Zuwanderungspolitik in Madrid verblieben und Katalonien hätte sich nur um den Papierkram — die Abwicklung — kümmern können.

    Allem Anschein nach dürfte Katalonien damit ähnliche oder sogar noch größere Befugnisse erhalten, als sie zum Beispiel Québec hat. Beide Gebiete verfügen außerdem auch über die Zuständigkeit für Polizei und innere Sicherheit.

    Die Regierung von Pedro Sánchez ist auf die Stimmen von JxC angewiesen, um regieren zu können. Es wird daher erwartet, dass sie im Laufe der kommenden Jahre noch weitere bedeutende Zugeständnisse an die Katalaninnen machen wird. Bereits umgesetzt wurde die Plurilingualisierung des spanischen Parlaments.

    Südtirol ist weder für Immigration noch für die öffentliche Sicherheit zuständig, bemüht sich jetzt aber zuerst einmal mit den Rechtsrechten, die noch nicht einmal die Minderheitensituation anerkennen, um die Wiederherstellung der Autonomierechte von 1992. Auch die umfassen keinerlei Kompetenzen in diesen Bereichen.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06



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  • Betäubter Antifaschismus.
    Acca Larentia

    Autor:a

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    2 Comentârs → on Betäubter Antifaschismus.
    Acca Larentia

    Die schauderhaften Bilder von Acca Larentia gingen um die Welt: Am Sonntag erhoben bei einer Gedenkveranstaltung in der italienischen Hauptstadt Hunderte den rechten Arm zum römischen Gruß und skandierten das faschistische »Presente!« (Anwesend!). Was da auf Einladung der offen faschistischen CasaPound (CPI) zu Ehren ermordeter MSI-Mitglieder vorgefallen ist, ist allerdings weder unüblich noch neu. Jahr für Jahr wiederholen sich italienweit dieselben Veranstaltungen, in Mailand im Gedenken an Sergio Ramelli, in Predappio zu Ehren von Diktator Mussolini selbst. Vielleicht waren es diesmal in Acca Larentia etwas mehr Teilnehmende1Medienberichten zufolge sollen es aber sogar weniger Teilnehmende gewesen sein, möglicherweise haben sie etwas mehr Selbstbewusstsein an den Tag gelegt, das wars dann aber auch schon.

    Querbalken von mir

    Größer als sonst war heuer vor allem die Empörung. Doch leider ist nicht von der Hand zu weisen, was die rechtsrechte Regierungsmehrheit in Rom in den Mittelpunkt zu rücken versucht: Die diesjährige Aufregung klingt hohl, nach Heuchelei und parteipolitischem Kalkül. Zu fordern, dass gerade die Postfaschistinnen dem Spuk ein Ende bereiten, indem sie solche Veranstaltungen verbieten, ist blauäugig. PD, 5SB und Co. müssen sich nun vorwerfen lassen, selbst nicht entschieden genug gehandelt zu haben, als Ähnliches während ihrer Regierungszeit vorgefallen ist.

    Warum — wenn nicht ihrerseits aus politischem Kalkül — sollte sich gerade Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) von den jüngsten Vorfällen distanzieren? Das ist doch genau das politische Milieu, aus dem sie kommt und in dem sie groß geworden ist. Noch vor wenigen Jahren war sie, sogar als Ministerin, in Begleitung des ranghohen Neonazis Giuseppe Castellino nach Acca Larentia gepilgert. Kurz vor ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin hatte sie ihren einschlägigen Fans darüber hinaus ausdrücklich versprochen, dass sie sie aus der politischen Verbannung holen würde. Und nach Amtsantritt verabschiedete sie strenge Maßnahmen gegen illegale Raves, während Mussolini-Fans in Predappio unbehelligt blieben.

    Viele derer, die sich jetzt zu Recht so über das ungenierte Auftreten der Neofaschistinnen empören, sind trotzdem jahrelang zum Parteifest der Fratelli, Atreju, gepilgert; haben technische und sogar politische Koalitionen mit Rechtsradikalen gebildet; unkritisch an einseitigen Gedenkfeiern für die Opfer der Karsthöhlen teilgenommen; wie der Bürgermeister von Mailand, Beppe Sala (Grüne), gemeinsam mit Ignazio La Russa (FdI) die Gedenkveranstaltung für Ramelli besucht; Aufarbeitung hinausgezögert, verhindert oder sogar aktiv konterkariert. Ultranationalistische Politik betrieben. Kurzum: Sie haben den Rechtsradikalismus verharmlost, reingewaschen und gefördert. Da kann man sich eigentlich nur wundern, wer sich so alles über Acca Larentia wundert.

    Auch in Südtirol hat die SVP die Lega, deren Mitgliedern die Teilnahme an solchen Veranstaltungen partout nicht fremd ist, durch die Regierungsbeteiligung normalisiert. Der nächste, logische Schritt ist die Bildung eines noch viel weiter nach rechts verlagerten Landeskabinetts. Geradezu hilflos, ja lächerlich klingt es, wenn jetzt Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) angesichts der Bilder aus Rom auf die Präambel der Regierungsvereinbarung verweist. Denn nicht die Präambel hat die Kraft, die Taten der Faschisten und das laute Schweigen der Ministerpräsidentin zu entschärfen — es ist umgekehrt: Acca Larentia zeigt unmissverständlich, dass den schönen Worten der Präambel das Fundament fehlt. Wenn Bruno Borin, Landtagskandidat der Fratelli, einen Beitrag von CPI-Mann Puglisi Ghizzi likt, in dem es um die Faschistengrüße in Rom geht, ist auch die Fiktion nicht aufrecht zu erhalten, dass es einen Unterschied zwischen FdI in Rom und Bozen gebe.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 || 01 02 03

    • 1
      Medienberichten zufolge sollen es aber sogar weniger Teilnehmende gewesen sein


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  • Fachzeitschrift widmet sich »Kann Südtirol Staat?«.

    Auf Einladung von Europa Ethnica, einer renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift für Minderheitenfragen, die dem Buch Kann Südtirol Staat? in ihrer Doppelausgabe 3/4-2023 einen Themenschwerpunkt widmet, wurde das Südtiroler Weißbuch von Staatsrechtskoryphäen wie Alexander Balthasar, Alain Fenet, Michael Geistlinger und Christian Tomuschat rezensiert. Ich will hier einige Auszüge der für das Buch durchaus schmeichelhaften Beiträge wiedergeben.

    Wie a.o. Prof. Peter Hilpold (Universität Innsbruck), seines Zeichens Mitherausgeber der Zeitschrift, in seiner Einleitung schreibt, hat man es »für angezeigt erachtet, nicht unmittelbar aus der Region heraus« zur Publikation »Stellung zu beziehen, sondern Fachleute von außerhalb mit einer Rezension bzw. einer Stellungnahme zu betrauen«, da das Thema naturgemäß delikat sei.

    Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das AutorInnenkollektiv von “Kann Südtirol Staat” nicht der Versuchung verfallen ist, bloß eine politische Streitschrift zu verfassen, sondern ein konkretes Bemühen gezeigt hat, diese schwierige Thematik aus verschiedensten Blickwinkeln anzugehen. Auffallen muss auch, dass ein derart komplexes und heikles Thema von durchwegs sehr jungen AutorInnen, die keinen langjährigen akademischen Background aufweisen, so nuancenreich angegangen worden ist. Immer mehr macht sich damit ein wichtiger Aspekt der “Demokratisierung des Wissenschaftsbetriebs” bemerkbar: Hochdiffizile und heikle Fragen des Völkerrechts sind in ihrer vertieften Behandlung nicht mehr allein dem “akademischen Elfenbeinturm” vorbehalten, sondern die informierte Zivilgesellschaft ist als gleichberechtigter Diskussionspartner ernstzunehmen und zu akzeptieren. Ja, diese kann sogar wichtige Impulse zur Eröffnung von Diskussionsforen bieten, die die etablierte Wissenschaft — sei es aus Behäbigkeit, sei es aus politischer Zurückhaltung, sei es auch aus Opportunismus — am liebsten ignorieren möchte.

    – Peter Hilpold

    Alain Fenet, Professor für öffentliches Recht an der Universität Naoned (Nantes), urteilt in seiner detaillierten Stellungnahme unter anderem:

    Das Buch behandelt mit Seriosität und Klarheit sämtliche Fragen, die sich aus der Forderung und Schaffung eines unabhängigen Staates für Südtirol ergeben. Die Autoren wollen kein Programm lancieren, sondern wünschen, eine Diskussion über eine mögliche Zukunft zu eröffnen. Auf kompetente und ehrliche Weise verbergen sie nicht die Hürden und Schwierigkeiten, mit denen ein solches Unterfangen rechnen muss.

    – Alain Fenet

    Die Autoren räumen ein, dass kein [internationales] Recht auf Sezession existiert, unterstreichen aber, dass es ein Verbot ebensowenig gibt. […] Die Anzahl souveräner Staaten hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verdreifacht, 18 sind seit 1990 entstanden. Man kann den Gedanken der Autoren nicht verwerfen, dass diese Entwicklung noch immer am Werk sei, da das Selbstbestimmungsrecht als Recht einer Gesellschaft, über ihre Geschicke zu befinden (S. 17), dem demokratischen Prinzip innewohnt, das die Gesellschaften immerfort antreibt. Die Selbstbestimmung wäre demnach nicht auf eine gewisse historische Epoche oder a priori festgelegte politische oder gesellschaftliche Kategorien beschränkt. Zahlreiche Faktoren transformieren die internationale Gemeinschaft, tragen zur Entwicklung der Gesellschaften bei und verändern die politischen Auffassungen und Vorstellungen; anders gesagt, die Zukunft ist offen. Diese von den Autoren geteilte Sichtweise findet sich, angemessen dargelegt, auch in der Doktrin wieder.

    – Alain Fenet

    Übersetzung aus dem Französischen von mir

    Fenet stimmt der These zu, dass das Selbstbestimmungsrecht inzwischen ein demokratisches Grundrecht sei. Gleichzeitig weist er aber auch darauf hin, dass insbesondere konservative Kräfte der etablierten Macht die berechtigte Frage stellen könnten, ob man diesem Recht einen absoluten Wert beimessen muss, auch weil seine Umsetzung mit Problemen einhergehen kann.

    Alexander Balthasar, Privatdozent für Verfassungsrecht und Allgemeine Staatslehre an der Karl-Franzens-Universität Graz, deutet das Buch unter anderem als Indiz dafür, dass auch in Südtirol die nach dem Ersten Weltkrieg »von Europäern Europäern geschlagenen Wunden noch nicht verheilt« seien. Unter anderem auch der Misserfolg der Tschechoslowakei gehöre »in diese desaströse Bilanz damaliger, jedoch sichtlich bis heute fortwirkender Hybris.« Es sei

    sicherlich richtig, dass das völkerrechtliche Recht auf Selbstbestimmung (in letzter Konsequenz: Sezessionsrecht) ein kontinuierliches Recht darstellt, es daher keiner Bevölkerung a limine [also von vornherein] verwehrt sein darf, immer wieder aufs [N]eue eine Situation zu bewerten und gegebenenfalls ein Sezessionsbegehren zu stellen, das dann auch zivilisierter Behandlung zugeführt werden sollte. Darauf hingewiesen zu haben, ist ein durchaus nicht selbstverständliches Verdienst der Autoren.

    Und es ist sicherlich auch richtig, dass gerade unter dem gemeinsamen Dach der Europäischen Union (unter dem die Autoren Südtirol weiter wohnen lassen möchten) auch einzelne kleinere “unionsunmittelbare” Einheiten nicht nur existieren, sondern auch prosperieren können. Die Autoren haben den diesbezüglichen Nachweis in durchaus seriöser Weise — mit Argumenten, Zahlen, Fakten — zu führen versucht; auch hierfür gebührt den Autoren Dank.

    – Alexander Balthasar

    Kursivschrift aus dem Original übernommen

    Darüber hinaus gibt Balthasar jedoch auch zu bedenken, dass gerade Kleinstaaten auf eine »besonders leistungsfähige Unionsebene angewiesen wären«, woraus er ableitet, dass Südtirol dann »lediglich die eine Zentrale (Rom) gegen eine andere, vielleicht sogar leistungsfähigere/selbstbewusstere/eigenwilligere und überdies weiter entfernte (Brüssel)« eintauschen würde. Man könnte hier allerdings einwerfen, dass Kleinstaaten gerade aufgrund dessen, dass sie eine leistungsfähige Unionsebene benötigen, die überzeugteren Partner und Garanten im europäischen Einigungsprozess wären — und dass die Eigenstaatlichkeit viel mehr als einen Tausch von Rom mit Brüssel darstellen würde, nämlich die Überwindung der noch immer sehr bestimmenden mononationalen Ebene (vgl. 01) zugunsten eines vielfältigen, Südtirol wesentlich kongenialeren Gebildes. Gerade aufgrund der unter anderem sprachlich-kulturellen Besonderheiten unseres Landes steht wohl auch nicht zu befürchten, dass sich letztendlich rund 900 unionsunmittelbare Einheiten1450 Mio. Einwohnerinnen geteilt durch die Einwohnerzahl Südtirols herausbilden könnten, wie Balthasar warnend in den Raum stellt. Dieses als Bedrohung gemeinte Szenario schwächt er allerdings auch selbst wieder ab, indem er die Möglichkeit einer Neu- bzw. Umgliederung im Sinne eines Gemeinschaftsprojekts von Nord-, Ost-, Südtirol sowie Trentino2»vielleicht abgerundet noch durch Vorarlberg und Liechtenstein« in den Raum stellt. Er fragt sich, ob ein solcher Vorschlag nur »aus vorauseilender politischer Klugheit« nicht schon im Buch enthalten ist.

    Hier besteht in der Tat im Unionsrecht noch eine Regelungslücke für geordnete künftige Statusverbesserungen innerhalb eines Mitgliedsstaates ebenso wie für Umgliederungen des Unionsgebietes mit Auswirkungen auf das Gebiet bzw die Struktur der bestehenden Mitgliedsstaaten. Diese Lücke sollte man vorrangig zu schließen suchen — auch auf diesen Mangel aufmerksam gemacht zu haben, ist kein geringes Verdienst der Initiative.

    – Alexander Balthasar

    Nicht uninteressant ist übrigens, dass Balthasar eine Aufnahme Südtirols als Kanton in die Schweiz (als Alternative zu einer allfälligen Angliederung an Österreich, mit der sich das Buch nicht befasst) als zusätzliche Möglichkeit ins Spiel bringt.

    Christian Tomuschat, emeritierter Professor für öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Humboldt-Universität Berlin, Mitglied des Institut du Droit international, ehemaliges Mitglied des UN-Menschenrechtsausschusses und der UN-Völkerrechtskommission, billigt dem Werk den »erheblichen Vorteil« zu

    dass es von einem Standpunkt objektiver Neutralität her gedacht worden ist, obwohl das angestrebte Ziel, die Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Sezession, von vornherein klar umrissen worden war. So ist vor allem eine wertvolle Bestandsaufnahme entstanden. Die Einzelstudien zeigen, welche Lebenskraft Südtirol besitzt und welche Entwicklungsmöglichkeiten hin zu einem friedlichen Ausgleich ihm innewohnen. Das Fazit lautet: Südtirol kann Staat!

    Das Werk kann allen italienischen Politikern empfohlen werden, die sich mit dem Fragenkomplex Südtirol auseinanderzusetzen haben. Was die Studie an Mängeln im staatlichen Institutionengefüge und dessen Verfahrenswegen aufweist, sollte ihnen jedenfalls ein Ansporn sein die gebotenen Reformprozesse einzuleiten. Insofern ist schade, dass bisher nur eine deutsche Sprachfassung der Studie vorliegt.

    – Christian Tomuschat

    Allerdings ist bereits eine Übersetzung in Arbeit. Abschließen möchte ich diese Sammlung von Rezensionsauszügen mit dem Fazit von Michael Geistlinger, der bemerkt, dass die 40 Fragen und Antworten im Buch zeigen

    dass es den Autorinnen und Autoren in erster Linie darum geht, Ängste abzubauen und unmöglich Scheinendes als gar nicht gewagt und durchaus machbar darzustellen. Zur Schau gestellte und von der Autonomen Provinz Bozen Südtirol geförderte Sachlichkeit lassen Phantasie, Wunschdenken und anvisierte Realität miteinander verschmelzen. Südtirol scheint noch nicht an einem Endpunkt seiner Entwicklung angelangt. Man darf gespannt sein, wie sich Wünsche realisieren werden, muss aber gleichzeitig hoffen und verlangen, dass Augenmaß, Behutsamkeit und bedingungslose Gewaltlosigkeit über allem stehen bleiben.

    – Michael Geistlinger

    Dieser Forderung kann ich mich vollinhaltlich anschließen.

    Geistlinger ist außerordentlicher Universitätsprofessor für Völkerrecht, Rechtsvergleichung auf dem Gebiet des Verfassungs- und Verwaltungsrechts sowie Osteuropäisches Recht an der Universität Salzburg.

    Der Publikation scheint es tatsächlich gelungen zu sein, eine qualifizierte, fachlich fundierte Debatte über die Zukunftsentwicklung Südtirols anzustoßen und originelle Sichtweisen einzubringen. Allein schon deshalb dürfte sich der Aufwand gelohnt haben.

    Siehe auch: 01 02 03

    • 1
      450 Mio. Einwohnerinnen geteilt durch die Einwohnerzahl Südtirols
    • 2
      »vielleicht abgerundet noch durch Vorarlberg und Liechtenstein«


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  • eGovernment: Zugang zu kompliziert.

    Autor:a

    ai

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    2 Comentârs → on eGovernment: Zugang zu kompliziert.

    Italien ist kein Meister der Digitalisierung von Verwaltungsabläufen und schon gar nicht der Vereinfachung und Entbürokratisierung. Verfahrensänderungen werden zudem oft nach der Vogel-friss-oder-stirb-Logik umgesetzt. Vor wenigen Tagen hat das Astat neue Daten über die Zufriedenheit der Bürgerinnen mit den öffentlichen Diensten 2023 ( Astat-Info 01/24) veröffentlicht, die auch eine Bewertung von eGovernment-Diensten beinhalten. Obschon 68% der Befragten angaben, Informationen via Internet einzuholen1Im Jahr 2018 waren es 59% gewesen. und 61% bereits Formulare im Netz ausgefüllt hatten2Im Jahr 2018 waren es 40% gewesen., wurden die Zugriffsmöglichkeiten von der Mehrheit negativ bewertet. Weniger als die Hälfte der Antwortenden (ohne »weiß nicht«) stufte den Zugang zu den Onlinediensten als »einfach« ein (48%), während ihn 52% als schwierig (davon 44% »schwierig« und  8% gar »sehr schwierig«) bezeichneten. Dass die meisten Zugangstechnologien (ÖSDI, EIK…) i.d.R. weder bei der Registrierung noch bei der Anmeldung auf Deutsch verfügbar sind (vgl. 01), dürfte nicht zu Bürgerfreundlichkeit und Einfachheit beitragen.

    Wenn aber ein erheblicher — in diesem Fall sogar mehrheitlicher! — Teil der Bevölkerung den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen als (zu) hochschwellig betrachtet, ist das diskriminierend und für ein modernes Gemeinwesen höchst besorgniserregend. Dies gilt umso mehr, wenn digitale Wege nicht nur eine Ergänzung darstellen, sondern traditionelle Kontaktmöglichkeiten zur öffentlichen Verwaltung immer mehr ganz verdrängen. Schon ist zu beobachten, dass in manchen Bereichen einfach für immer mehr Verfahren Dienstleister (Agenturen für Kfz-Angelegenheiten, Gewerkschaften etc.) zwischen Bürgerin und Verwaltung geschaltet werden, was für die Bürgerinnen allerdings auch mit Kostenerhöhungen und dem Verzicht auf einschlägige Rechte (z.B. Zweisprachigkeit) einhergeht. Nicht zuletzt gilt stets zu bedenken, dass digitale Verfahren in vielen Fällen »determinativer« sind, da Onlineformulare nur so ausgefüllt werden können, wie es von der Behörde im Vorfeld festgelegt wurde. Der Raum, um auf Unvorhergesehenes zu reagieren, etwas mit den Beamten zu besprechen und zu verhandeln, sich nach der Art erwünschten Information zu erkundigen oder Felder (wo nicht a priori vorgesehen) einfach freizulassen, wird deutlich eingeengt. Kurzum: Der Mensch hat sich immer häufiger der Maschine und auch mehr als bisher dem bürokratischen Verfahren anzupassen als andersrum.

    So gesehen ist Digitalisierung Fluch und Segen zugleich. Die (technologischen, sprachlichen…) Zugangsschwellen sollten also bei Onlineverfahren so niedrig wie möglich gestaltet, der Zugang zu menschlichen Ansprechpartnerinnen gewährleistet und traditionelle Verfahren in Präsenz möglichst dezentral aufrecht erhalten werden.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 || 01 02

    • 1
      Im Jahr 2018 waren es 59% gewesen.
    • 2
      Im Jahr 2018 waren es 40% gewesen.


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  • Verbotene deutschsprachige Begrüßung.
    FdI-Intoleranz

    Das war mir tatsächlich entgangen: Im September 2018 stattete der damalige EU-Kommissar für Haushalt und Personal, Günther Oettinger, den vereinigten Bilanzkommissionen des italienischen Parlaments (Abgeordnetenhaus und Senat) einen Besuch ab. Als ihn Senator Dieter Steger (SVP) kurz auf Deutsch begrüßte, kam es zum Eklat. Mehrere Vertreterinnen von FdI gingen auf die Barrikaden und beschimpften den Südtiroler für seine Geste. »Siamo in Italia!« Und als Steger den Ausschussvorsitzenden Claudio Borghi von der Lega um Unterstützung bat, ließ der ihm auch noch kurzerhand das Mikrofon abdrehen.

    Dieser Vorfall erzählt mehr über die Gesinnung der illiberalen Fratelli, mit denen die SVP nun eine Landesregierung bilden wird, als ihnen lieb sein könnte: Da geht es natürlich hauptsächlich um Minderheitenfeindlichkeit — wenn einem Senator verboten wird, in seiner eigenen Muttersprache und der der Mehrzahl von Bürgerinnen, die er vertritt, in offiziellem Umfeld auch nur ein paar Worte zu von sich zu geben. Es geht aber auch um die grundsätzliche Ablehnung alles Fremden und Anderen (selbst wenn es volens nolens zu Italien gehört), um die Unterdrückung einer institutionellen Freundlichkeitsgeste gegenüber einem europäischen Gast und um die Negierung des europäischen Gedankens; sowie nicht zuletzt auch um Heuchelei, wenn wir bedenken, dass dieselben Rechtsrechten sich hier in Südtirol seit Jahren als große Befürworterinnen der Mehrsprachigkeit aufspielen. Dabei geht es ihnen nicht um die Mehrsprachigkeit an sich, sondern — mit anderen Mitteln — noch immer um ähnliche Ziele wie vor hundert Jahren (vgl. 01 02). Während andere Nationalstaaten allmählich ihre Parlamente explizit für Minderheitensprachen öffnen (vgl. 01 02), also Schritte in Richtung Verständigung machen, stehen die Fratelli für den ungeschminkten, rauen Nationalismus, der noch nicht einmal ein Grußwort in einer anderen Sprache als der nationalen duldet.

    Und all das wird durch die neue Regierungskoalition normalisiert und verharmlost.

    Siehe auch: 01 02 03 04 05 06 07



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  • PISA 2022: Südtirol im Vergleich.

    Autor:a

    ai

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    0 Comentârs → on PISA 2022: Südtirol im Vergleich.

    Anfang Dezember wurden die Ergebnisse der letzten PISA-Studie veröffentlicht, die aufgrund der Corona-Pandemie ein Jahr später als geplant (nämlich 2022) durchgeführt wurde. Der Schwerpunkt der Erhebungen lag diesmal bei Mathematik.

    Die Südtiroler Schulen mit deutscher Unterrichtssprache erzielten — wie schon in den vorhergehenden Testrunden — gute Ergebnisse, wiewohl im Vergleich zu 2018 ein Rückgang zu verzeichnen war. Am deutlichsten fiel das Minus in Mathematik aus (-42 Punkte), weniger ausgeprägt im Lesen (-15) und in den Naturwissenschaften (-1). Allgemein lagen die Leistungen in vielen teilnehmenden Ländern und Regionen unter denen der letzten Erhebung, was auch eine Folge der Pandemie (Fernunterricht, Schulschließungen etc.) sein dürfte.

    zum Vergrößern anklicken

    Während die Südtiroler Schulen mit italienischer Unterrichtssprache auf relativ niedrigem Niveau (in allen Bereichen unter dem OECD- und auch unter dem staatsweiten Durchschnitt) ziemlich stabil blieben, gab es bei den Schulen der ladinischen Ortschaften im Vergleich zu 2018 eine sehr deutliche Verschlechterung: In Mathematik war der Rückgang (-79 Punkte) besonders ausgeprägt, im Lesen (-54) und in den Naturwissenschaften (-36) etwas weniger. Die Daten für die ladinischen Schulen sind jedoch aufgrund der kleinen Stichprobe nicht repräsentativ.

    Die Schulen mit deutscher Unterrichtssprache liegen in sämtlichen Bereichen — teils mehr, teils minder deutlich — über dem OECD-Durchschnitt und auch über den Ergebnissen von Österreich, Deutschland und Italien. Mit der Schweiz und dem ebenfalls starken Trentino liegt die deutsche Schule in Südtirol in etwa gleichauf. Auch insgesamt (also im Durchschnitt der deutschen, italienischen und ladinischen Schulen) befindet sich Südtirol in allen Bereichen über dem OECD-Durchschnitt.

    Siehe auch: 01 02

    Hinweis: Für Nord-/Osttirol liegen keine gesonderten Daten vor.



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